Poonal Nr. 647

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 16. November 2004

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

NICARAGUA

HAITI

ZENTRALAMERIKA

PARAGUAY

BRASILIEN

PERU

ARGENTINIEN

URUGUAY

CHILE

BOLIVIEN – CHILE

BOLIVIEN


MEXIKO

Präsident der Staatlichen Menschenrechtskommission im Amt bestätigt

(Buenos Aires, 29. Oktober 2004, púlsar).- Mexikanische Menschenrechtsorganisationen sind empört über die Entscheidung, José Luis Soberanes als Präsident der Staatlichen Menschenrechtskommission für eine weitere Amtszeit zu bestätigen.

In einer Erklärung kritisierten die Menschenrechtsorganisationen, dass der Senat seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, die Meinungen, Auswertungen und Analysen verschiedener Spezialisten und Akademiker in die Entscheidung einzubeziehen. Die Art und Weise, in der sich der Auswahlprozess vollzogen habe, sei "bedauerlich und unverantwortlich", da sich die Parteien schon vorab für Soberanes entschieden hätten. Die Diskussionen hinter verschlossener Tür seien undemokratisch gewesen und man habe den anderen Bewerbern und Bewerberinnen nicht die Möglichkeit gegeben, ihre Sichtweise und Programme vorzustellen.

In der Erklärung kommen die Menschenrechtler zu dem Schluss, dass der Senat kein Interesse daran gehabt habe, die Unabhängigkeit der Organisation zu stärken. Genau das Gegenteil sei der Fall gewesen. José Luis Soberanes wird ab dem 15. November für weitere fünf Jahre der Staatlichen Menschenrechtskommission als Präsident vorstehen.

Steigende Gewalt gegen Frauen in San Cristóbal de las Casas

(San Cristóbal de las Casas, 9. November 2004, comcosur-poonal).- Nach offiziellen Angaben wurden in der chiapanekischen Stadt San Cristóbal de las Casas im Laufe des Jahres 13 Frauen ermordet. Angesichts der Besorgnis erregenden Situation und der Untätigkeit der Behörden gegenüber der in den letzen Jahren gestiegenen Zahl von Vergewaltigungen und Frauenmorden rufen organisierte Frauen dazu auf, sich an der "Kampagne gegen Frauenmorde" zu beteiligen.

Ziele der Kampagne sind, der Bevölkerung das Problem ins Bewusstsein zu rufen, diese zu sensibilisieren und zu ermutigen, sich gegen Gewalt gegen Frauen zu organisieren. Ferner prangern die Organisatorinnen die Straflosigkeit und Gleichgültigkeit an. Sie fordern die Bildung von Mechanismen innerhalb der zuständigen Behörden, um die Fälle zu verfolgen und die Täter zu verurteilen.

Um Intensität und Art der Gewalt gegenüber den in San Cristóbal lebenden Frauen einzuschätzen, führten die Organisatorinnen der Kampagne im September dieses Jahres eine Umfrage durch. Demnach nahm die Gewalt in der Stadt besonders in den letzten vier Jahren stark zu: 15 der 380 befragten Frauen gaben an, im Jahr 2000 unter Gewalt auf der Straße gelitten zu haben. 2003 wurden bereits 54 Frauen angegriffen. Für das noch laufende Jahr 2004 gaben schon 148 der Interviewten an, Erfahrungen mit Gewalt gemacht zu haben. Damit hat sich in nur neun Monaten die Zahl der angegebenen Aggressionen gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Im Jahr 2004 ist mit vier nach Vergewaltigungen ermordeten Frauen zwischen Mai und August ein trauriger Höchststand erreicht worden. Unter den Opfern ist auch eine Minderjährige.

GUATEMALA

Parlamentarierinnen reagieren auf Frauenmorde

(Buenos Aires, 9. November 2004, púlsar).- Weibliche Kongressabgeordnete nahmen die Verabschiedung von Gesetzen in Angriff, die darauf abzielen, der Gewalt gegen Frauen ein Ende zu setzen. In Guatemala wurden im Laufe des Jahres bereits mehr als 400 Frauen ermordet.

Parteiübergreifend unterbreiteten 13 Parlamentarierinnen den Vorschlag, die Untersuchungen über die Frauenmorde zu beobachten. Sie forderten vom Parlamentsplenum die Annahme eines Abkommens auf, dessen Basis die Frauenkommission (Comisión de la Mujer) das Vorgehen der Nationalen Zivilpolizei PNC und der Staatsanwaltschaft bei den Untersuchungen der Frauenmorde überwachen soll. Aura Marina Otzoy, Vorsitzende der Frauenkommission im Kongress, erklärte, es seien Gespräche mit dem Direktor der Nationalen Polizei Edwin Sperisen und dem Generalstaatsanwalt Juan Luis Florido geplant, um Vorschläge zu unterbreiten.

Unter den juristischen Maßnahmen, die vom Parlament verabschiedet werden sollen, sei die Aufnahme neuer Straftatbestände, sowie die Verfolgung von sexueller Belästigung und Missbrauch in der Familie. Auch solle ein Artikel des Strafgesetzbuches geändert werden, der einen Vergewaltiger bei Heirat des Opfers von seiner strafrechtlichen Verantwortung befreit, erklärte Otzoy

Nach Daten von guatemaltekischen Frauenorganisationen und internationalen Verbänden wurden dieses Jahr schon mehr als 400 Frauen ermordet. Im Jahr 2003 wurden 383 Frauen ermordet. Insgesamt liegt die Zahl der Frauenmorde seit 2001 bei ca. 1.300.

PAC-Zahlungen könnten Haushaltsplan 2005 belasten

(Guatemala-Stadt 10. November 2004, cerigua-poonal).- Die Entschädigungszahlungen an Mitglieder der ehemaligen Zivilen Selbstverteidigungpatrouillen PAC (Patrulleros de Autodefensa Civil) könnten sich auf das Gesamtbudget für das Jahr 2005 auswirken, da sich das Haushaltsdefizit dadurch erhöhen wird. Die Zahlungen würden zu noch größerer Verschuldung führen und die Finanzierungsprioritäten zu Ungunsten anderer Projekte verschieben, erklärte die Vereinigung für Forschung und soziale Studien ASIES (Asociación de Investigación y Estudios Sociales)

Bei der Vorstellung der "Analyse der geplanten Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt" machte der ASIES-Wirtschaftsexperte Luis Carillo darauf aufmerksam, dass der Haushalt für das kommende Jahr Anlass zur Besorgnis gebe. Obwohl sich das Budget für Erziehung und Gesundheit erhöhen soll, könnten diese Bereiche bee
inträchtigt werden, wenn die Regierung die ehemaligen paramilitärischen PAC-Mitglieder für ihre Teilnahme am Bürgerkrieg entschädigen würde.

NICARAGUA

Sandinisten gewinnen Gemeindewahlen

(Buenos Aires, 8. November 2004, púlsar-poonal).- Die Sandinistische Befreiungsfront FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional) gewann die Kommunalwahlen in Nicaragua mit 45 Prozent der abgegebenen Stimmen und blieb auch stärkste Kraft in der Hauptstadt Managua. Die Allianz für die Republik (Alianza por la República) von Präsident Enrique Bolaños erreichte nicht einmal 13 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei weniger als 50 Prozent.

Nach offiziellen Berichten und den Trends, die sich nach der Auszählung von 23 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen abzeichnen, gewann die von Daniel Ortega geführte Sandinistische Befreiungsfront 12 der 15 Bezirke, sowie die zwei autonomen Regionen.

Der Oberste Wahlrat (Consejo Supremo Electoral) gab bekannt, dass die Kandidaten der FSLN für die Bürgermeisterschaft, Vizebürgermeisterschaft und die Stadträte sich die Unterstützung von 45,62 Prozent der Wähler und Wählerinnen sichern konnten. Die Liberale Partei PLC (Partido Liberal Constitucionalista) erreichte 32,92 Prozent der Stimmen, die Allianz für die Republik unter Präsident Enrique Bolaños lediglich 12,97 Prozent.

Dionisio Marenco, Kandidat der FSLN, konnte die Hauptstadt Nicaraguas, Managua, mit mehr als 13 Prozent Vorsprung gegen die PLC verteidigen. Dionisio Marenco sagte: "Das ist ein Sieg für die FSLN. Viel wichtiger aber ist er für die Nicaraguaner, und vor allem für die Einwohner Managuas, vor allem für die Armen. Es ist ein Triumph der Hoffnung über die Angst, der Intelligenz über die Dummheit." Experten halten den hohen Prozentsatz von Enthaltungen für eine Abstrafung der vom ehemaligen Präsidenten Arnoldo Alemán angeführten Liberalen Partei. Alemán wurde wegen Korruption zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

HAITI

Trotz UN-Präsenz versinkt Haiti in Chaos und Konflikten

Von Jane Regan und Roberto Roa

(Port-au-Prince, 11. November 2004, npl).- Auch acht Monate nach dem Sturz von Präsident Jean-Bertrand Aristide prägen Kämpfe zwischen Bewaffneten und Zivilisten sowie umfassende Unsicherheit den Alltag in Haiti. Die Konflikte und die Polarisierung sind die gleichen wie eh und je in dem karibischen Land, das sich die Insel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt.

"Was hier geschieht, ist wirklich beängstigend", sagt der Menschenrechtsaktivist Jean-Claude Bajeux. "Philosophisch betrachtet kann man es einen "Teufelskreis des Todes" nennen: Wenn wir ihn nicht stoppen, werden wir Zeugen der Auflösung der haitianischen Nation," fährt Bajeux entmutigt fort. Der Aktivist bezieht sich auf die politische Gewalt, die Haiti seit Jahrzehnten beherrscht und auf geradezu surrealistische Weise zum täglichen Leben der Haitianer gehört.

Damals wie heute grenzen die Widersprüche ans Absurde. Hunderte gut gekleidete Politiker und ihre Berater, einheimische Experten und eine erlesene Gruppe ausländischer Spezialisten und Militärs kamen kürzlich an einem sonnigen Tag in einem noblen Hotel zusammen, auf einem luftigen Bergrücken weit oberhalb der brodelnden Hauptstadt Port-au-Prince. In relaxter Atmosphäre, zwischen Kaffee und Schnittchen, diskutierten sie die Zukunft des Landes und die für 2004 geplanten Wahlen. Nicht weit entfernt residiert die UNO mit ihren ungezählten Entwicklungsspezialisten, gemeinsam mit Soldaten und Militärs, die zu der 3.500-köpfigen UN-Truppe gehören, die nach der jüngsten US-Intervention die Lage im Land stabilisieren soll. All diese Einrichtungen- ausgestattet mit einem eigenen Generator für die Klimaanlagen, denn das öffentliche Stromnetz funktioniert nur gelegentlich – quellen über von gutgemeinten Plänen, ehrgeizigen Projekten und Projektionen.

Doch unten in der Stadt wie in den meisten ländlichen Gegenden interessiert sich niemand für die Phantasien der Anzugträger. Zeitgleich marschiert eine große Gruppe uniformierter Männer durch die Straßen der Hauptstadt und präsentiert altmodische M-14-Gewehre oder halbautomatische Galils aus israelischer Produktion. Der martialische Trupp fordert die Wiedergründung der haitianischen Armee, die Aristide 1995 abgeschafft hatte, nachdem er aus einem dreijährigen Exil in sein Präsidentenamt zurückgekehrt war.

Wenig später, ebenfalls am Fuße der Bergkette, auf dem die UNO und die Reichen ihre Quartiere haben, hallt der Lärm von Schüssen und Steinwürfen in den dreckigen Straßen wider. Grauer Qualm steigt von den Barrikaden auf, mit Vorliebe werden hier alte Autoreifen angezündet. Schulen, Geschäfte und Banken bleiben geschlossen. Polizisten, verborgen hinter Gasmasken und schwarzen Helmen, rennen durch die mit Steinen übersäten Straßen, die an nichts als an einen Bürgerkrieg erinnern.

An die 55 Menschen, darunter neun Polizisten, sind allein in Port-au-Prince getötet worden, seitdem die Gewalt am 30.September erneut ausgebrochen ist. An diesem Tag – dem 13. Jahrestag des Militärputsches, der Präsident Aristide während seiner ersten Amtszeit aus dem Land jagte – demonstrierten Hunderte für die Rückkehr von Aristide. Der umstrittene, ehemalige Armenpriester hat auch seine zweite Amtszeit als gewähltes Staatsoberhaupt nicht beenden können. Im Februar waren die Proteste gegen seinen korrupten wie autoritären Regierungsstil immer heftiger geworden. Sein Sturz allerdings gelang erst einer paramilitärischen Bande, die von der US-Regierung mit Waffen versorgt und in jeder Hinsicht unterstützt worden war.

Aristide-Anhänger und Polizisten liefern sich seit sechs Wochen immer wieder Kämpfe, am 30. September waren auf beiden Seiten mehrere Tote zu beklagen. Wenig später wurden drei Polizisten geköpft aufgefunden. Die Parteigänger von Aristide tauften den Tag "Operation Bagdad" und schworen, nicht locker zu lassen, bis Aristide aus seinem Exil in Südafrika zurückgehrt.

Wie ein Echo macht der von den USA eingesetzte Premierminister Gerard Latortue den Ex-Präsidenten für die Gewalt verantwortlich und beschwerte sich sogar bei Südafrika, das seinem Gast angeblich zuviel politische Freiheiten einräumt. "Das einzige, was Aristide kann, ist zerstören," so Latortue zu Journalisten.

Während der zwei letzten Amtsjahre von Aristide tauchten immer öfter sogenannte Chimeres, zumeist bewaffnete Gruppen Jugendlicher in den Straßen auf, die Kritiker bedrohten und Demonstrationen der Opposition tätlich angriffen. Die jungen Männer, die von oben bezahlt worden sein sollen, gingen auch gegen Journalisten und sogar gegen Funktionäre vor, die nicht linientreu genug waren. Aritide hat solche Umtriebe niemals eindeutig verurteilt, bis heute nicht. Er weist lediglich die Anschuldigungen des neuen Premiers zurück. "Latortue, hör auf zu lügen, hör auf zu töten, so Aristide am 20.Oktober in einer Erklärung, in der er eigentlich zum Dialog aufrufen wollte.

Im Land dreht sich die Gewaltspirale
entsprechend den Verlautbarungen der jeweiligen Wortführer. Unterstützer von Aristide klagen immer wieder, dass sie ungerechten Angriffen der jetzigen Machthaben ausgesetzt seien. Kein Zweifel, die Polizei der neuen Machthaber hat Hunderte Aristide-Angänger inhaftiert, darunter auch bekannte Mitglieder der Lavalas-Partei, die Aristide in den 90-er Jahren zum ersten frei gewählten Präsidenten des kleinen Landes gemacht hatte. Nicht mal vor Abgeordneten und beliebten Kirchenleuten wie Gerard Jean-Juste macht die Rachewelle halt.

Doch dieses Vorgehen der offiziellen Staatorgane geht einer anderen Gruppe noch nicht weit genug. Bis zu 2.000 Bewaffnete sollen sich mittlerweile unter dem Befehl des Ex-Hauptmanns Remissainthe Ravix gesammelt haben. Er war maßgeblich an der Rebellion gegen Aristide beteiligt und wartet immer unruhiger darauf, die Früchte seines Waffengangs zu ernten. Anfang Oktober marschierte Ravix mit 50 seiner Männer in Port-au-Prince ein und installierte eine improvisierte Basis in einem Apartmenthaus. "Wir sind seit einigen Wochen einsatzbereit und warten darauf, dass die Regierung uns beauftragt, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Doch offenbar wollen sie uns nicht… Wir haben den Diktator verjagt, und das ist nun der Dank dafür," mault Ravix und niemand glaubt, dass hier das letzte Wort gesprochen wurde.

Die Interimsregierung steckt im Dilemma: Hier verzweifelte "Chimeres" ohne Geld, dort hungernde Ex-Soldaten und eine kaum trainierte und schlecht ausgerüstete Polizei. Dann die Friedenstruppe der UNO, viel zu klein und mit einem Mandat ausgestatten, das immer dort endet, wo sie eigentlich gefragt ist. Und das ist nur der Anfang der langen Problemliste in dem Land, das als das ärmste der westlichen Hemisphäre gilt. Hier herrscht Hunger, die Wirtschaft liegt am Boden, und angesichts von Abholzung und Umwettern kann nicht einmal die kleine Landwirtschaft Linderung schaffen.

Die UNO, von allen Seiten mit Vorliebe kritisiert, versucht deutlich zu machen, dass sie nicht allein ein Jahrzehnte altes Problem lösen kann. "Die Haitianer sollten zumindest zu 20 bis 30 Prozent die Lasten des Wiederaufbaus tragen," erklärt UN-Sprecher Damien Onses-Cardona. "Wichtig dabei ist, dass Gewalt in Haiti nichts vollkommen neues ist, die plötzlich, vor zwei Wochen entstanden ist. Haiti ist ein Land, dessen Geschichte sehr stark von Gewalt und von politischer Gewalt geprägt ist.

ZENTRALAMERIKA

UN-Bericht rät zu Neuverhandlungen zum Freihandelsabkommen

(Guatemala-Stadt, 9. November 2004, cerigua-poonal).- Das Freihandelsabkommen zwischen den Staaten Zentralamerikas, der Dominikanischen Republik und den USA (CAFTA) weist aufgrund der nur eingeschränkten Beteiligung der zentralamerikanischen Staaten und ihrer Gesellschaften an dessen Entstehen einen gewissen "Demokratiemangel" auf.

Dies geht aus dem Bericht "Die CAFTA und die menschliche Entwicklung in Zentralamerika" hervor, der vom guatemaltekischen Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in Auftrag gegeben wurde. Außerdem weisen die Autoren darauf hin, dass es den Ländern Zentralamerikas noch offen stehe, ob sie den Vertrag unterzeichnen oder nicht. Sie raten zu einer internen oder externen Neuverhandlung, um einige der Bedingungen darin zu verbessern.

Juan Alberto Fuentes, einer der Autoren der Studie, sagte, dass bei einer möglichen Neuverhandlung stärker die möglichen Auswirkungen des Abkommens und die Frage einer größeren Beteiligung der Gesellschaft berücksichtigt werden müssten. Die Berücksichtigung dieser Effekte, mögen sie nun größer oder kleiner oder negativ oder positiv ausfallen, sollten zur Grundlage jeder Neuverhandlung oder jedes Soziapaktes werden, um den Herausforderungen durch das Freihandelsabkommen gerecht zu werden. Das "Demokratiedefizit" solle reduziert werden, indem eine breit gefächerte Beteiligung der Gesellschaft an der Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen, die mit dem Abkommen einher gehen, ermöglicht wird. Nur so könnten tatsächlich die Chancen genutzt werden, die eine solche Übereinkunft bietet.

In Bezug auf die wirtschaftliche Integration Zentralamerikas sagte Fuentes, dass es einen Widerspruch gebe zwischen dem Freihandelsabkommen und der Zollunion, da nach der Letzteren der Schutz aller Produkte gleichgestellt sein sollte. Tatsächlich variiert jedoch die Höhe der Zollerleichterungen, die die USA den einzelnen Ländern gewähren.

Als eine der Schwächen des Abkommens sieht der Bericht die Einschränkung der Mobilität von Arbeitern, da zum Beispiel die Migration guatemaltekischer Bürger und Bürgerinnen in die USA nicht vorgesehen sei. Besonders negative Auswirkungen seien für den Landwirtschaftssektor zu erwarten, wenn keine geeigneten zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Denn obwohl das Abkommen den Export großer Betriebe begünstigt, werden speziell die Kleinbauern geschädigt, die über keinen Zugang zu Infrastruktur, technischen Hilfsmitteln oder Finanzierungsmöglichkeiten verfügen.

Fuentes bezieht sich dabei auf die Erfahrungen mit dem Freihandelsabkommen NAFTA zwischen Mexiko, den USA und Kanada. Trotz einer beträchtlichen Steigerung vor allem der Obstexporte hatten schließlich viele mexikanischen Bauern unter den neuen Bedingungen zu leiden.

PARAGUAY

Lehrer streiken weiter

(Asunción, 10. November 2004, comcosur-poonal).- Am Montagnachmittag (8. November) entschied die Richterin Graciela Isabel Rolón zu Gunsten einer von der Generalstaatsanwaltschaft erlassenen Anordnung, den Zeitplan des Schulunterrichts 2004 strikt einzuhalten. Die Entscheidung richtet sich vor allem gegen die Vereinigung der Erzieher Paraguays FEP (Federación de Educadores del Paraguay). Die FEP hat am 9. November einen 30-tägigen Streik ausgerufen, um höhere Löhne durchzusetzen.

Entsprechend der richterlichen Entscheidung darf der Unterricht vor Ende November oder der ersten Dezemberwoche nicht ausgesetzt werden. Zudem wurde die Nationalpolizei aufgefordert, die Einhaltung der richterlichen Anordnung zu überwachen. Nach Einschätzung von FEP-Führern und auch des Anwaltes der Gewerkschaft Marco González werde in dem Erlass jedoch an keiner Stelle die Unterlassung des Streiks eingeklagt. Dieser werde planmäßig fortgesetzt.

Auch wenn die Streikbeteiligung in der Hauptstadt und in der Zentralprovinz sehr niedrig blieb, ziehen die Gewerkschaftsführer der FEP eine positive Zwischenbilanz, da die landesweite Beteiligung bei 75 Prozent läge. Die Gewerkschaftsführung der Organisation der Arbeitnehmer im Erziehungswesen von Paraguay (Otep) hingegen spricht von einem Verlust der Glaubwürdigkeit der FEP sowohl in der Bevölkerung als auch unter ihren eigenen Mitgliedern. Dies werde an der geringen Streikbeteiligung deutlich.

BRASILIEN

Landesweite MST-Proteste setzen Regierung erneut unter Druck

(Fortaleza, 10. November 2004, adital).- Nach dem sogenannten "Roten April”, der zu Beginn des Jahres in Brasilien für Furore sorgte, gab die Landlosenorganisation MST gestern (9.11.) den Auftakt für den "Roten November”. So bezeichnet der Movimento dos Trabalhadores Sem Terra die zweiten bundesweiten Aktionswochen
für den Kampf um Land, zu deren Beginn im nördlichen Bundesstaat Pernambuco zahlreiche Landbesetzungen sowie Demonstrationen stattfinden. Es hieß, allein in Pernambuco sei die Besetzung von zehn großen Ländereien mit geringer landwirtschaftlicher Nutzung geplant.

Die jüngste Aktion des MST erfolgte am 10. November im Bundesstaat São Paulo, wo ca. 500 Familien das zur Gemeinde Iaras gehörige Gut Fazenda Río Prado besetzten, das sich über gigantische 26.000 Hektar Land erstreckt. Im Jahr 1995 begann der MST mit Besetzungen in der Gegend von Iaras, beispielsweise der 2.558 Hektar großen Fazenda Capão Rico, wo sich 300 Kleinbauernfamilien ohne Land niederließen.

Informationen der größten Landlosenorganisation zufolge richten sich die Proteste des "Roten November" gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die immer noch ausstehende Umsetzung der Siedlungspläne der brasilianischen Behörde für Besiedlung und Agrarreform (INCRA). Höhepunkt bilden die Kundgebungen in den Hauptstädten sämtlicher Bundesstaaten am 25. November. Die meisten Demonstrant*innen wird die vor der Zentralbank oder vor dem Wirtschaftsministerium in Brasilia geplante Kundgebung versammeln. Der MST rechnet dort mit 19.000 Teilnehmer*innen.

Bei einer Besetzung in der im Bundesstaat Bahia gelegenen Stadt Delmiro Gouveia gibt es derzeit am meisten Spannungen. Ungefähr 500 Landlose besetzten das Verteilerwerk des Wasserkraftkonzerns São Francisco (Chesf) und halten sich dabei in einem aufgrund der Hochspannung gefährlich eingestuften Bereich auf. Wie die Presse berichtete, drohten die Besetzer*innen damit, in den Kontrollraum des Werks einzudringen, das die Bundesstaaten Ceará, Bahía und Pernambuco mit Energie versorgt.

Ebenfalls besetzt wurden die Gebäude des INCRA in den Städten Fortaleza, Maceió y Goiânia, wo nun Demonstrant*innen campieren. An den Protesten in diesen drei Landeshauptstädten sind ca. 3.000 Landarbeiter*innen beteiligt.

In den Bundesstaaten Rio de Janeiro und Minas Gerais werden von den MST-Mitgliedern Straßen blockiert. In Rio Grande do Sul haben 150 Familien entlang der Bundesstraße BR 286 ihr Lager aufgeschlagen. In Nova Santa Rita im Ballungsraum Porto Alegre haben die Landlosen ihr Lager am Zaun zum Großgrundbesitz des bankrott gegangenen Montepio de la Familia Militar (MFM), aufgeschlagen, gegen den derzeit die gerichtliche Liquidation vollstreckt wird.

Indigenas haben beschlossen, sich der Bewegung für den Kampf um Land anzuschließen. Zumindest sind im Bundesstaat Mato Grosso do Sul rund 400 Mitglieder der Ethnien Guaraí und Caiuá im 342 Kilometer von der Landeshauptstadt Campo Grande entfernten Naviraí in ein im Jahr 2001 vom INCRA eingerichtetes Landlosencamp eingezogen. Wie die Behörde berichtet, beanspruchen die Indigenas dort angrenzendes Land. In dem 2 605 Hektar großen Landlosencamp leben 113 Landarbeiterfamilien.

Staudammgeschädigte organisieren Tag der Besetzungen

(Fortaleza, 9. November 2004, adital-poonal).- Etwa 250 Landarbeiter*innen und Garimpeiros (Metall- und Edelsteinsucher) haben das Gelände der Aluminiumfabrik "Alcan Alumínios de Brasil" in Ouro Preto besetzt. Die Gruppe fordert die Anerkennung als Geschädigte des Staudammbaus von Fumaça und Candoga.

Nach Informationen der Besetzer sind die Familien nicht nur aus ihren ehemaligen Wohngebieten vertrieben worden, um das Gelände zu fluten, sondern durch die systematische Nichterfüllung von Vereinbarungen auch ihrer Arbeitsmöglichkeiten durch den kanadischen Konzern Alcan beraubt worden.

Zum Beispiel reklamieren die Geschädigten von Fumaça, dass Alcan die vereinbarten Zahlungen an die Vereinigung nicht geleistet habe. Mit diesen Mittel soll der Techniker für die Neuansiedlung der Familien bezahlt werden. "Seit April, seit sieben Monaten, hält die Firma unsere Mittel zurück. Wir mussten uns Geld leihen, um unseren Lebensunterhalt bestreiten zu können und der Techniker, der unsere Neuansiedlung begleitet, hat bis heute kein Geld bekommen", betont Marta Caetano de Espírito Santo, Mitglied der Bewegung der Staudammgeschädigten Movimiento de Damnificados por Represas (MAB).

Die Geschädigten von Fumaça betonen zusätzlich, dass Alcan die Wiederansiedlung der Familien verzögert, indem die Hacienda Dom José nicht enteignet wurde, obwohl dies zwischen den Arbeitern und der Firmenleitung vereinbart wurde. Mit ähnlichen Problemen haben die Geschädigten von Cadonga zu kämpfen, die ihren Lebensunterhalt durch den Bau der Talsperre verloren haben und die heute ihre Anerkennung und Land für den Anbau fordern.

In Pará, im Norden des Landes, forderten 900 durch den Bau des Wasserkraftwerkes von Tucuruí Geschädigte vor dem Büro der Stromgesellschaft Celpa den Zugang zur Stromversorgung, die ihnen als Ausgleich für die Umsiedlung versprochen worden war.

Die Stromgesellschaft Celpa, die die Energieversorgung im Staat Pará unter sich hat, hat bereits den Betrag von 286 Millionen Reales erhalten. Diese nicht zurückzahlbare Summe hat die Bundesregierung aufgrund des Programms "Licht für alle" für die Stromversorgung von 46 Familien zur Verfügung gestellt, die noch immer keinen Strom haben. Bis heute wurden diese Gelder nicht für die Stromversorgung der Häuser in ärmlichen Gemeinden verwendet.

PERU

Prozess gegen Sendero Luminoso-Chef Guzmán erneut unterbrochen

Von Andreas Behn

(Berlin, 13. November 2004, npl).- Der Prozess gegen Abimael Guzmán, den einstigen Führer der maoistischen Guerilla Sendero Luminoso in Peru, kommt nur schleppend in Gang. Vergangenen Freitag (12. 11.) wurde das Gerichtsverfahren ein zweites Mal ausgesetzt. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft fordert, das der vorsitzende Richter Dante Terrel seinen Posten aufgibt. Terrel wird vorgeworfen, mit der Durchführung des politisch hoch brisanten Verfahrens überfordert zu sein. Den zwei weiteren Richtern des Tribunals scheint die Situation mittlerweile zu brenzlig geworden zu sein. Beide erwägen, ihre Berufung von sich aus zurückzugeben.

In der Woche zuvor war die Eröffnung des Prozesses am Verhalten der Angeklagten gescheitert. Guzmán und einige seiner 17 Mitangeklagten, allesamt mutmaßliche Führungskader von Sendero Luminoso, nutzten die öffentliche Bühne und riefen lautstark Parolen, mit denen sie den "bewaffneten Volkskampf" feierten. Es wird erwartet, dass bis Montag alle offenen Rechtsfragen geklärt werden können, um endlich mit der ersten Sitzung des langerwarteten Prozesses beginnen zu können. Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude allerdings hoffen auf sein baldiges Ende. Familienangehörige von Opfern kritisieren, dass dem Ex-Guerillero ein neuer Prozess gewährt wird. "Er ist doch bereits verurteilt, soll er doch hinter Gittern verfaulen," so einer der Demonstranten.

Im Mai 1980 hatte der Sendero Luminoso dem peruanischen Staat den Krieg erklärt. Mittels eines langfristigen Aufstands wollten Guzmán und seine Kämpfer das korrupte parlamentarische System in Peru kippen und eine sozialistische Volksrepublik ausrufen. Basis des Aufstands war das andine Hochla
nd, in dem die Armut und Perspektivlosigkeit ungleich höher waren (und sind) als an der Küste, wo die weiße Mittel- und Oberschicht in den großen Städten lebt.

Die anfänglichen Erfolge der Guerilla waren nicht von langer Dauer. Dies lag zunächst weniger an dem Vorgehen von Polizei und Militär, die mit ähnlicher Brutalität wie die Guerilleros agierten und wahllos die indigene Bevölkerung diskriminierten und im Zweifelsfall niedermetzelten. Schon bald zeichnete sich Sendero Luminoso dadurch aus, gegen linke Basisorganisationen, Gewerkschafter und angebliche Abtrünnige Mitstreiter ähnlich brutal vorzugehen, wie gegen den vermeintlichen Klassenfeind. Massaker an Indígena-Dörfern, die nicht den Weisungen der Senderistas folgten, führten schließlich dazu, dass die Guerilla kaum Unterstützung genoss und wenn, dann nur aufgrund von Einschüchterung und Repression.

Über 70.000 Menschen wurden während des Bürgerkrieges getötet, und auch die unabhängige Wahrheitskommission kam – im Gegensatz zu anderen Ländern Lateinamerikas, in denen lange, interne Kriege herrschten – zu dem Schluss, dass der Sendero Luminoso für über die Hälfte der Verbrechen verantwortlich sei.

1992 gelang es dem Militär, den berüchtigten Sendero-Chef Abimael Guzmán, einen ehemaligen Philosophieprofessor, dingfest zu machen. Es war die Sternstunde von Präsident Alberto Fujimori, dessen halbdiktatorisches Regime vor allem darauf fußte, der Guerilla kompromisslos entgegenzutreten. Dass Fujimori selbst Jahre später aus Peru ins japanische Exil fliehen musste und sein allmächtiger Geheimdienstchef Vlademiro Montesinos seitdem wegen Korruption und diverser Kapitalverbrechen im gleichen Gefängnis einsitzt, das einst für die Guerillaköpfe errichtet wurde, war damals noch nicht abzusehen.

So wurde der heute 69-jährige Guzmán in einem geheimen Militärverfahren zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung verurteilt. Was damals ein logischer Schritt eines siegreichen Militärs war, wurde vergangenes Jahr vom peruanischen Verfassungsgericht als Unrechtsprozess beurteilt. Es ordnete an, dass das Verfahren vor einem zivilen Gericht erneut aufgerollt werden muss.

Obwohl die Festnahme ein entscheidender Schlag gegen den Sendero Luminoso gewesen war und die Mehrzahl der einstigen Guerilleros bereits ein Friedensabkommen unterzeichnet haben, gibt es immer wieder Berichte über eine Fortsetzung seiner Aktivitäten. Zum Teil wird dies Geheimdienstkreisen zugeschrieben, die mit solchen Meldungen ihre Budgets aufbessern wollen. Aber manchmal tauchen die Senderistas im Hochland oder im entlegenen Amazonasgebiet wirklich wieder auf. Zuletzt vor zehn Tagen, als rund 60 Bewaffnete für wenige Minuten das Zentrum der Urwald-Stadt Tabaolosos besetzte.

ARGENTINIEN

Opfer der Diktatur zeigen heimliches Folterzentrum an

(Fortaleza, 11. November 2004, adital-poonal).- Die Argentinier Daniel García, Alba Sánchez und eine Frau, die als ‘La Tana' bekannt ist, zeigten jetzt ein heimliches Folterzentrum der Diktatur in San José del Rincón in der Provinz Santa Fe vor dem Bundesgericht an. Nach Angaben des Online-Mediums Tercer Mundo erkannten García, Sánchez und La Tana ihre damaligen Entführer wieder.

Die drei waren aus der Kneipe der Tankstelle von Curva Mauri in Santo Tomé entführt und dann gefoltert worden. Man beraubte sie zudem ihres Eigentums, unter anderem eines Hauses und eines Lieferwagens Ford F100. Daniel García, dessen Frau Alba Sánchez und 'La Tana' waren fünf Monate – zwischen dem 6. Dezember 1977 und dem 25. Mai 1978 – in Gefangenschaft in einem Haus von Villa California. Dieses lag in der Nähe des Sitzes der Bauarbeitergewerkschaft, 200 Meter westlich der Landstraße 1.

In dem Gebäude arbeitete eine Gruppe des Geheimdienstes, die aus Militärs, Polizisten und Zivilisten zusammengesetzt war. Das Ehepaar identifizierte nun den Hauptmann Domínguez, der ';Potín' genannt wurde, und den Offizier der Provinzpolizei Héctor ';Pollo' Colombini. Der Polizist war während der ersten Regierung des Provinzgouverneurs Jorge Obeid in Rente gegangen. Zuvor leitete er die Abteilung für den Kampf gegen harte Drogen. Domínguez und Colombini wurden in der militärischen Geheimdienstabteilung 122 ausgebildet, die von Leutnantoberst Domingo Manuel Marcellini geleitet wurde.

Die Anzeige hat der erste Richter des Bundesgerichtes Reinaldo Rodríguez am letzten Dienstag (9. November) aufgenommen. Gleichzeitig gaben García, Sánchez und 'La Tana' eine Skizze des Hauses ab, das als heimliches Folterzentrum benutzt wurde.

Prozesse gegen Folterer werden immer schwieriger. Nur einige wenige gestanden ab 1995 ihre Verbrechen ein. Einer davon war der Marinekapitän Scilingo. Er berichtete davon, wie Hunderte von Verschwundenen in dem Ausbildungszentrum für Mechaniker der Marine getötet wurden. Den Gefangenen wurde dort ein Beruhigungsmittel gespritzt, dann wurden sie in ein Flugzeug geschleppt und in den Atlantik oder in den Rio de la Plata geworfen.

Bis 1995 lehnten alle Beschuldigten jegliche direkte Verantwortung ab und erklärten, dass sie nur Befehle ausgeführt hätten. Die Bekanntgabe der Verurteilung von Kapitän Scilingo erzeugte einen Dominoeffekt. Andere Offiziere und Unteroffiziere berichteten vor Fernsehkameras Details der von ihnen begangenen Verbrechen.

Doch 1995 erließ die Regierung eine Rechtsverordnung über eine Amnestie für Verantwortliche von Menschenrechtsverletzungen und Fälle von "Verschwindenlassen". Damit wurde eine juristische Schranke gegen Verfolgungsforderungen aufgestellt, die von der Regierung als "Exzess" bezeichnet wurden.

URUGUAY

Kaum weibliche Abgeordnete

(Montevideo, 9. November 2004, comcosur-poonal).- Am 31. Oktober konnte das Linksbündnis Frente Amplio bei den Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmer auf sich vereinigen. Damit wurde der Arzt Tabaré Vázquez zum zukünftigen Präsident Uruguays. Dennoch bringt der Triumph der fortschrittlichen Kräfte keinen sofortigen Wandel für die Frauen mit sich. Deren Präsenz wird im Parlament voraussichtlich bei 14 oder 15 Abgeordneten liegen und entspricht somit einer Abgeordneten weniger oder allenfalls der gleichen Anzahl von Abgeordneten wie in der vorangegangenen Legislaturperiode.

Die Politologin Niki Johnson sieht einen Widerspruch zwischen der Debatte über einen tief greifenden Wechsel sowie der Transformation der Gesellschaft und der Rolle, die man den Frauen in der Politik eingesteht. Weibliche Partizipation in der Politik erscheine nach wie vor als etwas abnormales, obwohl die Ankündigungen des neu gewählten Präsidenten Hoffnungen gäben. Nach Vázquez Aussagen sollen die Frauen eine Hauptrolle in seiner neuen Regierung spielen. Laut Niki Johnson haben es die Parlamentarierinnen der jetzigen Legislaturperiode mittels eines parteiübergreifenden Frauenblockes geschafft, eine Annäherung bei vielen Themen zu erreichen. Für viele männlichen Abgeordneten scheine das Utopie zu sein.

Trotzdem wurden einige Initiativen des Frauenblocks nicht ernst genommen, w
ie z. B. der Antrag auf die Pflicht zur Belegung von Ausgaben, der als Respekt gegenüber dem demokratischen System realisiert werden sollte. Johnson meint, dass die Bildung des neuen Parlaments "die Politiker dazu verpflichten soll darüber nachzudenken, welche Rolle Frauen innerhalb der Parteien und im demokratischen System spielen sollen."

CHILE

Gesundheitsministerium legalisiert gesundheitsgefährdende Substanz

(Fortaleza, 8. November 2004, adital-poonal).- Ein Jahr lang war der Kohlenwasserstoff Toluol in Produkten, die in Chile verkauft wurden, verboten. Jetzt entschied das Gesundheitsministerium die chemische Substanz wieder zuzulassen, wenn bei ihrem Einsatz das Verhältnis von 170 Milligramm pro Kilo nicht überstiegen wird. Umweltorganisationen kritisieren, dass die Entscheidung des Ministeriums auf den Druck multinationaler Konzerne zurückzuführen sei. Laut der Organisation Ecoceános seien die Hauptinteressenten transnationale Firmen, die Spielzeug im Land vertreiben.

Das Erdölderivat Toluol ist ein Hydrocarbonat, das gewöhnlich als Lösungsmittel in einigen Klebstoffen, Farben, Nagellacken und Druckereifarben vorkommt. Die Substanz war auch in Kinderspielzeug, das der Nestlé-Konzern als Werbegeschenk beim Kauf seiner Produkte mitlieferte. Im Juni diesen Jahres musste Nestlé nach einer Regierungsanordnung etwa eine Million Kartons mit Getreideflocken aus dem Land zurückziehen. Die in den Kartons gefundenen Spielsachen enthielten fünf Milligramm Toluol pro Kilogramm. Diese Menge ist weit unter der aktuellen Grenze.

Nach Informationen von Ecoceános kann das Toluol verschiedene Organe im menschlichen Körper angreifen. Es kann unter anderem heftige Kopfschmerzen, Verlust von Gedächtnis oder Appetit bis zu Nieren- und Leberkoliken, irreversible neurologische Schäden und Frühgeburten auslösen. Es kann vom Körper über die Atmung, die Verdauung oder die Haut aufgenommen werden.

Die Rechtfertigung des Gesundheitsministeriums ist, dass die erlaubte Konzentration des Toluol kein Gesundheitsrisiko für die Verbraucher darstelle. Der Direktor des Umweltsamtes im Gesundheitsministerium Julio Monreal, erklärte Ecoceános, dass das Dekret Nummer 158 vom Juni 2003, welches das Toluol verbot, ein Ausweg war, um gegen die Existenz von Spielzeugen mit hoher Toluolkonzentration vorzugehen. Das Dekret sei ein Provisorium gewesen, bis man ein "sicheres" Limit gefunden habe.

BOLIVIEN – CHILE

Beziehungen zwischen Chile und Bolivien werden wieder aufgenommen

(Fortaleza, 9. November 2004, adital-poonal).- Chile und Bolivien nehmen offensichtlich wieder diplomatische Beziehungen auf. Diese waren abgebrochen worden, nachdem Chile den Hafen von Arica privatisiert hatte und damit den im Vertrag von 1904 vorgesehenen freien Transit bolivianischer Güter behinderte. Bolivien hatte durch den Salpeterkrieg (1879-1884) seinen Zugang zum Meer an Chile verloren.

Am 8. November wurde in einer Zusammenkunft bolivianischer und chilenischer Diplomaten entschieden, dass Bolivien künftig den chilenischen Hafen Iquique frei für den Handel nutzen könne. Die bolivianische Regierung hatte die Erdgaslieferungen an Chile eingestellt, nachdem Bolivien den Hafen von Arica nicht mehr frei nutzen konnte. Dies hatte zu ernsten diplomatischen Unstimmigkeiten zwischen beiden Ländern geführt.

Bolivianischen Presseberichten zufolge haben sich der Direktor für internationale Verhandlungen des bolivianischen Außenministeriums, Mauricio Dorfler, und die Direktorin für Grenzangelegenheiten vom chilenischen Außenministerium, María Teresa Infante, letzten Monat in Arica im Rahmen einer offenen Agenda getroffen. "Bolivien kann diesen Hafen (Iquique) so nutzen, wie es in den Bestimmungen der von beiden Staaten unterzeichneten Verträge vorgesehen ist", äußerte Infante im Anschluss an das Treffen gegenüber der chilenischen Presse. Während des Treffens waren verschiedene Vorabkommen erarbeitet worden, die nun von führenden Regierungsmitgliedern Boliviens und Chiles analysiert werden.

Zu den von beiden Seiten vereinbarten Punkten gehören unter anderem: die Bereitstellung von Lagerflächen im Hafen für Bolivien, die Vorbereitung des Hafens von Iquique für den Umschlag der bolivianischen Fracht sowie die Einsetzung eines bolivianischen Zollbeamten in Iquique, der die Bestimmung der ein- und ausgeführten Produkte kontrolliert.

Am 8. Januar 2005 werden die Delegationen beider Länder erneut im 700 Kilometer südwestlich von La Paz gelegenen Iquique zusammenkommen, um die Einzelheiten des endgültigen Abkommens festzulegen. Dieses soll die Nutzung eines Kais für die Abfertigung der bolivianische Fracht festschreiben. Wiederholt hat Bolivien die Einrichtung des Kais in Iquique für den freien Warenverkehr gefordert. Nach der Privatisierung des Hafens von Arica und der anschließenden Erhöhung der Nutzungsgebühren des Hafens wurde diese Forderung eindringlicher.

BOLIVIEN

Reiche Bundesstaaten wollen mehr Autonomie

Von Andreas Behn

(Berlin, 15. November 2004, npl).- Angesichts politischer Erfolge und zunehmenden Einfluss der Linken in Bolivien macht jetzt die Rechte, vor allem in den wohlhabenderen Bundesstaaten, mobil. Während die Indígena- und Basisbewegungen mittels ihrer Mobilisierungen immer wieder deutlich machen, dass das bisherige neoliberale Wirtschaftsmodell und der Export der Bodenschätze zu Billigpreisen so nicht mehr durchgesetzt werden kann, setzen Unternehmerkreise und sogenannte Bürgerkomitees auf mehr regionale Autonomie und drohen indirekt mit einer Spaltung des Landes – hier das reiche Tiefland mit seiner Mittel- und Oberschicht, dort das arme Hochland mit den Indígenas.

Vor allem in den beiden Bundesstaaten Santa Cruz an der Grenze zu Brasilien und in Tarija, den an Gas- und Erdölvorkommen reichsten Gegenden Boliviens, organisiert sich eine Rechtsbewegung, die auf Unterstützung durch Banken, einheimische wie transnationale Unternehmen und einige gelbe Gewerkschaften bauen kann. Unmittelbares Ziel der vom "Comité por Santa Cruz" angeführten Bewegung ist die sofortige Durchführung eines Referendums, durch das Bundesstaaten und Regionen eine größere Autonomie gewinnen sollen. Linke Kritiker monieren, dass es den Initiatoren vor allem darum gehe, dass die reichen Bundesstaaten ihre höheren Steuereinnahmen nach eigennützigen Kriterien verwenden können. Zudem wird befürchtet, dass so die kürzlich mittels eines Referendums beschlossene Renationalisierung von Industrien und Bodenschätzen erschwert werden wird.

Übergangspräsident Carlos Mesa erklärte vergangene Woche, er unterstütze ein solches Referendum, allerdings solle es erst im April 2005 abgehalten werden. Das "Comité pro Santa Cruz" hingegen plädiert für den 5. Dezember dieses Jahres, gleichzeitig mit den Kommunalwahlen. Gustavo Torrico, Abgeordneter der Linkspartei MAS (Movimiento al Socialismo) kritisiert die Haltung des Präsidenten als voreilig und weist darauf hin, dass in Kürze eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen werden soll. Es gehe nicht an, so Torrico, dass die Autoren einer neuen Verfassung schon gleich an politische Entscheidungen eines Referendums gebunden sein sollen
.

Auch Adriana Gil Moreno, MAS-Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Santa Cruz, ist gegen ein solches Referendum. Sie kritisiert das Bürgerkomitee als elitär: "Diese Leute unterstützen die transnationalen Unternehmen und werden von ihnen bestochen," so Gil Moreno. Es werde Zeit, dass die Leute ihre Interessen in ihre eigenen Hände nehmen, erklärt die Aktivistin der MAS, dessen Präsidentschaftskandidat und Kokabauern-Sprecher Evo Morales große Chancen hat, die nächsten Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.

Um ihrer Forderung nach mehr Unabhängigkeit Nachdruck zu verleihen, organisierten Unternehmen, Händler und einige Gewerkschaften in den beiden Bundesstaaten einen 24-stündigen Streik. Der landesweite Gewerkschaftsbund COB (Central Obrera Boliviana) bezeichnete dieses Vorgehen als "regionalistisch und separatistisch". Angesichts der zunehmenden Spannungen in Bolivien und der erklärten Bereitschaft der Basisbewegungen, jederzeit wieder einen Aufstand anzuzetteln, sollte die Regierung erneut eigenmächtig handeln – zuletzt bekam Ex-Präsident diese Mobilisierungskraft zu spüren, als er vor Jahresfrist außer Landes gejagt wurde -, birgt diese rechte Agitation durchaus Gefahr für Bolivien. Seit dem Auftauchen der separatistischen Tendenzen halten sich Gerüchte, dass in diesen Regionen ein Staatsstreich vorbereitet wird, oder ähnlich wie in Venezuela soviel Unruhe gestiftet werden soll, dass ein gewaltsamer Umsturz als Ausweg gesucht werden könnte. Dass vor zwei Wochen hoher Besuch aus den USA nicht nur in der Hauptstadt La Paz gegen eine Nationalisierung der energetischen Bodenschätze wetterte, sondern gleich weiter zu Gesprächen mit Unternehmern nach Santa Cruz weiter reiste, passt in dieses Bild.

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