Poonal Nr. 768

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 05. Juni 2007

Inhalt


MEXIKO

MEXIKO – GUATEMALA

NICARAGUA

COSTA RICA

KOLUMBIEN

ECUADOR – COLOMBIA

PERU

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINA

CHILE


MEXIKO

Staatliche Menschenrechtskommission CNDH symbolisch geschlossen

Von Hypatia Velasco Ramírez

(Mexiko-Stadt, 30. Mai 2007, cimac-poonal).- Abgeordnete der Partei der demokratischen Revolution PRD (Partido de la Revolución Democrática), der Partei der Institutionellen Revolution PRI (Partido Revolucionario Institucional) und der Sozialdemokratischen Alternative schlossen am 30. Mai zusammen mit Frauenorganisationen und anderen Aktivisten symbolisch die Staatliche Menschenrechtskommission CNDH (Comisión Nacional de los Derechos Humanos). Sie protestierten damit gegen die von Ombudsmann José Luis Soberanes erhobene Verfassungsklage gegen die Legalisierung der Abtreibung in Mexiko-Stadt. Zudem kritisierten sie Soberanes für dessen Haltung als Menschenrechtsverteidiger.

Sie übergaben der internen Beschwerdestelle der Institution ein Schreiben, in dem sie fordern, die Arbeit von Soberanes zu untersuchen, da dieser sich nicht für die Menschenrechte von Frauen einsetze. Sie verlangen außerdem, dass sich der Ombudsmann in einem politischen Prozess verantworten und im Zuge dessen von seinem Posten suspendiert werden solle.

Der Abgeordnete Victor Hugo Círigo meinte, dass der staatliche  Ombudsmann weit davon entfernt sei, seine Aufgaben wahrzunehmen und stattdessen gegen die Menschenrechte von Frauen vorgehe. „Deshalb haben wir dazu aufgerufen, symbolisch die Büros der CNDH zu schließen. Die Menschenrechtskommission hat es nicht verdient, von einer Person vertreten zu werden, die auf Grund persönlicher Überzeugungen das Gewonnene wegwerfen will und trotzdem dieser würdigen Einrichtung vorsteht.“

Die Abgeordnete Aleida Alavéz Ruiz erklärte, das die Rücktrittsforderung nicht allein auf der Verfassungsklage beruhe, „das ist nur der Gipfel, den sich der Präsident der CNDH geleistet hat“. Hinzu komme, dass Soberanes seinen Bericht über den Fall Oaxaca dem Innenminister ausgehändigt habe, bevor er ihn den Abgeordneten vorgestellte hatte. Er habe damit die Befugnisse der Kommission überschritten.

Weiterhin gründet die Forderung nach dem Rücktritt des Ombudsmanns darauf, dass er sich im Fall der in Zongolica mutmaßlich vergewaltigten Ernestina Ascencio als Staatsanwalt aufgespielt habe. Zudem habe er im Fall der Auseinandersetzungen in der Kleinstadt San Salvador Atenco Anfang Mai vergangenen Jahres „nachlässige Empfehlungen zum Verhalten des Gouverneurs des Bundesstaates Mexiko erlassen.“

Oaxaca: CNDH macht Gouverneur Ruiz verantwortlich

(Montevideo, 25. Mai 2007, recosur-púlsar).- Der Gouverneur desmexikanischen Bundesstaates Oaxaca, Ulises Ruiz Ortiz, sei direkt verantwortlich für die während des Konfliktes mit der Lehrerschaft begangenen Menschenrechtsverletzungen, meinte der Präsident der Staatlichen Menschenrechtskommission CNDH (Comisión Nacional de Derechos Humanos) José Luis Soberanes Fernández.

Ombudsmann Soberanes stellte am 24.Mai die Empfehlungen der Kommission zum Thema der Verletzungen der Menschenrechte von Lehrern der Sektion 22 der Lehrergewerkschaft SNTE in Oaxaca und von Mitgliedern der Versammlung der Bevölkerung Oaxacas APPO (Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca) vor. Die Empfehlung richtet sich an den Gouverneur des Bundesstaates Oaxaca sowie die Ministerien für Verteidigung, öffentliche Sicherheit, Inneres und Bildung. Es werden administrative Sanktionen gegen die verantwortlichen Beamten gefordert. Zudem empfiehlt die staatliche Institution die Wiedergutmachung der Schäden der Betroffenen. Außerdem fordert sie Entschädigung für Personen, die in Gefängnisse außerhalb des Bundesstaates Oaxaca verbracht worden waren.

Nach Angaben der CNDH seien Beamte der Bundespolizei PFP (Policía Federal Preventiva) und der Strafverfolgungsbehörden, Justizangestellte der Gefängnisse in Tlacolula und Miahuatlán, Soldaten der Luftwaffenbasis San Juan Bautista Raya, die ehemalige Bundesstaatsanwältin, die Ministerialpolizei und weitere Beamte verantwortlich für die an Bürgern und Bürgerinnen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Genannt wurden u.a. Folter, Mord, verzögerte Rechtsprechung, Angriffe auf das Privateigentum, Beeinträchtigung der physischen Integrität, willkürliche und illegale Festnahmen, Isolationshaft und Angriffe auf die Versammlungsfreiheit.

Soberanes betonte, dass sich die Vorkommnisse während der Amtszeit von Präsident Vicente Fox ereignet hätten. Nun solle die Regierung des aktuellen Präsidenten Felipe Calderón die „Empfehlung akzeptieren und die Verantwortlichen juristisch verfolgen“.

Die Auseinandersetzungen im Bundesstaat Oaxaca begannen im Juni 2006, nachdem streikende Lehrer von Sicherheitskräften brutal angegriffen wurden. Große Teile der Bevölkerung Oaxacas stellten sich hinter die Lehrerschaft und forderten den Rücktritt des Gouverneurs Ulises Ruiz. Ruiz ist jedoch bis heute im Amt.

MEXIKO – GUATEMALA

Erneut illegalisierte Migranten festgenommen

(Guatemala-Stadt, 30. Mai 2007, cerigua).- Unter den 56 Menschen ausZentralamerika, die in Villa Hermosa im mexikanischen Bundesstaat Tabasco  festgenommen wurden, befanden sich 28 Guatemalteken. Die Beamten der  Migrationsbehörde waren durch einen anonymen Anrufer alarmiert worden und fanden die illegalisierten Einwanderer im Inneren eines Lastwagens.

Nach Angaben der mexikanischen Tageszeitung El Universal ist bei der Migrationsbehörde am vergangenen Dienstag ein Anruf eingegangen, bei dem über einen Lastwagen informiert wurde, der vor einer Pension abgestellt worden sei, ohne dass der Fahrer dort abgestiegen sei. Neben den 28 Guatemalteken hätten die Beamten auch 27 Salvadorianer und einen Honduraner festgenommen. Diese seien an die zuständige Haftanstalt überstellt worden, ihre Ausweisung werde vorbereitet.

Laut dem Artikel beläuft sich die Anzahl der alleine in diesem Jahr festgenommenen illegalisiert
en Einwanderer im Bundesstaat Tabasco bereits auf 700 Personen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die am Dienstag festgenommenen Personen scheinbar in dem Lastwagen zurückgelassen worden seien. Der Leiter der Pension sagte gegenüber den Beamten der Migrationsbehörde aus, dass der Fahrer und zwei weitere Personen das Gebäude über den Hinterausgang verlassen hätten, ohne sich in der Pension zu registrieren.

Seit mehr als einem Jahr hat Mexiko die Kontrollen an der Südgrenze zu  Guatemala verstärkt. Dort kommen täglich Hunderte von Zentralamerikanern ins Land, die vor der Armut in ihren Heimatländern fliehen. Nach Angaben einer lokalen Zeitung häufen sich zudem auf der guatemaltekischen Seite Fälle von Erpressungen durch Banden. Auch dies sei ein Grund, warum viele  Einwohner das Land verlassen.

NICARAGUA

Pestizid-Opfer marschieren erneut nach Managua

(Buenos Aires, 30. Mai 2007, púlsar).- Etwa 500 Personen sind amvergangenen Mittwoch nach einem zehntägigen Protestmarsch in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua angekommen, um dort von der Regierung eine bessere gesundheitliche Versorgung zu fordern. Die Protestierenden sind Opfer des Pestizids Nemagón, dass bis in die Achtziger Jahre von transnationalen Firmen auf den Bananenplantagen in Zentralamerika eingesetzt wurde. Der Protestmarsch begann am 20. Mai und erstreckte sich über 140 Kilometer. Mit der Aktion soll Druck für die Erfüllung der mit den Vorgängerregierungen erreichten Vereinbarungen gemacht werden.

Dies ist bereits die fünfte Mobilisierung der Nemagón-Opfer. Die ehemaligen Bananenplantagenarbeiter werden wie auch schon bei den vorangegangenen Aktionen ein Zeltlager vor dem Sitz der Nationalversammlung errichten. Victorino Espinales, einer der durch das Pestizid erkrankten Arbeiter, hatte angekündigt, dass man, sobald der Protestzug in Managua angekommen sei, versuchen werde, ein Treffen mit Präsident Daniel Ortega in die Wege zu leiten.

Espinales zufolge sind seit dem ersten Protestmarsch im Jahr 2001 mehr als 2.500 ehemalige Plantagenarbeiter infolge von Nemagón verursachten Nieren- und Leberleiden gestorben. Das Pestizid soll zudem Hautkrebs verursachen.

Frauen fordern Entkriminalisierung der therapeutischen Abtreibung

(Buenos Aires, 30. Mai 2007, púlsar).- Die nicaraguanischeFrauenbewegung  organisierte eine Demonstration durch die wichtigsten Straßen der Hauptstadt Managua, um das Oberste Gericht und die Parlamentarier aufzufordern, die im letzten Jahr beschlossene Strafbarkeit der therapeutischen Abtreibung für verfassungswidrig zu erklären. Nach Angaben der Organisation Ixchen seien im Jahr 2007 schon 42 Fälle von Frauen registriert worden, deren Tod auf die Bestrafung der therapeutischen Abtreibung zurückzuführen sei.

Die Frauen richteten einen dringenden Aufruf an die staatlichen Institutionen, sich der Verteidigung der Gesundheit und der Menschenrechte der Frauen zu verpflichten. Der Protestzug machte Halt vor dem Obersten Gerichtshof, dem Parlamentsgebäude und beendete die Demonstration vor dem Büro der Sandinistischen Partei.

COSTA RICA

Beginn der Kampagne zum CAFTA-Referendum

Von Torge Löding

(San José, 4. Juni 2007, voces nuestras).- Auf Wochenendmärkten, an Bushaltestationen –  überall waren an diesem Wochenende Flugblattverteiler unterwegs. In Hochglanzbroschüren werben Mitglieder der regierenden rechtssozialdemokratischen „Partei der nationalen Befreiung“ (PLN) für ein „Ja“ bei der Volksabstimmung am 23. September über die Ratifizierung des CAFTA-Freihandelsabkommens (spanisch TLC) zwischen den USA, Mittelamerika und der Dominikanischen Republik. Im Parlament stellt unter den CAFTA-Kritikern die „Partei der Bürgeraktion“ (PAC) die größte Fraktion. In ihrer Kampagne für das „Nein“ haben sie als Emblem ein Herz mit der Nationalfahne Costa Ricas entworfen. Die Anhänger der Partei des blinden Abgeordneten Oscar Lopez von der „Partei für Barrierefreiheit ohne Ausschluss“ (PASE) verteilen „Zehn Gründe, warum Sie mit NEIN stimmen sollten“, während der einzige Angeordnete der linken „Frente Amplio“, José Merino, mit seinen Mitstreitern von Tür zu Tür zieht, um für das NEIN in der Abstimmung zu werben.

Otto Guevara, Vorsitzender des neoliberalen „Movimiento Libertario“, fordert unterdessen, die CAFTA-Befürworter sollten sich auf einen „gemeinsamen Diskurs“ einigen. Weniger Kohärenz sieht man bei der kleinen „Partei der nationalen Einheit“ (PUN) und der ehemaligen Regierungspartei „Soziale Christliche Einheit“ (PUSC). Der einzige PUN-Abgeordnete und ehemalige Ombudsmann Costa Ricas, José Manuel Echandi, gilt zwar als CAFTA-Befürworter, will in seiner Kampagne aber lediglich zur Teilnahme am Referendum aufrufen. Fast schizophren erscheint die Situation bei den Christsozialen: Die PUSC-Parlamentsfraktion beteiligt sich mehrheitlich an der JA-Kampagne, während sich die Parteiführung um den ehemaligen Vizepräsidenten Costa Ricas Luis Fishman gegen CAFTA ausspricht.

Nicht nur die politischen Parteien tummeln sich in der Kampagne. In dieser Woche beginnen Stadtteilkomitees, die überall im Land wie Pilze aus dem Boden schießen, mit ihrer NEIN-Kampagne. „Die CAFTA-Befürworter haben das große Geld auf ihrer Seite, aber wir haben die Massen hinter uns und große Mobilisierungskraft“, sagt César Lopez von der „Bewegung der Künstler gegen CAFTA“. Im ersten Volksentscheid in der Geschichte Costa Ricas sollen die Wahlbürger am 23. September über die Zukunft des CAFTA-Freihandelsabkommen entscheiden. In allen anderen Teilnahmestaaten wurde das Abkommen bereits vom Parlament ratifiziert.

KOLUMBIEN

Staat soll für Binnenflucht zur Rechenschaft gezogen werden

Von Susan Abad

(Bogotá, 30. Mai 2007, na).- Die Zahl der Binnenflüchtlinge in Kolumbien ist nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen in den letzten 20 Jahren auf über 3,8 Millionen Menschen gestiegen. Über acht Prozent der 46 Millionen Kolumbianer*innen seien somit Opfer von Vertreibung. Diese alarmierende Ziffer plus die Straffreiheit, die die Verantwortlichen genießen, haben einige NGOs dazu veranlasst, das Internationale Meinungstribunal TIO (Tribunal Internacional de Opinión) zu gründen. Das Tribunal soll die Verantwortung des kolumbianischen Staates für diese humanitäre Katastrophe untersuchen.

„Kolumbien steht weltweit an zweiter Stelle der Länder mit den meisten Binnenflüchtlingen. Nur im Sudan leben noch mehr entwurzelte Menschen. Die Vertriebenen sind eine Bevölkerungsgruppe, die alles verloren hat, ihren gesamten Besitz, ihr Land. Es sind Menschen, die im absoluten Elend leben und in der Regel in die Städte drängen, um dort in völliger Ungewissheit zu verharren, weil die Regierung ihr Problem nicht lösen kann“, erklärt Iván Cepeda von der Gruppe Movimiento Nacional de Víctimas del Estado (Landesweite Bewegung der Opfer des Staates).

Die Anzahl der Personen, die in den letzten 20 Jahren als Folge bewaffneter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte zur Umsiedlung gezwungenen Kolumbianer*innen wird von den Interessensverbänden der Flüchtlinge anders beziffert als von der kolumbianischen Regieru
ng. In ihrem letzten Bericht von Februar 2007 erklären die Beratungsstelle für Menschenrechte und Vertreibung CODHES (Consultoría para los Derechos Humanos y el Desplazamiento) und die kolumbianische Bischofskonferenz, dass die Zahl der Vertriebenen mittlerweile 3,8 Millionen übersteige, während die Regierung mit Hilfe ihrer Institution Acción Social im Informationssystem der vertriebenen Bevölkerung (Sistema de Información de Población Desplazada) 1,9 Millonen ermittelt hat, was etwa 441.000 Haushalten entspräche.

„Die Akteure verfügen über illegale Waffen und schrecken vor kriegsähnlichen Aktionen und Strategien nicht zurück. Um ihr Ziel zu erreichen, greifen sie zu gewaltsamer Vertreibung, gezielten Ermordungen und Verschwindenlassen von Menschen und veranstalten Massaker“, erklärt Fabián Oyaga vom Lateinamerikanischen Institut für Alternative Rechtsdienstleistungen ILSA (Instituto Latinoamericano de Servicios Legales Alternativos). „In dem spezifischen Fall der erzwungenen Umsiedlung gewinnen die bewaffneten Gruppen nicht nur das Land selbst und die Kontrolle über das Gebiet, sondern stärken damit außerdem ihre Position und setzen das Prinzip der gewaltsamen Aneignung und Konzentration des Besitzes durch. Die Bevölkerung wird damit Opfer eines durch internationale Strafnormen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eindeutig definierten Verhaltens.“

„Die Folge dieses internen Exodus war eine faktische Agrar-Gegenreform, die sich in einer beschleunigten Konzentration des Bodens ausdrückte. Bewiesen wird dies durch die Tatsache, dass 74,5 Prozent der Vertriebenen nach Angaben von Acción Social zum Zeitpunkt ihrer Vertreibung eigenes Land besaßen”, meint Oyaga.

Nach Ansicht von Iván Cepeda „haben in Kolumbien trotz der weit verbreiteten Straffreiheit in den letzten Jahrzehnten Prozesse stattgefunden, die kleine Teilsiege möglich gemacht haben. Letztes Jahr zum Beispiel hat das Verfassungsgericht das Urteil 025 gesprochen, das die Rechte der vertriebenen Bevölkerung schützt. Aber natürlich reicht das noch lange nicht aus.“ Daher setzt sich der Vertriebenenverband Coordinación Nacional de Desplazados mit anfänglicher Unterstützung von ILSA, der Landesweiten  Bewegung der Opfer staatlicher Verbrechen sowie dem europäischen Verband COHRE (Centre on Housing Rights and Evictions – Zentrum für Wohnrecht und Ausweisung), für die Gründung der TIO ein.

Der Ursprung der TIOs geht in die 70er Jahre zurück, als die Kriegsverbrechen der USA im Vietnamkrieg vom Russell-Tribunal abgeurteilt wurden. Ein weiterer seiner „Ableger“ ist das im Jahr 1979 gebildete Permanente Tribunal der Völker TPP (Tribunal Permanente de los Pueblos). Derzeit untersucht ein TPP die Mitverantwortung verschiedener internationaler Firmen an den in Kolumbien begangenen Menschenrechtsverletzungen. Oyaga ist optimistisch: „Mit Hilfe der TIOs können Justizirrtümer innerhalb der Länder aufgedeckt und Beweise erbracht werden, die es vorher nicht gab. Mit ihnen kann ein erster Schritt zur Verifizierung von Beweismaterial unternommen werden, das später helfen wird, Schuldige zur Verantwortung zu ziehen.“

Obwohl bisher noch kein Termin für die Einrichtung des Tribunals genannt wurde und seine Urteile nicht bindend sind, betrachtet Cepeda das Ganze bereits jetzt als „gigantischen, langen und akkumulativen Prozess, den dieses Tribunal nicht wird lösen können. Die Regierung wird jedoch gezwungen sein, ihre Politik in dieser Angelegenheit öffentlich zu diskutieren und einige Zugeständnisse zu machen, zum Beispiel, das Budget für die Unterstützung der Vertriebenen zu erhöhen.“

Jorge Rojas, Direktor der CODHES, meint dazu:„Jede politische und juristische Handlung muss alle Kriegsakteure zur Verantwortung ziehen. Dieses Tribunal beschränkt sich auf die Verantwortung des Staates. Das erscheint uns zwar richtig, aber es ist zu wenig. Es kann eine gute Übung für das historische Gedächtnis sein, eine gute Übung, um einen Teil der Verantwortlichen auszumachen, nämlich den Staat. Aber ich glaube, dass das Thema der gewaltsamen Umsiedlung vor anerkannten gerichtlichen Einrichtungen wie dem Internationalen Strafgerichtshof verhandelt werden muss. Es handelt sich schließlich um Kriegsverbrechen, außerdem geht die Vertreibung weiter, und von ihr betroffen sind etliche Menschen, deren Situation durch außergewöhnliche Verletzbarkeit gekennzeichnet ist.“

ECUADOR – COLOMBIA

Kolumbien kündigt Entschädigung für die Folgen der Herbizideinsätze an

(Buenos Aires, 28. Mai 2007, púlsar).- Der kolumbianischeAußenminister  Fernando Araujo hat während seines Besuches in Ecuador angekündigt, sein Land sei bereit, die vom Einsatz des Pflanzenvernichtungsmittels Glyphosat betroffenen Ecuadorianer in den Grenzgebieten zu entschädigen. Die kolumbianischen Herbizideinsätze aus der Luft begannen vor mehr als vier Jahren und nun, nach zahlreichen Anzeigen, versicherte Araujo „werden wir uns mit den offiziell eingereichten Klagen befassen“.

Die ecuadorianische Außenministerin María Fernanda Espinosa sagte:„Dies ist der richtige Moment für eine Annäherung und den Dialog mit Kolumbien. Ich bin sicher, dass die Regierung dieses Landes das Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein besitzt, die verursachten Schäden durch die Herbizideinsätze an der Grenze anzuerkennen“.

Mit den kolumbianischen Glyphosatbesprühungen sollten im Rahmen der kolumbianisch-US-amerikanischen Militärstrategie „Plan Colombia“ die Kokapflanzungen vernichtet und der Drogenhandel zerschlagen werden. Die ecuadorianischen Grenzbewohner leiden heute unter Hautausschlägen, Husten, Dermatitis, Atemwegserkrankungen und Verdauungsproblemen. Verschiedene Ärzte haben bestätigt, dass sich die Zahl der Personen, die über diese Beschwerden klagen, in den Tagen nach den Sprüheinsätzen multipliziere. Zudem leiden die Felder und das Vieh der ecuadorianischen Grenzbewohner unter den Besprühungen.

PERU

Indigene Bevölkerung klagt gegen Erdölkonzern OXY in den USA

(Lima 30. Mai 2007, na).- Indígenas der Ethnie Achuar aus derperuanischen Amazonasregion reichten am 10. Mai im US-amerikanischen Los Angeles Klage gegen den Erdölkonzern Occidental Petroleum (OXY) ein, da dieser über 30 Jahre lang die Böden und die Flüsse ihrer Region verschmutzt habe. Die Achuar, die in der im nordöstlichen Departement Loreta gelegenen Flussebene des Río Corrientes leben, haben unter der durch die Förderung von Rohöl verursachten Verwüstung stark gelitten. Die Fertigungsanlage 1AB wurde 1971 an OXY übergeben und bis zum Jahr 2000 vom Konzern betrieben. Dann wurde sie an den argentinischen Erdölkonzern Pluspetrol verkauft.

Seit dem Beginn der Erdölförderung in dieser Region wurden die bei der Produktion freiwerdenden schwermetallhaltigen Abwässer in den Río Corrientes geleitet. Unter der Verseuchung der Gewässer hat vor allem die Gesundheit der indigenen Bevölkerung stark gelitten.

Die Klage, die von der Organisation EarthRights International und einer Studie der Rechtsanwälte Schonbrun DeSimone Seplow Harris & Hoffman unterstützt wird, umfasst neun in der US-amerikanischen Gesetzgebung typifizierte Delikte: ungerechtfertigter Tod, Verletzu
ngen und Schaden, strafbare Fahrlässigkeiten, Aggressionen, Angriff auf das Privateigentum und Störung der öffentlichen Ordnung, Besetzung, Betrug, Falschdarstellung und Verletzung von Handelsgesetzen.

Obwohl der Konzern an mehreren Orten der peruanischen Amazonasregion operierte, kündigte OXY am 5. Dezember des vergangenen Jahres seinen definitiven Rückzug aus Peru an. Er begründete den Entschluss mit „einer Kombination technisch bedingter Geschäftsüberlegungen und Streitigkeiten mit den Gemeinden“.

BRASILIEN

Lula schickt Militär zu besetzter Wasserkraftanlage

(Buenos Aires, 25. Mai 2007, púlsar).- Nachdem dasWasserkraftwerk Tucuruí, im brasilianischen Bundesstaat Pará, von Bauern eingenommen wurde, bewachen nun 300 Sicherheitskräfte die Anlage. Das Wasserkraftwerk bleibt am Netz, obwohl die Bauern auch die Kommandozentrale besetzen konnten. Sie fordern Entschädigungszahlungen an Familien, die vor 23 Jahren für den Bau der Wasserkraftanlage umgesiedelt wurden.

Die Bewegung der von Staudämmen Betroffenen, die Landlosenbewegung MST, sowie Mitglieder des Kleinbauernverbandes Via Campesina fordern von der Regierung höhere Investitionen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Verkehrswesen in Gegenden, in denen die Vertriebenen angesiedelt wurden. Die Menschen mussten ihre Ländereien verlassen, weil die Region durch den Staudammbau überschwemmt wurde.

Obwohl Präsident Lula versichert, dass die Soldaten nur den Betrieb der Anlage garantieren sollen, kritisieren die Protestler das Vorgehen der Regierung. Luciane Andrioli von der Bewegung der von Staudämmen Betroffenen sagte, Ziel der Aktion sei Druck auf die Regierung auszuüben, um über Leistungen für die über 30.000 Personen, die ihre Wohnungen aufgrund des Baus der Anlage im Jahr 1984 verloren haben, zu verhandeln.

Während das Militär das Wasserkraftwerk bewacht, warten die Protestler nun auf eine Antwort der Vertreter des Ministeriums für Bergbau und Energie.

URUGUAY

Erneute Untersuchungen der sogenannten Todesflüge

(Buenos Aires, 25. Mai 2007, púlsar).- Richter Luis Charles hatdie Untersuchungen über die Verbringung politischer Gefangener von Argentinien nach Uruguay und deren nachfolgende Ermordung während der Militärdiktatur wieder aufgenommen. Angeklagt ist nun der ehemalige uruguayische Präsident Gregorio Álvarez. Bis zum 12. Juni wird das Richtergremium gegen 20 pensionierte Militärs Ermittlungen anstellen.

Charles untersucht einen zweiten sogenannten Todesflug. Dieser soll im Oktober 1976 stattgefunden haben, als eine Gruppe in Argentinien entführter uruguayischer politischer Gefangener in einem Flugzeug der Luftwaffe nach Uruguay zurückgeflogen wurde, nachdem sie zuvor im Konzentrationslager „Automotores Orletti“ gefoltert worden waren.

In 30 Tagen wird die uruguayische Regierung die Ausgrabungen auf  Militärgelände fortsetzen, um die versteckten Gräber zu finden, in denen sich möglicherweise die Leichen der Opfer befinden könnten.

ARGENTINA

Lehrer*innen aus Santa Cruz kehren in die Klassenzimmer zurück

(Buenos Aires, 28. Mai 2007, púlsar).- Nach 41 Tagen im Streikhaben die Lehrer*innen aus der argentinischen Südprovinz Santa Cruz die von den Behörden vorgeschlagene Gehaltserhöhung akzeptiert und den Unterricht wieder aufgenommen. Während des Streiks, der Anfang März begann, erreichten die Lehrkräfte eine Übereinkunft, die ihnen das Dreifache des ursprünglichen Gehalts zusichert. Das Verhandlungsprotokoll, das am 28. Mai ratifiziert werden sollte, schlägt außerdem weitere Verhandlungsrunden vor, um die anderen, über Gehaltsfragen hinausgehenden Forderungen der Lehrer*innen zu prüfen.

Weiterhin erreichte die Vereinigung der Lehrer*innen aus Santa Cruz ADOSAC (Asociación de Docentes de Santacruz), dass ein Zeltlager gegenüber dem Sitz der Provinzregierung solange bestehen bleiben kann, bis alle ihre zusätzlichen Forderungen verhandelt wurden.

CHILE

UN-Menschenrechtsausschuss thematisiert Übergriffe auf Homosexuelle

Von Benjamín Witte

(Santiago de Chile, 30. Mai 2007, na-poonal).- Nach acht Jahren richtete der UN-Menschenrechtsausschuss seine Aufmerksamkeit in diesem Jahr wieder einmal auf Chile. Zum ersten Mal in der Geschichte des Gremiums wurden während seiner 89. Sitzung im März diesen Jahres die Probleme, mit denen sexuelle Minderheiten in Chile konfrontiert sind, erwähnt.

Der Ausschuss lobte Chile, weil das Land endlich ein Gesetz abgeschafft habe, das homosexuelle Beziehungen unter Strafe gestellt hatte. Trotzdem äußerte die Organisation Besorgnis über die „Diskriminierung bestimmter Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, unter anderem vor den Gerichten und beim Zugang zur Gesundheitsversorgung“.

Der Bericht blieb in Chile fast unbeachtet. Die wichtigsten Medien erwähnten die Schlussfolgerungen der UN-Kommission nicht. Ebensowenig wurde darüber berichtet, dass am 23. März ein Gericht in der Stadt Calama, im Norden des Landes, nach zweieinhalb Jahren den Fall des Mordes an einem Transgender schloss. Der bekennende Mörder wurde gegen Kaution freigelassen.

Der Angreifer, später als Víctor Vicencio Marín identifiziert, wurde am Tatort festgenommen. Nach drei Tagen Haft wurde er nach der Zahlung einer Kaution wieder freigelassen. „Es ist billig, einen Schwulen zu töten“ sagte er gegenüber Pressevertretern nach seiner Freilassung. Obwohl der Mörder ein Geständnis abgelegt hatte, war der Fall vom Gericht in Calama lange Zeit nicht bearbeitet worden. Vicencio konnte einen Anwalt engagieren, Ana Sánchez, die Mutter des Transgender, nicht. Ende März wurde der Prozess geschlossen: Vicencio wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, die Strafe jedoch wegen des Schuldbekenntnisses auf Bewährung ausgesetzt. Solange er kein anderes Verbrechen begeht, wird der Mörder keinen weiteren Tag mehr im Gefängnis verbringen.

Der brutale Mord an Andrea Sánchez ist kein Einzelfall in Chile. Eine Woche vor dem Urteil in Calama wurde die 54jährige Transgender-Prostituierte Michelle Carrasco in einem Vorort von Santiago totgeprügelt. Zwei Wochen zuvor wurde ein weiterer Transgender in der Küstenstadt Viña del Mar getötet.

„Wir sind wirklich entsetzt, weil der chilenische Staat strikt gesehen momentan einem Teil der Bevölkerung ein Grundrecht nicht garantiert. Es geht um das Recht auf Leben, erklärte Rolando Jiménez, Präsident der Bewegung für die Integration und Befreiung Homosexueller MOVILH (Movimiento de Integración y Liberación Homosexual). Dieses Recht sei hauptsächlich deshalb nicht gewährleistet, weil die Transgender-Bevölkerung in dieser Gesellschaft gezwungen sei, von der Prostitution zu leben. Die Bedingungen der Personen, die diesen Beruf ausüben, seien sehr prekär und gefährlich.

Die Situation verschlechtere sich zudem dadurch, wie die Fälle von den  Gerichten behandelt oder nicht behandelt würden, meint Jiménez . Obwohl Polizei und Justiz einige Fälle geklärt hätten, habe er den Eindruck, dass die Behörden nicht streng genug vorgingen. Zudem würde das Strafmaß für diese Verbrechen äu
ßerst selten der Schwere der Delikte entsprechen. „Wir haben immer gesagt, dass in Chile ein Mörder besser angesehen ist, als eine Schwuchtel. Der Begriff klingt hässlich und hart, aber man muss die Sachen beim Namen nennen, oder?“, sagte Juana Iris Rubio, Direktorin der Transgender Organisation TravesNavia.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

Redaktion in Mexiko: Kristin Gebhardt, Wolf-Dieter Vogel Tel./Fax.: 0052-55-55541480, e-mail: poonalmex@npla.de

Koordination in Berlin: Eva Völpel

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