Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 6. April 2004

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

NICARAGUA

ZENTRALAMERIKA

HAITI

KOLUMBIEN

VENEZUELA

ARGENTINIEN/URUGUAY

URUGUAY

ARGENTINIEN

BRASILIEN

BOLIVIEN

PERU


MEXIKO

Indígene Häftlinge haben die schlechtesten Haftbedingungen

(Montevideo, 26. März 2004, comcosur).- Der Präsident der Menschenrechtskommission von Mexiko-Stadt (CNDH) Emilio Alvarez Icaza schätzt die Situation, in der sich Indígenas in den mexikanischen Gefängnissen befinden, als verschärft ein. Der Ombudsmann machte eine Rundreise zusammen mit Mitgliedern der Nationalen Menschenrechtskommission und stellte fest, dass viele Gefängnisse extrem überbelegt sind. Es leben bis zu 12 Personen in einer Zelle, die für drei Insassen vorgesehen ist. Die Häftlinge müssen sich in der Zelle festbinden und im Sitzen schlafen, da es nicht genug Platz gibt, um sich hinzulegen.

Für indígene Häftlinge ist die Situation noch schlechter. So fehlen etwa Übersetzer, die deren Aussagen formulieren. Es wurde auch festgestellt, dass es keine medizinische Versorgung, keine angemessenen Nahrungsmittel, Verletzungen der gesetzlichen Sicherheit und vor allem eine Verzögerung bei vorzeitigen Entlassungen gibt.

GUATEMALA

Forderung nach Generika

(Guatemala-Stadt, 31. März 2004, cerigua).- Das Nationale Netzwerk der mit dem Humanen Immunschwäche Virus lebenden Personen (Red Nacional de Personas que conviven con el Virus de Inmunodeficiencia Humana) und zivilgesellschaftliche Gruppen haben mit Unterstützung der Bischofskonferenz Guatemalas CEG (Conferencia Episcopal de Guatemala) und der internationalen Organisation Ärzte ohne Grenzen eine Beschwerde wegen Verfassungswidrigkeit gegen das Dekret 9-2003, dem Gesetz über geistiges Eigentum, eingelegt. Die Organisationen erachten das Gesetz als eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Guatemalteken.

Das im April vergangenen Jahres vom Kongress der Republik verabschiedete Dekret 9-2003 verbietet Import, Herstellung und Verteilung von generischen Medikamenten. Nach Meinung von Cristina Calderón, einer Aktivistin im Gesundheitsbereich, sei dies eine Maßnahme, die einem Todesurteil gleichkomme für Menschen mit beschränkten finanziellen Mitteln, die an chronischen infektiösen Krankheiten wie dem humanen Immunschwächevirus und dem erworbenen Immunschwächevirus (HIV/AIDS), Krebs, Nieren- und Herzproblemen leiden.

Der renommierte Kardiologe Aldo Castañeda erklärte, dass generische Pharmazeutika für Tausende von Guatemalteken die letzte Lebenshoffnung bedeuten, da die Originalprodukte sehr teuer sind und der Effekt der gleiche sei. Er forderte daher die Richter des höchsten Verfassungsgerichts auf, die Menschen im Kampf um ihr Leben sowie die Ärzte, das Pflegepersonal und Aktivisten, die diese schwierige Arbeit leisten, zu unterstützen, indem sie das Dekret ablehnen.

Mit dieser neuen Beschwerde beläuft sich die Zahl der beim Verfassungsgerichtshof eingelegten Rechtsmittel gegen das Verbot des Handels mit Generika bereits auf sieben. Bei diesen Maßnahmen nehmen die obersten Gesundheitsinstanzen wie die Panamerikanische und Weltgesundheitsorganisation (OPS/WHO), das Gesundheitsministerium ebenso wie Ärzte ohne Grenzen teil, betont Luis Villa, Leiter der Guatemala-Mission von Ärzte ohne Grenzen.

Mayas gegen Tourismusprojekt

(Guatemala-Stadt, 31. März 2004, cerigua-poonal).- Die nationale Konferenz der spirituellen Führer der Maya Oxlajuj Ojpop forderte die guatemaltekische Regierung auf, ihrem in der Verfassung verankerten Auftrag des Schutzes des nationalen, kulturellen und natürlichen Erbes nachzukommen. Die Regierung soll den Bau eines gigantischen Tourismusprojektes im Tal El Mirador (Der Aussichtspunkt) in der Region Petén verhindern.

Die Maya-Priester bedauern in einer Presseerklärung den Streit um das Tal El Mirador, der entbrannte, da verschiedene Institutionen und Privatpersonen sich vom Bau eines gigantischen Tourismusprojektes, größer noch als der Parque Tikal, wirtschaftliche Gewinne versprechen.

Die Unterzeichner der Erklärung sehen mit Empörung und Sorge diesen erneuten Angriff auf das historische Erbe der Nation, der nicht nur die Artenvielfalt, das lokale Ökosystem und die Überreste der Mayakultur, die sich wahrscheinlich an dieser Stelle befinden, in Gefahr bringt, sondern zudem nur der Bereicherung einzelner Personen dient.

Die indígenen Führer forderten das Ministerium für Kultur und Sport auf, die getroffenen Abkommen zu respektieren. Diese sehen vor, dass im Vorfeld jeder Entscheidung zunächst die Kommission zur Bestimmung heiliger Orte, sowie die betroffenen Gemeinden gemäß der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu Rate zu ziehen seien.

Seit der Annahme des Regierungsabkommens 129-2000, haben verschiedene Personen darauf hingewiesen, dass dieser Artikel mehrere Gesetze zum Schutz der Wälder verletze und zudem Teil des Plan Puebla Panamá (PPP) sei. Durch den Massentourismus werde der archäologischen Reichtum der Region zugunsten starker wirtschaftlicher Interessen Einzelner gefährdet.

NICARAGUA

Regierung verspricht Ex-Bananenarbeitern Unterstützung bei Klage

(Montevideo, 28. März 2004, púlsar).- Der nicaraguanische Präsident Enrique Bolaños erklärte seine Unterstützung für Tausende ehemalige Arbeiter auf den Bananenplantagen. Diese beschuldigen drei amerikanische Konzerne, für bleibende Gesundheitsschäden verantwortlich zu sein und fordern eine Milliarde US-Dollar Schadenersatz.

Die Ankündigung des Präsidenten erfolgte, nachdem Arbeiter über mehrere Wochen in Zeltlagern vor der Nationalversammlung (Asamblea Nacional) protestiert hatten. Präsident Bolaños verpflichtete sich dazu, Anwälte in den USA zu engagieren, um die Kläger zu unterstützen. Außerdem soll der Fall bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf angezeigt werden.

Ungefähr 6.000 Personen, die in den Sechziger- Siebzigerjahren auf Bananenplantagen im Westen des Landes arbeiteten, wurden Opfer der dort verwendeten Pestizide, unter anderen von „Nemagon“ und „Fumazone“. Die Schadenersatzforderungen richten sich an die Firmen Shell Chemical Company und Todler Company sowie an Standard Fruit Company, die heute Dole Food Company heißt.

ZENTRALAMERIKA

Zusammenarbeit beim Plan Puebla Panamá bekräftigt

(Managua, 31. März 2004, adital-poonal).– Die Konsolidierung der Projekte für eine humanere Entwicklung im Plan Puebla Panamá (PPP) ist eine der unterzeichneten Vereinbarungen zwischen den Bevollmächtigten Mexikos und den zentralamerikanischen Ländern, die zum Ende des „6. Gipfeltreffens für Mechanismen des Dialoges und der Vereinbarung von Tuxtla“ (la VI Cumbre del Mecanismo de Diálogo y Concertación de Tuxtla) erreicht wurden. Das Treffen fand am 25. März in der nicarguanischen Hauptstadt Managua statt. Gegenstand der Tagung war die Festlegung von Zielvorgaben, mit denen die Lebensverhältnisse der Region verbessert werden sollen.

Der von zivilgesellschaftlichen Organisationen scharf kritisierte Entwicklungsplan Plan Puebla Panamá war eines der zentralen Themen der Eröffnungsrede des nicaraguanischen Präsidenten Enrique Bolaños. „Der Plan Puebla Panamá ist eine visionäre Idee unseres Freundes, dem mexikanischen Präsident Vicente Fox, der den Vereinbarungen von Tuxtla in den verschiedensten Bereichen, wie z.B. dem Transportwesen, dem logistischen zentralamerikanischen Korridor und der Zusammenarbeit im Energiesektor eine neue Dynamik verliehen hat“, sagte Bolaños in einer Presseerklärung.

Die Isthmusstaaten stimmten zu, dass Mexiko im Rahmen des 6. Gipfeltreffens dem Sekretariat für zentralamerikanische Integration SICA (Secretaría de Integración Centroamericana) beitritt und dort einen Beobachterstatus hat. Ziel der Einbindung Mexikos ist es, die mesoamerikanische Integration parallel zu der zentralamerikanischen zu fördern, erklärte der in Guatemala für den PPP Verantwortliche Eduardo Rodas.

Die Bestätigung, am Plan Puebla Panamá festzuhalten, führte zu Kritik von Seiten zivilgesellschaftlicher Organisationen. Für diese ist der Entwicklungsplan eine Strategie des „erzwungenen Umzugs“ der am Projekt beteiligten armen Bevölkerung. Der PPP umfasst die sieben Länder Zentralamerikas sowie neun Bundesstaaten im Süden und Südosten Mexikos, die als die ärmsten Mexikos gelten.

Für die Gegner ist das Ziel des PPP, dass die ländliche Bevölkerung ihr fruchtbares Land aufgibt, damit dort Großprojekte von transnationalen Firmen durchgeführt werden können. Des Weiteren gehen sie davon aus, dass ein großes Kontingent von billigen Arbeitskräften während des Prozesses gebraucht wird, die ausgebeutet würden.

Nach Angaben des offiziellen Konzeptes versucht der Plan die Lebensqualität der Einwohner in Mesoamerika zu verbessern. Betroffen sind 64 Millionen Menschen, 28 Millionen von ihnen leben im Süden und Südosten Mexikos, 36 Millionen in Zentralamerika.

HAITI

US-Außenminister besucht seine Truppen und umstrittenen Premier

Von Andreas Behn

(Berlin, 4. April 2004, npl).- Kurzfristig hat US-Außenminister Colin Powell beschlossen, dem Karibikstaat Haiti am Montag (5. April) eine eintägige Stippvisite abzustatten. Nach Besuchen in Irak und Afghanistan betritt er somit das dritte Land, in dem US-Truppen eine neue Regierung an der Macht halten. Auch wenn Ausmaß und Kontext der militärischen Präsenz in Haiti kaum etwas mit den beiden anderen Ländern gemein hat, ist die Lage im Land ähnlich labil: Eine kaum funktionsfähige Regierung, bewaffnete Banden, die weite Teile des Landes kontrollieren und ein allgemeines Chaos, unter dem vor allem die Zivilbevölkerung leidet.

Powell will dem unter dubiosen Umständen ins Amt berufenen Premier Gerard Latortue den Rücken stärken und die Moral der knapp 2.000 US-Marinesoldaten heben, die gemeinsam mit kleineren Kontingenten aus Frankreich, Kanada und Chile für Ordnung in Haiti sorgen sollen. Offenbar fürchtet die US-Regierung, dass die unsichere Situation im Land, aber auch diplomatischer Widerstand von verschiedenen Seiten, ihre Rolle beim Sturz des Präsidenten Jean-Bertrand Aristide zunehmend kritisieren könnte.

Ende Februar war Aristide nach wochenlangen Protesten und einer bewaffneten Rebellion von Killertrupps und ehemaligen Paramilitärs aus dem Amt vertrieben worden. Aristide selbst beschuldigt die USA und Frankreich, ihn mittels eines verkappten Putsches entführt zu haben. Paris und Washington hingegen behaupten, Aristide – der einst als Hoffnungsträger der Armen gewählt wurde, inzwischen aber als korrupt und autoritär gilt – sei freiwillig zurückgetreten.

Brisant ist der Bericht der "Untersuchungskommission zu Haiti", einem unabhängigen Gremium von Juristen und Kirchenleuten, das 1991 von dem ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark ins Leben gerufen wurde. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die USA an der bewaffneten Rebellion in Haiti im Februar unmittelbar beteiligt gewesen waren. "Die Vereinigten Staaten haben die Gruppen, die sich gegen Präsident Aristide erhoben, ausgerüstet und in der Dominikanischen Republik trainiert," so die Anfang April in Santo Domingo vorgestellte vorläufige Version des Berichts.

Mit Billigung des dominikanischen Staatschefs Hipólito Mejía kamen 200 US-Militärspezialisten ins Land und bildeten die haitianischen Rebellen aus, fährt der Bericht fort. Damit widerspricht die Kommission auch der Regierung in Santo Domingo, die ähnlich lautende Vermutungen zuvor als "surreal und absurd" abgetan hatte.

Der endgültige Bericht, der die Anerkennung der neuen haitianischen Regierung ablehnt, soll noch diesen Monat dem US-Kongress, der Gemeinschaft Karibischer Staaten CARICOM und der Organisation Amerikanischer Staaten OAS vorgelegt werden. Im Gegensatz zur OAS, die die gewaltsame Absetzung Aristides weitgehend billigte, bezieht die CARICOM trotz massiven Drucks aus Washington eine kritische Position zu den neuen haitianischen Machthabern.

Während Haitis Nachbarland Jamaica dem abgesetzten Aristide schon seit Wochen Asyl gewährt, wurde Premier Latortue nicht einmal zum letzten CARICOM-Treffen eingeladen. Dort wurde angekündigt, dass die UNO beauftragt werden soll, die Vorgänge in Haiti offiziell zu untersuchen. Ein Ansinnen, dass der UN-Sicherheitsrat jüngst ablehnte, aber von den 53 Staaten der Afrikanischen Union und den Botschaftern der Gruppe ehemaliger europäischer Kolonien unterstützt wird.

Neben diplomatischen wird der Umsturz in Haiti auch juristische Konsequenzen haben. Bereits vergangene Woche haben Anwälte Aristides in Paris Klage gegen mehrere französische und US-amerikanische Funktionäre wegen deren Verwicklung in seine Amtsenthebung eingereicht. Eine ähnliche Klage soll demnächst auch in den USA erhoben werden. Francois Boyle, US-Experte für internationales Recht, empfiehlt den Staaten der Karibik, den Fall vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. „Da Frankreich und die USA offensichtlich die UN-Charta und die Konvention zum Schutz von Amtsinhabern von 1973 verletzt haben, müsste das Tribunal die beiden Staaten verurteilen," so Boyle.

KOLUMBIEN

Hungerstreik der Coca Cola Arbeiter erfolgreich

(Bogotá, 30. März 2004, adital).- Die Arbeiter der kolumbianischen Filialen von Coca-Cola haben am letzten Märzwochenende erreicht, dass die Verwaltung der in den USA ansässigen Firma Gespräche mit ihnen aufnimmt. Der zwölf Tage andauernde Hungerstreik wurde damit beendet. Fast 30 Personen hatten in verschiedenen Coca-Cola-Niederlassungen am Streik teilgenommen. Die Aktion hatte zum Ziel, dass die Verfolgung von Gewerkschaftern beendet wird, die unter der Führung der Nationalen Gewerkschaft der Arbeiter der Lebensmittelindustrie (Sinaltrainal) gegen die Aufhebung der Tarifverträge durch Coca-Cola Kolumbien gekämpft hatten.

Die Vereinbarung, durch die der Hungerstreik beendet wurde, sieht zunächst die Wiedereingliederung der Arbeiter vor, die von der Schließung von elf Getränkeabfüllanlagen im ganzen Land betroffen waren. Auf dem Treffen, an dem der Coca-Cola-Chef von Kolumbien Juan Carlos Jaramillo teilgenommen hat, haben die Gewerkschafter die Bestätigung für ein weiteres Treffen am 2. April erreicht. Dort will die Gewerkschaft einen Vorschlag zur Neustrukturierung des Produktionsprozesses vorlegen. Das Ziel ist es, dass die entlassenen Arbeiter wieder eingestellt werden.

Der Konzern hat außerdem Zusagen gemacht, keine Maßnahmen gegen die Teilnehmer des Streiks einzuleiten und die angedrohten Sanktionen zurückzunehmen. Die Teilnehmer am Hungerstreik, die nach zwölf Tagen ohne Nahrung sehr geschwächt sind, erhalten durch den Konzern finanzierte medizinische Versorgung.

VENEZUELA

Regierung kritisiert Menschenrechtsbericht der OAS

(Caracas, 1. April 2004, adital-poonal).- Der im März dieses Jahres veröffentlichte Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) zur Lage in Venezuela ist von der Regierung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez als parteiisch charakterisiert worden. Die zur Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gehörende Kommission weist in dem Bericht auf „eine klare Schwäche der Grundpfeiler des Rechtsstaats“ hin. Gegenstand des Berichts waren die Justizausübung, die Rolle von Streitkräften und Polizei, die Respektierung der Meinungsfreiheit und die Folgen der politischen Polarisierung in Venezuela.

Es gäbe „besorgniserregende Anzeichen institutioneller Schwäche“. Erwähnt werden unter anderem die mangelnde Umsetzung der unter Präsident Chávez erarbeiteten Verfassung, die offensichtlich fehlende Unabhängigkeit der Staatsgewalten und die zunehmende Machtkonzentration in der Exekutive, anhaltende Angriffe auf Journalisten und Medien sowie die Tendenz zu einer Militarisierung der öffentlichen Verwaltung aufgrund der immer einflussreicheren Rolle der Streitkräfte.

Vertreter der venezolanischen Regierung bestreiten diese Behauptungen, die auf Ereignissen bis Oktober 2003 sowie auf einem Vor-Ort-Besuch der besagten Kommission im Mai 2002 basieren. Sie argumentieren, dass die CIDH sich nur auf Informationen von Chávez-Gegnern stütze.

„Bei der Erarbeitung des Berichts bevorzugte die CIDH Informationen von Oppositionellen sowie von Sektoren der selbsternannten Zivilgesellschaft, die den Staatsstreich in Venezuela vorangetrieben haben. Die vom venezolanischen Staat gelieferten Informationen hingegen wurden völlig unterbewertet“, kritisierte Jorge Valero, der Botschafter Venezuelas in der OAS.

ARGENTINIEN/URUGUAY

Außenminister der Diktatur wird Mercosur-Schiedrichter

(Montevideo, 27. März 2004, comcosur-poonal).- Eine Gruppe argentinischer Abgeordneter hat die argentinischer Regierung von Nestor Kirchner aufgefordert, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um eine Aufnahme von Juan Carlos Blanco ins Schiedstribunal des Mercosur zu verhindern.

Blanco wurde vom uruguayischen Präsidenten Batlle als einer der uruguayischen Vertreter vor diesem Gremium benannt, obwohl zur Zeit gegen ihn ein Verfahren läuft wegen der Ermordung der Lehrerin Elena Quinteros im Jahr 1976 läuft. Damals war er Außenminister der uruguayischen Diktatur (siehe Poonal Nr. 579).

Blanco wurde am 3. März dieses Jahres zum uruguayischen Repräsentanten vor dem Schiedstribunal des Mercosur benannt. Dieses Gremium ist mit angesehenen Juristen und Juristinnen der vier Mitgliedsländer (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) der Zollunion des Cono Sur besetzt. Im Falle von Kontroversen soll es zwischen diesen Ländern vermitteln.

URUGUAY

Viele Militärs oder wenige Menschen

(Montevideo, 30. März 2004, comcosur-poonal).- Nach Informationen des Studienzentrums für die Neue Mehrheit (Centro de Estudios por la Nueva Mayoría), die letzte Woche veröffentlicht wurden, weist Uruguay den höchsten Anteil an Militärs im Verhältnis zur Bevölkerung in ganz Lateinamerika auf. Mit insgesamt 0,71 Prozent führt Uruguay diese Rangliste an. Damit ist der Anteil im Landes fast doppelt so hoch wie der im zweitplazierten Chile mit 0,46 Prozent und beläuft sich fast auf ein Vierfaches des Schlusslichtes Brasilien. Dessen Militäranteil an der Gesamtbevölkerung beläuft sich auf 0,16 Prozent. Insgesamt hat Uruguay rund 3,4 Millionen Einwohner, davon sind 24.000 Angehörige des Militärs.

Anklage gegen Arzt wegen Diskriminierung einer HIV-Infizierten

(Montevideo, 31. März 2004, comcosur).- Der Arzt Carlos Laguzzi, Direktor des staatlichen Krankenhauses von Rivera, hat zwölf Tage lang die Genehmigung verweigert, eine HIV-infizierte Patientin in einem Krankenwagen von Montevideo nach Rivera zu transportieren. Dieses Verhalten führte neben weiteren Vorkommnissen dazu, dass das Netzwerk HIV- Infizierter und AIDS-Erkrankter Anklage gegen den Arzt erhob.

Die Anklage beläuft sich nach Worten des Koordinators des Netzwerkes Federico Deveras auf „Diskriminierung“. Deveras bekräftigt, dass er über Wissen zahlreicher weiterer diskriminierender Fälle seitens des Krankenhausdirektors verfüge. Außerdem beklagte er den Mangel an Medikamenten für HIV-Infizierte.

Deveras forderte eine Stellungnahme von Carlos Laguzzi. Dieser solle erklären, warum er sich geweigert habe, die Patientin zu verlegen. Gleichzeitig vermutete Deveras, dass das Motiv die Infektion der Patientin mit dem HIV-Virus war. Er gab weiterhin an, dass der Direktor des Krankenhauses geäußert habe, dass er genug von den AIDS-Kranken hätte und dass sie ihm jedweden Prozess machen könnten, es sei ihm egal.

Hunger und Unterernährung unter Kindern in Uruguay nimmt zu

Von Pablo Long und Roberto Roa

(Montevideo, 31. März 2004, npl).- Talía Souza starb, als sie sechs Monate alt war. Sie lebte in Artigas, nahe der Grenze zu Brasilien, rund 600 Kilometer nördlich der uruguayischen Hauptstadt Montevideo. Die Mutter sagte, sie koche für ihre älteren Kinder Kürbis, das Baby bekam den Sud. Das war das einzige Nahrungsmittel, denn Milch hatte sie keine. „Als Talía ins Krankenhaus kam, war sie nur noch Haut und Knochen. Sie wog nur 300 Gramm, zwischen 600 und 1000 Gramm wäre normal gewesen. Um das Drama des Hungertods zu vertuschen, wurde als offizielle Todesursache Erstickung angegeben," berichtet die Ärzten Elena Curbelo später.

Die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren, die in öffentlichen Krankenhäusern behandelt werden, haben Symptome von Unterernährung, jedes fünfte leidet sogar an lebensgefährdender Unterernährung, besagt die Statistik des Jahres 2002. Sieben Jahre zuvor waren diese Zahl noch bedeutend geringer. Seit Juni vergangenen Jahres stiegen die Indikatoren rasant an, ein unveröffentlichter Bericht spricht von 19 Prozent akuter und 31 Prozent chronischer Unterernährung unter den Kindern in Uruguay. In den zwei Monaten vor Erstellung des Berichts waren zehn Kinder am Hunger gestorben – in einem Land, das Nahrungsmittel exportiert und vor nicht allzu langer Zeit als das reichste Südamerikas galt.

"Armut und Unterernährung gehen Hand in Hand. Die betroffenen Kinder bekommen nicht genug Nahrung für ihr Wachstum, sie können sich oft nicht richtig konzentrieren und viele verlassen die Schule, um Geld zu verdienen. Das schwächt sie noch mehr," erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Mónica Britz von der staatlichen Universität der Republik.

Die seit einigen Jahren akute Wirtschaftskrise in Uruguay wird als Hauptursache dieser Entwicklung betrachtet, und nach Meinung der Kritiker ist vor allem die Wirtschaftspolitik der Regierung dafür verantwortlich. Die offizielle Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf 20 Prozent geklettert, genau so viele Uruguayer leben unter der Armutsgrenze.

Bemerkenswert ist, dass die Lage nicht nur in abgelegenen Provinzen dramatisch ist. Im ganzen Land kommen inzwischen Fälle schwerer Unterernährung vor. Eine Studie der Ärzteschaft führt aus, dass es "alltäglich ist, in Krankenhäusern einjährige Kinder anzutreffen, die sich nicht hinsetzen oder ihren Kopf hochhalten können". Auch an den Schulen macht sich bemerkbar, dass immer mehr Familien sich nicht mehr allein über Wasser halten können. Über die Hälfte der Schulkinder bekommt täglich ein Essen bereitgestellt, 1995 mussten nur 21 Prozent diese Sozialleistung in Anspruch nehmen.

"Jeden Tag kommt es vor, dass Kindern schwindlig wird oder dass sie ohnmächtig werden," berichtet Schuldirektor Víctor Gonzalez aus der Kleinstadt Treinta y Tres, knapp 300 Kilometer östlich von Montevideo. "Es herrscht Hunger. Die Eltern sagen uns, dass sie ihre Kinder nicht ernähren können, weil sie keine Arbeit haben. Manchmal geben wir ihnen vor Klassenbeginn Bonbons, damit sie wenigstens irgendetwas zu sich nehmen," berichtet Gonzalez schulterzuckend.

Ähnliches ist im ganzen Land zu hören, wobei immer hervorgehoben wird, dass die Kinder am Montag besonders geschwächt seien, da sie während des Wochenendes nicht einmal die Schulspeisungen bekommen konnten. Deswegen wiesen einige Lokalregierungen die Schulen inzwischen an, auch am Wochenende und in den Ferien Essen auszugeben.

Das Drama von Hunger und Unterernährung war in Uruguay lange ein unbekanntes Phänomen. Im In- wie im Ausland gilt das kleine Land nördlich von Argentinien als Paradies für bestes und billiges Rindfleisch, angesichts einer geringen Bevölkerungszahl, gemäßigtem Klima und einer stabilen Wirtschaft herrschte bis vor kurzem ein relativer Wohlstand. Doch der ökonomische Zusammenbruch in Argentinien und eine hausgemachte Bankenkrise rissen Uruguay in den Strudel der Rezession.

Als Antwort fällt der konservativen Regierung unter Jorge Batlle nichts anderes ein als ein rigider Sparkurs und neoliberale Wachstumsrezepte – Mittel, die in den Nachbarländern Argentinien, Paraguay und Brasilien mittlerweile zum Entstehen von breiten sozialen Bewegungen und zur Wahl eher linksorientierter Regierungen geführt haben. Auch in Uruguay wird dieses Jahr noch gewählt, und allen Prognosen zufolge wird das Mitte-Links-Bündnis Frente Amplio, das bereits in Montevideo regiert, den nächsten Präsidenten stellen.

ARGENTINIEN

Faschisten bedrohen Präsidenten und Menschenrechtler

(Montevideo, 26. März 2004, comcosur-poonal).- In den letzten Wochen sind die Einschüchterungsversuche von argentinischen Rechtsextremisten stark angestiegen. Das Land befindet sich derzeit in einen Prozess, in dem die Erinnerung an die Militärdiktatur wiederbelebt wird und vermehrt Prozesse wegen der Verbrechen dieser Zeit laufen.

Wenige Tage vor einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestages des Militärputschs 1976 erhielt sogar der Präsident Néstor Kirchner Morddrohungen. Der Staatschef wurde in Telefonanrufen an seinen Privatsekretär Daniel Muñoz bedroht. Die Presse wurde über den Inhalt der Anrufe nicht informiert. Viele gehen davon aus, dass die Morddrohungen Reaktionen auf die Menschenrechtspolitik Kirchners sind.

Zuvor hatte bereits die Vorsitzende der „Mütter des Plaza de Mayo“ Morddrohungen erhalten. Sie erklärte, dass „zu diesen schwerwiegenden Vorfälle auch der Fall des Rechtsanwalts der politischen Gefangenen Eduardo Soares gezählt werden muss“. Der Anwalt habe letzten Samstag eine „düstere Nachricht“ erhalten und zudem habe man ihm eine Patronenhülse vom Kaliber 45 unter sein Auto gelegt.

BRASILIEN

Landlosenbewegung geht mit neuen Besetzungen in die Offensive

Von Rogéria Araujo und Roberto Roa

(Recife, 5. April 2004, npl).- Einen "roten April" hat die brasilianische Landlosenbewegung MST (Movimento Sem Terra) angekündigt. Sie mobilisiert ihre Anhänger gegen die Agrarpolitik der Regierung des Ex-Gewerkschafters Inácio Lula da Silva. Im ganzen Land besetzen Landlose seit dem 1. April ungenutzte Ländereien und leerstehende Gebäude. Höhepunkt der Aktionen sollen große Demonstrationen am 17. April werden; diesen Tag hat der weltweit organisierte Bauernverband Vía Campesina zum "Internationalen Kampftag um Land" erklärt – 1996 waren an diesem Tag 19 MST-Mitglieder im nordbrasilianischen Carajás während einer Demonstration von der Polizei erschossen worden.

Die Ankündigung des Agrarministers, mehr Geld für die Agrarreform und die Ansiedlung von Landarbeitern zur Verfügung zu stellen, beeindruckte die MST-Aktivisten kaum. "Es geht nicht um mehr Geld. Wir protestieren, damit die Regierung ihr Versprechen wahr macht und 400.000 landlose Familien im Verlauf dieser Legislaturperiode ansiedelt," so der nationale MST-Koordinator Paulo Rodriguez. Erst vor kurzem hatte Präsident Lula wiederholt, allein im Jahr 2004 115.000 Familien Land zuzuweisen, ohne zu erklären, wie er dieses Ziel erreichen wolle.

In der vergangenen Woche haben sich bisher über 7.500 Familien an 28 Besetzungen im ganzen Land beteiligt. Zentrum der Aktionen ist der Bundesstaat Pernambuco im Nordosten, aber auch die reicheren Staaten im Süden, Sao Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais stehen im Mittelpunkt.

Neben der Zuweisung von unproduktiven Ländereien an Landlose fordert der MST generell die Enteignung von Latifundien. Erst dann sei es möglich, das Problem realistisch anzugehen. Denn auch 400.000 Familien seien gerade mal zehn Prozent der Bedürftigen, kalkuliert Rodriguez: Derzeit warten laut MST vier Millionen Familien auf die Zuteilung von Land zur Sicherung ihrer Existenz.

Nach wie vor ist Brasilien eines der Länder mit der ungerechtesten Landverteilung weltweit. Nach Angaben der Agrarbehörde Brasiliens (INCRA) von 2003 gibt es 54.781 große unproduktive Landbesitze, die zusammen über 120 Millionen Hektar ausmachen. Gleichzeitig gibt es 23 Millionen Bauern, die in extremer Armut leben, weil sie überhaupt kein Land zum Anbau haben. "Solange es diese Polarisierung gibt, wird es Konflikte geben," kommentierte MST-Sprecher Joao Pedro Stedile diese Zahlen.

Zu Beginn der Protesttage hatten mehrere MST-Mitglieder in aggressivem Ton der Regierung den Kampf angesagt, was Vertreter der Großgrundbesitzer erneut dazu nutzen, der Landlosenbewegung terroristische Methoden zu unterstellen. Damit lenken sie gerne davon ab, dass es vor allem landlose Aktivisten sind, die ihren Einsatz oft mit dem Leben bezahlen: Viele Landbesitzer bezahlen Killer oder gar paramilitärische Trupps, die gegen Landbesetzer und ihre Unterstützer vorgehen.

MST-Koordinator Rodriguez stellte inzwischen klar, dass "die Protesttage nicht gegen die Regierung gerichtet sind." Vielmehr gehe es darum, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Diese Äußerung ist symptomatisch für das widersprüchliche Verhältnis zwischen dem MST und Lulas Arbeiterpartei PT. Seit seinem Entstehen vor 20 Jahren war der MST stets ein Verbündeter der PT. Doch nachdem Lula vor gut einem Jahr die Regierungsgeschäfte übernahm, stehen sich nun beide Blöcke eher feindlich gegenüber. Das liegt vor allem daran, dass die Regierung Lula im Gegensatz zu ihren Ankündigungen im Wahlkampf in der Wirtschaftspolitik die neoliberale Ausrichtung seines Vorgängers Fernando Henrique Cardoso unverändert fortführt.

Seitdem agiert die Landlosenbewegung zumeist gegen die Regierungspolitik, ohne aber mit Lula und seiner Arbeiterpartei zu brechen – eine schwierige Gratwanderung, die irgendwann auch dazu führen kann, dass sich die MST-Führung von ihrer breiten Basis entfernt. Denn unter den Landlosen wie bei den anderen sozialen Bewegungen und vielen PT-Sympathisanten nimmt die Kritik an Lulas Politik immer mehr zu. Der Präsident selbst kommentierte die MST-Aktionen lediglich mit den Worten, eine "Agrarreform wird nicht mit Schreien, sondern im Rahmen des Gesetzes" gemacht.

Landbesetzung in Rio de Janeiro

(Montevideo, 26. März 2004, comcosur).- Fast 300 landlose Familien nahmen letzte Woche ihre Proteste wieder auf und besetzten Land in Rio de Janeiro. Es handelt sich hierbei um die Hacienda Santa Justina in Mangaratiba, ein ungenutztes Anwesen von 850 Hektar. Die Bewegung der Arbeiter ohne Land (MST)fordert, dass solche Grundstücke zwischen den Familien aufgeteilt werden. Diese leben unter miserablen Bedingungen unter Plastikzelten.

Nach verschiedenen Angaben haben von den 500.000 Familien, die im MST organisiert sind, 350.000 schon Land zugewiesen bekommen. Die anderen 150.000 haben die Hoffnung, mit Besetzungen Druck auf die Regierung des brasilianischen Präsidenten Inácio Lula da Silva auszuüben. Noch im Wahlkampf hatte sich dieser soziale Sektor eng mit Lula verbündet.

Neue Fälle von Sklaverei

(Montevideo, 27. März 2004, púlsar–poonal).– Mitglieder der brasilianischen Regierung berichten von der Existenz weiterer Fälle, in denen Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen leben müssen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Produktionsstätten für Holzkohle im Bundesstaat Maranhão.

Der Bundesabgeordnete Joaquim Washington Luis de Oliveira sagte, dass „Beamte 28 Sklaven befreiten. Simasa (Name der angeklagten Firma, d. Red) verfügt über die exklusiven Kaufrechte, die ihr von einer der Holzkohlehersteller gewährt wurde.“

Die Firmen Simasa und Fegumar müssen nun 65 Arbeitern 100.000 Reales Entschädigung bezahlen, die in den lokalen Produktionsstätten für Holzkohle entdeckt worden waren. Die Opfer dieser ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse arbeiteten unter unmenschlichen Bedingungen. Sie wiesen deutliche Zeichen der Unterernährung auf. Zudem hatten sie weder eine Unterkunft noch Zugang zu ärztlicher Versorgung, und das trotz ihrer schlechten Verfassung.

Regierung zieht Vorschlag über sexuelle Orientierung als Menschenrecht zurück

(Brasilien, 1. April 2004, adital-poonal).- Nach viel Polemik und Druck entschloss sich die brasilianische Regierung, einen Vorschlag über Menschenrechte und sexuelle Gesinnung wenige Tage vor seiner Abstimmung zurückzuziehen. Dieser sollte während der Versammlung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen (UNO) in Genf zur Abstimmung gebracht werden. Die Information wurde vom brasilianischen multidisziplinären HIV-Bündnis bestätigt. Die Organisation ist Teil des brasilianischen Ausschusses, der den Beschluss unterstützte.

Die brasilianische Regierung erklärte, dass das Zurückziehen des Vorschlages eine Strategie gewesen sei. Sie denke, dass alle Länder beim nächsten Kongress in einem Jahr eine klarere Position einnehmen werden. Das Bündnis betonte, dass es viel Druck vom Vatikan und den konservativen Ländern gegen den Entwurf gab.

Der Anthropologe Luiz Mott, Mitglied der Schwulenbewegung in der Stadt Bahia, denkt, dass die Entscheidung der Regierung in zwei verschiedene Richtungen gedeutet werden kann. Es könne wirklich sein, dass es sich um eine Strategie handele. „Die Bedingungen waren nicht da, um eine Ratifizierung des Beschlusses zu erreichen, da es viel Opposition von Seiten des Vatikans, der islamischen Länder und der Evangelikalen gab“, sagte Mott.

Andererseits meint Mott, dass eine offizielle Stellungnahme zur Unterstützung des Vorschlages seitens der Regierung von Präsident Lula gefehlt habe. Wenn der Präsident seine Unterstützung zur Verteidigung der freien sexuellen Gesinnung in Brasilien und der Welt öffentlich geäußert hätte, hätte der Entwurf an Gewicht gewonnen. Das gleiche wäre passiert, wenn er den Botschaften der Länder in Brasilien, die sich gegen einen solchen Beschluss stellen, eine Benachrichtigung geschickt hätte.

Die Schwulenbewegung im peruanischen Lima geht eher davon aus, dass es sich um eine strategische Lösung gehandelt hat, da es nicht genug Unterstützung für die Zustimmung des Beschlusses gab und mehrere Länder aufgrund des Druckes zurückgewichen seien und sich dagegen stellten. Die Organisation erklärte in einer Stellungnahme, dass man über Diskussionen größere Unterstützung erreichen müsse. Die Leute sollten ein höheres Bewusstsein erlangen. So sollten die Vorurteile bestimmter sozialer Schichten abgebaut werden.

Das Thema wurde auch während des III. Kongresses der Familie in Mexiko behandelt. Der Vorschlag wurde dort als eine Bedrohung für die Gesellschaft bezeichnet. Die Teilnehmer des Forums übten Druck auf die Vereinten Nationen aus, damit über den Vorschlag nicht abgestimmt wird. Letzte Woche gab es zudem mehrere Kundgebungen gegen den brasilianischen Vorschlag. Die Evangelikalen und andere konservative Gruppen gingen in Argentinien, Chile und Peru auf die Straße, um Druck auszuüben, unter anderem auf die jeweiligen Ländervertreter bei der Versammlung des UN-Menschenrechtsausschusses in Genf.

BOLIVIEN

Selbstmord von Bergarbeiter im Kongress

Von José Pinto

(La Paz, 30. März 2004, alai-poonal).- Am 30. März um 3.05 Uhr beging ein ehemaliger Bergarbeiter Selbstmord. Er sprengte sich mit Dynamit, das er am Körper trug, selbst in die Luft. Der Selbstmord fand im Foyer eines Nebengebäudes des Abgeordnetenhauses statt, das sich 50 Meter entfernt vom bolivianischen Regierungssitz, dem Palacio Quemado, befindet. Der Suizid ereignete sich nach mehr als zweistündigen Verhandlungen zwischen dem Arbeiter und dem bolivianischen Geheimdienst sowie Regierungsmitgliedern, in denen diese versucht hatten, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

In der Umgebung des Selbstmörders verbreitete sich große Angst, da laut ersten Informationen von einem Attentat ausgegangen wurde. Bald wurde der tatsächliche Hintergrund bekannt: Der Bergarbeiter Eustaquio Picachuri hatte aufgrund der Privatisierungsmaßnahmen des staatlichen Bergbauunternehmens seine Arbeit verloren. Daraufhin hatte er den verhängnisvollen Entschluss gefasst, bis zum Kongress zu gehen, um seine Forderungen durchzusetzen.

Leider blieben die Verhandlungen ohne Ergebnisse und Picachuri zündete den Sprengstoff. Dabei verursachte er nicht nur seinen eigenen Tod, sondern tötete auch zwei hochrangige Beamte (einer davon war der Chef der für die Sicherheit des Kongresses zuständigen Polizeieinheit). Außerdem gab es Verletzte, einige davon befinden sich in kritischem Zustand.

Präsident Carlos Mesa nahm zu dem Ereignis in einer kurzen Pressekonferenz Stellung. Dabei standen für ihn drei Punkte im Vordergrund: 1. Es handele sich um einen Einzelfall. 2. Der Selbstmord habe keinen politischen Hintergrund. 3. Die Sicherheit und Stabilität der Demokratie seien garantiert. Der Vorsitzende des Senats, der auch im Namen des Abgeordnetenhauses sprach, unterstützte die Ausführungen von Carlos Mesa.

Ein Vertreter von 200 Bergarbeitern, die sich in der gleichen Situation wie der Selbstmörder befinden, äußerte sich jedoch ganz anders und verbreitete eine alarmierende Nachricht: „Er war der erste gewesen, aber es werden weitere folgen. Wir haben es satt, betrogen zu werden und zu hören, dass wir bis 65 arbeiten müssten, um eine Rente zu bekommen. Denn viele von uns erreichen dieses Alter nicht, sondern husten nur noch Blut,“ sagte er vor den überraschten Journalisten, die nicht in der Lage waren, das ganze Ausmaß der Tragödie zu erkennen.

Evo Morales trifft sich erneut mit Staatschef

(La Paz, 28. März 2004, comcosur-poonal).- Evo Morales, Vorsitzender der MAS-Partei (Bewegung zum Sozialismus) und Anführer der Kokabauern-Bewegung, traf sich zum dritten Mal mit dem bolivianischen Staatschef Carlos Mesa. Er stimmte zu, zum Wohle der Demokratie bei der Umstrukturierung des Landes mitzuhelfen. Bei dem Treffen am 24. März erklärte die MAS, dass sie all jene Maßnahmen vorbehaltlos unterstützen werde, die dem Land zugute kämen, da sich Bolivien in einer desolaten wirtschaftlichen Situation befände.

Nach den Worten von Morales werde es allerdings bei der Frage einer Unterstützung seiner Abgeordneten für das neue Gesetzesvorhaben der Regierung zur Besteuerung von Finanztransaktionen nur schwer zu einer Einigung kommen. Seine Partei strebe im Gegensatz zur Regierung eine Erhöhung des Steuerlasten für Erdölunternehmen von 18 auf 50 Prozent an.

Außerdem wies er darauf hin, dass die MAS sich weiterhin gegen das neoliberale Modell stelle und davon ausgehe, dass der neu geschmiedete soziale Pakt bezahlbar werde, sobald das Erdöl für das Land zurückgewonnen und das wirtschaftliche System des Landes geändert würde. Morales wies Darstellungen zurück, wonach ihm als Gegenleistung für seine Kooperationsbereitschaft die Leitung der Migrationsbehörde angeboten worden sei.

PERU

Keine Konsequenzen aus dem Bericht der Wahrheitskommission.

(Lima, 24. März 2004, na-poonal).- Einige der ehemaligen Mitglieder der Kommission für Wahrheit und Versöhnung (CVR), die sich mit der Aufklärung der politischen Gewalttaten in Peru zwischen 1980 und 2000 beschäftigte, prangerten am 2. März die Passivität an, mit der die Regierung und andere Institutionen handeln würden, um den Empfehlungen des Gremiums gerecht zu werden. Die CVR hatte vor sechs Monaten eine Bericht vorgestellt, in dem sie verschiedene Empfehlungen ausgesprochen hatte.

Während der Veröffentlichung einer gekürzten Version des CVR-Berichts, der in Quechua und Spanisch gehalten ist, äußerten die ehemaligen Mitglieder des CVR ihr Unbehagen über die bislang unzureichende Arbeit der Regierung im Zusammenhang mit den zu erreichenden Empfehlungen der Kommission. Salomón Lerner, Ex-Präsident der CVR, bestätigte, dass keine Anzeichen der Änderung in Sicht seien. Die Parteichefs hätten sich gegenüber dem Bericht vom 28. August 2003 "unsensibel" verhalten.

Die Empfehlungen des CVR drehen sich um vier Achsen: institutionelle Reformen, um den nötigen rechtlichen Status zu klären und der Gewalt vorzubeugen; integrative Wiedergutmachungen für die Opfer; Erstellung eines nationales Plans über die Begräbnisstellen und Erarbeitung von Mechanismen zur Fortführung der empfohlenen Maßnahmen.

 

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