Poonal Nr. 663

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 05. April 2005

Inhalt


MEXIKO

MEXICO

GUATEMALA

NICARAGUA

KUBA

HAITI

KOLUMBIEN

BRASILIEN

ARGENTINIEN

BOLIVIEN

PERU

CHILE

LATEINAMERIKA


MEXIKO

Parlamentskommission entscheidet gegen López Obrador

(Mexiko-Stadt,3. April 2004, poonal).- Die Karriere von Mexikos derzeit beliebtestem Politiker könnte an einem Verwaltungsvergehen scheitern. Am Freitag (1. April) entschied eine parlamentarische Kommission in Mexiko-Stadt, den Weg für ein Immunitätsaufhebungsverfahren gegen den Hauptstadt-Bürgermeister Andrés Manuel López Obrador freizugeben. In den nächsten Wochen werden nun die Abgeordneten des Kongresses darüber entscheiden müssen, ob die Immunität des Stadtoberen aufgehoben und er vor Gericht gestellt wird.

Der Politiker der linkssozialdemokratischen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) hatte einen Zufahrtsweg zu einer englischen Privatklinik weiterbauen lassen, obwohl ein Verwaltungsgericht den Stopp des Sträßchens verfügt hatte. Dieses Vergehen könnte López Obrador nun nicht nur seinen Bürgermeisterposten kosten. Er zählt als derzeit aussichtsreichster Kandidat für die Präsidentschaftswahl im Juli 2006. Sollte er verurteilt werden, wird auch aus der Kandidatur für das oberste Staatsamt nichts. Denn das mexikanische Gesetz sieht vor, dass ein Vorbestrafter keine öffentlichen Ämter bekleiden darf. Theoretisch könnte López Obrador sogar ins Gefängnis wandern.

Der Streit um die Immunitätsaufhebung beschäftigt die mexikanische Öffentlichkeit seit Monaten. Für den Stadtoberen ist klar, dass sich hinter dem Verfahren ein Komplott des politischen Establishments verbirgt. Schließlich hat sich der PRD-Mann durch sein Eintreten für die arme Bevölkerung in der Hauptstadt den Ruf der mexikanischen Variante des brasilianischen Präsidenten „Lula“ da Silva erworben. Seine Gegner vergleichen ihn dagegen gerne mit dem „populistisch“ genannten venezolanischen Staatschef Hugo Chávez. Faktisch hat López Obrador in Mexiko-Stadt eine kleine Grundrente für alle eingeführt, die über 70 Jahre alt sind. Zudem investiert er in den sozialen Wohnungsbau und finanziert Bildungsprojekte in den Armenvierteln der 22-Millionen-Metropole.

Folglich kann der Bürgermeister von Mexiko-Stadt auf großen Rückhalt bauen: soziale Organisationen, Stadtteilgruppen, Gewerkschaften, Künstler und linke Intellektuelle machen für den PRD-Politiker mobil. Selbst Zapatistensprecher Subcomandante Marcos polemisierte in einem Kommunique gegen das Verfahren, obwohl er die Politik von López Obrador scharf kritisiert. Unzählige Brücken, Balkone, Häuser, Kleinbusse und Taxis schmücken Transparente oder Schilder zur Unterstützung von „AMLO“, wie López Obrador von der heimischen Presse nach seinen Initialen getauft wurde. Kein Tag vergeht, an dem nicht eigens gegründete Unterstützungsgruppen für AMLO auf die Straße gehen.

Nach aktuellen Umfragen sprechen sich drei Viertel der Hauptstadt-Bevölkerung gegen das Verfahren aus, bundesweit ist es gut die Hälfte. Rund 35 Prozent aller Mexikaner würden derzeit einem Präsidentschaftskandidaten López Obrador ihre Stimme geben, die Konkurrenten Santiago Creel von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) und Roberto Madrazo von der ehemaligen Staatspartei, der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), kämen dagegen jeweils nur auf 25 Prozent.

Für AMLO ist deshalb klar: Hinter der Geschichte stecken Mexikos Präsident Vicente Fox (PAN), PRI-Politiker wie Madrazo sowie weitere einflussreiche Vertreter des mexikanischen Establishments wie etwa der ehemalige Präsident Carlos Salinas de Gortari. Zwar arbeitet der Hauptstadt-Bürgermeister selbst eng mit dem Unternehmertum zusammen – so etwa mit dem mexikanischen Multimillionär Carlos Slim – dennoch ist für ihn die Generalstaatsanwaltschaft, die das Verfahren eingeleitet hat, ein Instrument der Intoleranz „derer, die oben sitzen.“ AMLO ist sich sicher: „Das ist eine politische, keine juristische Angelegenheit.“

Präsident Fox, der gemeinsam mit seiner Partei den Immunitätsentzug forciert, weist solche Vorwürfe von sich. Sein Parteifreund Creel spricht von der Macht des Gesetzes. „Wir alle müssen uns dem Rechtsstaat beugen, unabhängig davon, ob manche ihn gering schätzen,“ reagierte er auf die Entscheidung. Auch in der PRI verweisen führende Politiker auf den vermeintlich unumgänglichen juristischen Weg. Dennoch rief das Ergebnis dort gespaltene Reaktionen hervor. Nur ein Teil der Parteigänger unterstützt die Linie des Frontmannes Madrazo gegen dessen Konkurrenten. Andere befürchten eine unkontrollierbare gesellschaftliche Eskalation, sollte López Obrador tatsächlich verurteilt werden.

„Der Staatsstreich gegen die Demokratie wird nicht gelingen!“, erklärte die der PRD nahestehende Elektrikergewerkschaft SME am Samstag. Ob sie Recht behalten wird, ist fraglich. Die Entscheidung in dem vierköpfigen Parlamentsgremium fiel mit einer PAN- und zwei PRI-Stimmen gegen eine des PRD-Vertreters. Damit hat sich in der PRI der Flügel durchgesetzt, der mit AMLO auf Konfrontation gehen will. In wenigen Wochen soll nun der Kongress darüber befinden, ob die Immunität aufgehoben wird. Um das zu erreichen, muss nur jeder dritte PRI-Abgeordnete zustimmen, was angesichts der Kräfteverteilung zugunsten der AMLO-Gegner sehr wahrscheinlich ist. Danach wird das Verfahren zur Angelegenheit der Generalsstaatsanwaltschaft, und die untersteht direkt dem Präsidenten Fox.

López Obrador gibt sich indes siegesgewiss: Wenn nötig, werde er auch aus dem Gefängnis für sein Recht kämpfen, ließ er bereits vor Wochen wissen. Nach dem Ergebnis vom Freitag hat er zu Demonstrationen für den Tag der Entscheidung im Kongress aufgerufen. „An diesem Tag wird eine neue Etappe des Kampfes für den Respekt gegenüber dem Willen des Volkes sowie für die zivilen, politischen und
sozialen Rechte der Mexikaner beginnen,“ erklärte AMLO.

MEXICO

Monarchschmetterlinge in Gefahr

(Lima,23. März 2005, na-poonal).- Das Ministerium für Umwelt und Naturressourcen teilte mit, dass sich die Anzahl der Monarchschmetterlinge, die zwischen November und März in Mexiko überwintern, im vergangenen Jahr um 75 Prozent verringert habe. Bis zu 120 Millionen Schmetterlinge kamen gewöhnlich jährlich aus Kanada und den Vereinigten Staaten, um den Winter in den Pinienwäldern des Vulkangebirges der Bundesstaaten Michoacán und Mexiko im Zentrum des Landes zu verbringen. Nach Angaben einiger Forscher wird der Schwund durch die Verringerung der Nahrungsquellen und die Abholzung der Wälder hervorgerufen.

Diese Schmetterlingsart ernährt sich ausschließlich von einer Pflanze der Familie der „Asclepsias“. Dieses Gewächs ist in den USA aufgrund von Verstädterung und Unkrautbekämpfung am Verschwinden. In Mexiko hingegen konnte das illegale Abholzen der Wälder, in denen sich die Schmetterlinge aufhielten, etwas reduziert werden.

GUATEMALA

Wiederaufnahme der Proteste gegen Freihandelsvertrag

(Buenos Aires, 30. März 2005,púlsar-poonal).- Die zivilgesellschaftlichen Organisationen Guatemalas nahmen die Proteste gegen den Freihandelsvertrag TLC (Tratado de Libre Comercio) zwischen Zentralamerika und USA wieder auf. Sie blockierten Autostraßen im Inneren des Landes. Hunderte von Lehrern öffentlicher Schulen, begleitet von Bauern- und Indigenenorganisationen, blockierten die Zu- und Abfahrtsstraßen der Stadt Totonicapán, die 200 Kilometer westlich der guatemaltekischen Hauptstadt liegt. Die Demonstranten forderten die Regierung auf, den Freihandelsvertrag mit den USA nicht in die Praxis umzusetzen. Der Vertrag ist bereits vom Kongress gebilligt und von Präsident Oscar Berger ratifiziert worden.

Der Sprecher der Nationalen Lehrerversammlung Joviel Acevedo gab bekannt, dass die Lehrer der öffentlichen Schulen in den Streik treten könnten, um sich den Protesten gegen den Wirtschaftsvertrag anzuschließen. In der Zwischenzeit bekräftigte Daniel Pascual, Leiter des Nationalen Dachverbandes der Bauernorganisationen CNOC, dass Anführer der Indigenen, Bauern und Gewerkschaften eine Klage gegen die Ratifizierung des Vertrages einreichen werden, da sich dieser “gegen die Interessen der Mehrheit” richten würde. Pascual versicherte außerdem, dass die Proteste im ganzen Land und auf unbestimmte Zeit weitergeführt werden.

NICARAGUA

Bananenarbeiter sterben an Spätfolgen des Pestizids Nemagon

Von Stefanie Kron

(Berlin, 1. April 2005, npl).- Landarbeitergewerkschaften in Nicaragua weisen das Angebot des transnationalen Bananenkonzerns Dole für eine außergerichtliche Einigung im Entschädigungsprozess wegen der Spätfolgen von Pestizideinsätzen zurück.

Seit Jahren kämpfen Tausende ehemalige Bananenarbeiter der Provinz Chinandega gegen mehrere transnationale Chemie- und Agrarexportunternehmen um Entschädigungszahlungen. Sie leiden unter schweren Erkrankungen, die durch den Einsatz des Pflanzenschutzmittels „Nemagon“ im Bananenanbau in den 1960er und 1970er Jahren verursacht wurden. Zu den angeklagten Konzernen gehören Standard United Fruit Company, Chiquita Brand, Shell Oil Company, Dole Limited und Dow Chemical Company. Zwischen 10.000 und 17.000 Landarbeiter sind in dem zentralamerikanischen Land von den Spätfolgen des Pestizideinsatzes betroffen.

„Nemagon“ ist der Markenname des Dibromchlorpropans (DBCP), das von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „extrem gefährlich“ eingestuft wird. Es soll bereits in geringen Dosen Sterilität, Fehlbildungen, Lungen-, Leber- und Nierenschädigungen verursachen. Obwohl der Einsatz von DBCP in der Agrarexportindustrie in den USA bereits seit 1979 verboten ist, wurde das Pestizid mindestens bis Mitte der 1980er Jahre in Lateinamerika weiter angewendet. Schätzungen zufolge sind weltweit mehr als 40.000 Menschen chronisch durch das Pestizid geschädigt. 1984 zogen Arbeiter der Bananengesellschaft Dole in Costa Rica vor ein Gericht in den USA. Es folgten gerichtliche Verhandlungen und außergerichtliche Vergleiche, denen sich Kläger auch aus Honduras, Guatemala, Nicaragua, Panama und Ecuador anschlossen.

Im Jahr 2000 erreichten die Vertretungen der Landarbeiter von Chinandega die Verabschiedung des Gesetzes 364, das Entschädigungsklagen bis zu 100.000 Dollar pro Kläger gegen die Bananen- und Chemieunternehmen ermöglicht. Im Dezember 2002 verurteilte ein Gericht in Managua Shell, Dow Chemicals und Dole zur Zahlung von 489 Millionen US-Dollar an insgesamt 468 Kläger in Nicaragua. Die Konzerne erkannten das Urteil nicht an. Das Gesetz 364 sehe keine Verteidigung der Angeklagten vor und sei damit verfassungswidrig, erklärte der Vizepräsident des Bananenkonzerns Michael Carter. Die Regierung Nicaraguas saß den Fall aus.

Der Rechtsstreit ist ein Wettlauf mit der Zeit. Nach Angaben von Victoriano Espinales, der rund 4.000 erkrankte Arbeiter vertritt, sind seit 1994 bereits 336 von ihnen an ihren Krankheiten gestorben. Ende Januar dieses Jahres organisierten die Landarbeiter von Chinandega einen Marsch nach Managua. Hunderte von ihnen campierten wochenlang unter freiem Himmel vor dem Parlamentsgebäude. Einige erklärten, sie würden sich öffentlich das Leben nehmen, um die Regierung von Präsident Enrique Bolanos unter Druck zu setzen, die Arbeiter zu unterstützen. Espinales berichtete, allein seit dem 31. Januar seien acht ehemalige Bananenarbeiter gestorben. Am 18. März erreichten die Arbeitervertretungen schließlich ein Abkommen mit der Regierung, das ihnen medizinische Betreuung und juristische Unterstützung zusagt.

Dole lässt sich jedoch nach wie vor nicht zu einem Schuldeingeständnis bewegen. Michael Carter erklärte Ende März, es gebe „keine Hinweise darauf, dass die Anwendung des Produktes Nemagon in nicht geschlossenen Räumen Konsequenzen für die Arbeiter hat“. In einem Brief an den Generalstaatsanwalt Nicaraguas Alberto Novoa Espinoza bezeichnete Carter die Klagen gegen seinen Konzern als „betrügerisch“. Wenn die Regierung Nicaraguas jedoch bereit sei, die Sache auf dem außergerichtlichen Weg zu „regeln“, werde Dole weiter in Nicaragua investieren.

Marcelino García, Sprecher der Vereinigung der Landarbeiter (ATC) erklärte, diese Lösung müsse mit den Arbeitervertretungen und nicht mit der Regierung verhandelt werden. Er äußerte zudem Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Dole: „Wir haben bislang kein ernsthaftes und verantwortliches Angebot von den Konzernen erhalten“. Aus diesem Grund werde die ATC weiter die juristischen Klagen gegen die Hersteller von Nemagon und die Bananengesellschaften unterstützen, die derzeit auch in den USA erhoben werden.

Schwere Vorwürfe gegen neuen US-Geheimdienstchef

Von Tim Rogers

(Granada, 23. März 2005, na-poonal).- Nicaraguanische Beobachter haben den US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush für die Ernennung von John Negroponte zum obersten Chef der US-amerikanischen Geheimdienste scharf kritisiert. Diese Entscheidung würde den Kalten Krieg wiederholen.

Viele Nicaraguaner, die sich an seine Amtszeit als Botschafter der Vereinigten Staaten Anfang der Neunzigerjahre in Honduras erinnern, haben
eine andere Sichtweise seiner Arbeit als Bush. „Negroponte ist einer der hervorstechendsten Terroristen im Dienst der US-amerikanischen Expansion“, sagte Miguel D'Escoto, Priester und nicaraguanische Minister während der Regierungszeit der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) 1979-90.

Der 65-jährige Negroponte war von 1981 bis 1985 Botschafter der Vereinigten Staaten in Honduras. In dieser Zeit half er, den konterrevolutionären Bürgerkrieg in Nicaragua, der von den USA unterstützt wurde und in den Achtzigerjahren mehr als 30.000 Menschen den Tod brachte, zu beenden.

Der Rat für Hemisphärische Angelegenheiten (COHA) mit Sitz in Washington erklärte kurz nach der Ernennung Negropontes am 17. Februar, dass der ehemalige Botschafter „statt mit diesem neuen und hohen Posten betraut zu werden, vor ein Gericht gestellt werden sollte, um seine Rolle bei zahlreichen Menschenrechtsverletzungen zu klären, die während seiner Amtszeit stattfanden, als fast 300 Oppositionelle `verschwanden´.“

Nach Angaben von COHA weisen die Zeugenaussagen und Erklärungen honduranischer Überlebender auf die Beteiligung Negropontes bei der Autorisierung, dem Schutz oder der Verheimlichung von Todesschwadronen hin. „Es wurden Millionen Dollar Bestechungsgelder an honduranische Funktionäre gezahlt, damit diese den von den USA unterstützten „Contras“ den Freiraum ließen, um Angriffe gegen die Sandinisten auszuführen“, fügte der Rat hinzu. Negroponte hat immer geleugnet, von der Aktivität von Todesschwadronen während seiner Amtszeit gewusst zu haben.

Negropontes Handlungen zur Überwachung des Krieges der USA gegen Nicaragua wurden vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, Niederlande, als „illegaler Machtmissbrauch“ verurteilt. Das Urteil wurde von zwei Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unterstützt und von den USA mit einem Veto gekippt. Auch wenn die dunkle Vergangenheit Negropontes Thema einer erhitzten Debatte im US-amerikanischen Senat nach seiner Ernennung 2001 zum Botschafter der USA in den Vereinten Nationen war, blockierte die Legislative seine Designierung letztlich nicht.

Tomás Borge, einziger überlebender Gründer der FSLN und ehemaliger Außenminister, stellte klar, dass Negroponte „der perfekte Politiker ist, um die US-amerikanische Politik der globalen Dominanz, internationaler Repression, ausländischer Besetzung und Destabilisierung auszuführen“. Borge, der für die innere Sicherheit Nicaraguas während des Bürgerkrieges in den Achtzigern verantwortlich war, fügte ironisch hinzu, dass er Bush gerne „dazu beglückwünschen würde, den perfekten Mann für den Job ausgesucht zu haben“.

KUBA

Männliche Prostitution in Cuba

Von Dalia Acosta

(La Habana, 28. Januar 2005, sem-poonal).- Die Nachrichtenagentur SEM sprach mit dem Historiker Julio César González Pagés, Präsident der Kommission Gender und Frieden der Nichtregierungsorganisation Kubanische Bewegung für den Frieden (Movimiento Cubano por la Paz). Nachdem González Pagés, der auch Koordinator des Forums Männlichkeit, Diversität und Friedenskultur ist, jahrelang in historischen Archiven rumgewühlt hat, konnte er nachweisen, dass es männliche Prostitution in Kuba schon immer gegeben hat, obwohl sie Jahrhunderte lang gesellschaftlich verborgen blieb.

Frage: Wann hat die männliche Prostitution in Kuba begonnen?

Antwort: Das ist ein Phänomen, das es schon immer gegeben hat, wenn man es nicht auf das enge Konzept einer Person reduziert, die sich auf der Straße prostituiert, sondern als ein Verhältnis des Kaufens und Verkaufens betrachtet: du gibst mir etwas und ich gebe dir dafür etwas anderes. Von männlicher Prostitution kann man in Kuba seit Beginn der primitivsten Beziehungen und der Kolonialzeit sprechen. Es gibt Dokumente im Nationalarchiv aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die das nahe legen. Durch die Analyse von Presseartikeln haben wir Nachweise, dass es ab Ende des 18. Jahrhunderts diese Art von Beziehung (männlicher Prostitution) auf der Insel gab.

Es gibt einen Aufruf der Zeitung „Periódico de La Habana“ von Agustín Caballero, der sich an „ diese Männer, die sich wie Frauen kleiden“, richtet. Heute sagt man Transvestiten und Transsexuelle, die sich in der Welt der weiblichen Prostituierten bewegen.

Im 20. Jahrhundert wurde dieses Phänomen durch einen historisch fundamental wichtigen Text von Carlos Alberto Montenegro sichtbar und profiliert. In dem Buch „Männer ohne Frau“ sind viele der beschriebenen Männer Prostituierte oder Kuppler. In den Dreißiger-, Vierziger- und Fünfzigerjahren 20. Jahrhunderts gewinnt neben den schon bekannten Prostituiertenvierteln das „Pajarito“ im Zentrum von Havanna an Bedeutung. Dort gab es viele Bordelle, in denen sich Männer prostituierten. Das Viertel lag in einer Bürogegend, wo überwiegend Männer arbeiteten und es eine große Nachfrage nach Prostituierten gab.

Frage: Nach dem Sieg der Kubanischen Revolution im Jahr 1959 wurde ein Programm vorangetrieben, um die weibliche Prostitution abzuschaffen. Was geschah mit den männlichen Prostituierten?

Antwort: Obwohl es keine direkte Kampagne gegen die Männer gab, die sich prostituierten, wollte man auch dieses Phänomen auslöschen. Oft ging es gegen die Kuppler und gegen die so genannten „Begleiter“. Das heißt nicht, dass es in Cuba während der Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahre keine Männer gab, die für entsprechende Gegenleistungen Beziehungen mit anderen Männern eingingen. Das war eben nicht die Art von Prostitution, die man gewöhnlich sieht: Exponiert an der Ecke, wo der Kauf und Verkauf von Sex sofort vollzogen wird. Aber es gab sie von einem hierarchischen Rang aus. Männer, die ökonomisch gut gestellt waren, kauften Sex von einem jüngeren Mann oder einem, der weniger Geld hatte.

Das gab es in allen Gesellschaften und steht im Zusammenhang mit der Sozialisierung der Sexualität. Das hat weniger mit dem sozialen System an sich zu tun als mit der Art, wie wir Menschen unsere sexuellen Beziehungen gestalten.

Frage: Was passierte dann in den Neunzigerjahren, als sich das Land für den internationalen Tourismus öffnete?

Antwort: In Kuba war man nicht vorbereitet auf den internationalen Tourismusmarkt. Das brachte Phänomene mit, die in der kubanischen Gesellschaft zuvor nicht sichtbar waren. Eins davon ist die Prostitution. Der Tourist kommt, um sich die Stadt und die Sehenswürdigkeiten anzuschauen, aber er sucht auch Sex. Und immer, in jedem Land, gibt es Personen, die sich für die Prostitution als Arbeit entschieden haben und Personen, die Sex kaufen. Das ist sehr schwierig zu vermeiden oder in Gesetze zu packen. Im speziellen Fall von Kuba hat man Programme entwickelt, damit die weiblichen Prostituierten in anderen Berufen arbeiten. Man hat Studien darüber erhoben, warum sie sich nicht integrieren und ob diese Option (des Wechsels in einen anderen Job oder des Verbleibens in der Prostitution) etwas mit den sozialen Bedingungen zu tun hat.

Frage: Und die Männer?

Antwort: Dieser Fall ist komplizierter. Bei der weiblichen Prostitution gibt es das Bild der Frau, die sich an der Ecke mit provozierender Art und Kleidung anbietet. Dieses Stereotyp der weiblichen Prostitution trifft jedoch auf die m&
auml;nnliche nicht zu. Erst ab dem Jahre 2000 wurde das Phänomen in einigen einschlägigen Zonen von Alt-Havanna und im Viertel Vedado sichtbarer. Die bekanntesten Plätze sind die Umgebung des „Parque de la Fraternidad“, die Straßenecke am Yara-Kino und der Hafenpromenade Malecón. Und dann hat man bemerkt, dass es hier auch Männer gibt, die Sex für Geld suchen. Ich erinnere mich an die hautengen Hemden, die den muskulösen Körper andeuten und das gesamte Erscheinungsbild, das den Namen „el Pinguero“, („Schwanzjunge“) begründet hat. Diesen Euphemismus benutzen die männlichen Prostituierten, um sich selbst zu identifizieren.

Frage: Warum nennen sich diese Männer “Pingueros”?

Antwort: Weil sie sich nicht als Homosexuelle sehen, sondern als Kämpfer, als Personen, die versuchen, Geld zu verdienen. Alle schwören, dass sie heterosexuell seien und dass sie das nur täten, um wirtschaftlich etwas besser dazustehen. Der Name „pinguero“ entstammt dem kubanischen Umgangswort für Penis (la pinga). Für die männlichen Prostituierten sind ihr Schwanz und ihr Beruf ein Synonym. Wir haben hier in Cuba ein hetero-patriachalisches Konzept, das viel mit der Phallusbezogenheit in unserer Gesellschaft zu tun hat. Der Penis wird so zum fundamentalen Attribut ihrer Arbeit.

Frage: Wenn wir von männlicher Prostitution reden, warum sind damit immer Männer gemeint, die Sex mit anderen Männern haben, aber nie diejenigen, die ihre Dienste Frauen anbieten?

Antwort: Seit sechs oder sieben Jahren arbeite ich zum Thema Männlichkeit im Bereich der Gender-Studien. Diese Studien schenken der Sexualität besonderes Augenmerk. Eine Möglichkeit der Sexualität, wovor sich die männliche Hegemonie auch am meisten fürchtet, ist die Homosexualität. Für mich war vor allem sehr wichtig, das Phänomen der Männer zu studieren, die ihren Sex mit anderen Männern zu kommerzialisieren suchen.

Ich rede von diesen Fällen, weil diese überwiegen – gemäß einer Studie, die wir seit dem Jahr 2004 für ein offenes Forum im Nationalen Zentrum für Sexualerziehung durchgeführt haben. Wir haben 120 Männern interviewt, um zu erfahren, von welcher Art Sexualität wir überhaupt reden.

Frage: Diese historische Unsichtbarkeit der männlichen Prostitution steht ja im deutlichen Kontrast zur Sichtbarkeit, die der weiblichen Prostitution immer eigen war. Worauf ist das Ihrer Meinung nach zurückzuführen?

Antwort: Das hat viel mit dem Machismus überall in der lateinamerikanischen Kultur zu tun. Ich betrachte Kuba nie als Ausnahme, weil wir einen Teil eines universellen Wertesystems bilden. Auch wenn es darum geht, den staatlichen Autoritäten zu begegnen, macht das der Mann mit einer Sprache, die männliche Autorität ausdrückt. Eine Sprache, die die Frauen aufgrund der Geschlechterverhältnisse nicht benutzen. Das ist ein Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen dürfen, denn er vollzieht sich in allen Beziehungen des Lebens und der Gesellschaft. Und er ist auch fundamental, wenn wir die männliche Prostitution betrachten wollen.

Grundsätzlich sind immer die Männer die Besitzer der öffentlichen Räume gewesen. Es ist viel normaler, eine Gruppe von drei, vier Männern an einer Straßenecke zu sehen, als eine Gruppe von vier Frauen an der selben Ecke. Trotz allem, was die Frauen in Kuba erreicht haben, ist das etwas, was nicht so sehr mit sozialen, sondern mit kulturellen Prozessen zu tun hat und diese kulturellen Prozesse sind viel schwieriger zu verändern. Wenn Sie im Auto fahren und eine Frau an der Ecke sehen, in einer speziellen Art gekleidet, dann denken sie üblicherweise, diese Frau ist „auf der Suche nach etwas“. Wenn sie aber einen Mann dort sehen, dann denken die meisten, der wartet auf irgendwas. Es gibt einen Unterschied zwischen der weiblichen „Suche“ und dem männlichen „Warten“.

Frage: Die “Pingueros”, mit denen Sie geredet haben, erkennen die selbst an, dass sie Prostitution ausüben?

Antwort: Manche von ihnen schaffen Gruppenbeziehungen, aber es gibt im engeren Sinn kein Bewusstsein einer Gruppenzugehörigkeit. Im Gegensatz zu andern Ländern gibt es in Kuba keine organisierte Mafia im Bereich der männlichen Prostitution. Eher hat sich bewiesen, dass sie in individueller Form stattfindet, eher spontan, auch wenn sich festere Strukturen an einigen Plätzen finden lassen. Ein ausländischer Freund hat mir mal gesagt: „In Kuba gibt es viel männliche Prostitution“. Ich habe ihm widersprochen, weil es normalerweise immer dieselben Personen sind, die Du mal an einem Ort siehst und dann an einem anderen. Die Gesichter wiederholen sich. Es ist ein Kreis: Am Morgen sind sie am Strand, am Nachmittag ruhen sie sich aus, am Abend sind sie am Yara-Kino und danach gehen sie auf eine Party.

Frage: Wir von SEM haben eine Meinungsumfrage in Havanna zur weiblichen Prostitution durchgeführt. Wir haben nach möglichen Motiven gefragt, warum Frauen sich prostituieren. Viele Befragte haben als vorstellbares Motiv angegeben, die Frauen müssten ihre Familie finanziell unterstützen. Dieses Motiv wurde aber von keiner der 200 befragten Personen vermutet, die wir im letzten Jahr zur männlichen Prostitution gefragt haben. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Antwort: Dieselbe. Von 120 Männern, die ich interviewt habe, hat nicht einer als Motiv angegeben, der Familie helfen zu müssen. Vielmehr täten sie das, um sich die Sandaletten oder Schuhe kaufen zu können, die gerade in Mode sind. Auch Kleidung, oder goldene Ringe und Kettchen. Man orientiert sich an den oberflächlichen Werten, aber in keinem Fall ging es wirklich um wirtschaftliche Notwendigkeiten. Das hat nichts mit einem familiären Verantwortungssinn zu tun, den vielleicht die Frau hat.

Frage: Können wir hier von einem Lebensstil reden?

Antwort: Nicht bei allen, aber ganz sicher bei vielen. Für viele kann es sehr bequem sein, täglich 10 bis 15 Dollar zu verdienen, mit viel weniger Aufwand als zu studieren oder zu arbeiten. Dieser Lebensstil hängt ganz stark mit den universellen Konsumwerten zusammen, die das Individuum in eine ewige Beziehung aus Nachfrage-Angebot-Nachfrage einordnet. Außerdem beeinflusst das Image des heterosexuellen Mannes, das in Zeitschriften und Filmen auftaucht. Es handelt sich nicht um junge Männer aus den Slums von Havanna, sondern um Muchachos, die ihre Ausbildung abbrechen und die in den meisten Fällen nicht aus Havanna, sondern aus anderen Provinzen kommen.

Frage: Wie können die jungen Männer sich denn zum Beispiel vom Militärdienst befreien, wenn sie weder arbeiten noch studieren?

Antwort: Das tun sie gar nicht. Es gibt nichts, was die kubanische Gesellschaft bereithält, das es ihnen gestatten würde, abseits zu stehen. Es sind keine Männer, die für immer flüchten, sondern die sich der Prostitution für eine Zeit widmen. Einige erkennen dann, dass dies doch nicht der beste Weg ist für sie. Das betrifft vor allem Jungen zwischen 19 und 23 Jahren, auch wenn das nicht gerade die dominierende Tendenz ist.

Frage: In Kuba steht die Prostitution nicht unter Strafe, aber manche Personen, die sie praktizieren, werden in Gewahrsam genommen und in „Erziehungseinrichtungen“ gesteckt. Ist das eine geeignete Art, der Prostitution zu begegnen?

Antwort: Die Lösung jedes sozialen Phänomens ist die Erziehung. In diesem Fall muss es darum gehen, die Sexualität als vollen Genuss unserer Individualität zu sehen und nicht als einen kommerziellen Akt. Wenn man nur polizeiliche Maßnahmen ergreift, kann man vielen Problemen nicht begegnen, wie zum Beispiel der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten. Der Erfolg der Kampagnen gegen AIDS zum Beispiel hängt von der Sichtbarmachung dieses Phänomens ab.

Im Falle der Frauen hat man eine spezifische Politik umgesetzt, aber für die Männer gibt es solche Programme nicht. Und das aus einem einfachen Grund: Man betrachtet das existierende Konzept von Männlichkeit als hegemoniale Regel.

Frage: Ein Anfang wäre es also, die Existenz männlicher Prostitution zu akzeptieren?

Antwort: Es gibt diese Akzeptanz schon, zumindest gilt das für die Programme einiger Institutionen. Im Moment findet dieses Phänomen Einzug in die Medien und in die Kampagnen, die vor allem zur Verhütung sexuell übertragbarer Krankheiten durchgeführt werden. Für die Gesellschaft gilt: was sie nicht sieht, existiert auch nicht. Aber das Gegenteil ist richtig: Es ist wichtig zu wissen, das ein Phänomen nicht aufhört zu existieren, nur weil man es nicht sichtbar macht.

HAITI

Blauhelmeinsatz in der Kritik

(Fortaleza, 24. März 2005, adital-poonal).- Am 23.März wurde dem brasilianischen Minister für Menschenrechte Nilmário Miranda ein von der Rechtsfakultät der Harvard-Universität und der Nichtregierungsorganisation “Globale Gerechtigkeit” (Justicia Global) gemeinsam erstellter Bericht zur Lage in Haiti überreicht. Darin wird die unter dem Kommando des Chilenen Juan Gabriel Valdés stehende UN-Mission zur Stabilisierung Haitis “Minustah” (Misión de Estabilización de las Naciones Unidas en Haití) und ihr bisheriges Vorgehen heftig kritisiert. Valdés wurde zum UN-Sonderbeauftragten ernannt, nachdem der ehemalige Präsident Jean Bertrand Aristide das Land im Juli 2004 verließ.

In dem Bericht wird nicht nur das brasilianische Oberkommando über die UN-Blauhelmtruppe kritisiert, sondern auch auf ein allgemeines Versagen bei der Leitung und Ausführung der Minustah hingewiesen. Die Arbeit der Friedensmission wird als ineffizient bei der Förderung der politischen und sozialen Stabilität im Land bezeichnet: „Nach acht Monaten unter Beobachtung durch die Minustah ist Haiti noch immer so unsicher wie eh und je.“ Außerdem wird darauf verwiesen, dass die drei Grundpfeiler der Mission – die Entwaffnung, die Stärkung der politischen Institutionen zur Unterstützung eines verfassungsmäßigen politischen Prozesses sowie regelmäßige Menschenrechtsberichte – nicht umgesetzt worden seien.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Minustah sehr viel mehr erreichen könnte und führt als Beispiel die unterlassene Untersuchung der unzähligen Klagen über Menschenrechtsverbrechen der haitianischen Polizei an. Nicht zuletzt wird den Friedenstruppen „Beihilfe“ bei den gewaltsamen Ausschreitungen gegen die Elendsviertel in der Hauptstadt Port-au-Prince, den Hochburgen der Partei des Ex-Präsidenten Aristide, vorgeworfen.

Trotzdem enthält der Bericht auch einen Hoffnungsschimmer. Die Verfasser gehen davon aus, dass es mit Hilfe der Minustah doch noch gelingen kann, den Frieden im Land herzustellen, nachdem garantiert ist, dass die Wahlen Ende dieses Jahres stattfinden werden. Zudem wird das Potential der Mission hervorgehoben, durch die Sicherung der Grund- und Menschenrechte und der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung die Etablierung eines Rechtsstaates zu unterstützen. Am Ende des Berichts werden zwölf Vorschläge zur Erfüllung des Mandats des UN-Sicherheitsrats unterbreitet. Dieses sei von den Brasilianern nur „zögerlich“ interpretiert worden und könne weitaus umfassender genutzt werden, so die Autoren.

KOLUMBIEN

Militärs werden in Friedensgemeinden eindringen

(Bogota, 29. März 2005, alc).- Die kolumbianischeRegierung hat den Einmarsch von Streitkräften und Polizei in acht „Friedensgemeinden“ angeordnet, die ihr Territorium zur neutralen Zone im Konflikt erklärt hatten. Der Befehl wurde erteilt, nachdem die Bewohner der Gemeinden Angehörige der Streitkräfte beschuldigt hatten, vermutlich für ein Massaker an acht Bauern verantwortlich zu sein. Das Massaker war am 21. Februar dieses Jahres in der Friedensgemeinde San José de Apartadó im Departement Antioquia im Nordwesten des Landes verübt worden.

„Wir sind entschlossen, auf dem gesamten Territorium Kolumbiens präsent zu sein. Präsident Uribe hat erklärt, dass es in Kolumbien keine entmilitarisierten Zonen geben wird. Es wird keine Friedensgemeinden ohne die Anwesenheit der öffentlichen Gewalt geben“, verkündete der Verteidigungsminister Jorge Alberto Uribe.

Der katholische Bischof der Stadt Barrancabermeja, Jaime Prieto, erwiderte, es sei nicht Aufgabe der Regierung, die von der Zivilgesellschaft aufgebauten Organisationen zu zerstören. Sprecher der Friedensgemeinde San José de Apartadó sagten, dass die Regierung mit der neuen Maßnahme die Neutralitätserklärung gegenüber dem Konflikt verletze. „Wenn sich das Militär hier in der Gemeinde niederlassen will, so wird es einen Geisterort vorfinden, weil wir woanders hingehen werden. Wir bestehen darauf, dass unser Territorium frei von bewaffneten Kräften bleibt. Die zivile Staatsmacht ist immer willkommen, die militärische nicht“, erklärte ein Sprecher der Gemeinde.

San José de Apartadó hat 2.500 Einwohner. Der Verteidigungsminister hat argumentiert, das Massaker hätte verhindert werden können, wenn das Militär Zutritt gehabt hätte, um die Bevölkerung zu schützen. Der Priester Javier Giraldo, Direktor des Zentrums für Forschung und Volksbildung CINEP (Centro de Investigaciones y Educación Popular), behauptet hingegen, die Verantwortlichen des Massakers gehörten zweifellos zur „17. Militärbrigade, die das Gebiet seit dem 17. Februar, vier Tage vor dem Massaker, militarisiert hatte“. Bei dem Massaker wurden acht Menschen mit Macheten und durch Schüsse ermordet. Zu den Opfern gehörten der Sprecher der Gemeinde Luis Guerra, seine Ehefrau und zwei seiner Kinder.

San José de Apartadó ist eine der acht Friedensgemeinden, die in verschiedenen Gebieten Kolumbiens im Jahre 1997 gegründet wurden. Damals einigten sich diese Gemeinden darauf, sich im Konflikt als „neutral“ zu erklären, und erhielten Unterstützung von internationalen Organisationen wie dem Interamerikanischen Gerichtshof mit Sitz in San José (Costa Rica). Die Friedensgemeinden dulden auf ihrem Territorium weder die Guerilleros der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) noch Angehörige der paramilitärischen Vereinten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) oder der Streitkräfte.

Die Bewohner von San José de Apartadó haben sich geweigert, vor der Staatsanwaltschaft zu dem Massaker vom 21. Februar auszusagen. Sie werden einzig vor dem Interamerikanischen Gerichtshof als Zeugen auftreten.

BRASILIEN

Umweltschützer demonstrieren gegen Ge
ntechnikgesetz

(Fortaleza, 28. März 2005, adital-poonal).- Trotzgewisser Verzögerungen durch die Osterfeiertage hat die Verabschiedung des Gesetz zur Anwendung von Gentechnik, das “Gesetz zur Bio-Sicherheit”, zu heftigen Reaktionen auf Seiten von Organisationen geführt, die gegen den Anbau und Verkauf von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Brasilien kämpfen.

Bereits am 24. März hatte Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva dem Gesetz zugestimmt. Das Bundesparlament hatte es schon im vergangenen Monat angenommen. Lula billigte es am letztmöglichen Tag, an dem das Gesetz in Kraft gesetzt werden konnte, unter sieben Vorbehalten. Doch Forschungen mit embryonalen Stammzellen sind erlaubt und das alleinige Entscheidungsrecht über die Zulassung von genetisch veränderten Organismen und Produkten bleibt bei der Nationalen Technischen Kommission zur Bio-Sicherheit CTNBio (Comisión Técnica Nacional de Bioseguridad).

Noch am Tag der Verabschiedung reagierten Umweltorganisationen und Gruppen, die sich mit der Landproblematik befassen. Organisationen wie Greenpeace, die Landlosenbewegung MST (Movimento das Trabajadores Sem Terra), die Bewegung der Staudammgeschädigten (Movimiento de Damnificados por Represas) sowie das brasilianische Verbraucherschutzinstitut IDEC (Instituto Brasilero de Defensa del Consumidor) verteilten einen offenen Brief, der die Zustimmung zu dem Gesetz kritisiert. Besonders kritisiert wird, dass die Forschung mit gentechnisch veränderten Organismen ohne vorherige Studien durch das Umweltministerium zur deren Auswirkung auf die Umwelt erlaubt sind.

In dem Brief heißt es, das Gesetz zur Bio-Sicherheit werde die Pläne der internationalen Biotechnologiekonzerne konkretisieren, da nun eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern der CTNBio in laufenden Vorgängen sehr komplexe Themen allein entscheiden würden. Auch Präsident Lula wurde hart kritisiert. Ihm wurde vorgeworfen, die Zustimmung zur Forschung mit embryonalen Stammzellen wäre wie eine „Nebelbombe“ für die Zustimmung zu gentechnisch veränderten Organismen und Produkten benutzt worden. Die Gruppen wollen ihre Kampagne gegen das Gesetz intensivieren und darauf hinwirken, dass die Bevölkerung keine gentechnisch veränderten Produkte konsumiert.

Regierung erneuert Vertrag mit dem IWF nicht

(Fortaleza, 29. März 2005, adital-poonal).- Diebrasilianische Regierung wird den Vertrag mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht erneuern. Diese Nachricht des Finanzministers Antonio Palocci wurde gestern Abend im nationalen Fernsehen übertragen. Der bisherige Vertrag mit dem IWF ist nach 15 Monaten am 31. März ausgelaufen. Brasilien hatte die bei Unterschrift insgesamt ab 2002 anvisierten Auszahlungen in Höhe von 41 Milliarden US-Dollar nicht vollständig wahrgenommen. Lediglich 26,3 Milliarden US-Dollar wurden genutzt.

Der Finanzminister bestätigt, dass Brasilien die bereits in den letzten Monaten eingeschlagene politische Richtung beibehalten werde, die eine Verminderung der öffentlichen Schulden zum Ziel habe. Dieses Ziel würden durch Sparprogramme sowie soziale und strukturelle Maßnahmen verfolgt. Paloccio bestätigt, dass das mit präventivem Charakter unterzeichnete Abkommen einige Vorteile für Brasilien gebracht habe. Seit einigen Monaten habe sich jedoch herausgestellt, dass keine Notwendigkeit zur Erneuerung bestehe.

Andererseits wollte der Minister auch nicht ausschließen, dass sich das Land in der Zukunft doch wieder an das Institut wenden werde. Brasilien werde auch in Zukunft in Einvernehmen mit dem IWF, der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank arbeiten. Trotzdem werde man mit der selben Wirtschaftspolitik, den Reformen für Mikrounternehmen und Steuermaßnahmen zur Inflationskontrolle und der Stimulierung des Außenhandels fortfahren.

Der Minister erklärte, dass die Regierung die Vereinbarung aufrechterhalten werde, die Steuerlast nicht über das Niveau von 2002 zu erhöhen. Außerdem wolle man im Jahr 2005 einen Überschuss von 4,25 Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirtschaften. „Am Ende des letzten Jahres haben wir 21 wichtige Maßnahmen ergriffen, die sich auf Kapitalbesitz, langfristige Sparmaßnahmen und eine Entlastung für Produkte des familiären Basiswarenkorbes beziehen. Damit wollen wir die Steuerlast reduzieren,“ sagte er.

ARGENTINIEN

Regierungsgenehmigung für erstes Mapuche-Radio

(Fortaleza, 29. März 2005, adital-poonal).- Ineiner noch unveröffentlichten Entscheidung der argentinischen Regierung wurde den Mapuches ihr erster Basisradiosender zugesprochen. Mittels eines Beschlusses vom 15. März erhält der Sender der indigenen Gemeinschaft Mapuche-Linares eine Radiolizenz. Die Gruppe wurde dank ihres Partners FM Pocahullo vom Argentinischen Forum der Basisradios (FARCO) ausgebildet.

Das Unternehmen wird von einer Gruppe Mapuches unterschiedlichen Alters koordiniert, die schon seit 1999 an dem Projekt arbeiten. Es handelt sich um das erste ausschließliche Mapuche-Basisradioprojekt. Es ist die erste Lizenz, die das Bundeskomitee für Radiosendung (COMFER) unter der Regierung Néstor Kirchners vergibt.

Der Sender wird offiziell am 30. April dieses Jahres in Aucapan, wo sich das Studio befindet, eingeweiht. Die erteilte Frequenz ist 98.5 MhZ und hat eine Potenz von 300 Watt. Die Einweihung findet im Rahmen der Diskussionsveranstaltung „Für ein demokratisches Radiogesetz“ statt, die am 29. und 30. April in San Martin de los Andes ausgetragen wird. Neben anderen Organisationen wird diese Veranstaltung vom Argentinischen Forum für Basisradios FARCO ausgerichtet.

BOLIVIEN

Erdölunternehmen äußern sich zum neuen Energiegesetz

(Buenos Aires, 30. März 2005, púlsar-na).-Die in Bolivien operierenden transnationalen Erdölunternehmen haben angeboten, 50 Prozent ihrer Gewinne mit dem Fiskus zu teilen. Damit seien allerdings nicht die 50 Prozent Abgaben an den Staat auf die Gewinne aus dem Treibstoffgeschäft gemeint, die die Opposition fordert.

Die Bolivianische Kammer für Kohlenwasserstoffe (Cámara Boliviana de Hidrocarburos) hatte dieses Angebot gegenüber der Zeitung „El Deber“ aus Santa Cruz vorgebracht. Dennoch bezeichnete sie das von der Abgeordnetenkammer am 16. März verabschiedete neue Energiegesetz als „nicht durchsetzbar und irrational“. Es würde zuviel Zeit mit einer Diskussion verloren, die ihrem Wesen nach eher politischer als technischer Natur sei. Dies würde sich auf die Reaktivierung der seit fast zwei Jahren auf Eis gelegten Investitionen des Erdölsektors auswirken.

Gemäß des Vorschlags der transnationalen Firmen sollen die Bruttoeinnahmen zur Grundlage genommen werden und den dann nach Abzug von operativen Kosten, Transport, Amortisierung und Investition zu versteuernden Betrag zu gleichen Teilen aufteilen. Der Vorschlag zielt darauf ab, dass die 18 Prozent der im neuen Energiegesetz vorgesehenen Abgaben in die Kosten eingerechnet und nicht mehr versteuert werden müssen.

Evo Morales, Abgeordneter der Bewegung zum Sozialismus MAS (Movimiento al Socialismo), bezeichnete die Idee als „wenig vertrauenswürdig“ und betonte die Notwendigkeit, ein Gesetz zu erlassen, in dem die Abgaben für die Erdölförderung auf 50 Prozent festgelegt werden, damit der Staat „reale Einkünfte“ durch die Ausbeutung des Erdöls er
ziele.

Das neue Energiegesetz war nach sieben Monaten intensiver Diskussionen durch die Abgeordnetenkammer ratifiziert worden und sieht die Erhebung von 18 Prozent Abgaben und 32 Prozent Steuern für die Förderung von Erdgas und Erdöl durch transnationale Unternehmungen vor. Trotzdem kündigte Präsident Mesa an, dass einige der Artikel des neuen Gesetzes, die noch der Revision durch den Senat bedürfen, gegen die Rechtssicherheit der 15 ausländischen im Land operierenden Erdölfirmen verstoße.

Die Gesetz verpflichtet die Firmen u.a., neue Verträge zu unterzeichnen und ermächtigt die indigene Bevölkerung, jede Form von Erkundung oder Ausbeutung der Kohlenwasserstoffressourcen auf ihrem Gebiet zu untersagen. Diese Reformen gäben dem Gesetz, so Mesa, einen „irrationalen“ Charakter und brächten das Land in Gefahr, von der internationalen Gemeinschaft als „entmündigt“ erklärt zu werden. Diese würde die Suche nach einem Konsens mit den Erdölfirmen beim Ausstieg aus den Verträgen befürworten.

PERU

Erneute Kritik an Minengesellschaft Yanacocha in Cajamarcas

(Fortaleza 29. März 2005, adital-poonal.- Erneuterregt die Minengesellschaft Yanacocha Besorgnis in der Bevölkerung Cajamarcas. Nach Angaben der Bürgerbewegung für Menschenrechte, Umweltschutz und die Interessen Cajamarcas (Frente Único en Defensa de la Vida, Medio Ambiente y los Intereses de Cajamarca) setzt Yanacocha den Bergbaubetrieb in Siedlungsnähe fort. Noch kürzlich zeigte die Minengesellschaft öffentlich Bedauern für die von ihr verursachten Probleme und kündigte Dialogbereitschaft bei der Lösung von Folgeschäden an.

Im Zuge der erneut aufflammenden Proteste blockierten Mitte März etwa 600 Bauern aus Alto Llaucano und Jequetepeque die Straßenverbindung nach Bambamarca. Sie forderten den Abzug der Yanacocha-Maschinen aus der an einem Seeufer gelegenen Siedlung San Cirilio. Neben Wasserknappheit verschmutze der gegenwärtige und zukünftige Bergbau die Flussgebiete von Alto Llaucano und Jequetepeque. Ferner richtet sich ihr Widerstand gegen die Umleitung des aus mehreren Seen abfließenden Wassers.

Im September 2004 stellte Yanacocha die Goldschürfung am Berg Quilish in Cajamarca nach starken Protesten aus der Bevölkerung ein. Die Anwohner sahen durch die Minenaktivitäten die zentrale Wasserversorgung der Region bedroht. Die Firmenleitung begründete ihren Schritt damals mit einer geplanten Grundwasser- und wassergeologischen Studie und einer Analyse der zu erwartenden Umweltauswirkungen, die mit der größtmöglichen Beteiligung der Bevölkerung durchgeführt werden solle. Tatsächlich sah sich das Unternehmen auf Grund der eskalierenden Konfrontationen zwischen Schürfgegnern und Polizei gezwungen, die Arbeiten am Quilish einzustellen.

Yanacocha gehört zu großen Teilen dem US-amerikanischen Newmont Konzern. Mit Minderheitsbeteiligungen ist die peruanische Buenaventura und eine Finanzierungsgesellschaft der Weltbank präsent. Das Unternehmen schürft seit 1992 in der nordperuanischen Region Cajamarca, 780 Kilometer nördlich von Lima.

CHILE

Straßenkinder wiederholt Opfer polizeilicher Gewalt

(Fortaleza, 29. März 2005, adital-poonal).- InSantiago de Chile wurden Straßenkinder erneut Opfer polizeilicher Gewalt. Diese Beschuldigung hat die Nichtregierungsorganisation (NGO) Zentrum für Studien sowie technologische und soziale Entwicklung CIDETS (Centro de Investigación y Desarrollo Tecnológico y Social) geäußert. Die NGO enthüllte, dass in den vergangenen Monaten immer mehr Gewalt angewendet wurde, um Straßenkinder zu vertreiben, die am Rand des Flusses Mapocho und unter der dortigen Brücke wohnen. Demnach wurden die Kinder von der Polizei und anderen städtischen Sicherheitskräften durch Schläge und Brandstiftung aus ihren Unterkünften vertrieben. Die Kinder gaben zudem an, dass es eine „Schlägertruppe“ gebe, die der Stadtverwaltung unterstehe.

So berichten die Kinder, dass erst kürzlich zwei Polizisten des Dritten Polizeidistrikts einem Jungen seine Neoprentasche entrissen hatten. Danach habe einer der Polizisten dem Jungen eine Ohrfeige gegeben, während der andere Polizist mit einem Fußtritt den Kochtopf umgestoßen habe, in dem die Jungen kochten. Diese Aktion sollte erforderlich gewesen sein, um die Jungen wegen des Diebstahls von einem Paar Schuhe zu verhören. Als sie jedoch nichts ermitteln konnten, seien die Polizisten mit einem Benzinkanister zurückgekommen, den sie über das Holzhaus der Jungen gegossen hätten. Dann hätten sie die Hütte angezündet, berichten die Kinder. In dem Haus habe jedoch ein Kind geschlafen, das nur gerettet werden konnte, weil einer der Jungen in die brennende Behausung gelaufen sei, um es herauszuholen. Nach einigen Stunden seien wieder städtische Sicherheitskräfte zum Flussufer zurückgekommen und hätten auf die Kinder eingeschlagen.

Am folgenden Morgen erschienen dann Mitarbeiter von CIDETS, die sich für die Kinder einsetzen. Diese fanden die Hütte der Kinder zerstört und die Kinder auf dem Boden schlafend vor. Bei dem Brand waren auch die Matratzen, die sie den Kindern gekauft hatten, verbrannt.

Mapuches lehnen Regierungsbericht über indigene Rechte ab

(Fortaleza, 30. März 2005, adital).- 15 Monate nachÜbergabe der Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters Rodolfo Stavenhagen antwortete die chilenische Regierung den Vereinten Nationen mit einem Bericht über die Garantierung indigener Rechte in Chile. Allerdings wird dieses Dokumnet von den Sprechern und entsprechenden Experten der Mapuche abgelehnt. Sie argumentieren, dass die Darstellung die aktuelle rechtliche Lage der indigenen Völker in Chile nicht widerspiegele.

Mehrere Mitgliedsorganisationen des Bundes der Mapuche-Gemeinden (Coordinación de Identidades Territoriales Mapuche) bezeichneten den Bericht als Lüge, da er wichtige Punkte der Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters nicht erwähne. Mit dem Bericht versuche die Regierung zu signalisieren, dass sie bei diesen Themen Fortschritte gemacht habe. Der Bund der Mapuche-Gemeinden hat zusammen mit dem Rat aller Mapuche-Ländereien (Consejo de Todas las Tierras) und der Beobachter der Indigenenrechte ein Dokument über die systematische Verletzung der individuellen und kollektiven Rechte des Mapuche-Volkes vor der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte vorgelegt.

Die Ergebnisse des Besuchs von Stavenhagen im Juli 2003 in Chile wurden am 17. November desselben Jahres veröffentlicht. Der Bericht hob die Landproblematik und die Vernachlässigung der natürlichen Ressourcen hervor. Des weiteren gab der UN-Mann eine Reihe von Empfehlungen zur Entkriminalisierung der Forderung der Mapuches ab und stellte einen Mangel an systematischer Problemlösung fest.

Die chilenische Antwort besteht aus einem zehnseitigen Dokument. Sie stellt die Hintergrundinformationen der Regierungsposition über den Umgang der Politik mit den indigenen Völkern von 2004 bis 2010 dar. Gleichzeitig erklärt das Dokument, dass die Regierung ihre Verpflichtung zur Anerkennung, Einhaltung und Vertiefung der Rechte der Indigenen erfüllen werde. Zusätzlich stellt es die Anerkennung der Ureinwohner in der Verfassung als eine der Prioritäten des Parlaments für 2005 vor.

Hinsichtlich der
Armut unter den Indigenen erklärte die Regierung, dass sie Leistungen für die Gesamtheit der armen Indigenenfamilien binnen vier Jahren durch das Sozialhilfeprogramm „Chile Solidario“ erbringen werde. Zu den Themen Ländereienproblematik, nachhaltigen Entwicklung und gesellschaftliche Teilnahme der Indigenas meint der Bericht, dass die Gelder für den Landfonds (Fonds de Tierras) stetig steigen würden.

Die Indigenen lehnen die Regierungserklärung über die juristische Situation der Mapuches strikt als falsch ab. Die Regierung dagegen stellt klar, dass kein demokratischer Staat Gewalt als Mittel zur Beschaffung von sozialen Forderungen akzeptieren könne. „In Chile gibt es institutionelle Abläufe und Einrichtungen, die sich um die Lösung der sozialen Forderungen von Indigenen und Nicht-Indigenen kümmern. Die juristischen Ermittlungen zielen darauf ab, Täter zu bestrafen. Die Bestrafung von Delikten hat aber nichts mit der Kriminalisierung einer sozialen oder politischen Forderung zu tun.“

Die weltweit agierende Menschenrechtorganisation Human Rights Watch erklärte, dass nicht alle Chilenen von dem neuen Gesetz zum Strafprozess profitieren könnten. 2004 wurden zwölf Mapuche, die die größte ethnische Gruppe Chiles stellen, und eine ihrer Anhängerinnen wegen Terrorismus verurteilt. Sie hätten während des Kampfes um Land mit privaten Eigentümern und forstwirtschaftlichen Betrieben Delikte begangen. Die Organisation hebt hervor, dass mehrere Anordnungen des chilenischen Antiterrorgesetzes die Rechte der Beschuldigten für einen gesetzmäßigen Prozess einschränkten.

Human Rights Watch erklärte, dass die Beschuldigung des Terrorismus eine übertriebene und unangemessene Antwort auf Ausschreitungen sei, die sich hauptsächlich gegen Eigentum richteten und ohne Opfer endeten. Die Organisation fügte hinzu, dass die Polizei angeblich Mapuche, unter anderem Frauen, Kinder und ältere Menschen, in der Haft und bei Registrierungen beschimpfe und misshandele.

LATEINAMERIKA

Ausländische Direktinvestitionen in Lateinamerika steigen

(Fortaleza, 29. März 2005, adital-poonal).- AusländischeInvestoren haben wieder mehr ein Auge auf Lateinamerika geworfen. Der neueste Bericht der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe) zeigt, dass die Direktinvestitionen aus dem Ausland im Jahre 2004 um 44 Prozent gestiegen sind. Sie beliefen sich damit auf 56.4 Milliarden US-Dollar. Trotz des gestiegenen Interesses habe die Region aber immer noch Probleme, ausländisches Kapital ins Land zu holen. „Es besteht eine deutliche Grenze bei den Möglichkeiten im Wettbewerb um neue qualitativ hochwertige Investitionen. Wie zum Beispiel bei Produzenten neuester Technologie, sowie Forschungs- und Entwicklungszentren“, heißt es im Bericht.

In Südamerika erhöhte sich der Investitionsfluss um 48 Prozent. Die Gesamtsumme der Investitionen von internationalen Unternehmen im Cono Sur belief sich 2004 auf 34 Milliarden US-Dollar. Nach Südamerika folgen Mexiko und der Karibische Raum mit einem Wachstum von 43 Prozent. José Luis Machinea von CEPAL hält insbesondere die Steigerungen in Mexiko und Brasilien für wichtig. Es ist das erste Mal seit 1999, dass die ausländischen Direktinvestitionen in der Region steigen.

Während Chile sämtliche historische Rekorde gebrochen hat, hielt sich Zentralamerika während der letzten zehn Jahre mehr oder weniger konstant auf einem relativ hohem Niveau von ausländischen Investitionen. Die Vereinigten Staaten sind weiterhin Investor Nummer eins der Region mit 32 Prozent des Kapitalflusses. Die europäischen Investitionen sind dagegen rückläufig, vor allem die aus Spanien.

Dem Bericht zufolge sind die Rückgangstendenzen ausländischen Kapitals in Lateinamerika gemessen am Rest der Welt in den letzten Jahren ständig gesunken. Die höchsten Steigerungsraten an Kapitalfluss im Jahr 2004 waren in Brasilien (79 Prozent) und Chile (73 Prozent) zu finden. Brasilien war letztes Jahr auch der Hauptempfänger von Investitionen mit mehr als 18 Milliarden US-Dollar, gefolgt von Mexiko mit fast 17 Milliarden US-Dollar. Argentinien verzeichnete gegenüber den beiden vergangenen Jahren einen Anstieg. Auch Trinidad und Tobago, El Salvador und Kolumbien konnten Steigerungen aufweisen. Panama und Venezuela dagegen litten unter rückläufigen Investitionen.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

Redaktion in Mexiko: Kristin Gebhardt, Gerold Schmidt, Wolf-Dieter Vogel Tel./Fax.: 0052-55-55541480, e-mail: poonalmex@npla.de

Koordination in Berlin: Birgit Marzinka, Andreas Behn

Übersetzungsteam: Verena Rassmann, Ute Petsch, Uli Dillmann, Thomas Guthmann, Ricarda Franzen, Sylvia Kreuzer, Steffi Ziege, Stefan Prinz, Sebastian Landsberger, René Cofré Baeza, Niklaas Hofmann, Natalie Mutlak, Nicole Heigl, Monika Zwick, Markus Plate, Mark Schindler, Mareike Hagemann, Lea Hübner, Kristina Vesper, Kathrin Fochtmann, Katharina Braig, Jinny Gebers, Jessica Zeller, Jana Fleschenberg, Inga Vietzen, Henning Alts, Frauke Köhler, Felix Sperandio, Edna Guerrero, Dietrich von Richthofen, Christina Klug, Birgit Marzinka, Angela Isphording, Anja Müller, Andreas Behn

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