„Die Militarisierung ist nicht der Weg um die politische Krise Mexikos zu meistern.“

von Mike Whitney

(Fortaleza, 05. Januar 2010, adital).- Interview mit Laura Carlsen über die Rolle von Obama bei der Militarisierung Mexikos.

– Können Sie erklären was der Plan México ist und wie er mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) zusammenhängt?

Laura Carlsen: Der Mexiko-Plan, auch Initiative Mérida genannt, ist ein von der Bush-Regierung ausgearbeiteter und im Oktober 2007 vorgestellter Dreijahresplan für eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der regionalen Sicherheit. Der Plan entstand durch die Ausweitung der NAFTA auf Sicherheitsfragen, bekannt als Nordamerikanische Allianz für Sicherheit und Wohlstand ASPAN (Alianza para la Seguridad y Prosperidad de América del Norte). Eigentlich sollte der Mexiko-Plan im Rahmen des Gipfels der drei ASPAN-Mitgliedsstaaten verkündet werden, was aber aufgeschoben wurde. Er wird dargestellt als Antrag des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón auf US-Hilfe im Anti-Drogenkampf, aber in Wirklichkeit wurde er in Washington vorbereitet als eine Erweiterung des Sicherheitsgebietes der USA; das heißt, Mexiko sollte sich um die Sicherheitsprioritäten der USA kümmern unter Einbeziehung der polizeilichen Kontrollen an der Südgrenze und ermöglichen, dass Sicherheitsfirmen und US-Agenten an mexikanischen Geheimdienst- und Sicherheitsoperationen teilnehmen konnten. Der Mexiko-Plan veranschlagte 1,4 Mrd. US-Dollar, vornehmlich vorgesehen für ausländische Militärfinanzierung. Er wird beschrieben als ein Vorschlag bestehend aus „Drogenbekämpfungs-Einheiten, Anti-Terror-Einheiten und Grenzschutz.“

-Nach seiner Wahl zum Präsidenten begann Felipe Calderón das Militär im sogenannte Krieg gegen die Drogen einzusetzen. Seitdem gab es einen ständigen Anstieg der eingesetzten Truppen und eine Eskalation der Gewalt. Welche Rolle spielt Washington in dieser andauernden Operation zur Aufstandsbekämpfung?

LC: Die Obama-Regierung hat den Plan unterstützt und sogar vom Kongress zusätzliche Mittel beantragt und bekommen, mehr als das, was die Regierung Bush beantragt hatte. In den drei Jahren seitdem Calderón den Krieg gegen die Drogen in Mexiko mit der Unterstützung der USA begann, hat die Gewalt im Drogengeschäft um mehr als 15.000 Hinrichtungen zugenommen und die Berichte über Menschenrechtsverletzungen haben sich versechsfacht. Mehr als 45.000 Soldaten wurden in Gemeinden und auf der Straße in ganz Mexiko stationiert. Washington räumt ernste Probleme mit dem Modell des Anti-Drogenkrieges ein, besteht aber absurderweise darauf, dass die Zunahme der Gewalt in Mexiko ein gutes Zeichen sei. Denn es zeige, dass die Kartelle unter Druck gesetzt seien, so das Argument. Der Plan an sich beinhaltet kein wirkliches Kriterium, an dem die Leute sehen können, ob er erfolgreich ist oder nicht. Und zwar damit er trotz seines Scheiterns weiterhin finanziert werden kann.

Vor der Vergabe von 15 Prozent der Mittel wurde beim Innenministerium (Departamento de Estado) ein Menschenrechtsbericht angefragt, der vergangenen Sommer schließlich vorgelegt wurde. Doch obwohl der Bericht fehlende Fortschritte im Bereich der Menschenrechte kritisierte (unter Einbeziehung von Berichten über ungestrafte Folter, fehlende zivile Rechtsprechung für Militärangehörige, Ermordung von Zivilisten und Korruption), genügte die simple Tatsache, dass der Bericht vorgestellt worden ist, um die Geldmittel zu bewilligen.

Bis jetzt gelten diese Maßnahmen noch nicht als Aufstandsbekämpfung, weil es in Mexiko keine allgemeine Aufstandsbewegung gibt. Aber die Angriffe in den letzten Jahren auf führende Oppositionsfiguren der Basis lassen befürchten, dass diese bereits Zielobjekt der zunehmend militarisierten Gesellschaft sind.

-In Ihrem Artikel sagen Sie, dass die Initiative Mérida die direkte Konsequenz der nationalen Sicherheitsdoktrin ist, welche Mexiko in den bilateralen Beziehungen aufgezwungen wurde. Bedeutet dies, dass die Bush-Regierung den Krieg gegen die Drogen und den Terror benutzt hat, um die wirklichen politischen Zwecke zu verschleiern? Wenn ja, welche Zwecke wären das?

L.C.: Die Bush-Regierung hat das Paradigma des Antiterrorismus dazu benutzt, die US-Präsenz in strategischen Gebieten auszudehnen. In Mexiko ging es um den Abschluss lukrativer Verträge im Verteidigungs- und Geheimdienstbereich, indem man der rechtsgerichteten Regierung geholfen hat; denn diese hatte aufgrund der unaufgeklärten Betrugsvorwürfe bei den Wahlen 2006 immer noch mit ernsthaften Legitimationsproblemen zu kämpfen.

-Gibt es Geheimdienste, Spezialkräfte oder Söldner aus den Vereinigten Staaten, welche Kommandos zur Aufstandsbekämpfung in Mexiko durchführen? Bittet man Mexiko, diese US-Kommandos mit Hilfe von Sicherheitsverträgen bzw. Handelsabkommen zuzulassen?

L.C.: Mexiko duldet keine US-Soldaten auf seinem Territorium. Dennoch gibt es eine steigende Präsenz der Drogenbekämpfungsbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) sowie anderer US-Agenten im Land, ebenso privater Sicherheitsunternehmen. Wir haben keine ausreichenden Möglichkeiten, um diese Präsenz und die Aktivitäten dieser für Sicherheitsmaßnahmen und Trainingszwecke unter Vertrag genommenen privaten Firmen zu überwachen. Das ist ein schwerwiegendes Problem.

-Was für Auswirkungen hatte die Militarisierung bisher auf die politische Meinungsäußerung? Wie sind die Basisorganisationen, Gewerkschaften und indigenen Gruppen betroffen? Gab es einen Anstieg der Gewalt in Zusammenhang mit den Militärs, wie z.B. Vergewaltigungen, körperliche Misshandlungen, Folter und Morde?

L.C: Es gab eine Zunahme der Menschenrechtsverletzungen durch das Militär. In einigen Regionen wurden Dissidenten vom Militär angegriffen. Frauen, Indigene, Migranten, Dissidenten und Jugendliche sind besonders verletzbar.

(Notiz: „Die Militarisierung Mexikos hat zu einem starken Anstieg der Morde in Verbindung mit dem Anti-Drogenkrieg geführt. Sie hat zu Vergewaltigungen und Missbrauch der Frauen durch Soldaten in Gemeinden im ganzen Land geführt. Die Menschenrechtsbeschwerden gegen die Streitkräfte haben sich versechsfacht. Die mexikanischen Streitkräfte unterliegen nicht dem Zivilrecht, sondern ihren eigenen Militärtribunalen, die nur in seltenen Fällen Urteile verhängen.“ Aus: The Perils of Plan Mexico“, Laura Carlsen, Counterpunch).

Mehr als 50 mexikanische Menschenrechtsorganisationen haben beim US-Kongress eine Petition eingereicht, damit dieser der Initiative Mérida seine Unterstützung entzieht. Wörtlich heißt es: „Mit vollem Respekt bitten wir darum, dass der Kongress der Vereinigten Staaten und das Innenministerium den Streitkräften keine Mittel oder Direktprogramme zuweist, weder im Rahmen der Initiative Mérida noch in anderen Programmen für die öffentliche Sicherheit in Mexiko (…) Wir bitten die Vereinigten Staaten dringendst, die Unterstützung einer ganzheitlichen Lösung des Sicherheitsproblems in Betracht zu ziehen, die sich mit den Ursachen der Gewalt beschäftigt, sowie auf dem Respekt der Menschenrechte basiert und nicht auf der Logik des Krieges.“

-Haben Sie irgendeine Besserung oder Veränderung der Politik seit der Wahl Obamas beobachtet?

L.C: Nein. Die Regierung hat dem gescheiterten Anti-Drogenkrieg ihre volle Unterstützung ausgesprochen. Aber es gibt Anzeichen einer Reform der nationalen Drogenpolitik, die Auswirkungen auf die ausländischen Bemühungen haben könnte. Die Rhetorik von der „Mitverantwortung“ ist nicht wirklich neu, und den Bemühungen, dem Waffenschmuggel sowie der Nachfrage nach Waffen beizukommen folgte keine neue Politik. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf Militär und Gewalt, ohne dass irgendwelche Mittel in den Plan Mérida für eventuelle Gesundheitsprogramme wie Behandlung oder Prävention von Drogenabhängigkeit geflossen wären.

Laura Carlsen ist Direktorin des Americas Policy Program in Mexiko-Stadt. Sie studierte Denken und soziale Institutionen an der Universität Stanford, an der sie auch einen Master in Lateinamerikanischen Studien absolvierte. Sie lebt seit 1986 in Mexiko.

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