Poonal Nr. 700

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 20. Dezember 2005

Inhalt


GUATEMALA

HONDURAS

EL SALVADOR

NICARAGUA-COSTA RICA

ECUADOR

KOLUMBIEN

BOLIVIEN

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINIEN

CHILE


GUATEMALA

Vorschläge zur Reform des Justizwesens

(Guatemala-Stadt, 15. Dezember 2005, cerigua).- DieInternationale Juristenkommission CIJ (Comisión Internacional de Juristas) forderte die Regierung und den Kongress von Guatemala auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Judikative endlich in eine unabhängige Institution zu verwandeln. Nur so könnten die Menschenrechte aktiv geschützt und die Straflosigkeit beendet werden.

In dem am 14. Dezember in Genf veröffentlichten Bericht „Gerechtigkeit in Guatemala – ein langer Weg“ untersucht die Internationale Juristenkommission die strukturellen Schwächen des guatemaltekischen Rechtssystems und schlägt ein Reformpaket vor, durch das die Judikative und die Generalstaatsanwaltschaft eine neue Grundlage erhalten sollen.

Auch noch zehn Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Regierung und URNG-Guerrilla seien weder die Unabhängigkeit noch die Stärke der Judikative ausreichend sichergestellt. Damit bleibe die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung, so Nicholas Howen, Generalsekretär der CIJ.

In ihrem Bericht weist die internationale Organisation darauf hin, dass die guatemaltekische Regierung die Fälle von Übergriffen auf Richter, Staatsanwälte und Menschenrechtsaktivisten untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht bringen müsse. Die derzeitige Situation stelle eine enorme Schwächung des Rechtsstaates dar. Der Kongress solle Richter ernennen, ohne dabei deren politische Zugehörigkeit und andere unangemessene Faktoren zu berücksichtigen. Damit sollen politische Gefälligkeiten beendet und die Unparteilichkeit der Gerichte untermauert werden. Sowohl die derzeitige Regierung als auch das Parlament müssten einen aktuellen Gesetzesentwurf ablehnen, der ein eigenes Militärrecht vorsieht und den Militärgerichten die Rechtsprechung für die von aktiven oder ehemaligen Militärs begangenen Verbrechen gewähren soll.

In dem Bericht werden zudem Vorschläge für Strukturreformen des Rechtssystems gemacht. Dazu gehören die Änderung der Verfahren zur Ernennung, Versetzung sowie Amtsenthebung von Richtern, der Kampf gegen die Korruption und ein Ende der Einmischung von Exekutive, Sicherheitskräften und einflussreichen gesellschaftlichen Gruppen in die Arbeit von Richtern und Staatsanwälten. Außerdem solle entschieden gegen Mitglieder von Untergrundorganisationen und des organisierten Verbrechens vorgegangen werden. Diese hätten bisher ungehindert und straffrei handeln können. Die Generalstaatsanwaltschaft sei entweder nicht in der Lage oder nicht willens, solche Organisationen zu verfolgen und zu zerschlagen.

Zuletzt wird in dem Bericht der weiterhin fehlende Zugang zum Rechtssystem durch die große Mehrheit der Bevölkerung kritisiert sowie die fehlende offizielle Anerkennung der indigenen Gesetzgebung angeprangert.

Polizeiarchiv über „verschwundene“ Personen

(Guatemala-Stadt, 15. Dezember 2005, cerigua).- DieArchive, die man jüngst in den Anlagen der früheren Nationalpolizei in Guatemala-Stadt und in anderen Departements des Landes gefunden hat, könnten sich auf 120 Millionen Seiten belaufen, meinte der Ombudsmann für Menschenrechte Sergio Morales Alvarado.

Am letzten Mittwoch (14. 12.) wurde das Material in das Gebäude der Nationalpolizei der Zone 6 gebracht. Dort befindet sich schon das Archiv der Akten, die im Juli dieses Jahres gefunden worden waren. Auch die Akten, die in Escuintla und Sacatepéquez sowie in San Miguel Petapa, Boca del Monte, Amatitlán und in der ehemaligen Polizeizentrale in der Hauptstadt (Zone 3) gefunden worden waren, sind nun in diesem Gebäude der Nationalpolizei.

Nach Angaben von Morales stellen die in den Polizeiniederlassungen gefundenen Dokumente das größte Archiv dieser Art in Lateinamerika dar. Die geheimen Dokumente hatte man in fast allen guatemaltekischen Departements entdeckt, mit Ausnahme von Quiché. Der Menschenrechtler fügte hinzu, dass der Fund Anlass zur Hoffnung für Tausende von Familienmitgliedern verschwundener Personen sei, denn in den Archiven könnten sich Hinweise zu deren Aufenthalt finden. Er gab jedoch zu bedenken, dass die Identifizierungsarbeit kostenaufwendig sei und lange dauern werde. Die Ombudsstelle sei noch dabei, die vor Monaten gefundenen Akten zu klassifizieren. Die schon untersuchten Unterlagen würden beweisen, dass die Nationalpolizei Richtlinien geschaffen habe, die Auskunft geben über den Verbleib von damals verhafteten Personen.

HONDURAS

Neuer Präsident verspricht mehr Bürgerbeteiligung

Von Abram Huyser

(Tegucigalpa, 14. Dezember 2005, na-poonal).- Wie das honduranische Wahlergebnis zeigt, war die Kampagne für mehr „Bürgermacht“ und eine stärkere Beteiligung der Wähler an den Entscheidungen der Regierung erfolgreich. Der neue Präsident heißt Manuel Zelaya Rosales. Zelaya ist Mitglied der Oppositionspartei Partido Liberal und gewann nach Angaben des Obersten Wahlgerichts die Wahl am 27. November mit 49,9 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent Porfirio Lobo Sosa, Kandidat der Regierungspartei Partido Nacional, erhielt 46.2 Prozent der Wählerstimmen. Zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen gewannen die Liberalen auch die Bundestags- und die Kommunalwahlen.

„Wir kämpfen für das Leben, gegen die steigenden Lebenshaltungskosten und ganz besonders gegen die wachsende Unsicherheit, unter der wir Honduraner leiden. Die Intoleranz der bisherigen Regierung hat unsere Straßen zum gefährlichsten und gewalttätigsten Pflaster in ganz Lateinamerika gemacht.“ Mit diesen Sätzen warb die Broschüre „Visión del Poder Ciudadano“ (Vision Bürgermacht) der Liberalen Partei, Zelaya als Präsidenten zu unterstützen.

Um seinem Wahlspruch der „Bürgermacht“ gerecht zu werden, versprach Zelaya, während seiner Amtszeit jeden Freitag Nachmittag zum Ideenaustausch einzuladen und Vorschläge aus der Bevölkerung entgegenzunehmen. Auch
werde er sich mit den Bürgermeistern der 298 honduranischen Gemeinden treffen, um Anregungen für sein Regierungsprogramm zu sammeln.

Den größten Anreiz für die Wählerschaft bot vermutlich sein Versprechen, die Gasbesteuerung zu senken. In den letzten vier Jahren hatten die konstant steigenden Benzinpreise für einen Anstieg der Lebenshaltungskosten gesorgt. Dies wurde insbesonders auf dem Rücken der armen Bevölkerung ausgetragen und hatte zu großem Unmut gegenüber der Nationalen geführt.

Zelayas Opponent Lobo unternahm alles Erdenkliche, um den liberalen Kandidaten als radikalen Marxisten hinzustellen. In seinen Unterstellungen ging er sogar so weit zu behaupten, Zelaya halte geheime Treffen mit dem nicaraguanischen Sandinistenführer Daniel Ortega ab. Zelaya ist jedoch kein Radikaler sondern Mitglied der honduranischen Unternehmerelite. Ihm gehören mehrere land- und forstwirtschaftliche Betriebe; zuvor war er Leiter des Verbands honduranischer Privatunternehmer COHEP (Consejo Hondureño de la Empresa Privada) und Präsident des Verbands der Forstunternehmen. Seine Liberale Partei ist mit der Konkurrenz, der Nationalen Partei, durch Geschichte, traditionelle Loyalität, Protektionsgemauschel und eine eindeutige ideologische Position verbunden. Dennoch erscheint die politische Linie Zelayas durch seine Betonung der Bürgermacht und weniger Härte bei der Bekämpfung der Kriminalität eine Spur linker als die der Opposition.

Lobos Slogan im letzten Wahlkampf lautete „Arbeit und Sicherheit“. Seine Politik der harten Hand zur Bekämpfung der ansteigenden Gewalt äußerte sich besonders anschaulich in seinem Vorschlag zur Wiedereinführung der Todesstrafe, die 1956 in Honduras abgeschafft wurde.

Die Wahlbeteiligung lag bei 60 Prozent. In einigen Gemeinden erreichte die Zahl der ungültig Wählenden einen Höchststand von 15 Prozent, so dass bereits die Befürchtung laut wurde, der Grund sei möglicherweise Wahlbetrug oder grobes Fehlverhalten beim Wahlprocedere.

EL SALVADOR

Freihandelsabkommen CAFTA tritt im Januar in Kraft

(Buenos Aires, 15. Dezember 2005, púlsar).- Dassalvadorianische Parlament hat eine Gesetzesreform verabschiedet, die das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen den zentralamerikanischen Staaten, der Dominikanischen Republik und den USA im Januar 2006 ermöglicht. Nur die Oppositionspartei FMLN (Farabundo Martí para la Liberación Nacional) hatte sich gegen die Reform ausgesprochen.

Der FMLN-Abgeordnete Salvador Arias sagte, dass „die politische Rechte der nationalen Gesetzgebung den Gnadenschuss versetzt, weil diese mit dem Inkrafttreten des Abkommens völlig den kapitalistischen Interessen der Konzerne unterworfen wird. Das geht auf Kosten des Gemeinwohls.“ Durch die Gesetzesreform könnten künftig Delikte, die das Recht auf intellektuelles Eigentum verletzen, nicht mehr verfolgt werden. Zudem müssen für Importe nach El Salvador weniger Zölle gezahlt werden.

Héctor Silva, Chef der Oppositionspartei Cambio Democrático, versicherte, dass seine Partei nicht für den Antrag zur Gesetzesreform gestimmt habe. Er betonte, dass die rechten Abgeordneten sich beeilt hätten, die Reformen in der Gesetzgebung durchzubringen, da es in Guatemala und Nicaragua Verzögerungen bei der Umsetzung des Freihandelsvertrages gebe. In Costa Rica werde sogar die Unterzeichnung des Abkommens in Frage gestellt.

Jon Cortina gestorben

Von Susana Barrera

(San Salvador, 12. Dezember 2005, alc-poonal).- Der Präsident des nationalen Kirchenrates CNI (Consejo Nacional de Inglesias) Bischof Martín Barahona beklagt den Tod des Jesuitenpaters Jon Cortina. Cortina hatte sich mehr als ein Jahrzehnt lang für die Rechte Hunderter von Kindern eingesetzt, die während des Bürgerkrieges verschleppt wurden.

Pater Jon Cortina rief ein Projekt der nationalen Versöhnung ins Leben, das seit 1994 Hunderte während des Bürgerkrieges verschwundene Kinder und Jugendliche mit ihren leiblichen Eltern zusammenführte. Cortina widmete sein Leben über die Organisation „Pro Búsqueda“ („Für die Suche“) der Gerechtigkeit und der Versöhnung. Er arbeitete hauptsächlich in ländlichen Gemeinden im Norden El Salvadors, in Chalatenango.

Offiziellen Zahlen zufolge sind während des Bürgerkrieges zwischen 1980 und 1992 75.000 Menschen gestorben, 8.000 verschwanden und Tausende wurden verletzt oder flohen. Pro Búsqueda hat 753 Fälle von verschwundenen Kindern registriert, 301 Fälle konnten aufgeklärt werden. Die meisten dieser Kinder leben in fremden Familien in El Salvador oder im Ausland. Von den übrigen 452 Kindern ist nicht bekannt, was mit ihnen geschah, nachdem sie der Familie entrissen worden waren.

Im Jahr 1955 zog der 21jährige Cortina von Bilbao nach El Salvador. Am 24. November dieses Jahres erlitt er eine Hirnblutung und kam im benachbarten Guatemala in die Notaufnahme. Bis zu seinem Tod am 12. Dezember erlangte er das Bewusstsein nicht wieder. „Pater Jon war eine tragende Säule in der Arbeit von „Pro Búsqueda“ im Kampf für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Auch wenn er physisch nicht mehr unter uns ist, gibt sein tatkräftiger Geist uns Kraft und ermutigt uns dazu, seinen Kampf fortzusetzen“, heißt es in einer Erklärung von „Pro Búsqueda“.

NICARAGUA-COSTA RICA

Rassistische Gewalt gegen Nicaraguaner in Costa Rica

Von Trinidad Vásquez

(Managua, 13. Dezember 2005, alc-poonal).- In den letzten Wochen ist es im costaricanischen San José zu gewaltsamen Übergriffen auf Migranten aus Nicaragua gekommen. Führende Mitglieder protestantischer Organisationen verurteilten die Gewalttaten und warnten vor ausländerfeindlichen Tendenzen in Teilen der costaricanischen Bevölkerung.

Die Opfer waren als Arbeitsmigranten ins Nachbarland gekommen. Sie  wurden unter noch ungeklärten Umständen getötet. Natividad Canda Mairena wurde von zwei Rottweilern angefallen, ohne dass der Hundebesitzer oder die Polizei eingriffen. Der 22-jährige José Aries Silva Urbina starb am 4. Dezember. Er war zusammen mit anderen Nicaraguanern von einer Gruppe Costaricanern verfolgt und angegriffen worden.

Der Koordinator des Lateinamerikanischen Kirchenrates CLAI in Nicaragua (Consejo Latinoamericano de Iglesias) Adolfo Sequeira forderte, dass die Behörden beide Gewalttaten untersuchen. Außerdem müssten sie das friedliche Zusammenleben fördern, um dieses Vorgehen einiger Gruppen in Costa Rica in Zukunft zu verhindern.

Silva Urbina wurde in Santa Lucía Boaco, 120 Kilometer von Managua entfernt geboren. Er lebte seit fünf Jahren in San José. Kurz vor dem Übergriff hatte der Bischof von Ciudad Quezada, Angel San Casimiro, öffentlich gefordert, es sei Zeit, gegen die Welle der Ausländerfeindlichkeit gegen Nicaraguaner vorzugehen. Bei dem tödlichen Angriff auf Silva Urbina wurden auch die Nicaraguaner José Antonio Martínez Urbina (27 Jahre) und Francisco José Angulo Garciá (25 Jahre) verletzt.

ECUADOR

Kanadischer Botschafter in der Kritik

(Fortaleza, 15. Dezember 2005, adital-poonal).- DieStändige Menschenrechtsversammlung in Ecuador APDH (Asamblea Permanente de D
erechos Humanos) prangert an, dass der für Ecuador bestellte kanadische Botschafter am Staatsstreich und an der internationalen Militärbesetzung in Haiti beteiligt gewesen sei. Die APDH erhielt die Informationen über das Profil des neuen kanadischen Botschafters in Ecuador Christian Lapoint von kanadischen Journalisten kooperierender Informationsnetze.

Die Ernennung von Lapoint könnte für Ecuador ein Problem darstellen, weil in Kanada ein Richtungswechsels in der Außenpolitik stattfindet, durch den  unter dem Deckmantel der Hilfe zur Demokratisierung die Destabilisierung in Lateinamerika vorangetrieben werden soll. Im März 2003 informierte der Journalist Michel Vastel Details über ein geheimes Treffen, das Ende Januar 2003 in Haiti von der kanadischen Regierung organisiert worden war. Der runde Tisch auf hohem Niveau mit dem Titel “Ottawa Initiative zu Haiti“ wurde durch den damaligen Staatssekretär und Minister für Frankophonie Denis Paradis ermöglicht.

Zu den Gesprächen waren keine Haitianer eingeladen. Anwesend waren dagegen die Direktorin des Büros für karibische Angelegenheiten des US-amerikanischen Außenministeriums Mary Ellen Gilroy (die auch an einer Veranstaltung der ultra-konservativen Gruppe Haiti Democracy Project teilgenommen hat), ein nicht identifizierter Beamter der Europäischen Kommission und drei hohe Beamte der Organisation Amerikanischer Staaten OEA, unter ihnen der Assistent des Generalsekretärs Luigi Einaudi sowie der Generaldirektor der zwischenstaatlichen Agentur für Frankophonie Roger Dehaybe.

KOLUMBIEN

Paramilitärs ermorden 22 Kleinbauern

(Buenos Aires, 12. Dezember 2005, púlsar).- DieVereinten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) haben im Landkreis Curumaní im Departement César 22 Bauern umgebracht. Sieben der 22 Toten wurden identifiziert und befinden sich im Leichenschauhaus. Die übrigen liegen noch immer am Ort des Massakers.

„Wir haben die Behörden aufgefordert, die Bergung der Leichen zu übernehmen. Es ist sehr merkwürdig, dass die Leichen nach einer Woche immer noch dort liegen“, bemerkte Francisco Bustamante, Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Asociación para la Promoción Social Alternativa – MINGA. „Man kann an den Körpern der Getöteten nicht erkennen, ob sie gefoltert wurden, weil sie inzwischen von Wildtieren angegriffen wurden. Wir warten auf den Bericht der Gerichtsmedizin. Sicher ist, dass die meisten Toten Schusswunden am Kopf aufweisen,“ fügte der Menschenrechtler hinzu.

Die Ombudsfrau für Menschenrechte von Curumaní, María Castillo, erklärte, dass es sich bei dem Massaker um „ein angekündigtes Todesurteil“ gehandelt habe, „das von den Behörden ignoriert“ worden sei. „Die Ombudsstelle hatte Beschwerde bei Polizei, Armee und Bürgermeistern eingereicht und gefordert, anhand von Präventivmaßnahmen die Realisierung der Drohungen zu verhindern. Wir haben jedoch keine Antwort erhalten“, so Castillo weiter.

BOLIVIEN

Evo Morales ist Präsident

(Buenos Aires, 19. Dezember 2005,púlsar-poonal).- Zum ersten Mal in der bolivianischen Geschichte gewann ein Kandidat die Präsidentschaft mit absoluter Mehrheit. Die offiziellen Auszählungen sind noch nicht beendet, jedoch erkannten die Gegenkandidaten schon den Sieg von Evo Morales von der Bewegung zum Sozialismus (MAS) an. Mit Morales ist auch erstmals ein Indígena Präsident des Landes.

Die Wahlforschungsinitiative „Usted elige“ (Sie wählen), ein Zusammenschluss von über 100 Medien aus den Bereichen Print, Hörfunk und Fernsehen, gab bekannt, dass auf den MAS-Kandidat 50,9 Prozent der Stimmen fielen. Nach noch nicht offiziell bestätigten Angaben erreichte Jorge Quiroga von der Partei „Podemos“ 31,9 Prozent der Stimmen. Weit dahinter liegt der Zementunternehmer Samuel Doria Medina mit 8,2 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der Nationalrevolutionäre Bewegung MNR (Movimiento Nacionalista Revolucionario), der Koalition des aus dem Amt gejagten Ex-Präsidenten Sánchez de Lozada bekam 6,7 der Wählerstimmen, der indigenen Führer Felipe Quispe 1,1 Prozent. Die restlichen drei Kandidaten konnten weniger als 0,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen.

Nach offiziellen Angaben des Nationalen Wahlgerichts fielen nach Auszählung von 8,6 Prozent der 21.111 Wahlbüros 47 der Stimmen auf Evo Morales. Der Wahlsieg des MAS-Kandidaten wird sich jedoch nicht in der Zusammensetzung des Senats widerspiegeln. Dem Senat wird als parlamentarische Instanz eine Schlüsselposition bei der Regierungsfähigkeit des Landes zugesprochen. Im Senat bekam die Bewegung zum Sozialismus nur 12 der 27 Sitze, das ist einer weniger als „Podemos“. Die restlichen beiden gingen an Vertreter der Partei Nationale Einheit UN (Unidad Nacional) und der MNR.

„Wir haben einen historischen Rekord der Stimmen erreicht. Ich will den Aymaras, Quechuas, Guaraníes und Chiriguanos sagen, dass wir zum ersten Mal den Präsident stellen”, verkündete Morales nach seinem Wahlsieg.

BRASILIEN

Misshandlung von Minderjährigen

(Fortaleza, 14. Dezember 2005, adital-poonal).- Indieser Woche wurden die Anordnungen des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte, CIDH (Corte Interamericana de Derechos Humanos) der Organisation der Staaten Amerikas OAS (Organización de Estados Americanos) bekannt gegeben. Diese fordert die brasilianische Regierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Kinder, die in der Stiftung für das Wohl von Minderjährigen in Tatuapé, FEBEM (Fundación del Bienestar del Menor) untergebracht sind, vor Folter zu schützen. Falls die brasilianische Regierung den Anordnungen nicht nachkommt, kann dies zu einer Verurteilung durch den CIDH führen. Dies ist wiederum mit wirtschaftlichen und politischen Sanktionen verbunden.

Nach Angaben der Nationalen Behörde für die Rechte des Kindes, ANDI (Agencia Nacional por los Derechos de la Infancia) sei dies das erste Mal, dass der CIDH spezielle Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen anordnet, die in staatlichen Haftanstalten inhaftiert sind.

Die CIDH-Resolution beinhaltet acht Sofortmaßnahmen. Darunter fällt die Pflicht des Staates, Gefängnisrevolten zu verhindern, um so die physische Unversehrtheit und das Leben der Insassen und des Personals zu schützen. Zudem solle er die Verantwortlichen für die Folterungen und Misshandlungen ermitteln und sie entsprechend bestrafen. Ferner sollten lange Inhaftierungen und physische Misshandlungen unterbunden, die Anzahl inhaftierter Jugendlicher reduziert sowie allen Jugendlichen ausreichender Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt werden.

Die Anordnungen der CIDH sind das Resultat eines im April 2004 begonnen Prozesses. Die Menschenrechtskommission Teotônio Vilela, CTV (Comisión Teotônio Vilela de Derechos Humanos) und das Menschenrechtszentrum CEJIL (Centro por la Justicia y por el Derecho Internacional) hatten Fälle von Folter und sogar des Todes von Jugendlichen beim CIDH angezeigt.

Die Anstalt Tatuapé in São Paulo ist der größte Komplex, den die FEBEM unterhält. Zurzeit sind dort 1.250 Personen inhaftiert. Sie sind wiederum in 17 Einheiten je nach Alter, Straftat und physischer Veranlagung eingeteilt. Bis 2004 waren es 18 Einheiten. E
ine wurde jedoch aufgrund einer Serie von Revolten, die zwischen Januar und Mai dieses Jahres vorgefallen waren, geschlossen.

URUGUAY

Überreste von Verschwundenen in Massengrab aufgetaucht

(Buenos Aires, 14. Dezember 2005, púlsar).- ImZuge einer Untersuchung der uruguayischen Kommunistischen Partei (KP) wurden die sterblichen Überreste von 35 möglichen Opfern der letzten Militärdiktatur gefunden. Die Leichen waren unter der Bezeichnung „Namen unbekannt“ auf einem Friedhof im Department Rivera begraben worden.

KP-Chef Lile Carusso erklärte, dass man die Knochen in Plastiksäcken am öffentlichen Begräbnisplatz des Friedhofes gefunden habe. Laut Carusso wurden die Verstorbenen dort mit der Absicht begraben, die Sache zu vertuschen. Der kommunistische Senator Eduardo Lorier meinte, dass es „Hinweise“ gebe, die diese Fälle mit den „Todesflügen” in Verbindung brächten. Die Ergebnisse der Untersuchung seien an die Justizbehörden und den Präsidenten übergeben worden, “um die entprechenden Maßnahmen zu garantieren”, fügte der Senator hinzu.

Die Untersuchung, die drei Jahre dauerte, war vom Menschenrechtssekretariat der Kommunistischen Partei und von Experten der naturwissenschaftlichen Fakultät durchgeführt worden.

ARGENTINIEN

Mütter der Plaza de Mayo erhalten internationale Auszeichnung

(Fortaleza, 15. Dezember 2005, adital-poonal).- Diespanische Menschenrechtsorganisation APDHE (Pro Derechos Humanos de España) verlieh am 15. Dezember die internationale Auszeichnung für den Einsatz zu Gunsten der Menschenrechte. Den Preis erhielten die Familien der drei Gründerinnen der argentinischen Initiative „Mütter der Plaza de Mayo“ (Madres de la Plaza de Mayo). María Ponce de Bianco, Azucena Villaflor de Vincenti und Esther Ballestrino de Careaga wurde so post mortem die Ehre für ihr Werk, ihre Courage und ihren Großmut erwiesen.

Die internationale Auszeichnung der drei Gründerinnen steht für das immerwährende Gedenken der drei Mütter, die wie alle „Mütter der Plaza de Mayo“ als unvergleichliche Beispiele für den Kampf um Menschenrechte gelten. Verliehen wurde die Auszeichnung der APDHE wie jedes Jahr im Rahmen einer Benefizveranstaltung.

Angehörige von Opfern von Polizeigewalt fordern Verurteilung des Staates

(Fortaleza, 15. Dezember 2005, adital-poonal).-Angehörige jener fünf Personen,  die in den Jahren 2000 und 2001 in der Gegend der nordargentinischen Stadt Salta von Polizisten getötet wurden, sind jetzt nach Buenos Aires gefahren. Sie wollen die Vorfälle erneut aufgreifen und ihre Anklage auf den argentinischen Staat ausweiten. Die Nachrichtenagentur Anred berichtet von einer Protestaktion der Angehörigen am 10. Dezember vor dem Kongressgebäude. Außerdem hätten diese am 13.Dezember vor dem Tourismusbüro Casa de Salta die Vorfälle öffentlich angeklagt.

Die Rechtsanwältin Mara Puntano verlangt, die im Mai und Oktober 2000 sowie im Juni 2001 von der Polizei verübten Gewalttaten zu einer Strafsache zusammenzuführen. Bei den repressiven Übergriffen waren fünf Personen getötet und weitere 200 verletzt worden. Es handele sich zwar um „sehr unterschiedliche Situationen, es gibt aber einen gemeinsamen roten Faden, und das ist der Staat und die Interessen der Ölindustrie“, sagt die Anwältin.

Auch María del Carmen Verdú von der Koordination gegen polizeiliche und staatliche Unterdrückung CORREPI (Coordinadora contra la Represión Policial e Institucional) kümmert sich um die Wiederaufnahme der Strafsachen. Sie setzt sich zudem für eine Intervention der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte ein. Grund für den Interventionsaufruf sei nicht nur die Verantwortung des argentinischen Staates für die gewaltsame Repression, sondern auch, dass dieser jegliche Untersuchung und juristische Verfolgung der Ereignisse blockiert habe.

Am 9. Mai 2000 wurden Matías Gómez und Orlando Justiniano von der Polizei von Salta gefoltert und anschließend ermordet. Die beiden Jugendlichen waren entführt worden, als sie Holz sammelten, um es zu einer Straßenblockade mitzubringen. Danach wurden sie gefoltert und auf dem Weg zwischen Mosconi (Provinz Salta) und Juto (Provinz Jujuy) ermordet. Die Täter ließen die beiden am Straßenrand liegen, um den Mord wie einen Autounfall aussehen zu lassen. Der Vorfall sei in Jujuy als „Verkehrsunfall“ archiviert, sagt Primitiva Ruiz, Justinianos Mutter.

Am 10. Oktober desselben Jahres wurde Aníbal Verón in Mosconi ermordet. Er war Mechaniker bei dem Busunternehmen Atahualpa. Verón befand sich gemeinsam mit seinen Kollegen im Streik für die Wiedereinstellung entlassener Mitarbeiter. Am 17. Juni 2001 schließlich kam es zu einer „Todesoperation“ in einem durch die lokale Polizei und die Gendarmerie geräumten Gebietes. Ziel des Einsatzes war es, eine Protestbewegung zu zerschlagen, die zunehmend an Popularität gewann. Die Polizisten und die Gendarmerie gingen – ebenfalls in Mosconi – mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vor. Dabei kamen Oscar Barrios y Carlos Santillán ums Leben, zweihundert weitere Demonstranten wurden verletzt.

CHILE

Bachelet muss in die zweite Runde

(Fortaleza, 14. Dezember 2005, adital-poonal).- AmMontag, den 12. Dezember, einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen, stand das endgültige Ergebnis fest: die sozialistische Kandidatin Michelle Bachelet erreichte 45,95 Prozent der abgegebenen Stimmen. An der Wahl beteiligten sich 7.156.554 Wähler und Wählerinnen. 12,45 Prozent der Wahlberechtigten enthielten sich der Stimme, damit sind eine Million nicht zu den Urnen gegangen. 1999 haben nur zehn Prozent nicht gewählt. Man schätzt, dass diese Zahl in der zweiten Runde am 15. Januar noch größer sein könnte, obwohl im Jahr 2000 die Anzahl der Stimmberechtigten im zweiten Wahlgang angestiegen ist.

Der Unternehmer und Millionär Sebas Piñera, der mit viel Selbstbewusstsein vorgibt, eine Option innerhalb liberalen rechten Mitte darzustellen, erhielt 25,41 Prozent der Stimmen. Währenddessen erreichte Joaquín Lavín von der Unabhängigen Demokratischen Union UDI (Union Demócrata Independiente) 23,22 Prozent und Tomás Hirsch vom linken Bündnis Juntos Podemos Más (Zusammen schaffen wir mehr) endete mit 5,4 Prozent der Stimmen. Der Humanist und schlecht gelaunte Snob kündigte an, im Januar eine ungültige Stimme abzugeben. Indes haben sich die Kommunisten bereits abgesetzt und warten auf ein Zeichen der Doktorin Bachelet, um diese zu unterstützen. Wenn das eintrifft, würden sie mindestens vier Prozent der Stimmen mitbringen. Das würde Bachelet den Sieg garantieren. So lief es auch bei den Wahlen im Jahr 2000, als der Sozialist Ricardo Lagos gewann.

Was die Mitglieder der Kommunistischen Partei der Proletarischen Aktion PC-AP (Partido Comunista-Acción Proletaria) betrifft – eine Mischung aus Trotzkisten, Maoisten, Stalinisten und anderen – so hat man auch ihnen eine Handvoll Stimmen abgewonnen. Egal was auch passieren wird, es scheint nicht so, als ob das die Wahl am 15. Januar besonders beeinflussen wird.

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