Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 21. Juni 2005

Inhalt


MEXIKO

HONDURAS

KOLUMBIEN

VENEZUELA

VENEZUELA-USA

PERU

PARAGUAY

ARGENTINIEN

URUGUAY


MEXIKO

EZLN erklärt Alarmzustand

(Mexiko-Stadt, 20. Juni 2005, poonal).- In einem am 19. Juniveröffentlichten Kommunique erklärte die Kommandantur des Zapatistischen Befreiungsheeres EZLN aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas für das von den Guerilleros kontrollierte Territorium den „allgemeinen roten Alarm“.

Ohne Angabe von Gründen für diesen Alarm gab die EZLN in sieben Punkten die Folgen ihrer Entscheidung bekannt. Die so genannten „Caracoles“ und die Sitze der „Räte der Guten Regierung“ in Oventik, La Realidad, La Garrucha, Morelia und Roberto Barrios sowie alle Sitze der Verantwortlichen der verschiedenen autonomen zapatistischen Gemeinden werden geschlossen. Zur ihrer Sicherheit werden die Mitglieder der „Räte der Guten Regierung“ und andere autonome Verantwortliche evakuiert. Für unbestimmte Zeit werden sie klandestin von verschiedenen Orten aus arbeiten. Die Arbeit der autonomen Regierung und der Projekte soll weitergeführt werden, jedoch unter anderen Bedingungen als bisher.

In den Caracoles soll die medizinische Grundversorgung durch Zivilisten aufrecht erhalten werden. Die EZLN-Kommandantur grenzt sich von deren zukünftiger Arbeit ab und fordert die Regierungskräfte auf, das medizinische Personal als Teil der Zivilbevölkerung zu behandeln und ihr Leben, ihre Freiheit und ihren Besitz zu respektieren.

Alle EZLN-Mitglieder, sowohl die kasernierten als auch diejenigen, die in den zapatistischen Gemeinden soziale Arbeit verrichtet haben, wurden einberufen. Für unbestimmte Zeit werden auch die Übertragungen des EZLN-Senders „Radio Insurgente“ auf UKW und Kurzwelle ausgesetzt.

Das Kommunique ging auch an die Mitglieder der mexikanischen und internationalen Zivilgesellschaft, die in Friedenscamps und zapatistischen Gemeinden Solidaritätsarbeit leisten, um diese zum Verlassen des rebellischen Territoriums aufzufordern. Falls sich die Aktivisten freiwillig zum Bleiben entscheiden, werden sie in den Caracoles versammelt. Minderjährige sind verpflichtet, das zapatistische Gebiet zu verlassen.

Weiter kündigt die EZLN-Führung die Schließung des zapatistischen Informationszentrums an. Sie bedankt sich bei den Mitgliedern der Zivilgesellschaft für deren Mitarbeit seit der Gründung des Zentrums. Die EZLN erklärte, dass sie sich von diesen Personen formal abgrenze und diese nicht für künftige EZLN-Aktionen zur Verantwortung gezogen werden könnten. Ebenso grenzt sich die EZLN bezüglich ihrer zukünftigen Aktionen von allen Personen, zivilgeselllschaftlichen, politischen, kulturellen und Nichtregierungs-Organisationen sowie Solidaritätskomitees und Unterstützungsgruppen ab, die sich dem Zapatistischen Befreiungsheer seit dem Jahr 1994 angenähert haben. Sie bedanke sich bei allen, die in diesen zwölf Jahren den zivilen und friedlichen Kampf der zapatistischen Indigenas für die verfassungsgemäße Anerkennung ihrer indigenen Rechte und Kultur unterstützt haben.

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HONDURAS

Erneuter Lehrerstreik

(Buenos Aires, 15. Juni 2005, púlsar).- Mit einemzweitägigen Streik wollen mehr als 50.000 Lehrer und Lehrerinnen ihren Forderungen nach Lohnerhöhung und Kündigung korrupter Beamter aus dem Erziehungsbereich Nachdruck verleihen. „Wir streiken landesweit, weil uns der Erziehungsminister keine konkrete Antwort über die Korruptionsfälle bei den für die unterschiedlichen Landesbezirke zuständigen Beamten geben kann“, erklärte Miguel Recarte, Präsident des Lehrerkollegiums der Mittelstufe. Er sagte weiter, dass „die Korruptionsfälle bewiesen sind“ und dass Funktionäre aus dem Bildungssektor der verschiedenen Bezirke darin verwickelt seien.

Die sechs Lehrerorganisationen, die zum Streik aufgerufen haben, fordern, dass die Regierung die Lohnerhöhung und die Lohnausgleichszahlungen, die letztes Jahr vereinbart worden sind, einhält. Im Lauf des Jahres ist die Lehrerschaft schon zehn Mal in den Streik getreten. Die Regierung dagegen meinte, dass sie den Streik „nicht verstehe“ und forderte von den Streikenden die Einhaltung von 200 Unterrichtstagen in diesem Jahr.

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KOLUMBIEN

Paramilitarismus bietet keine Perspektive

(Fortaleza, 16. Juni 2005, adital).- Wenngleich dieparamilitärischen Gruppen durch die Schwächung der politischen Parteien in Kolumbien Freiräume erhalten haben, politische Macht in den von ihnen kontrollierten Gebieten auszuüben, so stellen sie doch keine politische Kraft dar, von der ein einheitliches politisches Projekt auf nationaler Ebene zu erwarten sei. Zu diesem Schluss kamen mehrere Referenten während des Seminars „Macht und Region, eine Annäherung an die Transformationen in den politischen und ökonomischen Strukturen“, welches am 10. Juni in Medellín stattfand. Das Seminar war vom Forschungs- und Bildungszentrum Instituto Popular de Capacitación (IPC) und dem Institut für Politische Studien der Universidad de Antioquia organisiert worden, mit Unterstützung des staatlichen Wissenschaftsfonds Colciencias und des katholischen Entwicklungsdienstes Trocaire aus Irland.

Francisco Gutiérrez Sanín vom Institut für Politische Studien und Internationale Beziehungen der Universidad Nacional in Bogotá erklärte während seines Vortrags, der Paramilitarismus sei eine rein lokale Option, da er nicht in der Lage sei, eine nationale Struktur zu schaffen. „Diese territorialen Machtstrukturen passen sich gut in die durch den Kollaps der traditionellen politischen Parteien entstandene Lücke ein.“

„Möglicherweise besitzen sie regionale Macht, aber mit vielen internen Spannungen. Seit Entstehung des Paramilitarismus haben sie sich untereinander bekämpft, weil sie sehr starke zentrifugale Tendenzen haben. Dies ist einer der historischen Misserfolge des Paramilitarismus: Man wollte eine starke Bewegung, war aber unfähig, ein landesweites antisubversives Heer zu schaffen. Unter anderem deshalb, weil die Anführer stark in ihrer Region verwurzelt sind“, fuhr der Redner fort.

Gutiérrez Sanín präzisierte, dass es eine Sache sei, die Paramilitärs zu legalisieren, damit die Politik in die von ihnen kontrollierten Gebiete gelangen könne. Ein ganz anderes Thema sei aber die Frage,
ob die Selbstverteidigungsgruppen eine einheitliche politische Partei bilden könnten. „Ich bezweifle das. Das liegt in weiter Ferne. Die große Schwierigkeit besteht darin, dass sie keine nationale Bewegung sind, von den Drogenhandelsnetzen abhängen und nicht den Zusammenhalt besitzen, der es ihnen erlauben würde, eine landesweite rechte Partei zu bilden.“

Er äußerte die Vermutung, dass es zu den Wahlen in Kolumbien viele Wahlbezirke mit nur einem Kandidaten geben werde, vor allem zu den Bürgermeisterwahlen. „Man kann empirisch nachweisen, dass sie bei vielen Wahlen alle Kandidaten zwingen, gewisse Zugeständnisse zu machen, selbst diejenigen, die sich ihnen widersetzen. Das bedeutet nichts anderes als eine brutale Beschneidung der lokalen Demokratie.“

Eine weitere Referentin des Seminars, María Teresa Uribe vom Institut für Politische Studien der Universidad de Antioquia, meinte dazu, sie glaube trotz der Stärke der paramilitärischen Gruppen nicht, dass diese eine Zukunft hätten. „Meiner Meinung nach sind sie sehr schwach, weil individuelle Strategien überwiegen, weil es keine kollektiven Strategien gibt, und weil ihre Macht auf Einschüchterung beruht. Sie können Schaden anrichten und gewisse Dinge kontrollieren, aber eine Region aufbauen – das möchte ich bezweifeln.“

Uribe hielt darüber hinaus fest, dass Regionen mit Hilfe von Macht gestaltet werden. „Aber nicht mit der Macht der Waffe, der Einschüchterung, sondern mit Macht im Sinne von Führungsfähigkeit, die natürlich auf Stärke und Druck nicht verzichten kann. Druck allein reicht jedoch niemals aus, um ein politisches Projekt aufrechtzuerhalten.“

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VENEZUELA

Chávez sagt Militärparade wegen geplantem Attentat ab

(Buenos Aires, 15. Juni 2005, púlsar-poonal).- Dervenezolanische Präsident Hugo Chávez Frías meinte, es gebe “deutliche Beweise“ für ein gegen ihn geplantes Attentat am 24. Juni. Er sagte deshalb die für diesen Tag geplante Militärparade im so genannten Campo de Cabo ab. Chávez versicherte, dass er kein Misstrauen gegenüber den Militärs hege, „da der Mordplan nicht in den Reihen der Militärs vorbereitet wurde“. Es sei der militärische Geheimdienst gewesen, der „sichere und sehr ernste Beweise vorgelegt hat, dass es putschistische Gruppen gibt. Einige sind im Ausland, in den Vereinigten Staaten und nehmen den Weg über Bogota und die karibischen Inseln. Diese Terroristen sind kolumbianische Paramilitärs. Aus diesem Grund riet man mir auch schon am 29. Mai nicht am Marsch in der Avenida Bolivar teilzunehmen.“

Diese Verschwörung komme von außerhalb und „wird im Land durch Lakaien unterstützt. Durch jene Lakaien, die meine Ermordung auch schon für den 12. April geplant hatten. Dank Gott, dem nationalen Militär und dem Bewusstsein der Mehrheit der Männer und Frauen, die es bilden, wurde der Auftrag, den sie gaben, damit ich am 12. April (der Tag des Putsches gegen Chávez im Jahr 2002, d. Red.) tot aufwachen würde, nicht ausgeführt. Die Soldaten haben ihn nicht ausgeführt und wenn ich Soldaten sage, beziehe ich mich auf die Offiziere und die Truppen.“, meinte Cavez weiter.

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VENEZUELA-USA

Prozess gegen Posada Carriles beginnt im August

(Buenos Aires, 14. Juni 2005, púlsar-poonal).- Am 29. Augustwird der Prozess gegen den Terroristen kubanischer Herkunft Luis Posada Carriles eröffnet. Ihm wird die illegale Einreise in die Vereinigten Staaten vorgeworfen. Gleichzeitig fordert Venezuela seine Auslieferung. Posada Carriles wurde dort wegen eines Bombenanschlages auf ein kubanisches Zivilflugzeug im Jahr 1976 rechtskräftig verurteilt. Bei dem Anschlag starben 73 Personen.

Ein US-amerikanischer Richter anberaumte für den 24. Juni eine Anhörung zur Frage einer möglichen Freilassung Posadas gegen Kaution. Bis dahin wird Posada erst einmal im Gefängnis verbleiben. Der mutmaßliche Terrorist äußerte vergangenen Montag vor Gericht sein Bedauern zu dem Vorwurf der Verletzung der Einreisebestimmungen.

Washington hat bis jetzt die Auslieferungsgesuche Venezuelas aus bürokratischen Gründen abgelehnt. Der venezolanische Präsident Hugo Chavez erklärte, dass die US-amerikanische Regierung das bilaterale Auslieferungsabkommen zu respektieren habe. Käme sie diesem nach, so könnte seine Regierung „das Verhältnis zu den USA noch einmal überdenken“. Die Auslieferung von Posada Carriles wird von über hundert sozialen, religiösen und Menschenrechtsorganisationen der USA gefordert.

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PERU

Erdgasleitung in Planung

(Brasilien, 13. Juni 2005, adital-poonal).- Regierungsvertreter ausBrasilien, Argentinien, Peru, Chile und Uruguay trafen sich am 13.Juni, um einen Vorschlag zur Konstruktion einer Erdgasleitung zu bewerten. Diese soll Erdgas aus der peruanischen Provinz Camisea in die vier beteiligten Länder transportieren. Es gibt bereits zwei Erdgasleitungen die Argentinien und Chile verbinden. Der Vorschlag sieht nun vor, den Brennstoff aus Peru über eine noch zu bauende Leitung zuerst nach Chile zu exportieren. Von dort würde das Gas nach Argentinien und dann weiter nach Brasilien sowie Uruguay geleitet werden. Auf der Strecke zwischen Argentinien und Brasilien soll die Idee für eine Erdgasleitung zwischen Uruguayana und Porto Alegre umgesetzt werden.

Kern des Projekts ist es, das Gasvorkommen in der Provinz Camisea abzubauen, in Richtung der peruanischen Küstenmärkte zu bringen und von dort weiter ins Ausland zu transportieren. Das Projekt besteht aus drei Abschnitten: Ausbeutung der Gasvorkommen in Camisea. Transport des Gases durch eine 700 Kilometer lange Gasleitung von As Malvinas bis nach City Gate in Lurín, von dort über eine Flüssiggasleitung von 540 Kilometer Länge bis nach Pisco. Verteilung des Brennstoffs in Lima und El Callao.

Das Camisea-Projekt besteht aus zwei Erdgasleitungen von 1.150 und 520 Kilometer Länge, die von einem großen Gasfeld im peruanischen Amazonas bis nach Lima und in andere Küstenorten des Pazifiks reichen und durch die Wälder der Anden führen. Teil des Vorhabens ist auch der Bau von Anlagen zur Verflüssigung des Erdgases. Eine Anlage ist mitten im Naturschutzgebiet Paracas geplant. Paracas ist das einzige maritime Umweltschutzgebiet in Peru und eines der bedeutendsten Ökosysteme Amerikas. Dort leben seltene Tierarten wie grüne Seeschildkröten, Humboldt-Pinguine und andere Seevögel.

Auch für die indígenen Gemeinschaften im Nahua-Kugapkakori Reservat sind die Folgen des Vorhabens nicht absehbar. Dort leben mehrere hundert Menschen, die den Kontakt mit Fremden vermeiden oder ablehnen. Ihnen fehlt die Immunität gegen gewöhnliche Krankheiten. Beinahe 75 Prozent der Gasausbeutung des Camisea-Projekts befindet sich im Nahua-Kugapkakori Reservat. In den 80er Jahren starb beinahe die Hälfte der Nahua Bevölkerung an ihnen bis dahin unbekannten Krankheiten. Der britisch-niederländische Shell-Konzern hatte damals begonnen in dem Reservat nach Gas und Öl zu suchen. Vergangenes Jahr berichteten Sprecher indígener Gemeinden, die an das Reservat angrenzen, über den starken Rückgang bei den Fischschwärmen in Flüssen, Bä
chen und Seen, aufgrund der starken Bodenerosion.

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PARAGUAY

Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft für die Supermarkt-Besitzer

(Buenos Aires, 14. Juni 2005, púlsar).- Die Besitzer desSupermarktes Ycuá Bolanos, Juan Pío Paiva und sein Sohn Victor Daniel sowie der Wachhabende Daniel Areco sollen wegen vorsätzlichem Totschlag verurteilt werden. Die drei müssen sich für den Brand in dem Supermarkt und den Tod von 400 Menschen im letzten Jahr verantworten. Die Kläger stimmten der Anklage und dem Antrag der Staatsanwaltschaft bezüglich der drei Angeklagten zu. Sie zeigten sich jedoch nicht einverstanden mit der Einstellung des Verfahrens gegen weitere drei Wachhabende.

Mehr als 100 Opfer verfolgten im Saal den ersten Gerichtstag während eine andere Gruppe vor dem Gebäude unter großem Polizeiaufgebot demonstrierte. Die Verhandlung begann mit Verspätung, da der zuständige Richter Meneleo Insfrán erst nach 3 Stunden die Verantwortung für den Fall übernahm.

Staatsanwalt Sánchez plädierte dafür, das Verhalten der Supermarktbesitzer sowie des Wachhabenden mit vorsätzlichem Totschlag und schwerer Körperverletzung zu verurteilen und forderte 15 Jahre Haft. Indes meinte Doktor Tuma, der 36 Opfer mit schweren Verletzungen vertritt, dass die Staatsanwaltschaft den Supermarktbesitzern den vorsätzlichen Totschlag nicht nachweisen könne. Er stellt klar, dass der Staatsanwalt sagte, „dass Paiva die telefonische Anordnung gab, die Türen zu verschließen“.

Die Verhandlung wurde am Nachmittag wegen starken Regen ausgesetzt. Der Richter meinte, dass er den Ausführungen der Verteidigung deshalb nicht mehr folgen könne. Der Urteilsspruch soll in den nächsten Tagen erfolgen.

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ARGENTINIEN

Holocaust-Museum in Buenos Aires

Von Jessica Zeller

(Berlin, Juni 2005, npl).- “Bilder der Shoá – Der Holocaust und seine Rückwirkungen in Argentinien”: In dem alten Backsteingebäude im Zentrum von Buenos Aires erwartet den Besucher nicht allein eine Dokumentation über die Ereignisse im nationalsozialistischen Deutschland und den Völkermord an den europäischen Juden. Stattdessen werden an verschiedenen Stellwänden und Ausstellungsgegenständen die Ereignisse in Europa zwar dargestellt, der inhaltliche Schwerpunkt liegt jedoch auf Argentinien.

“Wenn die Sprache auf Argentinien und den Nationalsozialismus kommt, fällt den meisten nur der Name Adolf Eichmann ein. Wir wollen in dieser Ausstellung zeigen, dass die Verbindungen zwischen Nazi-Deutschland und Argentinien schon vorher bestanden haben. Aber es geht uns auch darum, zu dokumentieren, dass nicht nur die Täter, sondern auch die jüdischen Immigranten eine aktive Rolle in der Geschichte in unserem Land gespielt haben“, meint die Leiterin des „Museo de la Shoá“ Graciela Jinich über die Zielsetzung der Ausstellung, die seit drei Jahren besteht und ständig erweitert wird. Mario Feferbaum, Präsident der Stiftung “Fundación Memoria del Holocausto” (Stiftung zur Erinnerung an den Holocaust) unter dessen Schirmherrschaft das Museum steht, ergänzt: “Die Verflechtung von Deutschland und Argentinien verdeutlicht sich nicht zuletzt anhand der denkwürdigen Tatsache, dass Argentinien das Land ist, das nach 1945 zahlreiche Kriegsverbrecher beherbergt hat. Ohne, dass darüber je richtig gesprochen wurde, geschweige denn die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.”

Die Idee, über diese Ereignisse aufzuklären und der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken entstand im Jahr 1993. “Wir hatten anfangs nur ein kleines Büro und waren nur sehr wenige Personen. Überlebende des Holocaust, Familienangehörige von Überlebenden, einige Vertreter der jüdischen Gemeinde. Aber uns einte der Wunsch, eine Institution zu gründen, die dem Gedenken an die Opfer des Holocaust und der Aufgabe gewidmet sein sollte, dass so etwas nie wieder passiert” erinnert sich Jinich an die Motivation der Gründer. In der Anfangszeit  wurden vor allem Material gesammelt, verschiedene Institutionen des Staates und der jüdischen Gemeinde besucht, Veranstaltungen an Schulen organisiert und die ersten Ausgaben der Zeitschrift “Nuestra Memoria” (Unsere Erinnerung) herausgegeben. Doch es sollte ein Ereignis in Argentinien sein, dass der Gründung eines Museums den letzten Anstoß gab: Mit dem Anschlag auf das jüdische Sozial- und Kulturzentrum AMIA im Jahr 1994, bei dem fast 100 Menschen ums Leben kamen, war die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Thematik auch von den politisch Verantwortlichen nicht mehr von der Hand zu weisen. Symbolisch wirksam am 8. Mai 1995 stellte der argentinische Staat das jetzige Gebäude kostenlos zur Verfügung. Nach mehrjährigen Renovierungsarbeiten wurde es im Jahr 2000 mit einer Ausstellung über Anne Frank eröffnet.

Dass nach mehreren kürzeren Ausstellungsprojekten die ehrgeizige Aufgabe einer Dauerausstellung verwirklicht werden konnte, ist nichtzuletzt den Beständen der Bibliothek der Stiftung zu danken. Sie besteht aus über 4.000 Büchern und 300 Filmen, vor allem Schenkungen und Nachlässe von Überlebenden der Shoá aus Argentinien. Ohne die Unterstützung zahlreicher Wissenschaftler und Überlebender der Shoá wäre die Katalogisierung des komplexen Materials kaum möglich. Einer von ihnen, David Weinstock, kommt fast täglich. Weinstock ist dabei behilflich, deutsche, polnische, hebräische und jiddische Texte zu erschließen und zu übersetzen. David Weinstock ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien emigriert. Die Zeit des Nationalsozialismus erlebte der gebürtige Pole in verschiedenen Konzentrationslagern Osteuropas. Seine jetzige Tätigkeit begründet er so: “Wer, wenn nicht ich, kann über Argentinien und Deutschland aufklären? Schließlich habe ich ja beide erlebt.”

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Dritter Gipfel der Völker Amerikas im November

(Fortaleza, 15. Juni 2005, adital-poonal).- Als Gegenveranstaltung zumAmerika-Gipfel der Staatspräsidenten wird vom 1. bis 5. November der dritte Gipfel der Völker Amerikas in Mar del Plata, Argentinien, stattfinden. Eine massive Beteiligung von Vertreter*innen von Bürgerinitiativen sowie Teilnehmer*innen aus Argentinien und der restlichen südlichen Hemisphäre wird erwartet. Soziale Organisationen und Bewegungen riefen zum „III. Gipfel der Völker Amerikas“ auf und mobilisierten Proteste gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten George W. Bush. Dieser hatte vergangene Woche anlässlich der 15. Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Florida erneut auf der Notwendigkeit der wirtschaftlichen Öffnung bestanden und damit nach Meinung vieler Beobachter seiner interventionistischen Haltung gegenüber den Demokratien Lateinamerikas und seiner Missachtung des Willens der Bevölkerung Ausdruck gegeben hat.

Ebenfalls in Mar de Plata soll am 4. und 5. November der vierte von der OAS organisierte Amerika-Gipfel stattfinden, zu dem 34 Präsidenten des amerikanischen Kontinents (alle Staaten mit Ausnahme Kubas sind vertreten) erwartet werden. Die Kontinentale Kampagne gegen das Gesamtamerikanische Freihandelsabkommen ALCA ruft derweil zum Gegenkongress a
uf. Die Organisation übernehmen das Netzwerk Kontinentale Soziale Allianz (ASC) und das argentinische Bündnis gegen die Freihandelszone „Autonconvocatoria No al ALCA“.

Der Gegengipfel befasst sich mit Möglichkeiten zur Stärkung des Widerstands und der Kämpfe der Bevölkerung und dem Aufbau konkreter Alternativen zur Schaffung eines anderen Amerikas. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf vier thematische Blöcke: Gegen den Freihandel, Priorität der Integration der Bevölkerung gegenüber der Zahlung der Auslandsschulden, Anerkennung der Bevölkerungen Lateinamerikas als die wahren Gläubiger, gegen Militarisierung und Krieg, Stärkung von Souveränität und Selbstbestimmung gegenüber Armut und Ausschluss, mehr Arbeitsplätze und Umverteilung der Reichtümer.

Soziale, kulturelle, religiöse Bewegungen, Menschenrechtsorganisationen sowie alle übrigen Interessierten sind eingeladen teilzunehmen. Unter der Schirmherrschaft des Gipfels wird außerdem eine Reihe von Aktivitäten und sozialen Foren stattfinden, darunter u.a. das Kontinentale Forum zur Verteidigung der öffentlichen Bildung. In Kürze wird die Anmeldung selbstorganisierter Aktivitäten interessierter Organisationen möglich sein.

Zur Teilnahme an diesem Kongress wurde von Mitgliedern des argentinischen „No al ALCA“-Bündnisses und der Kontinentalen Sozialen Allianz aufgerufen, so im Rahmen des Ersten Nationalen Treffens „Auf zum Gipfel der Völker Amerikas“ am 3. und 4. Juni in Mar de Plata, an dem mehr als 300 Vertreter*innen teilnahmen. Unter den nationalen und kontinentalen Teilnehmer*innen sei besonders die Anwesenheit des Friedensnobelpreisträgers Adolfo Pérez Esquivel erwähnt, der betonte, dass sich „im Vormarsch der Vereinigten Staaten auf Lateinamerika“ die „Strategien des Freihandels, der Druck zur Tilgung der ungerechtfertigten Auslandsschulden sowie die Strategien der Militarisierung und Besetzung unserer Länder“ zeige. Héctor de la Cueva vom mexikanischen freihandelskritischen Netzwerk RMALC erklärte: „Wir möchten der Bevölkerung von Mar del Plata sagen, dass wir nicht hierher kommen, um Probleme zu machen. Wir sind Arbeiter, Bauern und Studenten aus verschiedenen Ländern, die sich Gehör verschaffen wollen.“

Vor der Pressekonferenz kamen die Organisationen mit dem Bürgermeister der Stadt Daniel Katz zusammen, um ihn über den geplanten Gipfel zu informieren sowie um die Bereitstellung des städtischen Sportzentrums und der Sportplätze der Universität zu bitten. Katz versprach, die Anlagen zur Verfügung zu stellen. Bei dem Mobilisierungstreffen kamen die Teilnehmenden überein, von jetzt an bis November eine Reihe von Treffen, Konferenzen, Workshops, Mobilisierungen und kulturellen Veranstaltungen in Stadtteilen, Dörfern und Städten in ganz Argentinien zu organisieren, um Auseinandersetzungen und Diskussionen über die vorgeschlagenen Themenkomplexe zu vertiefen. Diese Aktionen sind mit den Aktivitäten in den verschiedenen Ländern Lateinamerikas abgestimmt.

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URUGUAY

Neue Gesetzesinitiative zu Basisradios

Von Carolina Porley

(Montevideo, 16. Juni 2005, comcosur).- Bereits seit Jahren sucht die alternative Radiobewegung einen Weg aus der Illegalität. Nun soll ein neuer Gesetzesentwurf den rechtlichen Rahmen schaffen, um die Vergabe der Konzessionen zu demokratisieren und Zugang zur Öffentlichkeit zu schaffen.

In Uruguay wird in diesem Jahr möglicherweise ein neues Gesetz verabschiedet, das in dieser Form bereits in Europa und den USA existiert und das Gruppen der Zivilgesellschaft das Betreiben audiovisueller Medien ermöglichen soll. Dies würde einen Bruch mit der Regierungspolitik der letzten Jahre bedeuten, die vor allem in der Repression gegen Basisradios, dem Schutz der kommerziellen Medien, der Stärkung eines audiovisuellen Monopols und dem Ignorieren der Empfehlungen der UNESCO und der Organisation Amerikanischer Staaten bestand. Diese beiden Organisationen sprechen den Basismedien im Demokratisierungsprozess der Massenmedien und bei der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit eine Schlüsselfunktion zu.

Dieser Missstand könnte sich Ende des Monats ändern, wenn das uruguayische Parlament einen Gesetzesentwurf zur Stellung von Basisradios annehmen sollte. Dieser Entwurf wird von der uruguayischen Vertretung des Weltverbands der Basisradios AMARC (Asociación Mundial de Radios Comunitarias) zusammen mit dem Institut für Rechtliche und Soziale Studien (Ielsur), dem Dienst für Frieden und Gerechtigkeit (Serpaj) und der staatliche Universität eingereicht werden.

Die Initiative zielt auf weit mehr als nur die Legalisierung der rund 50 Basisradios, die es derzeit im Land gibt. Vielmehr soll allen Bürgern und Bürgerinnen sowie Institutionen das Recht auf den Betrieb eines Radio- oder Fernsehsenders zuerkannt werden. „Dieses Projekt soll eine Lösung für die aktuelle Situation bieten. Darüber hinaus soll es jedoch auch der Zivilgesellschaft einen rechtlichen Rahmen bieten, damit diese nicht länger vom Zugang zu den Medien ausgeschlossen bleibt.“, so Gustavo Gómez, Leiter des Programms für Gesetze und das Recht auf Kommunikation von AMARC in Lateinamerika und der Karibik.

Der Gesetzesentwurf legt Kriterien dafür fest, wann eine Initiative sich „kommunitär“ nennen darf: sie muss von einer gemeinnützigen Organisation (einer Kooperative, Nachbarschaftsversammlung, NGO oder Gewerkschaft) eingereicht werden, sie muss sich der „Pluralität verschrieben“ haben (sie darf sich also nicht einseitig politisch oder religiös betätigen) und die Gemeinschaft, an die sie sich richten soll, muss sie unterstützen und sich an ihr beteiligen. „Diese Einschränkungen sind notwendig, um einem Missbrauch des Gesetzes vorzubeugen. Es gibt eine ganze Menge nicht autorisierter Radios, die sich als `Basisradios´ bezeichnen, und tatsächlich jedoch getarnte Verkäufer oder evangelikale Sekten sind.“, erklärte Gómez. Zur Zeit gibt es etwa 80 Radios ohne Lizenz, von denen etwas mehr als die Hälfte Basisradios sind.

Um eine übermäßige Beanspruchung der Sendefrequenzen zu verhindern, sind in dem Gesetzesvorhaben bestimmte Anforderungen festgelegt: die Vorlage eines Programmschemas und Nachweise über die Finanzierung. Damit die Finanzierung der Basisradios gesichert ist, sollen sie auch Werbung senden dürfen. Der AMARC-Gesetzesentwurf sieht auch die Einrichtung eines Kontrollrates der Basisradios vor, der die Erfüllung der Anforderungen überprüfen und das Genehmigungsverfahren betreuen soll. Das Gremium soll aus Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengesetzt sein.

Der Gesetzesentwurf ist keine grundlegende Reform der Mediengesetzgebung in Uruguay, da nur der Bereich der Basisradios betroffen ist und Regelungen zu kommerziellen Sendern nicht geändert werden. Der Entwurf beinhaltet jedoch auch die Idee, in der Gesetzgebung bereits existierende Prinzipien auch hier geltend zu machen. Zum Beispiel die Regelung, nach der eine Frequenz nicht ohne ausdrückliche Genehmigung der Regierung verkauft, übertragen oder verliehen werden darf.

„Obwohl der Verkauf der Frequenzen verboten ist, haben die vorherigen Regierungen immer Ausnahmen gemacht. So endete eine für einen Nachrichtensender ausgeschriebene Lizenz in den Händen einer Kirche oder es wurde auf der Frequenz de
n ganzen Tag nur Musik gespielt. Wir werden im Fall der Basisradios verlangen, dass diese in keinem Fall verkauft werden dürfen. Wenn sie jedoch den Anforderungen nicht mehr genügen, soll der Staat ihre Sendelizenz neu ausschreiben dürfen.“, so Gómez.

Außerdem wird angestrebt, dass solche Lizenzen grundsätzlich öffentlich ausgeschrieben werden sollen und der Kontrollrat die Initiativen beobachten soll, um die Einhaltung der Anforderungen an die Basisradios sicherzustellen. zum

Ex-Präsident und Diktator Bordaberry vor Gericht

(Buenos Aires, 14. Juni 2005, púlsar-poonal).- UruguaysEx-Diktator Juan María Bordaberry und sein damaliger Außenminister Juan Carlos Blanco werden diese Woche zu den Morden an den Ex-Politikern Zelmar Michelini und Héctor Gutiérrez Ruiz im Jahr 1976 in Argentinien vor Gericht vernommen. Generalstaatsanwältin Mirtha Guianze bat den Richter Roberto Timbal um die Vorladung der beiden Verdächtigen.

Zuvor hatte die Staatsanwältin am 17. Mai die gerichtliche Verfolgung der beiden ehemaligen Funktionäre der uruguayischen Militärdiktatur beantragt, aufgrund deren Verbindung zum sogenannten „Plan Cóndor“ und der „Mittäterschaft an einem besonders schwerwiegenden Tötungsdelikt“.

Laut der Staatsanwältin war die Ermordung – jeweils durch einen Schuss in den – des Ex-Senators der “Frente Ampio” Zelmar Nichelini sowie des Ex-Präsidenten des Abgeordnetenhauses Héctor Gutiérrez von der „Partido Blanco“ Teil des Plan Cóndor. Mit der Geheimoperation Plan Cóndor wollten die Militärregierungen von Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Brasilien und Bolivien in den 70er und 80er Jahren Regimegegner ausschalten.

Michelini und Gutiérrez waren im Mai 1976 in Buenos Aires entführt worden, wo sie sich als Flüchtlinge aufgehalten hatten. Einen Tag später wurden ihre Leichen zusammen mit zwei ebenfalls ermordeten Tupamaro-Aktivisten der Bewegung zur Nationalen Befreiung MLN (Movimiento de Liberación Nacional), Rosario Barredo und William Whitelaw, in einem verlassenen Auto gefunden. zum

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de

Redaktion in Mexiko: Kristin Gebhardt, Wolf-Dieter Vogel Tel./Fax.: 0052-55-55541480, e-mail: poonalmex@npla.de

Koordination in Berlin: Birgit Marzinka

Übersetzungsteam: Uli Dillmann, Thomas Guthmann, Ricarda Franzen, Stefan Prinz, Sebastian Landsberger, Roberto López Cruz, René Cofré Baeza, Niklaas Hofmann, Natalie Mutlak, Nicole Heigl Romana, Markus Plate, Mark Schindler, Mareike Hagemann, Lui Lüdicke, Lilli von der Ohe, Kristina Vesper, Kathrin Fochtmann, Katharina Braig, Jinny Gebers, Jessica Zeller, Jana Fleschenberg, Inga Vietzen, Henning Alts, Frauke Köhler, Felix Sperandio, Edna Guerrero, Dietrich von Richthofen, Christina Klug, Angela Isphording, Ania Müller

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