Poonal Nr. 591

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 23. September 2003

Inhalt


BOLIVIEN

MEXIKO

GUATEMALA

NICARAGUA

PANAMA

KUBA

KOLUMBIEN-BRASILIEN

KOLUMBIEN

VENEZUELA

ECUADOR

BRASILIEN

PARAGUAY

URUGUAY


BOLIVIEN

Tote bei Auseinandersetzungen zwischen Landarbeitern und Armee

(La Paz, 22. September 2003, recosur-poonal).- Mehrere indigene Landarbeiter und ein Soldat sind in der nördlich der Hauptstadt La Paz gelegenen Ortschaft Sorata bei Auseinandersetzungen ums Leben gekommen. Zuvor war ein Polizei- und Militärkonvoi durch Straßenblockaden aufgehalten worden. Nach Angaben des Bauernführers Felipe Quispe hätten die indigenen Landarbeiteraber erst angegriffen, nach dem Soldaten grundlos zwei Aktivisten verhaftet hatten. Danach sei es zu der Schießerei gekommen. In der Nacht zum Sonntag wurden in Sorata Hotels, eine Polizeistation und ein Gerichtsgebäudeangegriffen.

Bereits die ganze vergangene Woche über kam es in Bolivien zu Demonstrationen und anderen Aktionen gegen den Export von Gas in die USA und das geplante Gesamtamerikanische Freihandelsabkommen ALCA. Bauern legten den Verkehr nach Cochabamba, Santa Cruz, Oruro, Potosí Sucre und Tarija lahm. Die von dem Parlamentarier und Bauernführer Quipse angeführten Landarbeiterforderten zudem die Freilassung des inhaftierten Edwin Huampo, dem Bauernführer der Provinz „Los Andes“. Zudem blockierten Bewohner der Ortschaft El Alto die Strassen, um gegen Maßnahmen des Bürgermeisters zuprotestieren, durch die die „Altenos“ mehr Steuern zahlen sollen.

Ab dem 16. September wurden die Transporte zwischen den Regierungsbezirken sowie die Überlandtransporte eingestellt. Der Zivilstreik von „El Alto“ verhinderte zudem den Verkehr zum Altiplano. Außerdem hatten die Transporteure von Yungas (Nördlicher Regierungsbezirk von La Paz)entschieden, sich den Blockaden für die Öffnung der Strecke Cotapata-Santa Barbara anzuschließen. So blieben die Reisenden auch dort ohne Transportmöglichkeit.

Präsident Sanchez de Lozada sagte, zu den Mobilisierungen sei von der Bewegung zum Sozialismus MAS (Movimiento al Socialismo) aufgerufen worden. Die Regierung habe „die Ordnung wiederherstellen“ müssen, koste es was es wolle.

Bolivianisches Gas und Öl – eine Eigentumsfrage

(La Paz, 16. September 2003, recosur-poonal).- Die Bewegung zum Sozialismus MAS (Movimiento al Socialismo) wird die Annullierung aller Verträge über die Kapitalisierung der Erdöl- und Erdgasressourcen Boliviens fordern. Die Abkommen wurden zwischen der vorigen Regierung von Gonzalo Sánchez de Lozada und den transnationalen Unternehmen unterzeichnet. Laut dem MAS-Abgeordnete Manuel Morales Olivera seien sie aber nicht nach den bolivianischen Gesetzen erfolgt.

Laut Verfassung hätte das bolivianische Parlament diese Übertragungen genehmigen müssen, „aber dies ist so nicht geschehen“. Für die Übertragung staatlicher Güter ist eine Genehmigung der Legislative nötig. „Es wird ein Gesetz gebraucht“, sagte Morales Olivera.

Diese Verträge wurden den Parlamentariern nie zur Behandlung vorgelegt. Zwei Tage vor dem Regierungswechsel (am Ende der Regierung von Sánchez de Lozada1993-1997) sei ein Präsidialdekret erlassen worden, mit dem die Reichtümer des Staatsunternehmens „Bolivianische Erdölvorkommen“ (Yacimientos Petrolíferos Bolivianos YPFB) den transnationalen Unternehmen übergeben worden seien. Damit habe „Sánchez de Lozada seine Missachtung für das Land“ bewiesen, so Morales Olivera.

Angesichts dessen werde die MAS alles unternehmen, was möglich sei, damit die Erdölressourcen Boliviens wieder in Staatshände zurückgelangen: „Wir haben es hier mit einer Eigentumsfrage zu tun. Jenseits des Verkaufs des Gases über chilenische und peruanische Häfen müssen wir auch über das Eigentum am Gas und Öl diskutieren,“ sagte er.

MEXIKO

Versuchte Beschlagnahmung der Technik bei nichtkommerziellem Radio.

(Mexiko-Stadt, 15. September 2003, pulsar-poonal).- Am 10. Septemberversuchten die mexikanischen Behörden die technische Ausrüstung des Community-Radios „La Voladora“ in Amecameca zu beschlagnahmen. Das Radio ist Mitglied des weltweiten Netzwerks freier Radios AMARC (Asociación Mundial de Radios Comunitarias). Wie fast alle Community Radios in Mexiko ist La Voladora ein Piratensender, da es in diesem Land bislang keine gesetzlichen Grundlagen für freie Radios gibt.

Obwohl die Rechtsanwälte des Radios die Inspektion für ungesetzlich erklärt hatten, da der zuständigen Behörde ein Fehler bei der Ortung des Senders unterlaufen war, versuchten die Inspektoren, unter Gewaltanwendung bis zur Sendekabine vorzudringen. Sie machten dabei Fotos und Videoaufnahmen von den Radiomacher*innen. Diese widerstanden den Einschüchterungsversuchen und verhinderten den Zutritt der Staatsdiener mit einer Menschenkette, gab die Vertretung von AMARC in Mexiko in einer Pressemitteilung bekannt. Der Beschlagnahmungsversuch fand zwei Wochen vor Beginn des Runden Tischesstatt, an den sich Vertreter*innen des Verkehrs- und Kommunikationsministeriums gemeinsam mit Vertreter*innen von AMARC, der Menschenrechtsabteilung des Innenministeriums, dem Direktor der staatlichen Rundfunk und Fernsehanstalt sowie die Kommission zur Entwicklung der indigenen Bevölkerung (Comisión Nacional para el Desarrollo de los PueblosIndígenas) gemeinsam setzen wollen.

Der Innenminister hatte sich noch vor kurzem den Menschenrechtsorganisationen gegenüber verpflichtet, nach einer Lösung für die gesetzliche Schieflage der Community Radios und nach einer Möglichkeit für deren Legalisierung zu suchen.

Soziale Organisationen haben mittlerweile ein Kommuniqué an den mexikanischen Präsidenten Vicente Fox geschickt und ihn darin aufgefordert, die Situation von „La Voladora“ zu klären und die Belästigung der freienRadios einzustellen. Sie erinnerten ihn daran, dass Eduardo Bertoni, der Referent für das Recht auf freie Meinungsäußerung der interamerikanischen Menschenrechtskommission, während seines jüngsten Besuchs in Mexiko die Landesregierung dazu beglückwünscht hatte, dass sie aktiv nach Lösungen für die Community Radios suche und somit das Recht auf freie Meinungsäußerung im Land stärke.

GUATEMALA

Wahlen: Sorge der internationalen Beobachter wächst

(Guatemala, 17. September 2003, cerigua).- Eine Beobachtermission, die von drei internationalen Organisationen nach Guatemala entsandt wurde, ist besorgt. Laut ihren Einschätzungen könne das Ergebnis der kommenden Präsidentschaftswahl im Land manipuliert werden. Es wachse zudem das Risiko, dass die Regierungspartei unter Duldung wichtiger Regierungsbeteiliger ihre Meinung über den Willen des Volkes stelle.

Die siebentägige Untersuchung endete am 17. September. Während dieser Wochebeobachtete die Mission die Wahlkampagnen. Die Gruppe kam zu dem Ergebnis, dass es in Guatemala in Wahlzeiten eine steigende Gewaltbereitschaft gibt. Diese könnte zu einer Manipulation des Ergebnisses der Wahl führen.

Die Beobachtermission wurde von der in Chicago ansässigen Stiftung für Menschenrechte in Guatemala, dem US-amerikanischen Ausschuss für Menschenrechte in Guatemala mit Sitz in Washington und dem Netz für den Frieden und die Entwicklung Guatemalas entsandt. Diese drei Organisationenwerden die Entwicklung der Wahl am 9. November überwachen.

Die internationalen Beobachter erwähnten, dass es eine Reihe von Regelwidrigkeiten in Guatemala gebe. So etwa Verstöße gegen das Grundgesetz seitens einiger Richter des Verfassungsgerichtes. Diese hatten die Einschreibung des Ex-Militärdiktators Efraín Ríos Montt ins Wahlregistergenehmigt. Auch die Finanzierung einiger Kandidaten der Republikanischen Front Guatemalas FRG (Frente Republicano Guatemalteco) mit Gelder des nationalen Etats wurde kritisiert. Außerdem herrsche ein weit verbreitetes Klima von Gewalt und Unsicherheit in der Gesamtbevölkerung.

Die Beobachter sind der Auffassung, dass diese Atmosphäre auf die Straflosigkeit zurückzuführen sei, auf die einige Beamte -Mitglieder der Regierungspartei- und andere Gruppen zählen. Sie fügten hinzu, dass die Möglichkeiten den Wahlverlauf zu kontrollieren begrenzt und unzureichend seien. Dies werde immer deutlicher durch die Anzeigen von gefälschten Meldenachweisen und Unregelmäßigkeiten im Wählerverzeichnis. Beide Probleme wurden bis jetzt noch nicht vor dem Obersten Wahlgericht untersucht.

Von der US-amerikanischen Schwarzen Liste gestrichen

(Guatemala, 16 September 2003, cerigua-poonal).- Kritik, Rechtfertigungen und Zweifel kamen auf, nachdem die US-Regierung jüngst die Einordnung Guatemalas als so genanntes unkooperatives Land offiziell zurücknahm. Das Land wurde aus der Schwarzen Liste gestrichen, weil die US-Regierung Fortschritte im Kampf gegen Drogen in Guatemala erkannt haben will.

Nach Angaben lokaler Presseberichte stimmen nordamerikanische politische Beobachter und Beamte darin überein, dass der Hauptgrund der Streichung Guatemalas von der Schwarzen Liste darin liege, dass die US-Regierung die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens durch Guatemala beschleunigen will. Auf dieser Liste stehen alle Länder, die im Kampf gegen Drogenhandel nicht mit den USA kooperieren.

Adam Isacson, Experte für Betäubungsmittelangelegenheiten des Zentrums für Internationale Politik der Vereinigten Staaten, zeigte sich überrascht, dass die Bescheinigung lediglich wirtschaftlichen Interessen unterliegt. Er fügte hinzu, dass nicht bestätigt worden sei, dass alle Forderungen des vergangenen Januars vollständig erfüllt wurden.

Paul Simons, Chef des staatlichen nordamerikanischen Antidrogenbüros, erklärte, dass Präsident George W. Bush einen Anstieg von Beschlagnahmungen, Aktionen gegen Geldwäsche und Verfolgungen von Dealern beobachtet habe, jedoch hinsichtlich der Korruption weiterhin besorgt sei.

Trotzdem teilt der Direktor des für Lateinamerika zuständigen „Rates für Westliche Angelegenheiten“ Larry Birns die Entscheidung der Bush-Regierung nicht. Für ihn führt einer der Hauptwege des Drogenhandels durch Guatemala.

Laut Veröffentlichungen wurden nur vier Forderungen durch die Regierung unter Präsident Alfonso Portillo erfüllt: der Aufbau einer Antidrogen-Eingreiftruppe, die Erlaubnis, dass US-amerikanische Militärs die guatemaltekische Küste überwachen sowie ihre Truppen im Land ausbauen dürfen und die Verbrennung von beschlagnahmtem Rauschgift. Aspekte wie der Baueiner Lagerstätte zur Aufbewahrung beschlagnahmter Drogen, die Entwicklung eines Antidrogenplans, die Verhaftung von wichtigen Figuren im Drogengeschäft, die Einführung eines Gesetzes zur Nutzung von gerichtlichbeschlagnahmtem Material, Erleichterungen bei der Durchführung von Hausdurchsuchungen, die Auslieferung von Drogenhändlern und die Ausweitung von Beschlagnahmungen seien dagegen nicht vollständig erfüllt worden.

Guatemala wurde am 31. Januar dieses Jahres wegen des geringen Einsatzes im Kampf gegen den Drogenhandel und den Verwicklungen von Regierungsbeamten in das Geschäft in die Liste aufgenommen. Dieses Vorgehen wurde von den lokalen Behörden nicht gut aufgenommen. Sie drohten damit, die USA vor der Organisation Amerikanischer Staaten OEA wegen Einmischung in interne Angelegenheiten des Landes zu verklagen.

Personal und Budget von Minugua werden 2004 gekürzt

(Zacapa, 16. September 2003, cerigua-poonal).- Der Chef der UN-Mission zur Überprüfung der Menschenrechte in Guatemala MINUGUA Tom Koenigs erklärte lokalen und regionalen Regierungsvertretern sowie der Bevölkerung von Zacapa, Chiquimula, el Progreso und Izabal, dass der Überwachungsprozesstrotz der Kürzung des Budgets und der Halbierung des Personal im Jahr 2004 weiter auf höchstem Niveau durchgeführt werde.

Koenigs, der auch Vertreter des UN-Generalsekretärs Kofi Annan in Guatemala ist, kündigte an, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Verlängerung der Aktivitäten von MINUGUA für ein Jahr beschlossen habe. Ander Versammlung der UN nehmen 191 Ländern teil. Die Organisation stützte ihre Entscheidung auf die immer noch schwierige politische Situation des Landes.

MINUGUA kam 1994 nach Guatemala. Ihre Aufgabe sei die Konsolidierung des Friedens und des demokratischen Prozesses des Landes und die Überwachung und Einhaltung der Grundrechte sowie die Einhaltung rechtsstaatlichen Vorgehens, fügte Koenigs hinzu.

Der Streit um die Privatisierung des Gesundheitswesens

Von Andreas Boueke

(Guatemala-Stadt, 18. August 2003, npl).- Im morgendlichen Verkehr scheinen die Staus auf den Straßen von Guatemala-Stadt endlos zu sein. Um diese Zeit kann man das Krankenhaus Roosevelt nur im Schneckentempo erreichen. Wer schneller vorankommen will, muss früh aufstehen, so gegen vier oder fünf Uhr. Das hat auch den Vorteil, dass man sich dann am Anfang der Schlangekranker Menschen einreihen kann, die vor dem öffentlichen Hospital auf Einlass warten. Wer erst gegen acht Uhr kommt, muss mit einem Platz hinter mehreren hundert Personen vorlieb nehmen.

Sobald die Türen des Krankenhauses geöffnet werden, herrscht in der Eingangshalle minutenlanges Chaos. Viele Menschen rennen buchstäblich im Sprint zu der Abteilung, in der sie behandelt werden möchten. Dort wollen sie wieder einen günstigen Platz in der Warteschlange ergattern. Wer sich nicht auskennt und erst mal unwissend umherblickt, für den sammeln sich in diesen verlorenen Sekunden mehrere Stunden Wartezeit an.

Nach und nach ebbt das Chaos ab. Die Wartenden verteilen sich auf dem Gelände des Krankenhauses, das eines der größten in Mittelamerika ist. Einige Patienten sind gut gelaunt, weil sie nach Monaten des Wartens endlich einen Operationstermin bekommen haben. Andere trauern leise über den Tod eines Familienangehörigen. Wieder andere sind wütend, weil sie für ein Röntgenbild zweihundert Quetzales zahlen sollen. Diese 25 Euro bedeuten für viele einen ganzen Wochenlohn. Letztlich aber resignieren alle und ordnen sich der Willkür des staatlichen Gesundheitssystems unter. Der Chirurg Edvin Morales meint: „Es wäre das beste, wenn die öffentlichen Krankenhäuser in Guatemala privatisiert würden. Der Staat hat nicht genug Geld, um die Gesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. In einem privaten System müssten die Leute zwar zahlen, aber dafür bekämen sie einen besseren Service.“

Ähnlich wie in den meisten Ländern Lateinamerikas sind auch in Guatemala die Anzeichen einer Privatisierungswelle im Gesundheitsbereich nicht zuübersehen. Um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diesen Prozess zulenken, haben sich zahlreiche Organisationen in der Nationalen Gesundheitsinstanz zusammengeschlossen. Die Koordinatorin des Netzwerks, Lidia Morales, möchte eine weitreichende Privatisierung des Gesundheitssektors verhindern: „Doch wir erleben eine schleichende Privatisierung durch Abnutzung. Weil die Regierung die öffentlichen Dienstleistungen bewusst vernachlässigt, geht das Vertrauen der Bevölkerung verloren. So steigt der Bedarf an privaten Angeboten.“

Die Zahl der teuren Privatkliniken nimmt ständig zu. Es gibt dort zwar keine Warteschlangen und jeder Einzelne wird sorgfältig betreut, aber einen solchen Service können sich die meisten Guatemalteken nicht leisten. Der Bauarbeiter Coronado Ramos zum Beispiel muss mit seinem Monatseinkommen von rund zweihundert Euro eine sechsköpfige Familie ernähren: „Wir Armen habe nie Geld. Wenn wir krank sind, müssen wir dorthin gehen, wo wir zwar schlecht behandelt werden, aber wo wir zumindest nicht zu zahlen brauchen.“

Doch auch in dem staatlichen Krankenhaus Roosevelt sind schon längst nicht mehr alle Leistungen umsonst. So muss die Krankenschwester Gloria in der Notaufnahme immer wieder untätig das Sterben zahlungsunfähiger Unfalloperbeobachten. „Patienten mit Schädeltraumata können wir oft deshalb nicht retten, weil zuerst eine Tomographie gemacht werden muss. Die aber kostet Geld. Das Krankenhaus hat nicht die nötigen Mitteln, um den Leuten eine Tomographie zu schenken. So bleibt der Patient ohne Behandlung, bis ein Familienangehöriger auftaucht und zahlt. Nach etwa sechs Stunden sind viele tot, obwohl der Eingriff nicht so schwierig gewesen wäre.“

Im Prinzip finanziert sich das öffentliche Gesundheitswesen vorwiegend aus Steuern. Doch mit etwa neun Prozent des Bruttosozialprodukts hat Guatemala das niedrigste Steueraufkommen in ganz Lateinamerika. Weil zudem noch die Militärausgaben höher sind als die für das Gesundheitswesen, funktionieren die öffentlichen Krankenhäuser meist am Rand des Existenzminimums. So gesehen ist das Gesundheitswesen schon längst weitgehend privatisiert. 75Prozent der Ausgaben werden im privaten Bereich getätigt, vor allem in den Apotheken. Nur 25 Prozent sind öffentlich. Der Generalsekretär der nationalen Gewerkschaft der Gesundheitsarbeiter, Luis Alberto Lara, schimpft: „In diesem Gesundheitssystem werden unsere Kinder und Frauenweitgehend ausgeschlossen. Sie bekommen keine Hilfe und sterben an Krankheiten, die sich leicht vermeiden ließen.“ Statistisch gesehen kommt ein Arzt auf tausend Menschen. Da jedoch die meisten Ärzte in der Hauptstadtarbeiten, gibt es in vielen ländlichen Regionen nicht einen einzigenausgebildeten Mediziner, geschweige denn ein Gesundheitszentrum.

Der Liberalisierungsprozess und der Rückzug des Staates aus sozialen Bereichen scheint unaufhaltbar. Einen weiteren Schub bekommt diese Entwicklung durch die Verhandlungen über das General Agreement on Trade and Services, GATS, das im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert wird. Auf der WTO-Ministerkonferenz Mitte September im mexikanischen Cancún sollte der Weg für diePrivatisierung von und den Handel mit Gesundheits-Dienstleistungen geebnetwerden. Daraus wurde aber nach dem Scheitern des Gipfels nichts.

Der Direktor des Büros der Weltbank in Guatemala, Eduardo Somensato, erhofft sich von dem GATS-Abkommen positive Entwicklungsimpulse für die armen Länder der Welt. „Die öffentliche Verwaltung bringt nicht zwangsläufig die bestenVoraussetzungen mit, um ein Gesundheitswesen zu managen. Wir glauben, eswäre viel effizienter, diese Aufgaben mit Verträgen und Konzessionen an die Privatwirtschaft zu übergeben. Natürlich kostet das Geld. Wer mehr bezahlt, bekommt einen besseren Service, einen besseren Zugang und letztlich eine bessere Gesundheit.“

Kritiker der Privatisierungswelle weisen darauf hin, dass die meisten Menschen in Lateinamerika nicht genug Geld haben, um für ihre Gesundheitsversorgung zu zahlen. Der Politologe Omero Fuentes spricht von einer Ausgrenzung der Bevölkerungsmehrheit: „Die soziale Vision der Weltbank ist an Schreibtischen entstanden. Das Denken dieser Leute hat nichts mit der Realität unseres Landes zu tun. Trotzdem drängt die Weltbank unsere Regierungen in Richtung dieser Rezepte. Sie sagt: 'Ihr bekommt nur dann einen Hundert-Millionen-Dollar-Kredit, wenn ihr diesen und jenen Bereich eures Gesundheitswesens reformiert.“

Der Reformbedarf im Gesundheitswesen ist offensichtlich, ob in Deutschland, in Guatemala oder in den meisten anderen Ländern der Welt. Doch überall dort, wo der Solidargedanke durch Privatisierungskonzepte in den Hintergrundgerückt wurde, sind die Kosten für Gesundheitsversorgung gestiegen. In Chile zum Beispiel, dem lateinamerikanischen Musterland der Liberalisierung, richtet sich die Versorgung heute vorwiegend nach dem Geldbeutel. In den USA, dem einzigen Land der Welt, in dem noch nie in großem Stil ein Umverteilungssystem im Gesundheitssektor etabliert wurde, ist die Versorgung so teuer wie nirgendwo sonst. Demgegenüber müssen sich die meisten Menschen in armen Ländern wie Guatemala mit einer Gesundheitsversorgung auf niedrigstem Niveau begnügen.

Vor dem Hospital Roosevelt in Guatemala-Stadt vergeht kein Tag, ohne dass sich eine Schlange wartender Kranker bildet. Einige haben Glück und bekommen ihre notwendige Behandlung. Für andere wird es zu spät sein. Kranke Menschen in Guatemala müssen geduldig sein. Zumeist gilt: Wer nicht bezahlen kann, wartet oder stirbt.

NICARAGUA

Freihandelsvertrag mit den USA bedroht Pharma-Industrie

(Managua, 12. September 2003, alc-poonal).- Die Organisation Ärzte Ohne Grenzen MSF (Medicos Sin Fronteras) und eine 26 Organisationen umfassende Initiative für den Zugang zu wesentlichen Medikamenten warnt Handelspartner des Freihandelsvertrages mit den USA, dass dieses Abkommen mit Blick auf die Arzneimittelversorgung für die Region schädlich sei.

Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag (9.9.) hieß es, dass der Vertrag einen unkontrollierbaren Preisanstieg bei Medikamenten mit sich bringen würde. Zudem könnten 200 zentralamerikanische Pharmaunternehmen vom Markt verschwinden, da die großen transnationalen Unternehmen frei auf den Markt kämen.

Die internationalen Konzerne wollen, dass der Vertrag ihnen einen Schutz ihrer Marken über einen Zeitraum von 40 Jahren gewährleistet. Monika Negrete von MSF sagte, dass die Medikamente außerhalb des Vertrages mit den USA bleiben könnten, wenn die zentralamerikanischen Staaten einen Block bilden würden, um eine Aufnahme zu verhindern.

Callen Morrizón, Rechtsberaterin von MSF, meinte, dass man in Bezug auf die kostengünstigen Generika die Vereinbarungen der Weltgesundheitsorganisation respektieren müsse. Sie fügte hinzu, dass im Falle einer Protektion, wie sie von den Transnationalen beantragt sei, preisgünstige Medikamente zur Aidskontrolle verschwinden würden, die zur Zeit in Zentralamerika für 10Centavos zu haben seien. Diese würden dann 27 Dollar kosten.

Negrete teilte mit, dass der Zugang zum Gesundheitssystem in Nicaragua sehrprekär sei, da die Versorgung in den Gesundheitszentren nicht gewährleistet sei und die Preise in den privaten Apotheken schon jetzt zu hoch seien. Zwar habe sich die Konkurrenz der Generika bei lebenswichtigen Medikamentenbemerkbar gemacht, sagte sie. Die Preise für Medikamente würden aber steigen, wenn die Gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA (Área de Libre Comercio de las Américas) strengere Normen durchsetzt.

Funktionäre von MSF erklärten, dass Entwicklungsländer dem Druck nicht nachgeben dürften. Dieser führe dazu, dass mit der Gesundheit der Bürgergehandelt werde. Die Regierungen müssten fordern, dass man das Recht der Länder respektiere, nach dem sie bestimmen können, worin ein nationaler Notfall und ein extremer Notfall bestehe und in welchem Fall der Prozess der Vergabe der obligatorischen Lizenz vereinfacht bzw. beschleunigt würde. Die Frage des Notfalls ist nach Regeln der Welthandelsorganisation WTO entscheidend für die Marktfreigabe der Generika.

Der Arzt Jaime Espinoza, Koordinator der Initiative für den Zugang zu wesentlichen Medikamenten, rief die Handelspartner der USA dazu auf, die Rechte an intellektuellem Eigentum zu respektieren. Dies müsse auf der Basis von Medikamentenverhandlungen geschehen, in denen die im Jahre 2001unterschriebene Deklaration der WTO in Doha respektiert werde. Diese Deklaration wurde im Rahmen der WTO-Ministerkonferenz von Cancún Anfang September modifiziert.

PANAMA

Demonstration gegen die Regierung

(Montevideo, 15. September 2003, púlsar-adital-poonal).- Rund 200.000Menschen demonstrierten am letzten Samstag (19.9) in Panama-Stadt gegen den Abbau sozialer Leistungen und gegen die Privatisierung der Sozialkassen.

Bereits am 13. September fand ein Marsch statt, den politische Beobachter für die bis dato größte Demonstration gegen die Regierung von Mireya Moscoso hielten. Es kam zu keinen gewalttätigen Zwischenfällen. Sprecher der beteiligten Gruppen gingen von etwa 50.000 Demonstrierenden aus.

Beide Demonstrationen setzten sich aus Arbeitern, Lehrern, Studenten, Krankenschwestern, Rentnern, Menschenrechtlern, Repräsentanten der katholischen Kirche, Oppositionspolitikern, Arbeitslosen und Angestellten des öffentlichen Dienstes zusammen. Die Demonstranten stimmten unter anderen regierungsfeindliche Losungen an wie: „Diktator Mireya, deine Stunde hat geschlagen.“

KUBA

Neue Biotechnologie-Abkommen mit Brasilien

(La Habana, 19. September 2003, sem-poonal).- Die Unterzeichnung von neuen Austauschabkommen zwischen Kuba und Brasilien könnte Experten zufolge die Biotechnologie-Industrie der karibischen Insel ausdehnen. Die Biotechnologie Kubas steht nach Informationen des Presseamts in Rio de Janeiro im Zentrum eines wissenschaftlichen und technologischen Austauschsprogramms und von Kooperationsverträgen zwischen beiden Ländern.

Forschungsabkommen zwischen den zwei Staaten existieren bereits auf dem Gebiet der Zuckerderivate und der Anwendung des kubanischen Impfstoffes gegen Zecken bei der Rinderaufzucht. Experten gehen davon aus, dass diese Abmachungen erweitert werden und sich auf andere Länder der Region und der Welt ausdehnen können.

Gegenwärtig besitzt die nationale Biotechnologie-Industrie Kubas 200geprüfte und registrierte gesundheitliche Patente in 52 Ländern. Rund 500Patente sind in verschiedenen Ländern angemeldet. Mitte der Neunzigerjahre hatte Kuba Pharmaprodukte im Wert von über 100 Millionen Dollar im Jahrexportiert, vor allem in Länder der Dritten Welt. Mehr als 11.000wissenschaftliche Mitarbeiter waren in mehr als 40 Forschungs- und Produktionsstätten beschäftigt.

KOLUMBIEN-BRASILIEN

Präsident Lula bietet Hilfe an

(Montevideo, 15. September 2003, púlsar).- Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva reiste nach Kolumbien, um dem dortigen Präsidenten Alvaro Uribe ein Treffen zwischen der kolumbianischen Guerillagruppe FARC und der UNO vorzuschlagen. Das Treffen soll in Brasilien stattfinden. „Brasilien ist bereit, Kolumbien jegliche mögliche Unterstützung anzubieten, die von den Kolumbianern als angebracht angesehen wird, damit der interne Konflikt gelöst wird, dem Kolumbien ausgesetzt ist,“ sagte ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums.

Lula möchte bei dieser Reise auch den Beitritt Kolumbiens in den MERCOSUR vorantreiben. Der MERCOSUR ist das wichtigste lateinamerikanische Handelsabkommen. Die bisherigen Mitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay, und Uruguay. Brasilianische Diplomatenquellen berichten, dass die Regierung unter Besorgnis den anhaltenden Konflikt des Nachbarstaates beobachte. Zudem soll es erstmals zu Kämpfen zwischen der FARC und dem brasilianischen Militär gekommen sein.

KOLUMBIEN

Präsident beschuldigt humanitäre Aktivisten

(Montevideo, 12. September 2003, comcosur).- Susan Lee, Direktorin von Amnesty International für den amerikanischen Kontinent, sieht nach denjüngsten Erklärungen von Präsident Álvaro Uribe die Arbeit kolumbianischer Menschenrechtsorganisationen in noch größerer Gefahr. Uribe hatte die Gruppen beschuldigt, im Interesse des Terrorismus zu arbeiten.

Im Rahmen der Veröffentlichung eines Menschenrechtsberichtes sagte Uribe in einer Rede, dass es „politische Ränkeschmieder in Diensten des Terrorismus gibt, die feigerweise die Fahne der Menschenrechte schwingen, um so dem Terrorismus den Spielraum zurückzugeben, den die staatliche Macht und die Bürger ihm entzogen haben.“

USA verstärkt die militärische Präsenz in Kolumbien

(Bogota, 17. September 2003, adital-poonal).- Die USA haben ihre Militärhilfe für Kolumbien erhöht. Dies wurde in einem Abkommenfestgeschrieben, das von der kolumbianischen Außenministerin Carolina Barcound dem US-amerikanischen Botschafter William Wood in der zweiten Septemberwoche unterzeichnet wurde. Das Abkommen schreibt die Erhöhung der nordamerikanischen Hilfe speziell für die kolumbianischen Streitkräfte gemäß dem „Plan Colombia“ auf 293.400.000 US-Dollar fest. Diese Aktion erscheint wie eine Unterstützung der kriegerischen Option, die von der derzeitigen Regierung Alvaro Uribes favorisiert wird.

Die Erhöhung der „Hilfe“ wird in einem Moment angekündigt – einige Spezialisten versichern, dass dies nicht aus purem Zufall geschieht – in dem politische Spannungen an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuelabestehen, die auf militärische Vorkommnisse zurückzuführen sind.

In Tolima werden Bauernführer bedroht

(Bogota, 16. September 2003, adital-poonal).- Die Organisationen, die an der „Accion Permanente“ im Norden von Tolima teilnehmen, klagen vor der nationalen und internationalen Bauerngemeinschaft die schwerwiegenden Tatenan, die der Gemeinschaft der Bauern widerfahren sind. Insbesondere kritisieren sie die Drohungen gegenüber Anführern der Vereinigung der klein- und mittelständischen Bauern ASOPEMA (Asociación de Pequeños y Medianos Agricultores).

Die paramilitärischen Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens AUC(Autodefensas Unidas de Colombia) haben alle Mitglieder der ASOPEMA im Norden von Tolima zum militärischen Ziel erklärt. Die AUC bewegt sich jenseits des Gesetzes. Zudem hat sie gewaltsame Landvertreibungen provoziert.

Nach Angaben der Gemeinschaft hat am 11. September in der Gemeinde Libanoeine Gruppe von Männern aus einem Fahrzeug verschiedene Flugblätterverteilt, die von den AUC unterschrieben waren. „Herr Guerillero, machen Sie5.000.000 an Entschädigung frei,“ war dort zu lesen.

In der Gemeinde Paocabildo haben die paramilitärischen Gruppen Händlern der Region zusammengebracht und Finanzspritzen sowie Materialien wie Nahrungsmittel und Medikamente gefordert. Dann erklärten sie: „Wenn ihr nicht mit uns zusammenarbeitet, töten wir einen von euch, damit ihr wisst, dass wir es ernst meinen.“

VENEZUELA

Vorerst kein Referendum über Chávez

(Montevideo, 12. September 2003, púlsar-poonal).- Der Präsident des venezolanischen Nationalen Wahlrats erklärte, dass dem Antrag auf das Vertrauensreferendum gegen den Präsidenten Hugo Chávez nicht stattgegeben werden könne.

Der Hauptgrund hierfür sei, dass die Unterschriften vor Ende der ersten Hälfte der Amtsperiode gesammelt worden seien. Dieser Zeitraum sei von der Verfassung nicht vorgesehen. Die Chávez-Gegner, die sich erhoffen, auf diesem Weg den gewählten Staatschef aus dem Amt zu verjagen, hätten erst nach Ablauf der ersten Hälfte der Regierungszeit von Chávez am 19. August mit ihrer Unterschriftensammlung beginnen dürfen. Außerdem entdeckte der Wahlrat weitere Formfehler.

Nach Angaben des Gremiums habe die Opposition das Recht, das Referendum zu beantragen, deshalb aber nicht verloren. Die Opposition hat nun angekündigt, am 5. Oktober mit einer neuen Unterschriftensammlung zu beginnen.

Tauschhandel-Netzwerk gegründet

(Caracas, 10. September 2003, na-poonal).- Auch in Venezuela gibt es jetztein Netzwerk des so genannten solidarischen Waren- und Dienstleistungstausches. In dem von einer schweren sozialen und wirtschaftlichen Krise getroffenen Land hat das Netzwerk inzwischen zwei Tausch-Häuser eröffnet, zunächst im westlichen Bundesstaat Lara. Einweiteres soll von einer Gruppe von Arbeitslosen in Maracay nahe der Hauptstadt Caracas gegründet werden. Als Vorbild dienen Erfahrungen in Argentinien.

Anstatt mit Geld zu vergüten, setzt das System eine angebotene Ware oder Dienstleistung in Beziehung zu anderen, die dann getauscht werden. Das Projekt in Lara mit dem Namen „Punto Truque“ (Tausch-Punkt) wurde von Fernando Benítez gegründet, der seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Immobilienwirtschaft arbeitet. Er kann auf etwa 50 Mitglieder zählen, darunter Taxifahrer, Zahnärzte und Anwälte.

ECUADOR

Japanisches Konsortium pflanzt illegal Eukalyptus an

(Quito, 15. September 2003, adital-poonal).- Das japanische Konsortium EUCAPACIFIC wurde durch die nationale Konföderation der Bauern-, Indigenen- und Schwarzenorganisationen (Fenocin) und die Ökologische Aktion angezeigt. In den Regionen Quitito und Tortuga begann EUCAPACIFIC ohne die Erlaubnis der Umweltbehörde mit der Anpflanzung von Eukalyptus auf einer Fläche von1800 Hektar Land. Die Plantagen können Veränderungen im Ökosystem dieser tropischen Zone verursachen.

Pedro de la Cruz, der Präsident von Fenocin, sagte, EUCAPACIFIC sei ein Konsortium japanischer Unternehmer, deren Hauptaktionär die japanische Regierung sei. Es werde durch chilenisches und amerikanisches Kapital des Unternehmens Walts Internacional unterstützt. Das Konsortium sei zudem für Umweltschäden und soziale Konflikte auf einem 10.500 Hektar umfassenden Gebiet in der Provinz Esmeraldas verantwortlich.

Der Bauernführer de la Cruz warnte die Gemeinschaft vor möglichen Landkäufen im Schutzgebiet Mache Chindul durch EUCAPACIFIC. Dies wäre unvereinbar mitecuadorianischem Gesetz, das den Verkauf von Ländereien in geschützten Gebieten untersagt. Er machte deutlich, dass die Monokulturen der Eukalyptusplantagen ernsthafte Umweltveränderungen hervorrufen und im schlimmsten Falle die fragilen Ökosysteme unwiderruflich verändern können.

Pedro de la Cruz erklärte, seine Sorge bestehe darin, dass die Eukalyptuspflanzung trocken sei, einen höheren Bodensäuregehalt aufweise und keine biologische Vielfalt (Tiere, Pflanzen, Mikroorganismen) mit sich bringe. Sie sei weder Wasser- noch Lebensspender, vor allem aber könnten Plantagen niemals den biologischen Reichtum und die Biodiversität der Primärwälder ersetzen.

BRASILIEN

Demonstration für ein „Brasilien ohne Waffen“

(Rio de Janeiro, 15. September 2003, alc-poonal).- Über 40.000 Menschennahmen gestern (14.9.) trotz Nieselwetters am Marsch für ein „Brasilien ohne Waffen“ teil, zu dem die Organisation Viva Rio aufgerufen hatte.

Der Demonstrationszug sollte die Besorgnis der Bürger*innen angesichts der Gewalt, die in Rio herrscht, zum Ausdruck bringen. Zudem forderte man eine Bearbeitung des Gesetzesentwurfs 292 im Eilverfahren, da dringender Handlungsbedarf bestünde. In Brasilien kamen im vergangenen Jahr laut UNO-Statistiken 40.000 Menschen durch den Gebrauch von Schusswaffen ums Leben.

Der Entwurf wird gemeinhin als Entwaffnungsstatut betrachtet. Er sieht eine Reglementierung des Besitzes, des Tragens und der Registrierung von Schusswaffen und Munition vor. Ebenso sollen nach dem Entwurf sämtliche derzeit gültige Berechtigungsbescheinigungen für das Tragen von Waffenannulliert werden.

Am Tag nach dem Marsch trat in Brasília die Kommission für öffentliche Sicherheit der Bundeskammer zusammen, um das Gutachten der Abgeordneten Laura Carneiro zum Entwaffnungsstatut zu diskutieren. Der Gesetzesentwurf konnte den Senat passieren, allerdings wird er nicht mehr als dringlichbehandelt werden, wenn nun der Kongress über seine Verabschiedung entscheidet.

Weitere Landlosenaktivisten der MST verurteilt

(Montevideo, 12. September 2003, comcosur-poonal).- Richter Atis Araújo de Oliveira aus der Gemeinde Teodoro Sampaio im Bundesstaat São Paulo hat elf Mitglieder der Landlosenorganisation MST (Movimiento de Trabalhadores Ruraissem Terra) zu Haftstrafen von zweieinhalb Jahren verurteilt und ihre sofortige Festnahme angeordnet. Nach Auffassung des Richters sind die Campesinos an einer kriminellen Vereinigung beteiligt, indem sie Landbesetzungen vorbereiten und durchführen.

Gilmar Mauro, Koordinator der MST auf Bundesebene, bemerkte dazu: „Wir sehen uns einer Offensive der Landeliten und der Staatsjustiz gegenüber, die sich gegen diejenigen richtet, die um Land kämpfen.“ Auf einer Pressekonferenz hörte er von der bereits erfolgten Verhaftung Diolinda Alves de Souzas, der Frau von MST-Führer José Rainha Junior, der auf Betreiben desselben Richtersseit Juli diesen Jahres im Gefängnis ist. Arújo de Oliveira hatte ihn zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Der Tatvorwurf: Bildung einerkriminellen Vereinigung und unerlaubtes Tragen von Waffen.

Angesichts der Situation wird die MST eine internationale Kampagne starten und eine Eingabe bei der Organisation Amerikanischer Staaten machen, um Freiheit für ihre gefangenen Mitglieder zu erwirken. Allein in diesem Jahr sind in Brasilien mindestens 40 Kleinbauern ermordet worden. 19 Mitglieder der MST sind bereits in verschiedenen Gefängnissen des Landes inhaftiert, nun kommen die verurteilten elf hinzu.

PARAGUAY

Einrichtung einer Wahrheitskommission bestätigt

(Asunción, 12. September 2003, pulsar-poonal).- Die Abgeordnetenkammer in Paraguay stimmt einer Gesetzesinitiative zur Gründung einer Wahrheitskommission zu. Angestoßen wurde der Entwurf von verschiedenen Organisationen, die in der „Initiative für die Erinnerung und Archive der Repression“ vereinigt sind. Die Initiative ist bemüht, die Gewalt während der Diktatur unter Alfredo Stroessner und das Schicksal von mehr als 100Verschwundenen Gefangenen aufzudecken.

Das Gesetz passiert nun die Exekutive, damit es endgültig wirksam ist. Dieser Erfolg ist verschiedenen Menschenrechtsorganisationen und der Zivilgesellschaft zu verdanken, die seit dem letzten Jahr ihre Bemühungen noch verstärkt haben. Erfolge in diesem Kontext erschienen bisher unmöglich.

Die Wahrheits- und Versöhnungskommission hat die Aufgabe, Menschenrechtsverletzungen von staatlichen oder parastaatlichen Akteuren zwischen Mai 1954 bis zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes zu untersuchen.

Die Kommission soll darüber hinaus auch das Verhalten der staatlichen Institutionen analysieren und außerdem Fälle von gewaltsamen „Verschwinden Lassens“, außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und weiteren schwerwiegenden Fälle von Gewalt untersuchen.

Die Wahrheitskommission setzt sich aus zwei Vertretern der Exekutive und der Legislative, vier Personen der „Nationalen Bewegung der Opfer unter der Diktatur von Alfredo Stroessner“ und drei Personen, die von der Zivilgesellschaft ernannt werden, zusammen. Letztere sollen sich mit der „Historische Erinnerung“ befassen.

Nach 18 Monaten Arbeit wird die Kommission in einem Abschlußbericht ihre Ergebnisse präsentieren und Empfehlungen zur Achtung und Garantie der Menschenrechte gegenüber der Regierung aussprechen.

URUGUAY

Auch die Bahn wird privatisiert

(Montevideo, 16. September 2003, comcosur-poonal).- Der Generaldirektor der Eisenbahngesellschaft UF (Unión Ferroviaria) Juan Silveira bestätigte, dass der Bau- und Verkehrsminister Lucio Cáceres nach der Versteigerung des Containerhafens von Montevideo und des Internationalen Flughafens von Carrasco nun dabei sei, die Auflösung der Staatlichen Eisenbahngesellschaft AFE (Asociación de Ferrocarriles del Estado) zu beenden. Damit erfülle er die Forderungen des Internationalen Währungsfonds. Soweit bekannt ist, soll die Eisenbahnlinie Montevideo – Rivera bis zum Jahresende vom Staatabgestoßen werden. Es handelt sich dabei um die wichtigste und längste Verbindung des Landes, so dass deren Aufgabe dem definitiven Ende der AFE gleichkomme.

Silveira zeigte sich über den Beschluss zur Aufgabe der staatlichen Gesellschaft nicht überrascht: „Es herrscht eine Politik der Auflösung der Betriebe, die allen Uruguayern gehören, um sie dann später für wenige Pesosin private Hände abzugeben.“ Minister Cáceres beauftragte seinen „Thronfolger“ Gabriel mit der Auflösung der Staatlichen Eisenbahn. „Wir haben diese Entwicklung angeprangert, seit mit der Liquidation der Staatlichen Eisenbahngesellschaft begonnen wurde“, sagte Silveira.

Der Geschäftsführer der Eisenbahnunion erinnerte an den ungewöhnlichen Beschluss, die Passagiertarife zu erhöhen und die Preise für die Bahn somit dem Verkehr auf den Landstraßen gleichzustellen. Dies sei in einem Momentgeschehen, in dem die Bahn einen bedeutenden und konstanten Anstieg der Passagierzahlen verzeichnete. Der nächste Schritt zur Auflösung war der Beschluss, die Infrastruktur der AFE in die Hände des Verkehrsministers zulegen. Angesichts dieser Fakten kündigte Silveira an, dass die Eisenbahnerinnung und die Arbeiterzentrale in den nächsten Tagen ihre Aktionen für den Erhalt der Eisenbahn als staatliche Einrichtung verstärken werden.

Richter und das Ausland machen Druck gegen Straflosigkeit

Von Ronald Morgan und Roberto Roa

(Montevideo, September 2003, npl).- Uruguay, der kleine Staat zwischen Brasilien und Argentinien, könnte bald das letzte Land im Südkegel Lateinamerikas sein, in dem Militärschergen und Folterer aus der Zeit der Diktaturen vor Strafverfolgung geschützt sind. Einst wurde Uruguay die Schweiz Südamerikas genannt, vor allem wirtschaftlich ging es dem Landvergleichsweise gut. Doch in Sachen Aufarbeitung der Vergangenheit bleibt das Land hinter der Entwicklung in den Nachbarländern zurück.

Unter Zugzwang gerät die Politik in Uruguay vor allem durch den neuen Präsidenten Argentiniens. Der Peronist Nestor Kirchner annullierte nicht nur ein Dekret, das die Auslieferung von Menschenrechtsverbrechern ins Auslanduntersagte. Auch die beiden Amnestiegesetze, die die Täter in Uniform vor Strafverfolgung bislang schützen, hält er für unzeitgemäß und lässt sie vom Obersten Gericht prüfen.

Auch in Chile, wo Ex-Diktator Augusto Pinochet wegen Altersdemenz zwar weiterhin auf freiem Fuß lebt, räumen die Gerichte den Angehörigen von Opfern immer mehr Möglichkeiten ein, juristisch gegen beschuldigte Militärs vorzugehen.

Die Regierung in Uruguay versucht, die Aufbruchstimmung, die vor allem aus Argentinien über den Rio de la Plata herüber schwappt, zu ignorieren. Der Druck, Ermittlungen zu den Verbrechen aus Diktaturzeiten aufzunehmen, gehe „von einer kleinen, unrepräsentativen Gruppe aus, die Zeiten mit vergangenen Kontroversen wieder aufleben lassen will,“ erklärte Präsident Jorge Batlle kürzlich.

Am 27. Juni jährte sich die der Putsch der Generäle in Uruguay zum 30. Mal. Zwölf Jahre währte die bleierne Zeit, mit Unterstützung der US-Regierung verfolgten die Militärs linke Oppositionelle und Gewerkschafter im eigenen Land, in Argentinien und im Rahmen der Operation Condor, einem geheimen Militärbündnis, in ganz Südamerika. Einige der uruguayischen Schergen werden in Chile und Argentinien, aber auch in Italien oder Spanien gesucht.

Auch wenn Präsident Batlle sich beharrlich weigert, die Straflosigkeit der Militärs anzutasten, war er doch das erste Staatsoberhaupt, das mit einer Friedenskommission im Jahr 2000 begann, die Frage der Verschwundenenöffentlich aufzugreifen. Nach zwei einhalb Jahren legte die Kommission vergangenen April ihren Bericht vor, der erstmals die Verantwortlichkeit des Staates für die Verbrechen und die Verschwundenen benennt. Von Menschenrechtsaktivisten wird der Bericht jedoch scharf kritisiert, weil er ganz im Sinne der Amnestiegesetze und wegen des Drucks der beteiligten Militärs sehr oberflächlich bleibt und nicht dazu dient, Konsequenzen zuziehen.

Doch auch in Uruguay gibt es einzelne Richter, die den Angehörigen von Diktaturopfern Hoffnung machen. Als erster traute sich der Richter EduardoCavalli, wegen Mordes an einem Oppositionellen zu Diktaturzeiten den damaligen Außenminister Juan Carlos Blanco anzuklagen. Blanco, so das Argument des Richters, sei Zivilist gewesen und deswegen gelte für ihn das Amnestiegesetz für Militärschergen nicht. Dem Präzedenzfall folgten weitere Ermittlungen, die inzwischen bis hin zum Ex-Präsidenten Juan Maria Bordaberry reichen.

Bordaberry musste erstmals im Juli wegen des Ermordung von acht Mitgliedernder kommunistischen Partei aussagen. Aus Sicht der Angehörigen nur ein sehrkleiner Schritt, aber doch ein erstes Anzeichen, dass auch in Uruguay etwasbewegt werden könnte.

Auch international nimmt der Druck auf Uruguay zu, weil das unkooperative Verhalten der Justiz die Aufklärung wichtiger Fälle beispielsweise in Chileverzögern, wobei es unter anderem um den Mord am chilenischen Ex-Außenminister unter Salvador Allende, Orlando Letelier, 1976 in Washington geht. Drei uruguayische Militärs sollen an dem Verbrechenbeteiligt gewesen sein. Jetzt fordert ein Gericht in Chile ihre Auslieferung und lud zwölf weitere zum Verhör vor – bisher umsonst, da die uruguayische Seite jede Zusammenarbeit verweigert.

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