Poonal Nr. 751

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 06. Februar 2007

Inhalt


MEXIKO

NICARAGUA

KUBA

ECUADOR

BOLIVIEN

PERU

BRASILIEN

ARGENTINIEN

LATEINAMERIKA


MEXIKO

Oaxaca: Mitarbeiter von Radio Calenda angegriffen

(Mexiko-Stadt, 1. Februar 2007, púlsar).- Der mexikanische Staat muss Maßnahmen ergreifen, um die Mitarbeiter von Radio Calenda zu schützen. Für diese Forderung setzten sich der Weltverband der Basisradios AMARC (Asociación Mundial de Radios Comunitarias) und die Mexikanische Kommission für Verteidigung und Förderung der Menschenrechte (Comisión Mexicana de Defensa y Promoción de los DDHH) bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ein. In einem Bericht betonten die beiden Gruppen „die Schwere und Dringlichkeit der Angriffe und Drohungen gegen Mitarbeiter des Basisradios Radio Calenda aus Oaxaca“.

Die beiden Organisationen baten die Interamerikanische Kommission, vom mexikanischen Staat zu fordern, Maßnahmen zu ergreifen, um „das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Radio-Mitarbeiter zu schützen“. Außerdem müsse die Meinungs- und Redefreiheit in der Gemeinde San Antonino Castillo de Velasco garantiert sein. In diesem Ort im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca ist Radio Calenda ansässig.

Die beiden Initiativen berichteten, am 25. Januar habe eine Auseinandersetzung zwischen Anhängern der PRI-Partei und Mitgliedern der Gemeinde San Antonino de Velasco statt gefunden. Dabei seien die Radio-Mitarbeiter Emilio Santiago, Darío Campos und Abel Sánchez geschlagen worden. Einer von ihnen sei festgenommen worden, auf einen anderen sei zweimal geschossen worden. Diesem Vorfall seien massive Todesdrohungen, Schließungen des Radios, Belästigungen und körperliche Gewalt vorangegangen, etwa Freiheitsentzug durch maskierte Personen am 27. November 2006.

Der Sender sei „der einzige in der ganzen Gemeinde, der über den sozialen Konflikt berichtet“. Mit den Angriffen sei „ein Anschlag verübt worden gegen die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information für die Gemeindemitglieder“.

Demonstration gegen Lebensmittelpreiserhöhung

Von Wolf-Dieter Vogel

(Mexiko-Stadt, 1. Februar 2007, poonal).- Rund 100.000 Menschen demonstrierten am vergangenen Mittwoch (31. Januar) gegen die Erhöhung der Lebensmittelpreise und für die „Ernährungssouveränität“ Mexikos. Zu der Aktion hatten zahlreiche Gewerkschaften, Bauernverbände, Stadtteilorganisationen und Parteien aufgerufen. Neben Mitgliedern der gemäßigt linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD) nahmen auch einige Fraktionen der ehemaligen Staatspartei der Institutionalisierten Revolution (PRI) an dem Marsch teil. Im Rahmen eines „neuen sozialen Paktes“ einigte sich verschiedene Organisationen auf eine „Erklärung vom Zócalo“, in der sie einen grundlegenden Wandel in der Sozialpolitik fordern.

Vorab hatte es Streitigkeiten über die Teilnahme des PRD-Politikers Andres Manuel López Obrador gegeben. Insbesondere der PRI nahestehende Verbände hatten sich dagegen ausgesprochen, dass der gescheiterte Präsidentschaftskandidat die Aktion für seine Zwecke nutzt. Schließlich kam es zu zwei Demonstrationen, die sich am Zócalo, dem zentralen Platz der mexikanischen Hauptstadt, trafen. López Obrador sprach im Anschluss an die abschließende Kundgebung.

Der Auslöser für die Demonstration war die Erhöhung des Tortillapreises. Das wichtigste Nahrungsmittel Mexikos ist in den letzten Wochen durchschnittlich um etwa ein Drittel teurer geworden, in manchen Regionen ist der Preis sogar auf über das Doppelte gestiegen. Für viele aus der armen Bevölkerung ist der dünne Maisfladen damit fast zum Luxusartikel geworden. Gewerkschafter, Bauernverbände und Linke fordern nun staatliche regulative Maßnahmen, um die Steigerung einzudämmen. Der konservative Präsident Felipe Calderón versucht, durch Preisgrenzen und zollfreie Importe auf die Kostenexplosion zu reagieren.

Die Maisfladen fehlen praktisch bei keinem Essen. Jeden Tag verspeisen die 105 Millionen Mexikaner rund 300 Millionen Tortillas. Vor allem bei den Armen muss das „mexikanische Brot“ oft fehlendes Fleisch oder andere teure Lebensmittel ersetzen. Ein Kilo gehört für viele Familien zum täglichen Verbrauch. Die Konsequenzen der hohen Preise seien also schwerwiegend, rechnet Ifigenia Martínez von der oppositionellen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) vor: „Während der Kilopreis der Tortilla von sechs auf zehn Pesos (70 Eurocent) gestiegen ist, wurde der Mindestlohn, von dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung leben muss, gerade einmal um 3,7 Prozent auf 50 Pesos erhöht“. Der Durchschnittsverdienst liegt bei etwa 200 Pesos (14 Euro) täglich, die Hälfte der Bevölkerung ist arm.

Wirtschaftsminister Eduardo Sojo macht den hohen Maispreis auf dem internationalen Markt für die teuren Tortillas verantwortlich. Im letzten Jahr hat sich dieser verdoppelt. Der Grund: Das Korn ist knapp geworden, da der Hauptexporteur USA zunehmend mehr Mais für die Produktion von Bioäthanol nutzt. Wurden 1995 noch zehn Millionen Tonnen für die Brennstoffherstellung verwandt, so sind es inzwischen knapp 60 Millionen Tonnen. Tendenz steigend. Die USA stimuliere die Produktion von Biobrennstoffen, um die Abhängigkeit von Erdölimporten aus dem Nahen Osten zu verringern, erklärt Andrea Athanas von der „World Conservation Unit“ für nachhaltige Entwicklung.

In Mexiko hat die Tortillakrise einmal mehr die Abhängigkeit vom Nachbarn im Norden deutlich gemacht. Einst unabhängig von Importen, kauft das Land mittlerweile fast die Hälfte des konsumierten Maises in den USA: 17,7 Millionen von 39 Millionen Tonnen. Durch den Freihandelsvertrag NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko von 1994 sind die Einfuhrkosten so tief gefallen, dass US-Billigmais zunächst den mexikanischen Markt überschwemmt hat. Große Teile der kleinbäuerlichen Produktion wurden zerstört, da die Campesinos nicht gegen die hochsubventionierten Waren konkurrieren konnten. Bauernverbände fordern nun Hilfsmaßnahmen für kleine Agrarproduzenten, um d
ie „Ernährungssouveränität“ wieder herzustellen. Zudem müsse der Tortillapreis wie früher staatlich gestützt werden. Dies war der Fall, bis die Regierung 1998 entsprechende Programme im Zuge der NAFTA-Billigimporte einstellte.

Als ausgesprochener Wirtschaftsliberaler lehnt Präsident Calderón solche marktregulierenden Instrumentarien ab. Dennoch hat er sich vor wenigen Tagen mit Händlern und Produzenten auf eine Preisgrenze von 8,5 Pesos pro Kilo Tortilla geeinigt. An diese Vorgabe hält sich bislang jedoch nur ein Teil der Anbieter. Zudem hat der Staatschef angeordnet, 450.000 Tonnen Mais aus den USA sowie 200.000 ohne Länderbindung zollfrei einzuführen. „Eine sinnlose Feuerwehrpolitik,“ reagiert Ana de Ita vom Zentrum für ländliche Studien Ceccam. „Man versucht, ein Problem mit neoliberalen Mitteln zu lindern, das durch die neoliberale Politik erst entstanden ist“. Die teuren Tortillas seien aber nicht nur auf den gestiegenen Maispreis zurückzuführen, meint die Agrarexpertin und verweist auf spekulative Maßnahmen großer Lebensmittelunternehmen.

Journalistenverband zeigt Attentate und Entführungen an

(Mexiko-Stadt, 29. Januar 2007, cimac-poonal).- Der Verband der Mexikanischen Journalistenvereinigungen verurteilte in einer Presseerklärung die Attentate gegen die Journalisten Hilda Luisa Baldemar y Lima in Puebla sowie Martín Mayoral Lozano in Caborca im Bundesstaa Sonora. Ebenfalls angeklagt wurde das Verschwinden von Rodolfo Rincón Taracena aus dem Bundesstaat Tabasco. Der Verband fordert die sofortige Intervention des Präsidenten Felipe Calderón, des Bundesstaatsanwaltes Edurado Medina Mora und des Staatlichen Ombudsmanns José Luís Soberanes.

In der Presseerklärung heißt es, man habe versucht Hilda Luisa Baldemar y Lima nach dem Verlassen des Senders Radio Tribuna mit einem Kleintransporter zu überfahren. Baldemar y Lima ist die Sekretärin für Soziales des Journalistenverbands sowie Mitglied des Verwaltungsrats der Vereinigung der Journalistinnen und Schriftstellerinnen Pueblas.

Am 25. Januar wurde das Auto von Martín Mayoral mit Benzin übergossen und angezündet. Der Journalist hatte den Wagen vor seinem Haus in Caborca geparkt. Der Brand griff beinahe auf dessen Wohnhaus und  angrenzende Gebäude über. Bei einem ähnlichen Attentat gegen den Journalisten Reynaldo Trujillo Mora aus Caborca wurde ebenfalls dessen Auto angezündet. Der Anschlag wurde am Vorabend der Veröffentlichung der Regierungserklärung Eduardo Bours, Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Sonora, verübt.

Am 19. Januar verschwand Rodolfo Rincón Taracena, Berichterstatter der Tageszeitung „Tabasco Hoy“ aus Villahermosa. Taracena hatte drei Tage zuvor eine lange Reportage zu den illegalen Drogengeschäften vor Ort veröffentlicht. Bis zum 26. Januar hatte man keinerlei Nachricht über seinen Aufenthaltsort.

Der Journalistenverband fordert die „eingehende Untersuchung der Vorfälle”, um dem alarmierenden Anstieg von Attentaten, Drohungen gegen und Ermordungen von Journalisten seit der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Fox zu stoppen.

NICARAGUA

Sandinistische Abgeordnete schlagen Senkung von Bezügen vor

(Buenos Aires, 26. Januar 2007, púlsar).- Die Parlamentarier der Sandinistischen Front zur Nationalen Befreiung FSLN (Frente Sandinista de Liberación National) brachten vor der Nationalversammlung ein Projekt zur Senkung der Gehälter von Abgeordneten, Beamten und anderen öffentlichen Angestellten ein. Damit folgten sie der Initiative von Präsident Daniel Ortega, der zu Beginn der Woche ein Dekret über eine mehr als 50-prozentige Senkung der Bezüge aller Regierungsmitglieder erlassen hatte. Entgegen den 8.500 US-Dollar, die sein Amtsvorgänger Enrique Bolaño monatlich einnahm, wird Ortega 3.200 US-Dollar erhalten. Die Initiative der FSLN-Parlamentarier orientiert sich an dem Dekret des Präsidenten. Bis jetzt wird der Vorschlag nur aus den sandinistischen Reihen unterstützt. Für den Abgeordneten Gustavo Porras wird die Initiative zumindest klar stellen „wer tatsächlich eine Gehaltssenkung zur Deckung der Bedürfnisse der Bevölkerung akzeptiert und wer nicht“.

KUBA

Parlament wird über kostenfreie Geschlechtsumwandlungen entscheiden

(Mexiko-Stadt, 23. Januar 2007, cimac-poonal).- Laut dem Bulletin “Diversität” (Boletín Diversidad) wird das kubanische Parlament demnächst über die Kostenfreiheit von Geschlechtsumwandlungen auf der Insel entscheiden. Damit wäre das staatliche Gesundheitssystem für die Behandlung aller transsexuellen Menschen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen möchten, verantwortlich. Schon jetzt ist es kubanischen Bürgerinnen und Bürgern nach dem sogenannten Identitätsgesetz (Ley de Identidad) möglich, Namen und Geschlecht in den Ausweispapieren zu ändern. Kuba ist damit in Lateinamerika führend bei der Gesetzgebung zur Anerkennung der Rechte von Trans-Personen. Die Gesetzesinitiative wurde Ende letzten Jahres im Parlament eingebracht, dann von verschiedenen Kommissionen geprüft, die jetzt ihr Zustimmung für die sofortige Annahme der Initiative gaben.

Mariela Castro Espin, Direktorin des Staatlichen Instituts für Aufklärung  CENESEX (Centro Nacional de Educación Sexual) meinte: „Wir haben uns entschieden, mit den Transsexuellen zu beginnen, da sie physisch und psychisch die Verletztlichsten sind.”

Nach Angaben des Bulletins meinen gut informierte Kreise, dass das kubanische Parlament für das Jahr 2007 eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Rechte für Lesben, Schwule, Transsexuelle und Bisexuelle verabschieden will, darunter auch die Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen.

ECUADOR

Demonstranten stürmen Kongressgebäude

(Buenos Aires, 31. Januar 2007, púlsar).- Quito wurde, wie auch schon während des Aufstands, der zum Sturz der Regierung von Lucio Gutiérrez geführt hat, erneut Schauplatz nächtlicher Protestmärsche. Dieses Mal forderten Hunderte von Demonstranten das Recht auf eine Volksbefragung zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung.

Zur Demonstration aufgerufen hatte der Basisradiosender La Luna. Auch Bürgerorganisationen versammelten sich in der Nacht auf den Straßen. Sie protestierten gegen diejenigen Kräfte, die die Klüngelwirtschaft der etablierten Parteien erhalten und den verfassungsgebenden Prozess behindern wollen. „Man will der Bevölkerung ihr Recht nehmen, einziger Souverän zu sein“, sagte ein Mitglied der kirchlichen Basisgemeinden des Südens und des landesweiten Bündnisses für eine Verfassungsgebende Versammlung. Die Demonstranten stellten sich damit hinter Präsident Correa und lehnten zudem die Diätenerhöhung ab, die sich die Abgeordneten selbst bewilligt hatten.

Am Nachmittag durchbrachen die Demonstranten die Polizeiabsperrung und stürmten den Kongress, als man dort gerade die vom Obersten Wahlgericht übergebene Dokumentation über den Aufruf zu einer Volksbefragung behandelte. Die Sitzung wurde schließlich ausgesetzt. Dazu Parlamentspräsident Jorge Cevallos: „Ich habe die Sitzung aufgelöst, um die körperliche Unversehrtheit der Abgeordneten zu schützen“.

BOLIVIEN

Zwischen Autonomie und Zentralismus

Von Martín Garat

(La Paz, 24. Januar 2007, na-poonal).- Die Autonomieforderungen einiger Departements des Landes ist eins der umstrittensten Themen der bolivianischen Innenpolitik. Der Versuch des Gouverneurs von Cochabamba, Manfred Reyes Villa, ein Referendum bezüglich der Autonomie-Idee in seinem Departement einzuberufen, stieß auf heftige Proteste. Seit dem 7. Januar wird nun sein Rücktritt gefordert. Am 11. Januar wurden bei Zusammenstößen zwischen Anhängern des Gouverneurs und regierungstreuen Bauern, die den Präsident Evo Morales unterstützen, mindestens 70 Personen verletzt.

Das Thema Autonomie bestimmt bereits seit 2005 die politische Agenda des Landes. Damals zwangen massive Proteste in Santa Cruz – dem reichsten Departement des Landes – die Regierung des damaligen Präsidenten Carlos Mesa (2003-2005), eine Volksabstimmung bezüglich dieser Frage einzuberufen. Das Referendum fand am 2. Juli 2006, zeitgleich mit der Wahl der 255 Mitglieder der Verfassungsgebenden Versammlung statt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass das Land in zwei Lager gespalten ist. In den fünf westlichen, den ärmsten Provinzen – Chuquisaca, Cochabamba, La Paz, Oruro und Potosí – wurde gegen die Autonomie gestimmt, während die vier östlichen Provinzen, Beni, Pando, Santa Cruz und Tarija, ihre Unabhängigkeit befürworten würden. Die Entscheidung für oder gegen die Unabhängigkeit der Provinzen wird jedoch letztendlich von der Verfassungsgebenden Versammlung getroffen. Ebenso entscheidet diese über die Form der Autonomie, falls sich die Idee durchsetzt. Die Arbeit der Verfassungsgebenden Versammlung, die vor fast sechs Monaten, am 6. August aufgenommen wurde, stagniert jedoch.

Aufs ganze Land gesehen überwiegen die Nein-Stimmen. Daher geht die Regierungspartei MAS davon aus, dass die Verfassungsgebende Versammlung der Unabhängigkeit nicht zustimmen muss, auch nicht in den Departements, die mit „ja“ gestimmt hatten. Die Befürworter des Autonomiemodells gehen jedoch davon aus, dass die Ergebnisse der Volksbefragung bindend sind und dass folglich die Verfassungsgebende Versammlung der Autonomie der vier Provinzen zustimmen muss.

Nach Meinung des MAS-Abgeordneten Gustavo Torrico führt die Unabhängigkeit, so wie die Befürworter ihr Konzept in der Öffentlichkeit dargestellt haben, zu einer Spaltung des Landes. „Wir haben im Referendum wegen der Art, wie die Autonomie dargestellt wurde, nämlich als Halb-Autonomie, mit „nein“ gestimmt. Das Land würde daran zerbrechen.“ Die Mitte- und Rechtsparteien hingegen sprachen sich für das Autonomie-Modell aus. Tito Hoz de Vila, Abgeordneter der rechten Poder Democrático y Social (PODEMOS), hält den Zentralismus für schädlich für die Departements. „Der Zentralismus hat regionale Initiativen zum Erliegen gebracht und Ungleichgewichte in der regionalen Entwicklung provoziert. Daher wollten nun einige Provinzen zunächst die Dezentralisierung und dann die Autonomie“, erklärte er.

Die Politikwissenschaftlerin Moira Zuazo spricht von zwei Hauptforderungen, die gegenwärtig die politische Landschaft in Bolivien bestimmen: die Forderung der Einrichtung unabhängiger Departements einerseits, der Ruf nach einer gleichberechtigteren Gesellschaft andererseits. Ersteres fordern vor allem die östlichen Provinzen, während MAS und die sozialen Bewegungen, die die Regierung unterstützen, hinter der zweiten Forderung stehen. Diese gehen davon aus, dass der Wirtschaftssektor von Santa Cruz die Unabhängigkeit als Schutzschild gegen die politischen und sozialen Veränderungen nutzen möchte, die die Regierung Morales in Gang bringen will. Zuazo unterstützt die Einschätzung, dass vor allem die Oberschicht von Santa Cruz hinter dieser Forderung steht. Sie weist aber auch darauf hin, dass der Autonomiegedanke „auch in der breiten Bevölkerung von Santa Cruz und im Osten des Landes auf viel Zustimmung stößt.“

Die auf dem flachen Land lebenden Menschen im Osten fühlen sich mit der Landespolitik, die im 3600m über dem Meeresspiegel gelegenen La Paz gemacht wird, nicht sehr verbunden. Auch teilen sie die indianischen Wurzeln der Bewohner im Westen, die an der Landespolitik regen Anteil haben, nicht. Aus der Sicht der Menschen im Osten ist die Ablehnung der Autonomie ein Versuch der Zentralregierung, die Fäden in der Hand zu behalten.

Die Frage ist, wie der Autonomiegedanke in die Praxis umgesetzt werden könnte. Nach Ansicht Zuazos haben nur Santa Cruz, La Paz und möglicherweise Cochabamba die wirtschaftlichen Möglichkeiten, Provinzsteuern zu erheben und die nötigen Mittel zusammenzubekommen, um eine eigenes, regierungsunabhängiges Gesundheits- und Bildungswesen aufzubauen. Von diesen drei Provinzen stimmte nur Santa Cruz für die Autonomie.

Die Regierung fürchtet, die Kontrolle über die Erdgasreserven zu verlieren. Die wichtigsten Vorkommen befinden sich in Tarija, das ebenfalls für die Unabhängigkeit gestimmt hatte. Auch den Verlust der Kontrolle über das Departement Santa Cruz, den wirtschaftlichen Motor des Landes, könnte sich die Regierung nicht wirklich leisten.

Regierung legt Neugründungsprogramm für YPFB vor

(Buenos Aires, 31. Januar 2007, púlsar).- Der bolivianische Präsident Evo Morales hat verkündet, dass dem Kongress des Landes ein Plan zur Neugründung des Energiekonzerns Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos (YPFB) vorgelegt wurde. Damit versucht die Regierung mit den Streikenden des Standorts Camiri in Dialog zu treten, die eine schnellere Renationalisierung des Konzerns fordern. Morales bestätigte die Notwendigkeit, das Unternehmen erneut zu verstaatlichen und räumte ein, dass das unlängst erlassene Energiegesetz nich ausreichend sei. Senator Santos Ramírez von der Regierungspartei MAS (Movimiento al Socialismo) gab zu bedenken, dass eine tiefgreifende und nachhaltige Umstrukturierung des Unternehmens nur möglich sei, wenn ausreichende finanzielle Mittel für die Erforschung und den Abbau neuer Energieressourcen bereitgestellt würden.

Ramírez wies darauf hin, dass derzeit die Erträge aus der Gewinnung von Brennstoffen unter den beteiligten Bundesstaaten, Kommunen und Universitäten aufgeteilt werden. „Daher ist ein Sondergesetz für YPFB notwendig, das dem Unternehmen Mittel zur Entwicklung seiner Aktivitäten zusichert”, so der Senator weiter.

Nach Angaben des Regierungssprechers Alex Contreras hat die Regierung Bürgermeister*innen und Vertreter*innen von Gewerkschaften und Förderunternehmen zu einem Treffen in die südbolivianische Stadt Yacuiba eingeladen, um deren Forderungen nach „einer wirklichen Verstaatlichung der Treibstoffindustrie” zu verhandeln. Das Treffen wurde jedoch in Frage gestellt, da sich die Position der Streikenden von Camiri verhärtet hat. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Mirco Orgaz, forderte dass der Dialog mit der Regierung in Camiri stattfinden soll und auf die konkreten Forderungen der dortigen Bevölkerung eingegangen wird.

PERU

Mehr als 300 Menschen in Militärgefängnis ermordet

(Montevideo, 29. Januar 2007, ecupress-poonal).- Mindestens 300 Menschen wurden Mitte der achtziger Jahre im in den peruanischen Bergen gelegenen Militärgefängnis Los Cabitos in Ayacucho ermordet. Nach Angaben eines anonymen
Informanten und vermutlichen Zeugen der Verbrechen war dies am Anfang der Regierungszeit des damaligen Präsidenten Alan García (1985-1990) eine gängige düstere Praxis.

Der Informant behauptete später, er habe während des Bürgerkriegs, der das Andenland in den letzten 20 Jahren des vergangenen Jahrhunderts erschütterte, als Unteroffizier in dieser Kaserne gedient und machte in einem am 25. Januar über den Fernsehkanal La Ventana Indiscreta ausgestrahlten Bericht haarsträubende Geständnisse.

So hätten die Verantwortlichen für die Morde keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen und Kindern gemacht und ausnahmslos alle Gefangenen in Los Cabitos hingerichtet. Es gäbe keinen Zweifel darüber, dass alle Hinrichtungen von den Militärchefs angeordnet worden sind und dass die „Militärspitze und sogar der Präsident“ Kenntnis über diese Vorfälle hatten.

Des Weiteren versicherte der Informant, dass die Gefängnisvorsteher einen Ofen zur Verbrennung der Leichen bauen ließen, so dass alle Spuren solcher außergerichtlichen Hinrichtungen vernichtet werden konnten. „Diesen Gestank werde ich nie vergessen.“, sagte er im Bezug auf die Verbrennung der Körper. Die des Terrorismus verdächtigten Gefangenen seien zunächst verhört worden. „Nachdem man ihnen Informationen abgerungen hatte, sagte man ihnen, sie würden auf freien Fuß kommen. Doch geschah dies nie. Man brachte sie in einen anderen Bereich des Gefängnisses, wo sie durch einen Kopfschuss getötet wurden.“

Im vergangenen Oktober fand die damals für Ayacucho zuständige Staatsanwältin Cristina Olazábal nahe dem Militärgefängnis menschliche Überreste der Opfer. Laut dem Informanten sollen es noch etliche andere Orte geben, an denen die Reste der verbrannten Leichen begraben worden seinen. Die Zeugenaussage wurde von der Wahrheits- und Versöhnungskommission aufgenommen und auch an die Staatsanwaltschaft von Ayacucho weitergeleitet, die die Identität des Zeugen vertraulich behandelte.

Polizeigewalt gegen Transen angeklagt

(Fortaleza, 1. Februar 2007, adital-poonal).- Bei einer Pressekonferenz klagten Sprecher verschiedener Organisationen die Gewalt an, die täglich von Mitgliedern der Lokalpolizei aus Lima gegenüber Transvestiten, Transsexuellen und Transgender-Personen ausgeübt wird. Anwesend war auch eine Delegation der Opfer von Gewaltakten der städtischen Polizisten, die darüber berichteten wie sie am 12. Januar im Zentrum von Lima brutal angegriffen worden waren.

Belissa Andía vom Institut Runa, das sich für sexuelle Diversität einsetzt, meinte, dass die Organisation in den letzten drei Monaten mehr als 70 Übergriffe auf Transen registriert habe. Es handele sich dabei um Schlägereien, Raubüberfälle und Erniedrigungen. Verantwortlich für die Taten seien Beamten der städtischen Polizei aus Lima und anderen Distrikten. Ray Rodrígez von der Gruppe „Rote Nelken“ (Agrupación Claveles Rojos) sprach darüber, dass es Gegenden gebe, die Transen nicht betreten könnten, da sie dort der Gefahr ausgesetzt seien von den örtlichen Polizisten misshandelt zu werden

Der Ratsherr der Stadt Lima Rafael García Melgar informierte über die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Täter identifizieren zu können und die Verantwortlichen für die Gewaltakte der letzten Wochen zu ergreifen.

BRASILIEN

MST meldet Repression und illegale Gefangennahmen

(Rio de Janeiro, 31. Januar 2007, púlsar).-Am vergangenen Freitag drang die Militärpolizei des Bundesstaates Goiás mit 80 Bewaffneten in ein Lager der Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Sem Terra) ein. Dabei wurde geschossen und 600 Familien wurden gefangen genommen.

Der Aktion lag kein richterlicher Beschluss zugrunde. Der Militärpolizei zufolge wurden die Landlosen angeblich beschuldigt, eine benachbarte Farm geplündert zu haben. Laut dem Pressesprecher der Landlosen wurden nur diejenigen Bauern gefesselt und geschlagen, die man für Anführer gehalten hatte. Männer und Frauen wurden getrennt und auf einen abgesperrten Hof der Farm Siete Rios gebracht, auf der sich das Lager befindet. „Die Situation ist sehr angespannt und wir sind sehr besorgt“, sagte die MST-Sprecherin Lucineia Medeiros. „Der Raubvorwurf ist ein Vorwand, um das illegale und gewalttätige Vorgehen der Polizei auf der Farm Siete Rios zu rechtfertigen“, bekräftigt Medeiros.

Lula stellt Investitionsplan für den Zeitraum 2007-2010 vor

(Rio de Janeiro, 23. Januar 2007, púlsar).- Während seiner ersten großen Ansprache in der zweiten Amtsperiode als brasilianischer Präsident, stellte Luiz Inácio Lula da Silva das Programm Wachstumsbeschleunigung PAC (Programa de Aceleración del Crecimiento) vor. Bis zum Jahr 2010 sollen 236 Milliarden US-Dollar investiert werden. Für die Implementierung des Programms sei die Unterstützung des Kongresses und der Gouverneure nötig. „Das Programm Wachstumsbeschleunigung braucht die Unterstützung einer breiten politischen Koalition, die für die Idee einer gerechten und unabhängigen Nation eintritt“.

Das Programm legt fest, dass die Bundesregierung ca. 32 Milliarden US-Dollar zusteuern soll und der Restbetrag von einer Privatinitiative und von staatlichen Unternehmen getragen wird. PAC sieht den Bau von mehr als 4.000 Kilometern Erdgasleitungen, 46 Biodiesel-Fabriken und 77 Ethanol-Fabriken vor. In Bezug auf die Infrastruktur nimmt Lula sich vor sein Mandat mit dem Bau, der Erweiterung und Reparatur von 42.000 Kilometern Schnellstraßen und 2.600 Kilometern Eisenbahnschienen zu beenden. Zudem sollen 13.800 Kilometer Stromleitungen installiert und 20 Flughäfen und 12 See- und Flusshäfen ausgebaut werden.

ARGENTINIEN

Arbeitslosenorganisation klagt Drohungen und Mordversuch an

(Buenos Aires, 1. Februar 2007 púlsar).- Die Union der arbeitslosen Arbeiter UTD (Unión de Trabajadores Desocupados) der Provinz Salta prangert einen Mordversuch an, der in den vergangenen Tagen auf einen ihrer Sprecher verübt wurde. Zudem sei ein weiteres Mitglied der Organisation bedroht worden.

Nach Angaben der UTD hätten Unbekannte am 23. Januar versucht José „Pepino“ Fernández, einen der leitenden Köpfe der UTD, im Beisein von Augenzeugen umzubringen. Einige Tage später seien zwei Schlägertypen im Haus eines Verwandten von Rodolfo „Chiqui“ Peralte, einem weiteren UTD-Sprecher, erschienen. Dort hätten diese auf einen seiner Söhne geschossen, der sich glücklicherweise schützen konnte. Peralte und sein Sohn erstatteten  Anzeige und forderten polizeilichen Schutz. Von Seiten der Polizei jedoch erfolgten keine Maßnahmen, um die Sicherheit der Aktivisten zu gewährleisten.

Mara Puntano, eine Anwältin der UTD, versicherte, dass diese gewaltsamen Angriffe Teil einer Kampagne seien, um die Organisation zu verfolgen und sie in Verruf zu bringen. Zu der ständigen Kriminalisierung der Repräsentanten der Organisation – gegen Fernández seien mehr als 80 Klagen anhängig-, kämen nun auch immer häufiger Drohungen und Einschüchterungsversuche sowie die Sabotage ihrer erfolgreichen Projekte.

LATEINAMERIKA

TeleSUR macht Pl&au
ml;ne

(Buenos Aires, 30. Januar 2007, púlsar).- Das Leitungsgremiun des in Caracas ansässigen Fernsehsenders TeleSUR diskutierte im Rahmen eines Treffens in Argentinien Pläne für den Ausbau des Senders für die kommenden drei Jahre. Zudem wurde auch Bolivien als formeller Teilhaber integriert. Telesur-Präsident Andrés Izarra versicherte, dass man auch für den kommenden Zeitraum an dem Ziel festhalte „im Kommunikationsbereich  für eine gemeinsame lateinamerikanische Vision einen Raum zu schaffen“.

Geplant sei, die Anzahl der Korrespondenten für die Berichterstattung in Lateinamerika von zehn auf 15 zu erhöhen, so Izarra weiter. Er wies zudem auf die Übertragung nach Europa, die lokale Verbreitung in Venezuela sowie die Gründung einer TeleSUR-eigenen Nachrichtenagentur hin. Die Mitglieder des TeleSUR-Vorstandes unterschrieben ein Kooperationsabkommen mit der staatlichen argentinischen Nachrichtenagentur Télam. Beide Medien sichern darin zu, Nachrichten verschiedener Formate auszutauschen.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

Redaktion in Mexiko: Kristin Gebhardt, Wolf-Dieter Vogel Tel./Fax.: 0052-55-55541480, e-mail: poonalmex@npla.de

Koordination in Berlin: Eva Völpel

Übersetzungsteam: Sebastian Landsberger, Sebastian Henning, Ricarda Franzen, René Cofré  Baeza, Nicole Heigl Romana, Marit Teerling, Lui Lüdicke, Lilli von der Ohe, Kristina Vesper, Katrin Aue, Kathrin Fochtmann, Jana Fleschenberg, Jan Kühn, Inga Vietzen, Henrike Hochmuth, Henning Alts, Grit Petschick, Dietrich von Richthofen, Cornelia Gritzner, Cornelia Derler, Claudia Hektor, Christina Klug, Carolin Gehrmann, Brigitta Kainz, Anna Mielke, Ania Müller, Alexander Trofimow;

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