Proteste gegen Privatisierung des Erdölkonzerns YPF in Salta

von Raquel Schrott und Ezequiel Miodownik (Bioversidadla) für Adital

(Fortaleza, 30. Januar 2009, adital).- Im Morgengrauen des 26. Januar 2009 beschlossen Hunderte Arbeitslose des Bezirks San Martín in der argentinischen Provinz Salta, die Zufahrtstraßen zum multinationalen Konzern Pan American Energy an fünf verschiedenen Stellen zu blockieren. Ihre Forderung: Arbeitsplätze für die Frauen und Männer der Region. Nach der Privatisierung des argentinsichen Erdölunternehmens YPF ist der Lebensstandard der Menschen in der Provinz aufgrund der zunehmenden Arbeitslosigkeit erschreckend gesunken. Mit einem Monatsbudget von 150 Pesos (etwa 33,50 €) wird das Überleben zum Problem.

Verschiedene Arbeitslosenorganisationen, darunter die Mesa Coordinadora de Desocupados, die Agrupación y Cooperativa 17 de Octubre, die Ex-Ypefianos (ehemalige YPF-Arbeiter*innen) und die UTD (Unión de Trabajadores Desocupados) Mosconi, forderten ihre Arbeitsplätze zurück, die sie durch die Privatisierung verloren hatten.

Während Sicherheitskräfte bereits mit Räumung drohten, um die Protestierenden einzuschüchtern, konnte die Nachrichtenagentur Biodiversidadla mit Adriana von der Gruppe Agrupación y Cooperativa 17 de Octubre über die schwierige und prekäre Situation reden, in der die Menschen der Region sich derzeit befinden.

Adriana: Diese Aktion ist ein Resultat der Ereignisse der letzten Monate. Wir haben uns jetzt entschlossen zu kämpfen, da die Regierung uns seit Monaten hinhält und uns nichts darüber erzählt, worauf sie sich mit Pan American Energy geeinigt hat. Pan American ist eins der Unternehmen, die hier in der Gegend für Repsol produzieren. Wir fordern Arbeitsplätze für die verschiedenen Arbeitslosenorganisationen des Bezirks, wir wollen Arbeit für die Frauen und Männer, die hier leben. Diese Konzerne verschleudern unsere Ressourcen, unsere nicht erneuerbaren Reserven, sie lassen uns nichts übrig, und nicht nur das: Sie richten in unserem Land einen Mord an. Unsere Kameradinnen und Kameraden aus den indigenen Gemeinden befinden sich im Kriegszustand. Unser Kampf hat Montagfrüh, den 26.1., begonnen, wir haben verschiedene Straßensperren eingerichtet. Da, wo ich bin, in San Pedrito, sind wir ungefähr 120, 130 Leute. Die meisten sind Frauen. Arbeitslose Frauen, die gegen diese Konzerne protestieren, weil die sich unsere Bodenschätze aneignen und uns nichts übrig lassen, gar nichts. Seit der Privatisierung von YPF ist diese Region wirtschaftlich am Ende, und keine Regierung, nicht die von früher und auch nicht die aktuelle, ergreift ernsthafte Maßnahmen, um die Wirtschaft in unserer Stadt wiederzubeleben.

Frage: Die Privatisierung von YPF hat also zu Massenarbeitslosigkeit unter den Leuten hier in der Gegend geführt?

Adriana: Genau. Für uns hier in San Martín war es der wirtschaftliche Exitus, der totale Niedergang. Wir wissen, dass die YPF-Arbeiter*innen Anteilseigner*innen sind. Ihnen gehören 10 Prozent des Gesellschaftsvermögens, und dann wurde der Konzern privatisiert. Das will die Regierung nicht anerkennen. Jetzt kämpfen wir alle gemeinsam, ehemalige YPFler*innen und Arbeitslose. Zwischen Tartagal und Mosconi, zwei Städte, die ungefähr 5 oder 7 Kilometer auseinander liegen, sind fünf Straßensperren errichtet worden.

Frage: Welche Organisationen nehmen an den Blockaden teil?

Adriana: Im Wesentlichen sind es zwölf Organisationen, die die Zufahrtsstraßen zu Pan American Energy blockieren. Wir wurden aufgefordert, die Straßen wieder freizugeben, obwohl die Regierung noch immer nicht mit dem Konzern in Verhandlung getreten ist und wir immer noch keine klare Antwort haben. Da sieht man mal wieder, dass die Justiz sich immer auf die Seite der Mächtigen stellt.

Frage: Wie sind die Lebensbedingungen seit der Privatisierung von YPF?

Adriana: Die Arbeitslosenquote beträgt 70 Prozent. Wir müssen mit 150 Pesos auskommen, hier und da hat einer vielleicht noch ein bisschen extra, und dann gibt es jetzt auch noch die Sozialkarte, einen Zuschuss von 50 Pesos (ca. 11,17 €), den die Provinzregierung sich ausgedacht hat, aber ich glaube, allen ist klar, dass man davon keine Familie ernähren kann, nicht mal ansatzweise. Ein Liter Öl kostet zwischen 5 und 7 Pesos, ein Kilo Mehl 2 Pesos, ein Kilo Reis 3,60 oder 4, je nachdem, wo man kauft. Wie soll man davon eine Familie ernähren? In den Städten ist es anders, aber hier in der Gegend haben die Familien fünf oder sieben Kinder, oder sogar acht. Mindestens drei auf jeden Fall.

Frage: Du hast vorhin gesagt, dass sich auch indigene Gemeinden aus der Region mit euch solidarisieren und euren Kampf unterstützen?

Adriana: Ja, es gibt Gemeinden in Piquirenda, in Yacuy, in meiner Gruppe sind mehrere Indígenas, Toba, Wichí, Guaraní. Die meisten sind Frauen, aber es gibt auch ein paar Männer. Ich glaube, dass diese ganzen Rohstoffe, die die Konzerne uns seit Jahren stehlen, eigentlich ihnen gehören. Niemand überwacht das, was hier passiert. Für uns gibt es Gesetze und Strafen, uns werfen sie ins Gefängnis, wenn wir für unsere Rechte kämpfen und fordern, was uns gehört. Wir verlangen ja nicht einfach irgendwas, sondern nur, was uns von Rechts wegen zusteht. Denn diese Firmen übernehmen den Betrieb und bringen eigene Leute mit, so als gäbe es hier keine Fachkräfte, die nun Däumchen drehen müssen, weil die Arbeit andere machen.

Frage: Vielen Dank für das Gespräch. Möchtest du sonst noch irgendwas loswerden?

Adriana: Ja. Ich möchte sagen: Seit dem Tag, als YPF geschlossen wurde, leiden wir hier unter Morden. Es wurden Kameraden von uns auf den Straßen ermordet, und jetzt kommen sie, um uns einzuschüchtern, damit sie uns besser räumen können. Ich habe Angst, dass sich in Tartagal und Mosconi das wiederholt, was 1997 und 1998 passiert ist. Die Menschen haben nicht viel zu verlieren und sind zur Konfrontation bereit. Soweit wollten wir es nicht kommen lassen, und wir hoffen, dass die Provinzregierung einschreitet. Wir vertrauen auf ihr Versprechen, dass sie alles so machen werden, wie sie es gesagt haben. Sie haben versprochen, dass sie vermitteln werden, damit es nicht soweit kommt. Wir glauben, dass es jetzt anders ist, denn es ist eine Regierung, die wir unterstützt und der wir vertraut haben. Und wir hoffen, dass es wirklich „den Wandel“ gibt für uns, für die Menschen aus Tartagal und aus dem Bezirk San Martín, die seit Jahren übergangen und benachteiligt werden.

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