Poonal Nr. 604

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 23. Dezember 2003

Inhalt


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

GUATEMALA

MEXIKO

URUGUAY

ECUADOR/KOLUMBIEN

KOLUMBIEN

BOLIVIEN

SÜDAMERIKA


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

GUATEMALA

– Priester ermordet

MEXIKO

– Mexikanische Maiswirtschaft in Gefahr

URUGUAY

– Wasserreserven sollen privatisiert werden

– Ausreisewelle junger Menschen

ECUADOR/KOLUMBIEN

– Bürgerorganisationen fordern Ende der Herbizid-Besprühungen

KOLUMBIEN

– Antiterrorismusgesetz verabschiedet

BOLIVIEN

– Acht Kokabauern verhaftet

SÜDAMERIKA

Mercosur und Andenländer unterzeichnen Abkommen

 

GUATEMALA

Priester ermordet

(Guatemala-Stadt, 15. Dezember 2003, cerigua-poonal).- Am Abend des 14. Dezember wurde der Priester José María Ruiz Furlán ermordet. Menschenrechtsgruppen, soziale Aktivisten, Mitglieder der Gemeinde und der katholischen Kirche trauern über den Tod des Geistlichen, der auch "Padre Chemita" genannt wurde. Er war bekannt dafür, dass er über 40 Jahre hinweg Sozialleistungen für die Bedürftigsten eingeklagt hatte. Zudem übte er regelmäßig Kritik am politischen System sowie an der Militärspitze des Landes.

Der Priester war gerade auf dem Weg nach Hause. Nur wenige Meter entfernt von der Pfarrkirche Santo Cura de Ars in der Zone 5 in Guatemala-Stadt, wo er noch ein paar Minuten zuvor das Abendmahl gefeiert hatte, wurde er nach Zeugenaussagen von unbekannten Tätern aufgehalten. Diese schossen ihm mehrmals ins Gesicht.

Die Mitglieder der Gemeinde beschuldigen organisierte Gruppen, den Mord begangen zu haben. Es sei ähnlich gewesen „wie auch bei Monseñor Juan José Gerardi Conedera, dem im April 1998 im Pfarrhaus der Gemeinde San Sebastián ins Gesicht geschossen wurde". Für diese Tat wurden zwei Militärs und ein Priester gefangen genommen.

Die Mitglieder der Pfarrgemeinde Santo Cura de Ars führten die Ermordung ihres "Padre Chemita" darauf zurück, dass er in seinen Predigten das politische System, das organisierte Verbrechen, die Unsicherheit und die Armut kritisiert hatte. Die Behörden sprachen jedoch von einem Raubüberfall.

José María Ruiz Furlán hatte stets eine kritische Haltung gegenüber dem politischen System und der Militärspitze eingenommen. 1970 beschuldigte er die militärische Leitung des Mordes an seinem Bruder Oberst Carlos Ruiz Furlán. In den Jahren 1978 und 1982 hatte er als Kandidat an den Wahlen für das Amt des Bürgermeisters in Guatemala-Stadt teilgenommen. Außerdem war er an verschiedenen Geschäften beteiligt. Das hatte ihm den Unmut hoher katholischer Würdenträger eingetragen und führte schließlich zu seiner Verbannung aus der Kirche. Diese wurde aber 1999 wieder rückgängig gemacht.

Menschenrechtsaktivisten, die die soziale Arbeit und die Unterstützung der Ärmsten durch den Priester hervorhoben, verurteilten die Tat aufs heftigste und forderten die Behörden dazu auf, das Verbrechen aufzuklären.

MEXIKO

Mexikanische Maiswirtschaft in Gefahr

Von John Ross und Roberto Roa

(Mexiko-Stadt, 5. Dezember 2003, npl).- Die ergiebige Maisernste des Novembers, die die Speicher auch der kleinen, oft indianischen Landwirte in Mexiko gefüllt hat, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass eine der ältesten Maiskulturen der Welt um ihre Existenz bangen muss. Hunderten verschiedenen, oft einzigartigen Maissorten droht die Verdrängung durch Importe aus dem Norden: Im Rahmen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA schwemmt billiger Industriemais nach Mexiko, der zu einem großen Teil auch noch genetisch verändert ist.

Im Jahr 2002 importierte das Maisland Mexiko sechs Millionen Tonnen Mais aus den USA. Dort wird das Agrarprodukt seitens der Regierung mit rund 50.000 US-Dollar pro Hektar Anbaufläche subventioniert. Dadurch können US-Farmer ihren Mais zu einem Preis 20 Prozent unterhalb der Produktionskosten in Mexiko anbieten. Vor allem kleine Landwirte werden durch diese Billigimporte um ihre Marktanteile gebracht. Erleichtert wird dieser Deal durch die soeben abgeschlossene Privatisierung des Mais- und Getreidevertriebs: Jetzt kontrollieren multinationale Unternehmen wie Cargill Corporation und der weltgrößte Tortillahersteller Maseca, der zu einem Drittel dem Gentech-Unternehmen Archer Daniels Midlands gehört, den Maismarkt in Mexiko.

Eine direkte Folge der Existenzbedrohung der Maisbauern ist die zunehmende Migration in Richtung Norden. Seit Unterzeichnung des NAFTA 1992 hat die Auswanderungsbewegung in die USA stark zugenommen. Trotz aller Gefahren beim illegalisierten Grenzübertritt suchen Hunderttausende Mexikaner dort nach einer neuen Existenz. Über 3.000, viele von ihnen ehemalige Maisbauern, starben in den letzten zehn Jahren bei dem Versuch, die streng bewachte Grenze zu überwinden.

Doch auf lange Sicht schlimmer noch als der künstlich gesenkte Preis ist die Tatsache, dass der importierte Mais zum Teil genetisch manipuliert ist, wodurch die mexikanische Maisvielfalt zu einem Museumsstück degradiert wird. Greenpeace schätzt, dass vier von den sechs Millionen Tonnen importierten Mais' genetisch verändert sind. Da es den US-Farmern verboten ist, ihren Genmais in die EU oder nach Japan zu exportieren, wird dieser vor allem Richtung Mexiko verschifft, sagt Greenpeace-Sprecher Humberto Magallones.

Die schnelle Ausbreitung des Genmais überrascht sogar seine Kritiker. Obwohl dieser künstliche Mais erst seit fünf Jahren nach Mexiko eindringt, erreichte er bereits abgelegene Gegenden wie Calpulapan in der nördlichen Sierra von Oaxaca. Dem Nationalen Ökologischen Institut Mexikos zufolge hat der Genmais von 22 untersuchten Regionen in Puebla und Oaxaca bereits 16 kontaminiert, teilweise bis zu 60 Prozent.

Inzwischen hat Greenpeace eine regelrechte Kampagne gegen die Genmais-Importe nach Mexiko ausgerufen. Bereits während der Konferenz der Welthandelsorganisation WTO im September im mexikanischen Cancún bewarfen Aktivisten US-Repräsentanten mit Maiskörnern. Zudem versuchten sie mit einem eigenen Schiff, die Fahrt eines Maisfrachtern von New Orleans nach Veracruz zu verhindern.

Laut Greenpeace verletzt der Export von genverändertem Mais das Biodiversitäts-Protokoll von Cartagena. Ganz anders sieht dies die Biotech-Industrie, die in ihren genveränderten Produkten eine Maßnahme gegen den Welthunger sieht. Obwohl in Mexiko vor drei Jahren der Import von Genmais ausgesetzt wurde, um dessen Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft zu untersuchen, setzen die großen Biotech-Firmen die mexikanische Regierung ununterbrochen unter Druck. Derweil breitet sich der genmanipulierte Mais weiterhin ungehindert in Mexiko und auch den Ländern südlich davon aus, da er oft illegal dem Exportmais beigesetzt wird – und einmal im Land, verdrängt er aufgrund seiner größeren Resistenz schnell althergebrachte Maissorten.

URUGUAY

Wasserreserven sollen privatisiert werden

Von Andrés Gaudin und Roberto Roa

(Montevideo, 10. Dezember 2003, npl).- Ein Bodenschatz der besonderen Art liegt unter der Erde von Uruguay versteckt. Eingebettet in ein Sandsteinlager befindet sich dort das größte unterirdische Süßwasserreservoir der Welt. Guaraní nennt sich der Speicher von 37.000 Kubikmeter Grundwasser, der bis in die Nachbarländer Paraguay, Nordargentinien und Südbrasilien reicht. Pläne der uruguayischen Regierung, dieses bisher öffentliche Gut, mit dem 360 Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgt werden können, teilweise zu privatisieren, führt zu einer zunehmenden Mobilisierung in dem kleinen südamerikanischen Land.

Das Problem wurde im Jahr 2002 akut, als Uruguay in eine schwere Finanzkrise geriet. Der Weltwährungsfonds IWF gewährte einen Sofortkredit, um die Wirtschaft des Landes vor einem Kollaps wie in Argentinien zu bewahren. Als "Bürgschaft" jedoch verlangte der IWF, dass das Wasserreservoir Guaraní der privaten Wirtschaft zugänglich gemacht wird. Die konservative Regierung stimmte bereitwillig zu und schrieb diesen Ausverkauf wenig später nochmals mittels eines speziellen Wassergesetzes fest. Dagegen stimmte lediglich das Mitte-Links-Bündnis "Encuentro Progresista – Frente Amplio". Man verwies unter anderem auf die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung in der Provinz Maldonado, in der auch die Touristenmetropole Punta del Este liegt. Hier stieg die monatliche Festgebühr für Wasser auf knapp 600 Pesos, während sie im restlichen Land generell unter 60 Pesos liegt.

Seit 1994 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe aus den vier Anrainerstaaten mit der Frage, wie der Bodenschatz ohne Konflikte untereinander am effektivsten genutzt werden kann. Derzeit nutzt Brasilien das Wasservorkommen am intensivsten: die Bewohner von 500 Städten, darunter 5,5 Millionen in der Metropole Sao Paulo, werden damit versorgt. Das Interesse von IWF und Weltbank an dem Thema missfällt dabei vor allem Ökologen, aber auch Gewerkschaften und Nichtregierungs-Organisationen warnen vor neuen Interessenskonflikten. Im Mai dieses Jahres hatte die Weltbank angekündigt, den beteiligten Regierungen dabei zu helfen, die Entnahme von Wasser zu kontrollieren, eine Datenerhebung durchzuführen und Verschmutzungen vorzubeugen. Das gemeinsame Projekt soll 27 Millionen US-Dollar kosten und wird sowohl von der Organisation Amerikanischer Staaten OAS wie der Internationalen Atombehörde unterstützt.

Das Unterfangen löste vor allem Misstrauen aus. "Es ist gut, uns über den Erhalt dieser Vorräte zu verständigen, aber wir müssen aufpassen, dass damit nicht ein Privatisierungsversuch verbunden ist," erklärt die Gewerkschafterin Vilma Rosas. Sie erinnert daran, dass der IWF sich vor Jahresfrist versichern ließ, dass öffentliche Dienstleistungen in Uruguay "dereguliert" werden sollten, unter anderem die Wasserversorgung. Explizit sei es damals um das Wasserreservoir Guaraní gegangen, so Rosas.

"Um zu verhindern, dass uns unser Wasser geklaut wird, wie es in anderen Staaten mit dem Erdöl passiert, muss das Recht auf Wasser als ein Menschenrecht in der Verfassung festgeschrieben werden," fordert deswegen die "Kommission zur Verteidigung des Wassers und des Lebens" (CODAV). Sie sammelte bereits 280.000 Unterschriften, um eine Volksabstimmung zu dem umstrittenen Thema durchführen zu lassen. Schon mehrfach gelang es in Uruguay, Privatisierungsvorhaben per Volksabstimmung zu stoppen. Doch im Fall des Wassers geht es nicht um die Verhinderung eines einfachen Gesetzes, sondern um ein Plebiszit über eine Verfassungsänderung, das erst zur nächsten Parlamentswahl stattfinden kann.

Es wird befürchtet, dass die konservative Regierung bis dahin Fakten geschaffen hat. Zumal derzeit alles dafür spricht, dass die Frente Amplio, die bereits seit mehreren Legislaturperioden die Hauptstadt Montevideo regiert, dann auch die Präsidentschaft übernehmen wird.

Ausreisewelle junger Menschen

Von Andrés Gaudin

(Montevideo, 17. Dezember 2003, na-poonal).- Jeden Tag emigrieren mehr als hundert junge Uruguayer und Uruguayerinnen aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage in ihrem Land. Im zweiten Jahr in Folge hat der Staat eine einzigartige Ausreisewelle zu verzeichnen. Untersuchungen der Vereinten Nationen sind außerdem zu dem Ergebnis gekommen, dass Uruguay im regionalen Vergleich den höchsten Bevölkerungsanteil von Menschen über 60 Jahren vorzuweisen hat.

Die staatliche Migrationsbehörde schätzt, dass im ersten Halbjahr 2003 etwa 25.000 Personen das Land verlassen haben (das sind 133 pro Tag). In der zweiten Jahreshälfte sei diese Entwicklung leicht zurück gegangen, die Zahl der jungen Menschen, die das Land verlassen, liege aber immer noch bei über 100 Personen täglich.

Privaten Umfragen zufolge denkt 22 Prozent der uruguayischen Bevölkerung zwischen 18 und 45 Jahren an die Möglichkeit, sich im Ausland anzusiedeln. Das ist der höchste Wert innerhalb der letzten 20 Jahre und er wuchs vor allem im letzten Halbjahr (von 17 Prozent auf 22 Prozent). Gleichzeitig nähert sich die Arbeitslosenquote von nunmehr 18,6 Prozent einem historischen Hoch. Adela Pellegrino, Demographin an der Staatlichen Universität sagt, dass Uruguay eines der Länder mit dem höchsten Bevölkerungsanteil im Ausland sei. Etwa zwölf Prozent der Bevölkerung lebt außerhalb Uruguays. Pellegrino warnt außerdem vor den negativen wirtschaftlichen Folgen, die diese Entwicklung nach sich ziehen wird, vor allem innerhalb der Freihandelszone des Mercosur.

Unterdessen haben sowohl die Regierung der kanadischen Provinz Quebec als auch der italienische Kongress Projekte ins Leben gerufen, um ausreisewillige junge Menschen aus Uruguay anzulocken, speziell diejenigen mit einer höherwertigen Ausbildung. Sie folgen damit dem Beispiel Spaniens, das dieses Konzept bereits im Jahr 2001 umgesetzt hatte. Quebec bietet 5.000 jungen Menschen mit universitären Abschluss die Möglichkeit auszureisen. Denjenigen, die eine Arbeit finden, winkt eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Jeder und jede Ausreisewillige muss allerdings im Vorfeld bereits über 7.500 US-Dollar verfügen, um die Spesen des zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltes zu sichern. In dieser Summe sind die Reisekosten wie auch die vorläufige Aufenthaltserlaubnis (980 US-Dollar) enthalten. Während dieser Zeit haben die Jugendlichen die Möglichkeit, sich um eine Arbeit zu bemühen.

„Sie spielen nicht nur mit unserer Verzweiflung. Quebec hat auch vor, alle Jugendlichen mit einem guten Abschluss an sich zu reißen, die Intelligentesten unter uns und diejenigen, die das überhaupt zahlen können – und sie geben selbst keinen Cent aus,“ sagt Pablo, ein junger Ingenieur, der eine Einladung ausschlug. Auch Italien versucht mittlerweile, seinen Vorteil aus der Krise der südamerikanischen Länder zu ziehen. Der italienische Staat bietet ausreisewilligen „Kindern und Enkeln italienischer Emigranten“ eine einmalige Zahlung von 1.150 US-Dollar sowie die italienische Staatsangehörigkeit nach einem Jahr. Die Emigration verschärft jedoch die Wirtschaftskrise in Uruguay, da es gerade die ökonomisch aktivste Bevölkerungsschicht ist, die das Land verlässt. Das Problem betrifft ganz Lateinamerika, wo 75 Prozent der Emigranten und Emigrantinnen zwischen 18 und 40 Jahre alt sind.

ECUADOR/KOLUMBIEN

Bürgerorganisationen fordern Ende der Herbizid-Besprühungen

Von Luis Ángel Saavedra

(Quito, 17. Dezember 2003, na-poonal).- Am 10. November wurde in Quito eine weitere Untersuchung über die Gefahren des kolumbianischen Programms der chemischen Ausrottung der Kokaanpflanzungen veröffentlicht. Die Studie reiht sich ein in eine Serie von Nachweisen über Gesundheits- und Umweltschäden, die seit drei Jahren in der Zone von Putumayo an der Grenze zu Ecuador durch Besprühungen der Kokapflanzen verursacht werden. Ecuadorianische Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen legten diese Studie wie schon die vorhergehenden den staatlichen Behörden vor.

Der Bericht, der von der Defensoria del Pueblo (Institution des Ombudsmannes) in Auftrag gegeben worden war, wurde zwischen Juli und Oktober vom spanischen Tropenarzt Adolfo Maldonado von der ecuadorianischen „Acción Ecológica" und Doktor César Pazmiño vom Institut für Molekulargenetik der Katholischen Universität von Ecuador (PUCE) erarbeitet. Es wurden Tests hinsichtlich der Existenz genetischer Schäden an Blutproben von 22 Frauen aus Ecuador und Kolumbien durchgeführt. Diese Frauen leben an der Grenze und haben direkten Kontakt mit den Besprühungen aus der Luft mit Roundup-Ultra, einer Mischung aus dem Unkrautvernichtungsmittel Glifosat und den Hilfschemikalien POEA und Cosmosflux 411F.

Maldonado nahm ebenfalls Blutproben von 25 Frauen, die in einem Amazonas-Gebiet leben, das 80 km von den Besprühungsorten entfernt ist. Die Frauen versicherten weder zu rauchen noch alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Die in dieser Region üblichen Pflanzenschutzmittel entsprechen denen, die in der Grenzregion verwendet werden. Die Ergebnisse wurden noch mit denen einer dritten Gruppe von Frauen verglichen, die auf den Blumenanpflanzungen in der ecuadorianischen Sierra arbeiten und mit Pestiziden in Berührung kommen. Diese Kontrollgruppen sind für das Institut Molekulargenetik der PUCE notwendig, um die Ergebnisse vergleichen zu können.

Die Untersuchungsergebnisse sind dramatisch. „Die Gesamtheit (100 Prozent) der untersuchten Frauen, die Kontakt mit den Besprühungen haben, weist Vergiftungserscheinungen auf. Bei 36 Prozent konnten genetische Defekte in der Zellstruktur festgestellt werden. Die genetischen Schäden bei den Frauen in den Besprühungsregionen sind acht mal so hoch wie die der Kontrollgruppe (die Arbeiterinnen auf den Blumenplantagen) und fünf mal so hoch wie die der vergleichbaren Bevölkerung in dem 80 km vom Untersuchungsort entfernten Amazonas-Gebiet.

Wenn die Personen mit den genetischen Schäden den Besprühungen nicht mehr ausgesetzt sind, so regenerieren sich ihre Gene innerhalb von sechs Monaten oder einem Jahr. Aber solange die Schädigung anhält, riskieren sie Erkrankungen wie Krebs, Unfruchtbarkeit, Mutationen und Veränderungen am Embryo in der Schwangerschaft. Die Bewohner gaben an, das die Zahl der Fehlgeburten in der Zone angestiegen sei. Dies wird zur Zeit von der Gruppe Acción Ecológica genauer untersucht.

Die Untersuchung der Auswirkungen der kolumbianischen Besprühungen auf dem Territorium von Ecuador sind nicht neu. Acción Ecológica und das institutionsübergreifende Komitee gegen die Besprühungen CIF (Comité Interinstitucional contra las Fumigaciones) führen sie seit dem Jahr 2001 durch. Ihre Berichte bildeten die Grundlage für eine Verfassungsbeschwerde der im CIF zusammengeschlossenen Bürgerorganisationen im vergangenen Januar vor dem Ersten Verwaltungsbezirksgericht. Darin wird der Staat aufgefordert, den in der Verfassung verankerten Auftrag zu erfüllen und entsprechend die Bürger zu schützen.

Das Gericht nahm die Klage der Organisationen an und sprach am 22. Januar ein Urteil zu Gunsten der Kläger. Die ecuadorianische Regierung rief daraufhin das Verfassungsgericht an, welches von Richtern der rechten Sozialchristlichen Partei PSC (Partido Social Cristiano) und der Regierungspartei Sociedad Patriótica kontrolliert wird. Das Gericht hob die Entscheidung des Bezirksgerichts am 11. Juli diesen Jahres auf und befreite den Staat von jeglicher Verantwortung. „Die Entscheidung war vollkommen politisch. Sie basiert weder auf den präsentierten Beweisen noch auf juristischen Argumenten, welche die Klage stützten", erklärte der Anwalt Rodrigo Trujillo der Regionalen Stiftung für die Menschenrechte (INREDH) und Mitglied der Rechtsabteilung des CIF.

Hier ist ein ähnliches Verfahren beim Gericht von Cundinamarca in Kolumbien (die Region, in der die Hauptstadt Bogotá liegt) hervorzuheben. Dort wurde am 13. Juni einer Klage von sozialen Organisationen des Landes auf Unterlassung der Besprühungen aus der Luft stattgegeben und deren Einstellung angeordnet. Der kolumbianische Präsident Àlvaro Uribe legte gegen die Entscheidung Berufung ein. Eine endgültige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs steht derzeit noch aus. „Das wichtige ist, dass uns die Komplizenschaft der Regierungen Ecuadors und Kolumbiens bei dem Versuch, die Rechte der von den Chemikalien betroffenen Personen zu schützen, nicht besiegt. Wir bereiten gerade große soziale Mobilisierungen unter Beteiligung der indígenen Bevölkerung vor", erklärt Anwalt Trujillo.

KOLUMBIEN

Antiterrorismusgesetz verabschiedet

(Bogotá, 17.Dezember 2003, adital).- Mit der Verabschiedung des Antiterrorismusgesetzes am 10. Dezember habe Kolumbien ein „Weihnachtsgeschenk" erhalten, das die Errungenschaften auf dem Gebiet der Menschenrechte auf die Probe stellt. Nach Ansicht der Ständigen Versammlung der Zivilgesellschaft für den Frieden (Asamblea Permanente de la Sociedad Civil por la Paz) sei die Verabschiedung des Gesetzes ein historischer Rückschritt im Kampf um die Verankerung demokratischer Institutionen und dem politischen Bestreben um die Achtung, Garantie und Verteidigung der Menschenrechte. Vor der internationalen Gemeinschaft sei es unvertretbar, dass am Gedenktag der internationalen Erklärung der Menschenrechte ein Gesetz beschlossen werde, das die auch von Kolumbien auf diesem Gebiet unterzeichneten internationalen Vereinbarungen um 55 Jahre zurückwirft.

Mit der Verabschiedung werden übergangsweise vier Artikel der Verfassung geändert. Damit sind nunmehr Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und telefonische Überwachungen ohne richterlichen Beschluss ebenso erlaubt sowie die Registrierung oder Zählung von Personen in bestimmten Ortschaften. Ferner werden dem Militär polizeiliche Ermittlungsbefugnisse zur Sicherung von Beweismitteln übertragen. Das Gesetz kann erst Mitte nächsten Jahres in Kraft treten, da es noch per Verordnungsgesetz geregelt werden muss, das die Regierung dem Kongress im März 2004 vorlegen muss.

Die UNO hat in einer Erklärung darauf hingewiesen, dass ihre an die Regierung von Präsident Álvaro Uribe und den Kongress gerichteten ausdrücklichen Empfehlungen nicht berücksichtigt wurden. Dort hatte die UNO auf die Komplikationen hingewiesen, die sich aus der Einführung von Gesetzen ergeben, die gegen völkerrechtliche Verträge über Menschenrechte verstoßen, die gerade auch von Kolumbien unterzeichnete wurden. Die Vereinten Nationen wiesen darauf hin, dass Kolumbien bereits über Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen zur Prävention gegen terroristische Handlungen und Bestrafung der Verantwortlichen verfüge und somit die Notwendigkeit für ein Antiterrorgesetz nicht gegeben sei.

BOLIVIEN

Acht Kokabauern verhaftet

(Montevideo, 16. Dezember 2003, púlsar).- Bei einem gigantischen Polizeieinsatz sind acht Kokabauern aus der Region El Chapare verhaftet worden. Die Regierung unter Carlos Mesa wirft ihnen Terrorismus und Aufstand mit Waffengewalt vor. Die Operation, die in unterschiedlichen Orten im Gebiet um Cochabamba vollzogen wurde, bezeichnete der Anführer der Kokabauern Evo Morales als eine "Provokation", die von der US-Botschaft angezettelt worden sei.

Nach Behördenangaben zählen die verhafteten Kokabauern zu dem Personenkreis um den Kolumbianer Francisco "Pacho" Cortés. Cortés wurde vor acht Monaten in Bolivien verhaftete und man legt ihm, ohne jeglichen Beweise, Terrorismus sowie die Mitgliedschaft in der Nationalen Befreiungsarmee ELN (Ejército de Liberación Nacional) zur Last. Die Verhaftenten bestreiten jedoch die Vorwürfe. Der Staatsanwaltschaft liegt eine Liste mit weiteren 20 Personen vor, unter ihnen Führer und Arbeiter der Bewegung, die ebenfalls verhaftet werden sollen. Ihnen allen wirft man vor, direkt oder indirekt am Tod von vier Polizeibeamten der Kokabekämpfungseinheit, die in den vergangenen zwei Monaten durch Sprengstoffanschläge starben, beteiligt gewesen zu sein.

Die Polizeibehörden gehen davon aus, dass die Verantwortlichen dieser Anschläge Verbindungen zur Führung der Kokabauern und dem Drogenhandel haben. Im Gegensatz hierzu meint Evo Morales, dass es sich um Beauftragte der US- Botschaft handele. Dennoch bekräftigten Morales und die Führung des MAS im Rahmen der Ereignisse ihre Bitte nach "sozialem Frieden". Sie riefen die Arbeiter auf, ihre Forderungen und Mobilisierungen zumindest bis zum neuen Jahr auszusetzen.

SÜDAMERIKA

Mercosur und Andenländer unterzeichnen Abkommen

(Asunción, 16. Dezember 2003, recosur-poonal).- Die Länder des Mercosur unterzeichneten am 16. Dezember in Montevideo ein Freihandelsabkommen mit der Union der Andenländer CAN (Comunidad Andina de Naciones). Die Außenminister der beteiligten Staaten bezeichneten das Abkommen als „historisch“. Die beteiligten Staaten wollen sich von jetzt ab halbjährlich treffen, um die Integration der Länder in das Bündnis voran zu treiben.

Die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay haben Peru als assoziiertes Mitglied des gemeinsamen Marktes anerkannt. Peru hat nun denselben Stand im Mercosur wie Chile und Bolivien. Der Beitritt Perus wurde stark vom brasilianischen Außenministerium vorangetrieben. Das Treffen in Montevideo zeigte auch Fortschritte in den Verhandlungen mit Kolumbien, Venezuela und Ecuador, den anderen Ländern der Union der Andenländer CAN.

Trotz der Begeisterung des brasilianischen Außenministeriums offenbarten sich in Montevideo Unstimmigkeiten innerhalb der brasilianischen Delegation. „Es wäre auf politischer Ebene wünschenswert, die Verhandlungen noch bis Ende des Jahres abzuschließen, aber das hat seinen Preis“ sagte der brasilianische Minister für Entwicklung, Industrie und Handel, Luis Fernando Furlan. Er gab zu verstehen, dass Brasilien sowohl die Freihandelszone in Manaus als auch die Zuckerwirtschaft von den Verhandlungen mit den Andenländern ausschließen würde. Dies stieß dort auf große Enttäuschung. Der brasilianische Außenminister Celso Amorim versicherte, dass „99 Prozent“ der Abmachungen bereits erreicht worden seien und erklärte, dass von den zehn Anhängen des Vertrags acht bereits erledigt seien.

Ein Abkommen zwischen dem Mercosur und der Union der Andenländer CAN umschließt 350 Millionen Menschen, die jährlich Güter und Dienstleistungen im Wert von einer Milliarde Dollar produzieren. Ein im Oktober veröffentlichter Bericht des Verbandes der Integration Lateinamerikas ALADI (Asociación Latinoamericana de Integración) zeigte, dass die Exporte der Mercosurländer in die Länder des CAN im Jahr 2002 um 3.3 Prozent gestiegen, die Exporte der Andenländer in die Südspitze Lateinamerikas jedoch um 26,9 Prozent gefallen waren.

Während des Gipfels in Montevideo übergab Uruguay den Vorsitz des Blocks an Argentinien, während der argentinische Ex-Präsident Eduardo Duhalde die Führung über die Repräsentanten-Kommission übernahm. Themen für die Zukunft sind: die Möglichkeit der Schaffung eines regionalen Parlaments, die Gründung einer Zentralbank und einer gemeinsamen Währung sowie der Vorschlag Argentiniens, gemeinsam die Auslandsverschuldung zu verhandeln.

 

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