Poonal Nr. 802

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 10. Juni 2008

Inhalt


MEXIKO

NICARAGUA – COSTA RICA

JAMAIKA

KOLUMBIEN

BOLIVIEN

PERU

LATEINAMERIKA – USA


MEXIKO

Junta der Guten Regierung verurteilt Einfall der mexikanischen Armee

(Fortaleza 6. Juni 2008, adital-poonal).- Die zapatistische Junta der Guten Regierung (Junta de Buen Gobierno) hat in Erklärungen die Provokationen der Regierung Mexikos sowie der Regierung von Chiapas zurückgewiesen. Die Junta verurteilt, dass am 4. Juni mehr als 200 Kräfte von Armee, Generalstaatsanwaltschaft und der Polizei des Bundesstaates Chiapas sowie lokale Polizeikräfte von Chiapas in das zapatistische Gebiet La Garrucha unter dem Vorwand eindrangen, man suche illegale Marihuanafelder.

„Diese Aktion zielt darauf ab, die Junta und die zapatistischen Gemeinden einzuschüchtern und ist eine offene Provokation gegen das Zapatistische Befreiungsheer EZLN“, so die Junta. Die EZLN halte sich seit 14 Jahren daran, auf friedlichem Wege ihren Protest und ihre Ablehnung der Unterdrückung zum Ausdruck zu bringen.

Die Junta ruft alle Menschen der Otra Campaña und alle Personen generell dazu auf, tätig zu werden angesichts der Drohung von Armee und Polizei, in 15 Tagen kehrten sie zurück und würden die Ortschaft in einer Offensive einnehmen. „Wir müssen uns mobilisieren, damit die Verfolgungen und die Provokationen gegenüber den zapatistischen Gemeinden nicht weitergehen“, heisst es in der Junta-Erklärung.

Anmerkung der Redaktion: Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas mit Sitz in San Cristobal de las Casas hat in den letzten Tagen darauf hingewiesen, dass es auch in anderen zapatistischen Gemeinden immer wieder zu Polizei- und Militäraktionen kommt. So versuchte die Armee am 29. Mai, mit neun Fahrzeugen in die Gemeinden El Carrizal, Chulná und Río Florida einzudringen. Begleitet wurden sie von drei Fahrzeugen der Bundespolizei (Policía Estatal Preventiva) und lokalen Polizeikräften aus Ocosingo. Armee und Polizei wurden am Vordringen gehindert, u.a. durch Frauen der Bauernorganisation Emiliana Zapata OCEZ (Organización Campesina Emiliano Zapata). Auch hier gab die Armee an, man sei auf der Suche nach Marihuanafeldern.

Verdreifachung der Frauenmorde im Bundesstaat Mexiko

Von Alberto Vega

(Montevideo, 26. Mai 2008, comcosur).- Die Anzahl der Frauenmorde hat sich im Bundesstaat Mexiko, der den Hauptstadtdistrikt umgibt, in den letzten sechs Jahren verdreifacht und damit selbst die Situation in Ciudad Juárez, im Bundesstaat Chihuahua, übertroffen. Dies gab die Parlamentsabgeordnete der Partei der Demokratischen Revolution PRD (Partido de la Revolución Democrática), Alliet Bautista Bravo, bei einem Treffen der Parlamentarischen Sonderkommission zur Erarbeitung von Maßnahmen und zur juristischen Aufklärung von Frauenmorden mit der Sonderstaatsanwältin für Straftaten gegen Frauen und Menschenhandel Fevimtra (Delitos de Violencia Contra las Mujeres y Trata de Personas), Guadalupe Morfín Otero, bekannt. Bautista Bravo nannte während des Zusammentreffens konkrete Zahlen. Demnach stehen 32 dokumentierten Frauenmorden im Jahr 2002 nun 158 Fälle für 2007 gegenüber.

Die Politikerin forderte die Sonderstaatsanwältin dazu auf, diese Situation grundlegend zu untersuchen. Zudem verwies sie auf einen Bericht der Sonderstaatsanwaltschaft für Frauenmorde des Bundesstaates Mexiko, in dem von 401 Morden im Zeitraum von 2005 bis 2007 die Rede ist.

„Bis Oktober 2007 sind nur 21 der für die Frauenmorde verantwortlichen Täter bestraft worden, mehr als die Hälfte der dokumentierten Fälle sind bis heute nicht aufgeklärt“, so Bautista Bravo. Den Angaben der Abgeordneten zufolge wurden 30 Prozent der Fälle im Osten des Bundesstaat verübt. Für den Zeitraum von 2006 bis 2007 wurden bei der Unterstaatsanwaltschaft Nezahualcóyotl 49 und bei der Unterstaatsanwaltschaft Ecatepec 46 Mordfälle registriert. Bei diesen beiden Gebieten handelt es sich um urbane Erweiterungen der Hauptstadt, in denen miserable Lebensbedingungen vorherrschen und der Alltag sehr von Gewalt geprägt ist.

Nach Angaben der Abgeordneten waren im Jahr 2006 vor allem Mädchen und Frauen im Alter zwischen 11 und 20 Jahren gefährdet; 36,2 Prozent der Opfer waren allein stehend; Hausfrauen machten 28 Prozent der Fälle aus, Schülerinnen und Studentinnen 10,9 Prozent.

Die Vorsitzende der parlamentarischen Sonderkommission, Sofia Castro Romero von der rechtskonservativen Partei der Nationalen Aktion PAN (Partido Acción Nacional), äußerte hingegen, das Thema werde teilweise aufgebauscht, und selbst Fälle, die nichts mit geschlechtsspezifischer Gewalt zu tun hätten, wie etwa Verkehrsunfälle, seien in die Statistiken einbezogen worden.

Castro Romero betonte, es sei wichtig, zwischen Feminiziden und normalen Totschlagverbrechen zu unterscheiden. Letztere dürften nicht in die Statistiken der Frauenmorde einfließen. Zudem sagte sie, die Sonderstaatsanwaltschaft arbeite heute deutlich engagierter und bewusster daran, den Faktoren, die zur Ermordung von Frauen führten, mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Viele Fälle würden jedoch irrtümlich mit Gewalt gegen Frauen verwechselt.

Bilanz der letzten sechs Jahre: Tote, Verschwundene und Zensur – Eine Anklage

Von Lourdes Godínez Leal

(Mexiko-Stadt, 29. Mai 2008, cimac-poonal).- Während der Regierungszeit der PAN (Partido Acción Nacional) von Vicente Fox und Felipe Calderón haben die Morde an Journalist*innen, die Anzahl der Verschwundenen und die Zensur in den Medien zugenommen. Nach Angaben verschiedener Berichterstatter sind allein in den ersten Monaten der Amtszeit von Calderón zehn Journalisten getötet worden und vier weitere verschwunden.

Anlässlich des 24. Todestages des am 30. Mai 1984 ermordeten Jornalisten Manuel Buendía demonstrierten Journalist*innen der Zeitschrift Zócala, die mexikanische Journalistengewerkschaft SNRP (Sindicato Nacional de Redactores de la prensa) sowie die Stiftung Manuel Buendía zusammen mit anderen Organisationen vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft und reichten im Verwaltungsbüro eine Erklärung ein.

Das Zentrum für Journalismus und öffentliche Ethik
CEPET (Centro de Periodismo y Ética publica) veröffentlichte im März diesen Jahres einen Bericht zum Thema Presse- und Redefreiheit. Im Bericht wird hervorgehoben, dass im Jahr 2007 52 Angriffe auf Journalist*innen registriert wurden, die Mehrzahl der Angriffe richte sich gegen Männer (in 82% der Fälle).

Die Journalistin Leonarda Reyes, Herausgeberin des Berichts, merkte an, dass dieses Verhältnis von Männern und Frauen vor allem dadurch zustande komme, dass Männer häufiger gewillt seien, sich der Gefahr auszusetzen. Frauen dagegen würden wegen ihrer kritischen Berichterstattung entlassen oder ihnen werde das journalistische Material beschlagnahmt. Auch Einschüchterungen von Seiten staatlicher Beamten wurden beobachtet.

Die versammelten Journalist*innen forderten von Felipe Calderón, vom Innenministerium, von der Generalstaatsanwaltschaft sowie von den Staatsanwälten der einzelnen Bundesstaaten die Aufklärung der Morde und das unversehrte Auftauchen der Verschleppten. Zudem verlangten sie die Einhaltung der von internationalen Menschenrechtsorganisationen gemachten Empfehlungen.

Die Journalist*innen warfen der Regierung vor, kein Interesse an der Aufklärung der 40 Morde zu haben, die sich seit der Legislaturperiode von Vicente Fox ereignet haben. Weiterhin wurden Garantien gefordert, die die Ausübung der Pressearbeit sicherer machen sollen.

Felipe Calderón wolle man klarmachen, dass die Kommunikationsmedien und die Journalist*innen nicht mit dem Klima der Gewalt einverstanden seien, das in Mexiko herrsche. In Mexiko sei die Zahl der Morde während dieser Legislaturperiode auf 4.152 angestiegen und allein in den letzten Tagen seien um die 15 Menschen pro Tag zu Tode gekommen.

„Señor Felipe Calderón, wir als Journalisten sind nicht verantwortlich für das Klima der Gewalt und Unsicherheit, das im Land herrscht und das zugenommen hat unter ihrer Regierung. Wir sind keine öffentlichen Ministerien, wir nehmen nicht Teil am Kampf gegen das Verbrechen, wir sind keine Rechtssprecher, und wir sind auch nicht verantwortlich für die Entscheidungen, die diese Regierung trifft. Wir tragen keine Waffen und sind auch keine Staatsfeinde. Wir sind Staatsbürger, die ihrer Arbeit nachgehen”, so das Protestschreiben der Journalist*innen.

Nach ihrem Bericht wurden 2007 fünf Reporter getötet. Drei sind verschwunden. 2008 wurden bisher fünf Journalist*innen getötet, ein Journalist ist verschwunden.

Während der letzten 18 Monate der PAN-Regierung von Calderón wurden ermordet: Felícitas Martínez und Teresa Bautista vom Radio “Voz Que Rompe el Silencio”, José Villanueva von der Zeitschrift “El Gráfico”, Bonifacio Cruz und Alfonso Cruz von der Zeitung “El Real”, Francisco Ortiz von der Zeitung “Diario de México”, Gerardo Israel García von der Zeitung “Opinión de Michoacán”, Amado Ramírez von TV-Sender “Televisa”, Saúl Noe Martínez von der Zeitung “Interdiario” und Raúl Marcial, ebenfalls von “El Gráfico”.

Verschwunden sind: Mauricio Estrada von der Zeitung “Opinión de Michoacán”, Gamaliel López und Gerardo Paredes von “TV Azteca Noreste” und Rodolfo Rincón Taracena von der Zeitung “Diario Tabasco Hoy”.

Im Menschenrechtsbericht für das Jahr 2008, der am 28. Mai von amnesty international präsentiert wurde, urteilt die Organisation, dass die Verbrechen kein Ende nähmen, wenn die Morde an Journalist*innen nicht verfolgt und bestraft würden.

Im internationalen Vergleich nimmt Mexiko den zweiten Platz unter den Ländern ein, die am gefährlichsten für die Ausübung des Journalistenberufes sind. Nur der Irak ist laut Reporter ohne Grenzen noch gefährlicher.

NICARAGUA – COSTA RICA

Nicaragua kritisiert Goldmine in Grenzregion

Von Torge Löding

(San José, 9. Juni 2008, voces nuestras).- Nicaraguas Regierung hat das Nachbarland Costa Rica aufgefordert, internationale Umweltschutzabkommen zu respektieren und die erteilte Konzession für den Goldminentagebau im Norden Costa Ricas zurück zu ziehen. Nicaraguas Umweltministerin Juana Argeñal bezeichnete Costa Ricas Entscheidung, dem kanadischen Minenkonzern Vanessa Ventures nach einem mehrjährigen Moratorium die Förderung in der Grenzregion Las Crucitas nun doch zu erlauben, als Gefährdung für den Grenzfluss San Juan, der durch mehrere internationale Abkommen geschützt wird. Insbesondere der Einsatz von Zyankali, Quecksilber und Blei zur Goldgewinnung im Zyanidlaugeverfahren zur Goldgewinnung gefährde das Gewässer. „Natürlich stelle ich nicht Costa Ricas Souveränität über seinen eigenen Boden in Frage, aber die Abkommen müssen respektiert werden, denn die Minenaktivität würde auch uns Schaden zufügen“, so die Umweltministerin hinzu.

Costa Ricas Außenminister Bruno Stagno wies den Appell indes als „unzulässig“ zurück. Das Minenprojekt „Las Crucitas“ sei ausführlich studiert worden, kein Abkommen werde durch seine Genehmigung verletzt. Außerdem habe Nicaragua selbst 60 Goldförderkonzessionen in anderen Regionen erteilt.

Auf Widerstand trifft das Goldminenprojekt auch in Costa Rica selbst. In der betroffenen Gemeinde wehren sich die Anwohner*innen seit mehr als zehn Jahren gegen das Vorhaben, ihr größter Erfolg war die Erklärung des Moratoriums durch die Vorläuferregierung des Christsozialen Abel Pacheco. Gegenüber der Zeitung „junge Welt“ sagte Heidy Murillo, Vorsitzende des Umweltdachverbandes FECON: „Die amtierende Regierung des Sozialdemokraten und Friedensnobelpreisträgers Oscar Árias hat sich ein grünes Mäntelchen umgehängt und brüstet sich mit einem Programm namens „Frieden mit der Natur“. Im Namen dieses angeblichen Friedens gibt sie die natürlichen Ressourcen den Profitinteressen internationaler Konzerne preis.“ Die Umweltschützerin beklagt zudem, dass die offizielle Studie der Auswirkungen der Mine auf die Umwelt gefälscht worden sei.

Hart ins Gericht mit der Politik seines Nachfolgers ging auch Ex-Präsident Abel Pacheco (PUSC). Dem Radiosender „Radio Urgente“ sagte der Politiker, die Genehmigung des Crucitas-Projekt stimme ihn traurig. „Goldminentagebau ist ein Attentat auf die Stabilität des Planeten“, sagte er. Er hoffe das Friede-mit-der-Natur-Programm von Oscar Arias (PLN) ende nicht als „Natur ruhe in Frieden“.

JAMAIKA

Amnesty international kritisiert schwere Menschenrechtsverletzungen

(Fortaleza, 29. Mai 2008, adital-poonal).- Im aktuellen Jahresbericht für das Jahr 2007 bemängelt amnesty international (ai) im Kapitel zu Jamaika die zunehmende Gewalt im Land. Die Gründe für die hohe Anzahl an Morden liegen ai zufolge hauptsächlich im leichten Zugang zu Feuerwaffen für fast die gesamte Bevölkerung sowie in der Gewaltanwendung durch die Polizei.

Die Mehrheit der 1.500 Mordopfer seien Jugendliche aus den marginalisierten ärmsten Vierteln der Städte. Die meisten Verbrechen werden Bandenmitgliedern zur Last gelegt. Allerdings trage die Polizei, auf deren Konto allein zwischen Januar und September des vergangenen Jahres 203 Morde gehen, nicht unwesentlich zum Anwachsen
der Opferzahlen bei.

Die Opfer der Polizei seien ebenfalls Einwohner*innen aus sozial schwachen Vierteln und, nach Einschätzung des Berichts „legen die Polizeiangehörigen so gut wie nie Rechenschaft über ihre Taten ab und nur selten waren sie Gegenstand juristischer Untersuchungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen“.

Die Menschenrechtsbeobachter*innen von amnesty international, die das Land im März, September und Oktober des Jahres 2007 besuchten, sagten, dass die Polizei systematisch dafür sorge, dass es so aussähe, als ob Morde auf Schießereien von Banden zurückgingen. Doch viele Zeugen bestätigten, dass die Polizei außergerichtliche Hinrichtungen durchführe. Die Korruption im Polizeiapparat und das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Polizei seien aufgrund dieser Situation weiterhin der Normalfall.

Der im September 2007 gewählte Regierungschef Bruce Holding hatte während seines Wahlkampfes Verbesserungen bei der Einhaltung der Menschenrechte versprochen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, verpflichtete er sich, Kriminalität und Korruption zu bekämpfen, ein neues Grundgesetz zu erarbeiten sowie eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, die von Angehörigen der Sicherheitskräfte begangen wurden, einzusetzen. Bis jetzt gibt es diesbezüglich jedoch keine Fortschritte.

Frauen und Mädchen sind eine andere Gruppe, die in Jamaica in hoher Anzahl zum Opfer von Gewaltverbrechen wird. Der hohe Index sexueller Gewaltverbrechen berge für Frauen und Mädchen auch das Risiko, mit dem Aidsvirus infiziert zu werden. Ein Gesetzesentwurf, auf dessen Verabschiedung die Frauen noch immer warten, sieht einen besseren juristischen Schutz von Frauen und Kindern vor und soll die derzeitige Situation verändern. Vorgesehen sind die Einführung der strafrechtlichen Verfolgung von ehelicher Gewalt und die Erhöhung des Strafmaßes für die Täter sexueller Gewalttaten.

Die derzeitige Regierung Jamaicas, so weiterhin der Bericht von ai, sei dafür, die Todesstrafe beizubehalten. Allerdings gab die Regierung unter Bruce Holding bekannt, man wolle in einer offenen Abstimmung das Parlament darüber entscheiden lassen, ob die Todesstrafe offiziell abgeschafft werden soll. Im vergangenen Jahr wurden, wie auch in den letzten 20 Jahren, in Jamaica trotz der Möglichkeit dazu keine Hinrichtungen durchgeführt.

KOLUMBIEN

Kolumbianische Polizei darf Universitätsgelände betreten

(Buenos Aires, 30. Mai 2008, púlsar).- Nach polizeilichen Übergriffen auf Proteste von Student*innen der Nationalen Pädagogischen Universität Bogotá, die in der Festnahme von 21 Student*innen und einer weiteren Person gipfelten, warnte Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe, dass die Polizei zukünftige „gewalttätige“ Mobilisierungen unterbinden werde.

Die Student*innen wurden am 29. Mai während einer Protestkundgebung gegen die Privatisierungspolitik Uribes festgenommen. Der kolumbianische Präsident gab am selben Tag in einer Pressekonferenz bekannt, dass er den Zutritt der Polizei auf das Universitätsgelände autorisieren werde.

Diese Maßnahme gilt als strittig, da die Universitäten in Kolumbien Autonomiestatus genießen und Polizeikräften in der Regel keinen Zugang gewähren. Uribe versicherte, dass er es nicht zulassen werde, „dass die Gewalt Einlass in die kolumbianischen Universitäten findet“ und fügte hinzu, „dass deshalb der Staat handeln muss, um solche Gewaltakte zu unterbinden“. Der Präsident sprach in Anwesenheit der festgenommenen Student*innen, die die Rede schweigend und mit gesenkten Köpfen vor laufenden Kameras verfolgten.

Anlässlich dieser Vorfälle werde er veranlassen, dass Student*innen, die wegen Vandalismus festgenommen werden, „zur Rechenschaft gezogen werden“. Die Universitätsleitung gab zunächst bekannt, dass die Universität bis zum 4. Juni geschlossen werde, um „die Lage zu analysieren“. Schon kurz nach Uribes Verlautbarungen sah man sich jedoch gezwungen, das Semester vorzeitig für beendet zu erklären. Lediglich die Masterprogramme sowie die akademischen Aktivitäten außerhalb Bogotás sollen fortgesetzt werden. Die Studentenschaft kritisiert diesen Beschluss als Maßnahme, den Protest zu unterbinden.

FARC bestätigt Tod ihres Anführers Manuel Marulanda – Nachfolger steht fest

(Buenos Aires, 26. Mai 2008, púlsar).- In einer an den lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur gesandten Videobotschaft hat Timoleón Jiménez, Sprecher der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), den Tod des Anführers und FARC-Gründers Manuel Marulanda bestätigt. Nach der in der Botschaft verlesenen öffentlichen Erklärung starb Marulanda, auch bekannt unter dem Spitznamen „Tirofijo“ (sicherer Schuss), an einem Herzinfarkt am 26. Mai in den Armen seiner Lebensgefährtin.

Ab sofort wird Alfonso Cano oberster Kommandant der FARC. Zudem werden Pablo Catatumbo und als Stellvertreter Bertulfo Alvarez und Pastor Alape in das Sekretariat berufen. In der Erklärung hiess es, dass „die Angebote zum Gefangenenaustausch sowie zur politischen Lösung des Konfliktes weiterhin bestehen bleiben“. Das Ziel der FARC sei „eine alle Interessen einbindende Kraftanstrengung für den Frieden“.

In diesem Sinne werde die FARC den Kampf um die politische Oberhand, um eine Gesellschaft der sozialen Gerechtigkeit und für den Sozialismus fortsetzen. Der Kampf der FARC sei auf der Seite all jener, die sich für die Souveränität Kolumbiens und echte Demokratie einsetzten.

„Wir haben tiefes Vertrauen in unsere revolutionären Leitsätze, unser Programm, unsere politischen Angebote und dass wir in der Sache des Volkes siegen werden. Wir vertrauen auf unsere Besonnenheit, um uns den Widrigkeiten zu stellen und auf unsere feste interne Einigkeit, die uns die Kraft gegeben hat, weiterzumachen“, so die Erklärung.

Der Sprecher unterstrich zudem die Führerschaft und militärische Kompetenz Marulandas. Ebenso hob der Präsident von Nicaragua, Daniel Ortega, die Kämpferqualitäten des FARC-Führers hervor.

„Ich möchte meine Anteilnahme und meine Solidarität den FARC und der Familie des Kommandanten Marulanda aussprechen, einem aussergewöhnlichen Kämpfer, der seit Jahrzehnten in einem ununterbrochenen Kampf steht, welcher seine Gründe und Wurzeln in den tiefen Ungleichheiten hat, die das kolumbianische Volk durchlebt“, so Ortega.

Die kolumbianische Abgeordnete und Mitglied der Partei Polo Democrático Alternativo (PDA), Gloria Inés Ramírez, forderte , dass es durch den Tod Marulandas nicht zu einer Verhärtung der Fronten im bewaffneten Konflikt kommen dürfe und dass sich stattdessen das Land einem Gefangenenaustausch annähern solle.

BOLIVIEN

Erneute rassistische Übergriffe: Der Präsident muss handeln

Von Antonio Peredo Leigue, Senator des Movimiento al Socialismo (MAS)

(Quito, 26. Mai 2008, alai-poonal).- Samstag, den 24. Mai 2008, am frühen Morgen in Sucre: rund um das Stadion „Patria“, wo der bolivianische Präsident Evo Morales Ayma zu einem Festakt erwartet wird, haben Schlägertrupps ausreichend Leute versammeln können, um die Militärpolizisten anzugrei
fen, die den Platz bewachen. Die ganze Nacht über hatten die Schlägerbanden den Menschen, die dem Festakt mit dem Präsidenten beiwohnen wollten, den Zutritt verweigert. Nur mit Mühe und Not konnten die Polizisten erreichen, dass man wenigstens Frauen und Kinder gehen ließ. Die anderen Anhänger von Evo Morales werden von den oppositionellen Schlägerbanden geschlagen, getreten und zum zentralen Platz von Sucre gebracht, wo man sie öffentlich demütigt.

Unwillkürlich kommt die Erinnerung an die Behandlung der um ihre Freiheit kämpfenden Indígenas durch die Spanier auf. Es sind Szenen, die es schon einmal gab: im Jahre 1781 wurden Bartolina Sisa und Gregoria Apaza (die beiden Frauen hatten gemeinsam mit Túpac Katari die Aufstände gegen die Kolonialherrschaft angeführt, Anm. d. Redaktion) zur Abschreckung der aufsässigen Indios nackt durch die Straßen geführt. Über zweihundert Jahre sind vergangen, doch jene, die glauben, die Indios seien ihre Knechte, haben ihre Haltung keinen Deut geändert.

Die seit letztem Jahr wiederholten gewalttätigen Übergriffe in Sucre sind von den Wirtschafts- und Medieneliten, die ihre Privilegien nicht verlieren wollen, angeheizt und ausgeführt worden. In Santa Cruz gründeten sie die Jugendunion Santa Cruz UJC (Unión Juvenil Cruceñista) und kopierten das Modell bald darauf auch in anderen bolivianischen Städten. Diese Gruppen stehen unter dem Schutz der sogenannten Bürgerkomitees (Comités Cívicos), die sich allerdings kaum bürgerlich und zivilisiert verhalten, sondern nach den Maßstäben der Arroganz der Macht handeln. Erst überfielen sie im November und Dezember letzten Jahres die Tagungsorte der Verfassunggebenden Versammlung und hinderten die Abgeordneten an der Durchführung ihrer Zusammenkünfte, bei denen die neue bolivianische Verfassung erarbeitet und beschlossen werden sollte.

Die Abgeordneten suchten sich daraufhin eine andere Tagungsstätte, um in Ruhe und Sicherheit die Aufgabe, die ihnen das bolivianische Volk anvertraut hatte, erfüllen zu können. Diese Sicherheit fanden sie in der Militärschule La Glorieta am Stadtrand von Sucre – und nicht etwa in einer Kaserne, wie die von ihren eigenen Worten vergifteten Oppositionellen behaupten. Die Provokateure gelangten bis dorthin, während andere gleichzeitig in der Innenstadt Tumult stifteten. Die Ausschreitungen forderten drei Todesopfer, doch die Täter gaben sich mit diesen Verbrechen noch nicht zufrieden und stürmten Polizeistationen, steckten Schreibtische, Akten, Computer sowie den Wagenpark der Polizei in Brand.

Dann sind sie schamlos genug, die Regierung für die Schäden verantwortlich zu machen …

Das sogenannte Interinstitutionelle Komitee (Comité Interinstitucional de Chuquisaca, es arbeitet mit dem Comité Cívico in Sucre zusammen, Anm. d. Redaktion) hat den bolivianischen Präsidenten aufgefordert, sich wegen der Todesfälle vom vergangenen Jahr zu entschuldigen. Provoziert wurden die Ereignisse damals jedoch weder von Regierungsangehörigen noch von Sicherheitskräften, und auch nicht von Angehörigen oder Sympathisant*innen der Bewegung zum Sozialismus MAS (Movimiento al Socialismo). Provoziert wurden sie von Personen, die durch  die Bürgerkomitees gefördert und unterstützt wurden. Die bolivianische Generalstaatsanwaltschaft (die ihren Sitz in Sucre hat, Anm. d. Redaktion) zeigt unterdessen keinerlei Interesse, die Vorfälle zu untersuchen, um die wahren Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Seitdem herrscht in Sucre Gesetzlosigkeit. Jetzt sind sie wieder in ihre alten Gewohnheiten zurückverfallen. Am 24. Mai haben mit Messern, Steinen, Sprengsätzen und allem Möglichen bewaffnete Kriminelle eine derartige Hetzjagd veranstaltet, dass die Militärpolizei vom Stadion Patria abgezogen wurde, um heftigere Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Umsonst. Die Angreifer warfen den abziehenden Soldaten Steine hinterher. Dann nahmen sie 30 Bauern als Geiseln. Sie drangen in ihre Unterkünfte ein, rissen ihnen die Kleidung vom Leib und brachten sie zum zentralen Platz von Sucre. Dort mussten die Bauern niederknien, unter einem Chor von erniedrigenden Beschimpfungen.

Und ohne rot zu werden, beschuldigen die Anführer der Komitees nun schon wieder die Regierung, für die Gewaltexzesse verantwortlich zu sein. Wie sollte sie an den Ausschreitungen Schuld haben? Hat die Regierung etwa Provokateure unter die friedlich protestierende Menge gemischt? Oder hat sie sich in das sogenannte Interinstitutionelle Komitee eingeschlichen? Niemand wird daran zweifeln, dass die Gewalt von jenen Gruppen ausgeht, die in helle Panik verfallen angesichts der Tatsache, dass da auf einmal ein Volk zu Wort kommt, das Veränderungen will. Diesem Volk haben die Mächtigen von gestern den Krieg erklärt. Und ebenso anmaßend wie damals Sebastián Segurola (der spanische Generalstatthalter von La Paz  1781, Anmerkung der Redaktion) führen sie ihre Beute durch die Straßen, welche die Indios zu betreten gewagt hatten.

Und warum? Um zu verhindern, dass Präsident Evo Morales nach Sucre kommt. Wie schade, dass der bolivianische Präsident eine bolivianische Stadt nicht besuchen kann! Die genannten  Gruppen haben schon viele Verbrechen begangen. In Santa Cruz, in Tarija, in Cobija, in Cochabamba und in Sucre. Die Regierung wollte Dialogbereitschaft zeigen. Diese wird jedoch als Schwäche ausgelegt. Darum sollte die Geduld nun ein Ende haben. Es müssen dringend Kontrollmaßnahmen in die Wege geleitet werden. Man darf das Land nicht diesen Verbrechern überlassen. Wenn die Generalstaatsanwaltschaft ihre Aufgabe nicht erfüllt, muss sie zur Rechenschaft gezogen werden. Toleranz darf nicht mit Schwäche verwechselt werden! Solche verbrecherischen Gewaltexzesse wie in Sucre dürfen nicht noch einmal zugelassen werden!

Erdgaspipelines wieder staatlich

(Fortaleza, 3. Juni 2008, adital).- Der bolivianische Präsident Evo Morales hat am 2. Juni die Verstaatlichung des Erdgastransportunternehmens Transredes bekanntgegeben. Von nun an wird das staatliche Erdöl- und Erdgasunternehmen YPFB (Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos) 98 Prozent des Unternehmens kontrollieren. Die Aktien von Transredes befanden sich bisher zu 50 Prozent in den Händen von TR-Holdings, der bolivianischen Tochtergesellschaft des niederländisch-britischen Shell-Konzerns und des US-Unternehmens Ashmore.

Präsident Morales verkündete das Dekret über die Verstaatlichung auf dem Gelände einer Transredes-Anlage im Departement Santa Cruz. In seiner Ansprache verwies Evo Morales darauf, dass TR-Holdings zu jenen Unternehmen gehöre, welche die separatistischen Bestrebungen der oppositionellen Präfekten aktiv unterstützten. Er hielt fest, das Unternehmen habe gegen die Regierung und die Demokratie konspiriert, und fügte hinzu, die Geduld habe ihre Grenzen. Mit der Wiederübernahme von Transredes sei der Prozess der Rückgewinnung der Energiesouveränität beendet, so die bolivianische Regierung. Dieser Prozess war am 1. Mai 2006 mit dem Dekret über die Verstaatlichung der Erdgasproduktion in Gang gesetzt worden.

PERU

Indigenes Land in Gefahr

(Montevideo, 29. Mai 2008, comcosur-poonal).- Das Land der Indígenas in Peru ist bedroht. Am 20. Mai hat die Regierung von Präsident Alan García das Gesetz 1015 verkündet. Dieses verändert die Regeln, nach denen indigene
s Land verkauft werden kann. „Das ist ein Frontalangriff auf die indigenen Gemeinden und es wird die traditionellen Formen von Arbeit, Ökonomie und Organisation der Indígenas zerstören“, so die Andine Koordination Indigener Organisationen CAOI.

Um das Gesetz zu stoppen, organisieren indigene und (klein-) bäuerliche Organisationen des Landes derzeit den Widerstand. Sie wollen ihr Land verteidigen, ihr Recht auf Wasser und auf die eigene Entscheidung darüber, welches Entwicklungsmodell man anstrebt. Aktionen, um das Gesetz zu kippen, sollen zwischen dem 20. und 24. Juni stattfinden, am 8. und 9. Juli soll es zu einem 48stündigen Generalstreik kommen.

Mit dem neuen Gesetz können z.B. Forst- oder Minenunternehmen indigenes Land schon dann kaufen, wenn mehr als 50% einer indigenen Gemeindeversammlung sich für den Landverkauf aussprechen. Zuvor waren dafür drei Viertel der Stimmen nötig. Die Gesetzesänderung des ursprünglichen Gesetzes 26505 ist Teil des Freihandelsvertrags, der zwischen den USA und Peru geschlossen wurde und der u.a. Privatinvestitionen in und auf Land, das sich in gemeinschaftlichem Besitz befindet, erleichtern soll.

Das neue Gesetz bestimmt auch, dass Abstimmungen über Landverkauf künftig nicht nur von Gemeindemitgliedern in die Wege geleitet werden können, sondern auch von Außenstehenden. Laut CAOI stellt das ein großes Risiko dar, denn Unternehmen könnten so Gemeindeversammlungen „manipulieren“. So würde es nun ausreichen, dass ein Bergbauunternehmen, das sich für die natürlichen Ressourcen auf indigenem Landbesitz interessiert, einzelne Mitglieder der Gemeinde unter Druck setzt bzw. besticht, indem man ihnen Vorteile wie Geld oder Arbeit anbietet.

 

Für die Rechtsanwälte der Vereinigung für Menschenrechte APRODEH richtet sich das neue Gesetz „gegen die Rechtssicherheit auf dem Land. Es wird eine große soziale Instabilität hervorbringen, indem interne Brüche und Konflikte in den Gemeinden gefördert werden.“

Dem schlimmsten Kriegsmassaker auf der Spur

Von Ángel Páez

(Montevideo, 1. Juni 2008, comcosur).- Es war nicht schwer, die Leichen zu finden. Sie lagen nicht tief in der Erde. Aber die Bauern der Gemeinde Putis mussten 24 Jahre darum kämpfen, dass sie jetzt exhumiert werden. 1984 sind in Putis, in der Provinz Huanta, 125 Männer, Frauen und Kinder von Soldaten erschossen worden, nachdem sie zuvor ihr eigenes Grab schaufeln mussten.

Erst jetzt kommt nach und nach und dank des Einsatzes der Familienangehörigen die Wahrheit über das größte Massaker an der peruanischen Zivilbevölkerung ans Licht, das sich während der Kriegs in Peru (1980-2000) ereignet hat. Seit dem 17. Mai wurden 60 Leichen gefunden, darunter 10 Kinderleichen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren. Als wir mit IPS (Inter-Press Service) im November 2006 vor Ort waren, da zogen die Angehörigen von einem öffentlichen Büro zum nächsten und baten darum, dass man ihre Toten ausgräbt. 

Nach peruanischen Gesetzen müssen die Verwandten, wenn sie für ihre Toten aus dem bewaffneten Konflikt, der insgesamt fast 70.000 Opfer forderte, Gerechtigkeit wollen, zuerst den Tod ihrer Angehörigen beglaubigen lassen. IPS fand Gerardo Fernández, einen Überlebenden des Massakers. Verzweifelt über die Politik des Vergessens der Regierung schaffte er es, nach jahrelanger Arbeit ein Register der Toten vorzulegen. Darin stehen auch seine Mutter und sein dreijähriger Sohn. Er war eine der wichtigen Personen, die half, die geheimen Gräber ausfindig zu machen.

„Die Exhumierung in Putis ist ein besonderer Fall: niemand hat den Bewohnern, die in der Mehrheit Quechua sprechen, zugehört. Außerdem kümmert sich nicht der Staat um die Exhumierungen, sondern eine NGO, die Gruppe Forensische Anthropologie aus Peru (EPAF)“, erklärte der Präsident der Vereinigung Frieden und Hoffnung, Norbert Lamilla, der die Arbeiten koordiniert.

„Eigentlich müsste sich das Institut für Medizin und Justiz (das der Generalstaatsanwaltschaft untersteht, d. Autor) um die Arbeit kümmern“, sagt Lamilla. Und fügt hinzu: „Aber weil das Institut nichts tun wollte, mussten wir EPAF anfragen. Das Institut sagte, sie hätten keine Gelder und keine Zeit für die Arbeiten, am Ende haben sie behauptet, es handele sich bei Putis um eine gefährliche Zone und sie bräuchten erst eine Bestätigung des Geheimdienstes, um dorthin reisen zu können. Es kümmerte sie nicht, dass es um das größte Massengrab geht, an das man sich erinnert.“

Lamilla weiter: „Die sterblichen Überreste lagen dort und es bestand die Gefahr, sie zu verlieren. Die Bauern müssen ihren Schmerz beerdigen, ihre Angehörigen identifizieren und sie richtig bestatten können. Die sterblichen Überreste ungeschützt dort liegen und Wind und Wetter ausgesetzt zu sehen und zu wissen, dass der Staat nichts für sie tut, das greift die Leute psychisch an.“

 

Das Massaker von Putis wird auch im Bericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission CVR (Comisión de la Verdad y Reconciliación) erwähnt, der 2003 veröffentlicht wurde. Dort wird die Empfehlung ausgesprochen, die Leichen zu exhumieren, die Tat zu untersuchen und die Schuldigen zu bestrafen. Man weiß nur, dass die Personen, die das Massaker befehligten, „Hauptmann Baretta“, „Kommandant Óscar“ und „Leutnant Lalo“ gerufen wurden. Der damalige Chef von Polizei und Armee in der Zone war General Wilfredo Mori Orzo.

„Die Gemeindemitglieder von Putis wurden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von den Soldaten zusammen gerufen, wurden gezwungen, ein Massengrab auszuheben und wurden dann im Dezember 1984 erschossen“, stellt der Wahrheitsbericht fest. Die Armee ging zu der Zeit gegen die Guerillabewegung Túpac Amaru, aber v.a. gegen die maoistische Guerillagruppe Sendero Luminoso vor, die in der Zone sehr aktiv war.

„1984 nehmen die Aktionen der Aufständischen zu. Die Berge von Santillana hatten sich in eine Zone verwandelt, wo der Sendero Luminoso sehr aktiv war. Die Guerilla ging die Bauern immer wieder um Unterstützung an und drängte darauf, dass sich die Bauern dem bewaffneten Kampf anschließen sollten. Vor diesem Hintergrund wird in der Gemeinde Putis eine Militärbasis eingerichtet, die im November 1984 mit ihrer Arbeit beginnt“, so der Wahrheitsbericht.

Im darauffolgenden Monat ereignete sich das Massaker.

Die Militärs beschuldigten die Bewohner*innen von Putis, dem Sendero Luminoso zu helfen. Die Menschen haben jedoch vielmehr Furcht vor der Guerilla gehabt. Es war nämlich gängige Praxis, dass die Guerilla die tötete, die sich ihr nicht anschließen wollten oder die mit der Armee kollaborierten.

Dieser doppelten Bedrohung seitens der Guerilla und der Armee ausgesetzt, verließen viele Bewohner*innen ihre Häuser und verstreuten sich in verschiedene Gemeinden in der Zone, die auf 3.500 m Höhe liegt. Aber die Armee überredete die Bewohner*innen, nach Putis zu kommen. Man würde sie schützen. „Der Vorschlag der Militärs war, dass die Bewohner*innen ihre Behausungen weiter unten aufschlagen sollten, um sie so besser gegen die Aufständischen schützen zu können. Aber in der Realität waren viele der Bewohner*innen den Militärs verdächtig, mit den Aufständischen zu kooperieren“, so der Wahr
heitsbericht.

Weiter heißt es dann im Bericht: „Müde, in den Hügeln zu leben, akzeptierten die Gemeindemitglieder den Verschlag und zogen nach Putis. Die Soldaten empfingen die Menschen und brachten sie in ein Haus, das als Schule benutzt wurde. Dort waren schon andere Personen, die die Soldaten aus ihren Häusern geholt hatten. Man versicherte den Menschen, dass man ihnen ab sofort Schutz gewähren würde. Man würde ihnen auch bei Bauarbeiten helfen, um die Lebensqualität im Dorf zu verbessern.“

Dann fährt der Bericht fort: „Unter diesem Vorwand zwangen die Militärs alle Männer mit vorgehaltenen Waffen, einen großen Graben auszuheben. Man sagte ihnen, das solle ein Becken werden, um Forellen zu züchten. Anderen versicherte man, dort werde man Häuser bauen. Als das angebliche Becken fertig wurde, holten die Soldaten alle Bewohner*innen zusammen, Männer, Frauen und Kinder, und ohne große Erklärung begannen sie, sie zu erschießen.“

Die Soldaten raubten danach das Hab und Gut der Ermordeten und verkauften ihre Tiere. Um das Verbrechen zu vertuschen, behauptete man, es habe Auseinandersetzungen mit Aufständischen gegeben. 15 Guerilleros seien dabei zu Tode gekommen. Während der Exhumierung haben die Hunde der EPAF Projektile von Armeewaffen gefunden. 2003 bat die Wahrheitskommission das Verteidigungsministerium um eine Liste mit den Namen der Offiziere, die in der Region 1984 Dienst geleistet haben. Die Antwort war, diese Information existiere nicht.

„Man weiß durch die Zeug*innen, dass es Soldaten einer Aufstandsbekämpfungseinheit waren, die sich für zwei oder drei Jahre in Putis aufhielten und von den Militärbasen San José de Secce, in Santillana, und Castropampa, in Huanta, kamen. Die Militärbasen unterstanden wiederum dem Militär-Politischen Kommando von Huamanga, Ayacucho“, so Lamilla. Mori Orzo wurde im August 1984 zum Chef dieses Kommandos. „Wir sind dabei, die Befehlskette und danach die persönliche Verantwortung der Offiziere zu rekonstruieren“, so Lamilla.

Derzeit beaufsichtigt Rubén López die Exhumierungen. Die Aufgabe ist schmerzhaft, denn das Grab befindet sich in einer schwierigen Zone. In den ersten Tagen fanden die Spürhunde Überreste von 25 Personen und 15 Patronenhülsen.

Die Angehörigen helfen dabei, die Toten anhand ihrer Kleidung, einem Ring, einer Socke oder irgend etwas persönlichem zu identifizieren. „Die extreme Armut in Putis schreit zum Himmel. Die Menschen hier haben nichts zu essen und schon gar kein Geld, um einen Sarg zu bezahlen. Deswegen rufen wir dazu auf, Geld zu spenden, damit die Opfer begraben werden können“, so Lamilla.

„In Putis haben sie ganze Familien ermordet. Die Familie Condona Quispe, die Familie Centeno Chávez, die Familie Gamboa Ccente, die Familie Madueño Curoi und die Familie Condoray Huallasco. Wer setzt sich für sie ein, wenn alle tot sind?“, so fragte sich Gernardo Fernández.

LATEINAMERIKA – USA

Unzureichende Gesundheitsversorgung für Immigrant*innen in US-Abschiebehaft

(Fortaleza, 3. Juni 2008, adital).- Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat in einem an den US-Kongreß gerichteten Schreiben die Gesundheitsversorgung von sich in Abschiebehaft befindenden Immigrant*innen kritisiert. Die US-Regierung sei verantwortlich für „jeden Todesfall und jegliches Leiden“, das den Inhaftierten widerfahre, so HRW in dem Schreiben vom 3. Juni 2008.

Laut HRW starben in den letzten fünf Jahren mehr als 80 Immigrant*innen im Zeitraum ihrer Gewahrsamnahme durch das Heimatschutzministerium bzw. kurz nach ihrer Entlassung.

„Das Heimatschutzministerium hat mehr als 30.000 Personen inhaftiert und gibt Millionen von Dollar für deren gesundheitliche Versorgung aus“, erklärte Megan McLemore, Mitarbeiterin des HIV/AIDS-Programms von HRW. Dennoch führten mangelhafte Gesundheitskontrollen und eine unangemessene Aufsichtspraxis zu vermeidbaren Todesfällen und Leiden.

In dem zwölfseitigen Schreiben hob die Menschenrechtsorganisation besonders die unzureichende Versorgung der aidskranken oder HIV-positiven Immigrant*innen hervor. Bereits 2007 hatte sie kritisiert, es gebe keine Kontrolle darüber, ob mit HIV infizierte Häftlinge eine angemessene Behandlung erhielten oder welche der Häftlinge mit dem HI-Virus infiziert seien.

Die USA erfülle weder die internationalen noch die nationalen Standards zur Aufsicht und Behandlung dieser Menschen, so HRW.

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