Poonal Nr. 552

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 10. Dezember 2002

Inhalt


VENEZUELA

COSTA RICA

HAITI

ARGENTINIEN

BOLIVIEN

KOLUMBIEN

BRASILIEN

GUATEMALA


VENEZUELA

„Wer das glaubt, hat sich vom Fernsehen manipulieren lassen“ Soziologieprofessor Edgardo Lander über den Generalstreik und die politische Krise

Von Javier Barrios und Roberto Roa

(Caracas, 6. Dezember 2002, alred-poonal).- Die politische Krise in Venezuela hält an. Seit Monaten stehen sich die Regierung von Präsident Hugo Chávez und die Opposition unversöhnlich gegenüber. Unternehmer, Gewerkschaften und die traditionellen, zumeist konservativen politischen Parteien riefen Anfang Dezember zu einem unbefristeten Generalstreik auf, um die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.

Der Vorwurf: Der populistische Linksnationalist Chávez sei unfähig, regiere wie ein Diktator und führe das Land in den wirtschaftlichen Ruin. Präsident Chávez hält dagegen, er sei mit großer Mehrheit gewählt worden, repräsentiere die verarmte Mehrheit der Venezolaner und werde mit seiner „Bolivarianischen Revolution“ den Umbau der Gesellschaft für mehr soziale Gerechtigkeit fortsetzen.

Seit dem 2. Dezember wird in Venezuela gestreikt. Allerdings, so zerstritten das Land ist, so widersprüchlich auch die Angaben zum Streik: Laut Opposition beteiligt sich das ganze Land, laut Regierung nur ganz Wenige. Edgardo Lander, Professor für Soziologie an den Zentraluniversität Venezuelas in Caracas und Berater an der Universität im spanischen Bilbao, analysiert die Ereignisse:

„Zweifelsohne durchlebt Venezuela eine sehr schwierige Situation, weil die Gesellschaft tief gespalten ist. Eines der größten Probleme dabei ist, dass beide Seiten ausschließlich in ihrer eigenen Welt leben: Jede Fraktion negiert nicht nur die Sichtweise der anderen, sondern ist überzeugt, dass ihre begrenzte Vision der Realität die einzig wirkliche ist.

Ich glaube, dass es für den derzeitigen Streik durchaus Unterstützung gibt, aber genauso klar ist, dass es dem Streik nicht gelungen ist, das Leben im Land zum Stillstand zu bringen. Die Mehrheit der wirtschaftlichen Aktivitäten im Land funktioniert uneingeschränkt.

Wenn man nur die Hauptstadt und hier nur die wohlhabenden Stadtviertel im Osten des Zentrums wie Chacao betrachtet, könnte man meinen, dass sich das ganze Land im Generalstreik befindet, dass alle Präsident Chávez ablehnen und dass er keinerlei Unterstützung in der Bevölkerung hat. Doch wer dass glaubt, hat sich von der Fernsehberichterstattung manipulieren lassen, und meint, die Lage in Venezuela wäre mit Rumänien oder mit den Länder im ehemaligen Ostblock vergleichbar, in denen es damals keinerlei Unterstützung für die Regierung gab.

In Venezuela hingegen ist es eindeutig, dass in dieser geteilten Gesellschaft sehr viele Schichten existieren, die diesen Prozess befürworten. Sie fühlen, dass diese Regierung ihre Regierung ist, jenseits der Frage, ob sie effizient ist oder ob sich die eigenen Lebensumstände verbessert haben. Aber es gibt die Hoffnung, dass es in dieser Gesellschaft zu Veränderungen kommen wird.“

Dass Präsident Chávez viele Sympathien besitzt, zeigte sich eindrucksvoll im April dieses Jahres, als die Opposition versuchte, gegen seine Regierung zu putschen. Der Staatsstreich, der einen Unternehmersprecher an die Macht bringen sollte, scheiterte, weil sich große Teile des Militärs auf seine Seite schlugen und riesige Pro-Chávez-Demonstrationen stattfanden.

Inzwischen haben sich Regierung und Opposition an den Verhandlungstisch gesetzt, um unter Schirmherrschaft der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) einen Ausweg aus der Krise zu finden. Und obwohl die Opposition auch am Verhandlungstisch nur auf eine Ablösung der Regierung drängt und statt Dialog nun wieder auf einen Streik setzt, ist die Chávez-Regierung weiterhin bereit, Gespräche zu führen. Der These, dass dies ein Zeichen der Schwäche sei, widerspricht Professor Lander:

„Es ist die Regierung, die derzeit das größte Interesse hat, das politische Klima zu stabilisieren und die Politik wieder als Lösungsmechanismus einzusetzen. Ihr geht es um Dialog, auch, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Mich wundert es überhaupt nicht, dass es derzeit die Regierung ist, die für Verhandlungen plädiert, während extremistische Tendenzen in der Opposition sich dagegen aussprechen.

Denn, wie ich schon vorher gesagt habe, hat die Sichtweise, die die Opposition von der Stimmung im Land hat, mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Sie behauptet stur, dass die Regierung isoliert sei und in der Bevölkerung keinen Rückhalt habe. Ich sage nicht, dass die Regierung von allen befürwortet wird, ich sage auch nicht, dass es nicht zahlenmäßig große und wichtige Sektoren in der Gesellschaft gibt, die gegen diese Regierung sind und alles dafür tun, dass sie abtritt. Aber diese Menschen sind meiner Ausfassung nach keineswegs die Mehrheit im Land.“

Die Opposition, die so vehement für den Rücktritt des umstrittenen Präsidenten Chávez streitet, muss sich zunehmend Kritik gefallen lassen. Menschenrechtsgruppen im In- und Ausland werfen ihr nicht nur vor, Gewalt zu schüren und damit Zusammenstöße zu provozieren. Auch nutzen sie die privaten Massenmedien, vor allem die großen Fernsehsender, um völlig einseitig ihre Sicht der Dinge zur einzigen sichtbaren Version des Konflikts zu machen. Was aber völlig fehlt, sind Vorschläge, welche Veränderungen das Land voran bringen könnten. Deswegen warnt der venezolanische Sozialwissenschaftler Edgardo Lander davor, die von einer breiten Mehrheit gewählte Regierung von Hugo Chávez zu stürzen:

„Ich befürchte, dass ein Rücktritt von Chávez in dieser Situation keine Lösung der Krise bringen würde, sondern den Anfang einer viel schlimmeren Krise bedeuten würde. Ein Rücktritt von Chávez würde heute für viele, und vor allem für die verarmte Mehrheit der Venezolaner bedeuten, dass die Rechte, die Unternehmerklasse und die traditionellen politischen Parteien ihr Ziel erreicht hätten – nämlich den Sturz von Chávez und damit das Ende einer politischen Option, die erstmals die sozialen Interessen der Armen vertritt. Die Möglichkeit eines Rücktritts des Präsidenten ist aus meiner Sicht extrem gefährlich. Es könnte der Startschuss für eine breite Protestbewegung sein, auf die eine neue Regierung sicherlich mit harter Repression reagieren würde. Das wäre der Beginn einer zeitlich unabsehbaren Gewaltperiode in Venezuela.“

Dokumentation: Menschenrechtsgruppen plädieren für Verhandlungen

(Caracas, 5. Dezember 2002, alai-poonal).- Angesichts der politischen Krise in Venezuela haben sich renommierte Menschenrechtsorganisationen in einer öffentlichen Erklärungen zu Wort gemeldet. Sie rufen beide Seiten zur Mäßigung auf. Im folgenden eine Dokumentation ihrer Erklärung in Auszügen.

„Die wichtigsten Probleme des Landes sind sozialer Natur: Armut, schwache Institutionen und Intoleranz. Es sind strukturelle Probleme, die schon seit langem existieren. Allerdings führt das Land derzeit eine völlig polarisierte Debatte, die diese Probleme übergeht. Zwar hat die Frage, ob Präsident Hugo Chávez im Amt bleibt, damit zu tun, doch geht die Lösung dieser Probleme viel tiefer. Wenn diese Probleme nicht thematisiert werden, läuft Venezuela Gefahr, wirtschaftlich, politisch und sozial noch weiter abzurutschen.

Als Menschenrechtsorganisationen begrüßen wir den Beginn der Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, ihre Einsicht, dass nur eine Befragung der Bevölkerung die momentane Krise beenden kann sowie wie Vermittlungsbemühungen von Cesar Gaviria. In diesem Kontext fordern wir von beiden Seiten:

– Schnelle Einigung auf die Modalitäten eines Referendums – Zusammenarbeit bei der Schaffung eines Wahlrates – Gegenseitige Anerkennung und Respekt – Priorität für die Interessen der Allgemeinheit und nicht für die eigene Klientel

Neben dieser generellen Einschätzung halten wir es für notwendig, auch zum derzeitigen Streik Stellung zu beziehen: Ein ziviler Streik ist die Ausübung eines Menschenrechts. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Streitkräfte passiv oder aktiv für die eine oder andere Seite Partei ergreifen. Deswegen kritisieren wir die Präsidenten sowohl des Unternehmerverbandes FEDECAMERAS wie des Gewerkschaftsverbandes CTV, die beide als Mitorganisatoren des Streiks, der am vergangenen Montag (2.12.) begann, öffentlich die Militärs zur Intervention in dem Konflikt aufriefen.

Wie jedes Menschenrechts ist auch das Recht auf Streik und auf Demonstration nicht unbegrenzt. Entsprechend den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) müssen die Grundbedürfnisse seitens des Staates und der Unternehmen gewährleistet werden. Dies legt Verhandlungen zwischen beiden Seiten zur Lösung des Konflikts nahe.

Seit Streikbeginn wurde mehrfach starker Druck auf Betriebe und Geschäfte ausgeübt, die sich nicht an dem Streik beteiligen wollten. Diese Vorgänge, bei denen es auch zu Gewaltanwendung kam, müssen untersucht und bestraft werden. Mehrfach kam es auch zu Übergriffen gegen Demonstranten, vor allem seitens der Nationalgarde gegen eine Demonstration vor dem Sitz des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA am vergangenen Dienstag. Dieses Vorgehen muss ebenfalls untersucht und bestraft werden.

Wir fordern alle Beteiligten auf, Ruhe zu bewahren und keine Gewalt anzuwenden. Jeder Protest, für oder gegen die Regierung, muss sich an den gesetzlichen Normen orientieren. Und wir fordern die öffentlichen wie privaten Medien auf, die Verständigung zu fördern, indem sie beide Seiten mit ihren Meinungen zu Wort kommen lassen und jede Gewalt oder Maßnahmen gegen die verfassungsmäßige Ordnung verurteilen.“

Unterzeichner: – Centro de Derechos Humanos de la Universidad Católica „Andrés Bello“ – Colectivo Aportes (Asistencia y Servicio Integral a los Trabajadores) – Centros Comunitarios de Aprendizaje (Cecodap) – Red de Apoyo por la Justicia y la Paz – Comisión de Justicia y Paz del Secretariado Conjunto de Religiosos y Religiosas de Venezuela (Secorve) – Centro por la Paz de la Universidad Central de Venezuela – Comisión de Derechos Humanos de Puerto La Cruz – Servicio Jesuita para los Refugiados – Humana Dignitas – Programa Venezolano de Educación-Acción en Derechos Humanos (Provea)

Kritik an Erdgas und Erdölförderung

Von Aram Aharonian*

(Caracas, 3. Dezember 2002, adital-poonal).- Nichtregierungsorganisationen kritisierten vergangene Woche in Venezuela die Umwelt- und sozialen Gefahren, die die Förderung neuer Erdgas- und Erdölvorkommen mit sich bringen. Die geplanten neuen Fördergebiete liegen im Orinocodelta und im Golf von Paria.

Das vorläufige Dokument macht ersichtlich, dass mit diesen von der Regierung angekündigten neuen Förderprojekten versucht wird, wieder einmal die Erdölgewinnung mit transnationalem Kapital zu finanzieren, wie dies während der Regierung von Rafael Caldera (1993-98) passierte. Die aktuellen Planungen sehen hauptsächlich Hochseeplattformen vor, trotz der hohen möglichen Umweltgefährdung und dem kostbaren biologischen Wert dieser Gebiete. Die Pläne betreffen das Karibischen Meer, die östliche Atlantikseite des Golfes von Paria und das Orinocodelta.

Es handelt sich dabei um sehr große und langandauernde Projekte (zwischen 30 und 35 Jahren). Das Projekt „Nordparia“ (Paria Norte), das auch „Marshall Sucre Projekt“ (Proyecto Mariscal Sucre) genannt wird, soll ungefähr 150 Millionen Kubikmeter Gas fördern und mit einer Investition von 2,5 Milliarden US-Dollar finanziert werden. Die Geschäftspartner dieses Projektes der staatlichen Erdölgesellschaft Pdvsa (Petróleos de Venezuela) sind die Transnationalen Shell und Mitsubishi.

Im Fall des „Deltaplattform Projektes“ (Plataforma Deltana) wird erwartet, dass ungefähr 300 Millionen Kubikmeter Gas gefördert wird, mit einer Investitionssumme von fast einer Milliarde US-Dollar. An dem Projekt werden neben Pdvsa mindestens fünf große transnationalen Firmen beteiligt sein: BP Amoco, BP Gas, Chevron-Texaco, Total Final-Elf und State Oil. Mit diesen Projekten wird beabsichtigt, Venezuela in einen der größten Gasexporteure – vor allem in die USA – zu verwandeln.

Die Umweltorganisationen rufen dazu auf, diese Projekte aufmerksam zu beachten. Sie stehen in Zusammenhang mit einem großen petrochemischen Komplex in Guiria, in dem das Gas verarbeitet werden soll. Es werden Hunderte von Kilometern von Pipelines unter Wasser durch den Golf gelegt, um das Gas und das Öl von Nordparia und der Deltaplattform ans Festland nach Guiria zu transportieren. Zudem wird ein großer Terminaldock für große Tankschiffe gebaut, um die Energieträger exportieren zu können.

Insbesondere verweisen die Ökologen auf die soziale und ökologische Empfindlichkeit des Gebietes Delta-Paria hin, in dem starke Strömungen sich miteinander verbinden, die die Unfall- und Leckgefahr von den Anlagen und den Erdöl- und Erdgasförderschiffen erhöhen; außerdem liegt in dieser Gegend ein sensibles Manglargebiet, das gleichzeitig als Quelle einer biologischen Vielfalt von Meerespflanzen und -tieren dient und das reichhaltigste Fischfanggebietes des Landes ist.

Die Umweltschützer beklagen weiter, dass kleine Finanzhilfen im Voraus für Aktivitäten wie „Gemeindeverschönerung“ oder „Vergrünung“ gewährt wurden, offenbar mit dem Ziel, die Zustimmung der Ortbevölkerung für die weiteren Etappen der Großprojekte zu gewinnen. Außerdem sei die betroffene Gegend Teil eines UNO-Entwicklungsprogramms und einer „internationalen Beratung für nachhaltige Entwicklung“, was die Kritiker als Maßnahme der Regierung bezeichnen, um dem Projekt mehr Legitimität zu verleihen.

*Präsident von der Gesellschaft für Ausländische Presse in Venezuela APEX (Asociación de la Prensa Extranjera en Venezuela)

COSTA RICA

Treffen von Feministinnen aus Lateinamerika und der Karibik

Von Norma Valle

(Playa Tambor, 2. Dezember 2002, pulsar-poonal).- Mit der Schwerpunktsetzung begann die theoretische Arbeit des IX. feministischen Treffens Lateinamerikas und der Karibik. Zentrales Thema dieses Jahr: die Äußerungsformen des Feminismus als sozialpolitischer Akteur in der Globalisierungszeit, einer Epoche, in der Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung gefordert ist. Die Referentinnen berichteten über die Globalisierung als einem Verhandlungsprodukt zwischen Regierungen und multinationalen Unternehmen, mit anderen Worten: die Globalisierung des Marktes.

Die Versammlung wurde von der costaricanischen Rechtsanwältin Alda Facio, der peruanischen Soziologin Virginia Vargas, der panamaischen Sozialarbeitsstudentin Tania Rodríguez und der Leiterin einer brasilianischen NGO, Neusa das Dores Pereira, geleitet. Sie alle sind Aktivistinnen der Frauenbewegung.

Die Juristin Facio stellte vor den 850 Teilnehmerinnen des Treffens fest: „Die Wirtschaft ist globalisiert und das hat schwerwiegende Folgen für unser Dasein. Das Kapital ist das einzige, das frei fließt, aber mit dem Nachteil, dass es unseren kulturellen, emotionalen und seelischen Reichtum zerstört.“ Sie fügte hinzu: „Ich meine damit nur die finanzielle neoliberale Globalisierung und nicht die Ausbreitung der Globalisierung auf die Rechte, die Justiz oder den Frieden.“

Das Referat von Facio war eine Anregung zum Nachdenken und zur feministischen Debatte. Sie betonte, „die Globalisierung bringt der Menschheit nicht mehr Glück. Im Gegenteil schafft sie Individuen, die konsumieren und Güter anhäufen um die Leere in ihrem Leben zu füllen. Sie verwandelt uns in Personen, die sich von ihrem eigentlichen Ich entfremdet und isoliert fühlen. Subjekte, die nur nach Konsum, Wissen und Macht streben.“ Außerdem erklärte Facio, dass die seelischen Themen jetzt wie nie zuvor an Bedeutungen gewonnen hätten. „Das Spirituelle übertrifft die Kräfte des Marktes, da es mit der inneren Lebensfülle und dem inneren Dialog verbunden ist. Das Seelische steht auch in Beziehung zu einem Zustand jenseits unseren Gewissens, das uns ein Verständnis von uns selber ermöglicht.“

„Neue Entwicklungen seien als Reaktion auf die Globalisierung aufgetaucht. Die Sozialbewegungen gewinnen gerade jetzt neue Vitalität mit der Reaktivierung der Umwandlungsdynamik nach einer Phase, die von einer schwächeren Dynamik charakterisiert worden war“, erklärte die Soziologin aus Peru, Virginia Vargas. Diese Strategien spiegeln sich seit den neunziger Jahren in Umwelt- und Menschenrechtsbewegungen und natürlich auch in der Frauenbewegung wieder.

Die gerade zwanzigjährige Tania Rodríguez zeigte neue Wege für ihre Gleichaltrigen auf: „Die jungen Frauen erleben eine historische Zeit dank des lateinamerikanischen Feminismus. Er ermöglich uns, unser eigenes Leben zu führen. Dies ist vielleicht das wichtigste politische Merkmal der jungen Frauen“, betonte Rodríguez. Sie deutete an, dass die jungen Frauen an der Revitalisierung der Frauenbewegung arbeiteten, um einen möglichen Stillstand zu verhindern. Sie müssten fortsetzen, was schon seit mehr als vierzig Jahren im Rahmen der zweiten Phase der Weltfrauenbewegung erkämpft worden sei.

Die Leiterin des Dokumentationszentrum der brasilianischen Frauen, Neusa das Dores Pereira, referierte hauptsächlich über ihre Arbeit mit Lesben, insbesondere mit den schwarzen Lesben. Sie erklärte, dass diese Frauen auf Grund der historischen Diskriminierung außerhalb der Gesellschaft blieben. Das mache ihre Identifizierung und eine mögliche Organisierung extrem schwierig. Eine Herausforderung für die brasilianischen Feministinnen sei es, die Unterstützung der Regierungsämter zu gewinnen, damit diese Organisationen von Lesben in ihre Arbeitsprogramme einbeziehe.

Alda Facio bot den Feministinnen am Ende ihres Vortrags Aktivismusalternativen an: „Wir sind Frauen, die immer mehr durch die Globalisierung verarmen, sowie vergewaltigt und aufgespaltet werden. Wir können den Kampf gegen die neoliberale Globalisierung nicht einfach so unterstützen. Wir müssen eine starke Feministinnenbewegung aufbauen, die etwas zum Kampf beitragen kann. Eine Bewegung, die von Frauen gebildet wird, die sich gegenseitig beim Aufbau eines feministischen Bewusstseins unterstützen.“, betonte Facio.

Schutz für Mitglieder von Casa Alianza gefordert

(San Jose, 2.Dezember 2002, adital-poonal).- Mehr als 40 NGOs aus ganz Amerika forderten von der Regierung Costa Ricas Sicherheitsmaßnahmen für Casa Alianza. Diese Vereinigung zum Schutz hilfsbedürftiger Kinder hatte Drohungen erhalten, nachdem am 19. November vor einem Gericht in der Hauptstadt San José das Verfahren gegen fünf mutmaßliche Pädophile aus Costa Rica, die im Juli 2001 verhaftet worden waren, eröffnet wurde. Dies teilten Sprecher der Organisation am 28. November mit.

Die 40 Organisationen fordern in einem Brief, der Präsident Abel Pacheco übergeben wurde, „die Regierung höflich auf, die für die Sicherheit der betroffenen Institution und ihres Personals nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Personen, die sich für die Verteidigung und Förderung der Rechte der Kinder einsetzen, nicht verfolgt oder eingeschüchtert werden.“

Die Petition wurde von Vertretern von Organisationen zur Verteidigung der Kinderrechte unterzeichnet, die in San José an dem Seminar „Instrumente des Interamerikanischen Menschenrechtssystems für den Schutz der Kinderrechte“ teilnahmen.

Die fünf Angeklagten wurden nach einer neunmonatigen Untersuchung, die Casa Alianza mit Unterstützung der Staatsanwaltschaft gegen Sexualdelikte und der Abteilung gegen sexuelle Ausbeutung des Innenministeriums im Internet durchführte, verhaftet. Die Beschuldigten verbreiteten Kinderpornographie via Internet und waren Teil eines Netzes Pädophiler in Costa Rica. Schon wegen dieser Untersuchung hatten Mitglieder von Casa Alianza nach Angaben von Vertretern der Organisation Drohungen erhalten.

HAITI

Der Mythos Aristide am Ende – Einst galt er als Retter Haitis, jetzt breiten sich Proteste gegen den eigenwilligen Präsidenten aus

Von Jane Regan und Roberto Roa

(Port-au-Prince, 9. Dezember 2002, noticias aliadas-poonal).- Zwölf Jahre ist es her, da wurde der junge Laienpriester Jean-Bertrand Aristide auf Schultern durch die Straßen von Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis getragen. Tausende Anhänger, vor allem die Armen und bis dato Hoffnungslosen, jubelten dem engagierten Katholiken zu, als er 1990 zum Präsidenten des Karibikstaates gewählt wurde. Es war wie eine Lawine, auf creole „lavalas“, die die alte Ordnung hinwegfegte. So nannte sich Aristides Bewegung, die den korrupten Diktaturen des Familienclans Duvalier ein Ende setzte, einfach lavalas.

Aristide war damals einer der ihren, er arbeitete selbstlos in den elenden Slumgebieten, die das ärmste Land Lateinamerikas prägen. Heute rufen die Menschen, viele von ihnen einst Unterstützer von Aristide, andere Parolen: „Aristide vor Gericht! Aristide, es reicht!“ Während Frauen, Männer und Kinder auf Plakaten des früheren Idols herumtrampeln, rufen andere „Aristide, wir haben Hunger!“ Schon seit vielen Monaten braut sich Unmut über die Regierung in Haiti zusammen, doch es gelang der Opposition nicht, breite Proteste hervorzurufen.

Am 17. November kam das Fass zum überlaufen. Am Jahrestag des Sklavenaufstands vom 1803 – ein für Haiti sehr wichtiges Datum, weil die damalige Rebellion weltweit als einziger erfolgreicher Sklavenaufstand, der zu einer Machtübernahme führte, gilt – kam es zur ersten großen Anti-Aristide-Demonstration. 15.000 Menschen folgten dem Aufruf der Opposition, es war der größte Protestzug seit 1990. Neben der „Demokratischen Konvergenz“, die die Mehrheit der linken und gemäßigt rechten Oppositionsparteien vereinigt, waren auch ehemalige Militärs und Funktionäre aus Zeiten der Militärdiktatur präsent.

Evans Paul, früher Vertrauter des Staatsoberhaupts und Bürgermeister der Hauptstadt während Aristides erster Amtszeit, sprach den Anwesenden aus dem Herzen: „Im Angesicht unserer Vorfahren schwören wir, dass wir jede Form von Diktatur bekämpfen werden.“ Vielen war anzumerken, dass es für sie nicht einfach war, gegen den Mann zu demonstrieren, in den sie früher all ihre Hoffungen gesetzt hatten. Immer noch hat der 49-jährige vor allem auf dem Land Rückhalt, in den Städten schwindet er zunehmend. „Ich habe ihm meine Stimme gegeben, natürlich, aber jetzt bereue ich es,“ so ein älterer Mann, der im Anzug zur Kundgebung in der nordhaitianischen Stadt Cap Haitien gekommen war.

Kaum ein Jahr im Amt, putschten Militärs gegen Aristide und zwangen ihn ins Exil. Erst 1995 kehrte er im Zuge einer US-Militärintervention nach Haiti, das sich die Karibikinsel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt, zurück. Damals begann erster Streit innerhalb der Lavalas-Bewegung, und obwohl sich schon viele von ihm losgesagt hatten, gewann er im Jahr 2000 erneut die Präsidentschaftswahl. Doch das wirtschaftliche wie politische Chaos verschlimmerte sich weiter. Streit mit der Opposition über den Modus der Parlamentswahlen lähmen seit Jahren viele Institutionen des Landes, weswegen internationale Geldgeber ihre Unterstützung für das verarmte Land zurückhalten. Und die Wirtschaft kommt nicht in Gang. Die Armutsrate nimmt konstant zu, nur wenige Menschen haben überhaupt einen festen Arbeitsplatz. Diesem Herbst verlor die Landeswährung Gourde fast die Hälfte ihres Werts. Kaum jemand zweifelt zudem, dass Aristide und seine Regierung bei korrupten Machenschaften und im Drogenhandel die Finger im Spiel haben.

Seit dem Jahrestag der Revolution nehmen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Oppositionellen und der Polizei oder Schlägertrupps der Regierung zu. Dabei sind in vier Wochen mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Als Ende November Studenten aus Anlass der Ermordung eines Journalisten im Vorjahr in der Küstenstadt Petit-Goave demonstrierten, schoss die Polizei in die Menge, es kam zu sieben schwer Verletzten. In vielen weiteren Städten kam es zu Protestkundgebungen, die fast immer mit Verletzten endeten.

Besonders kritisch ist die Lage für Journalisten: Sieben Radioreporter sind untergetaucht, nachdem zwei Sender wegen Drohungen schließen mussten. Die Verfolgung der Presse rief sogar den UN-Menschenrechtskommissar auf Sergio Viera De Melo auf den Plan: Der Brasilianer forderte von der haitianischen Regierung die Respektierung der Pressefreiheit und kündigte eine Untersuchung der berichteten Übergriffe an. Der Journalistenverband Haitis zählte allein dieses Jahr 64 Übergriffe und Einschüchterungen gegen Pressevertreter.

Jüngster Höhepunkt der Proteste war am 4. Dezember ein 24-stündiger Generalstreik, zu dem Gewerkschaften, Unternehmer und Oppositionsparteien aufgerufen hatten. Auch wenn die Beteiligung an dem Ausstand nur mäßig war – die Stimmung im Land hat sich verändert. „Ich habe für Aristide gekämpft und gegen die Putschisten mein Leben riskiert. Jetzt sehe ich, dass er sich nur für seine treuen Untergebenen einsetzt,“ beschwert sich die Lehrerin und frühere Aktivistin Ertha Charles. „Uns geht's heute so schlecht wie noch nie!“

Aristide erklärte inzwischen, er werde sich nicht aus dem Amt treiben lassen. Aber er kündigte für das kommende Jahr Parlamentswahlen an und erfüllt damit eine Forderung der Organisation Amerikanischer Staaten OAS. Doch viele in Haiti bezweifeln, dass Wahlen in der jetzigen Situation überhaupt von Nutzen sind. Der Menschrechtler Pierre Esperance meint, dass die Lavalas-Regierung nicht in der Lage sei, sichere und demokratische Wahlen zu organisieren. Besser sei es, eine Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition zu bilden.

ARGENTINIEN

Gerüchte und Proteste

(Montevideo, 29. November 2002, comcorsur-poonal).- Angesichts des sich im Dezember jährenden Wirtschaftskollaps, der vor einem Jahr in den Rücktritt von Präsident Fernando de la Rúa mündete, intensivieren sich die Gerüchte von möglichen Zusammenstößen und Protesten. An die 10.000 Menschen blockierten in der vergangenen Woche eine Brücke in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Dies geschah, nachdem Sicherheitskräfte die Ausweitung der Demonstration bis ins Zentrum verhinderten. Der Protestmarsch der Piqueteros – arbeitslose Arbeiter*innen – wurde von rund 500 Polizeibeamten blockiert, die versuchten, die Demonstranten nach Waffen zu durchsuchen. Eine der Organisationen der Arbeitslosenbewegung, die Vereinigung Anibal Verón, verlas ein Kommuniqué, in dem diese Maßnahme als „Bedrohung der Freiheit und der demokratischen Grundrechte“ kritisiert wurde. Dabei wurde die Friedfertigkeit der Mobilisierung betont, die in Erinnerung an die damals gefallenen Kollegen einberufen worden sei.

BOLIVIEN

Mobilisierung von Landlosen

(Montevideo, 29.November 2002, comcosur-poonal).- Bauern der Landlosenbewegung haben begonnen, ihre Unterstützer zu mobilisieren. Sie fordern von der Regierung die Vergabe von Länderein sowie eine Untersuchungen der Morde an vier Personen. Drei der Opfer waren vor einer Woche in einer Gegend gefunden worden, wo ein Kommando Vermummter in eine von Arbeitern besetzte Hazienda eingedrungen war, um sie zu räumen. Dabei starb ein Vorarbeiter und drei Bauern wurden entführt, gefoltert und kurz darauf ermordet. Die Landlosenbewegung klagt die aus Söldnern zusammengesetzten Todesschwadrone an, die offenbar für die Landbesitzer arbeitet. Einer der Söldner ging sogar mit Schlägen auf einen Journalisten und einen Pfarrer los, weil er meinte, sie würden die Bauern unterstützen. Priester Enrique Jordá versichert jedoch, keine Angst zu haben: „Das ist der Preis, den wir zu zahlen haben, wenn wir für Gerechtigkeit kämpfen“ sagte er.

Dialog noch nicht abgebrochen

(Cochabamba, 3. Dezember. 2002, adital-poonal).- Die Vertreter der Regierung und der Cocaproduzenten sind bisher noch nicht zu einer Vereinbarung gelangt, um den Plan zur Vernichtung der Cocaplantagen zu stoppen. Allerdings waren die Regierungsvertreter mit dem Vorschlag der Cocaproduzenten, eine mögliche Modifizierung des Gesetzes über die Coca und anderer Substanzen (Ley General de la Coca y Sustancias Controladas) zu prüfen, einverstanden. Dieser Erlass, auch bekannt als Gesetz 1008, soll die Legalisierung des Anbaues von bis zu einem halben Hektar Coca pro Familie ermöglichen.

Beide Parteien stellten fest, dass das ergebnislose Treffen nicht eine Unterbrechung des Dialogs bedeute. Ein neuer Termin für weitere Verhandlungen wurde allerdings nicht festgesetzt. Die Bauern der tropischen Regionen schlugen die Modifizierung des Artikels 10 des genannten Gesetzes vor, damit jede Familie einen halben Hektar zum Cocaanbau für die traditionellen Nutzung besitzen könne.

Die während des Treffens vorgestellte „neue Cocapolitik der Regierung“ (Nueva Política de la Coca) bedeutet keine Positionsänderung und verfolgt uneingeschränkt die weitere Vernichtung der Plantagen. Sie macht lediglich Vorschläge zur Erschließung alternativer Märkte und zur Statusänderung des Cocaanbaus.

Der Vertreter der Cocavereinigung, Evo Morales, informierte nach Abschluss des Treffens, dass die Repräsentanten der sechs Föderationen der Cocaproduzenten sich in den kommenden Tagen in Lauca – Region Chapare – wiedertreffen werden. Dabei soll besprochen werden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, sollte die Regierung ihre Politik der Cocavernichtung nicht stoppen.

Er bedauerte, dass die Regierung keine konkreten und durchführbaren Angebote habe und bestätigte trotzdem, dass die Gespräche nicht unterbrochen wurden. Er fügte hinzu, dass die Regierung kein besonderes Interesse an der Lösung des Problems zeige. Er hoffe allerdings dass der Präsident mit Unterstützung seiner Mehrheit im Parlament das „Gesetz des halben Hektars“ ändern werde.

Ihrerseits erläuterten die Minister Carlos Sánchez und Alberto Gasser ausgiebig die Regierungsmaßnahmen: Diese sollten als Grundlage für eine vollständige und dauerhafte Entwicklung verstanden werden. Beide kündigten an, der Vorschlag zur Gesetzesänderung werde analysiert.

Der Vizeminister für Soziales, Ernesto Justiniano, erklärte, die Regierung würde die Vernichtung de Cocaplantagen nur stoppen, wenn die Cocaproduzenten zunächst den Anbau neuer Plantagen einstellen würden. Solange die Behörde nicht weiß, wie viele Hektar jede Familie besitzt, könne man so einen Plan nicht durchführen, sagte Justiniano.

Neue Richtlinie gegen Diskriminierung von HIV-Infizierten

(La Paz, 2. Dezember 2002, comcosur-poonal).- Am Welt-Aids-Tag trat in Bolivien eine neue Richtlinie gegen die Diskriminierung von HIV-Infizierten in Kraft. Die bolivianische Regierung beschloss, dass ab dem 1. Dezember niemand im Land seinen Arbeitsplatz verlieren darf, nur weil er mit dem AIDS-Virus infiziert ist. Auch die Beerdigung eines AIDS-Opfers soll zukünftig weder verboten noch beschränkt werden. Zudem entfällt der Zwang, auch für Ausländer, sich ohne vorheriges Einverständnis AIDS-Tests zu unterziehen.

Diese drei Maßnahmen brechen mit bisherigen diskriminierenden Praktiken und wurden durch einem Beschluss des Gesundheitsministeriums wirksam. Das Verbot der Diskriminierung am Arbeitsplatz ist allerdings nicht neu und geht auf frühere Ministerialerlasse zurück. Weitere Regelungen, so auch der für Ausländer obligatorische AIDS-Tests und andere Untersuchungen sowie das Beerdigungsverbot, wurden erst kürzlich aufgrund von Vorfällen aufgehoben.

Noch zu Beginn des Jahres hatte zum Beispiel der Hauptfriedhof in La Paz die Beerdigung einer HIV-infizierten Person untersagt und berief sich dabei auf eine in der Stadt geltende Norm. Diese schränkte die Dienste an HIV-Infizierten ein. Das Verbot wurde in den vergangenen Tagen von der Stadtverwaltung aufgehoben, wie Alberto Bonadona, Direktor für Wirtschaftsförderung von La Paz, bestätigte.

Seit Auftreten der Krankheit sind mehr Männer als Frauen mit HIV infiziert. Derzeit sind doppelt so viele Männer betroffen. Durch die steigende Anzahl erkrankter Frauen wächst auch die Zahl der infizierten Kleinkindern, die ungefähr drei Prozent der Fälle ausmachen.

KOLUMBIEN

Rückschlag für Präsident Uribe

(Montevideo, 29. November 2002, comcosur-poonal).- Die militarisierte Sicherheitspolitik von Präsident Álvaro Uribe erlitt einen Rückschlag, als ein hohes Tribunal die vorangegangenen Verhaftungen, Hausfriedensbrüche und Störungen der Kommunikationsstrukturen, die ohne vorhergehende richterliche Weisung vollzogen worden waren, für illegal erklärte. Das Verfassungsgericht ließ verlauten, dass die durch die Regierung an die Militärs ausgestellten Befugnisse die Verfassung verletzten. Des weiteren erklärte es das Vorgehen der Militärs, zwei Regionen als Kriegsgebiet zu deklarieren, für unzulässig. Die inzwischen ausgesetzten Maßnahmen waren von zentraler Bedeutung für die militärischen Aktionen gegen die Guerilla. Der Präsident des Verfassungsgerichtes, Marco Monroy, sagte, dass es erst eine Verfassungsreform geben müsse, damit das Militär Polizeifunktionen ausüben könne. Es wurde ebenfalls erörtert, dass Volkszählungen in den genannten Kriegsgebieten durchgeführt wurden und dass journalistische Arbeit vor Ort verhindert wurde. „Weder hiesige noch ausländische Korrespondenten sind dazu verpflichtet, für ihre Arbeit um Erlaubnis zu bitten, denn dies verletzt die durch die Verfassung geschützte Presse- und Informationsfreiheit,“ so der richterliche Kommentar. Menschenrechtsorganisationen hatten gegen diese Aspekte der Regierungspolitik Klage eingereicht.

Militarisierung der Bevölkerung

(Montevideo, 29. November 2002, comcosur-poonal).- Die kolumbianische Armee begann kürzlich mit der Rekrutierung von „Soldaten-Bauern“ in der Stadt Bucaramanga. Zu Beginn sollen 1.254 Bauern in den Militärdienst eingezogen werden. Wenn sie daraufhin in ihre Häuser zurückkehren, dann tun sie das als innerhalb der Zivilbevölkerung verstreute Staatsagenten, derer gesamte Zahl damit auf fünfzehntausend anwachsen wird. Inmitten der problematischen sozialen und ökonomischen Situation wird den Bauern ein Lohn geboten, für den diese den Befehlen der kommandieren Militärs unterstehen, obgleich sie sich wie bisher unter der Zivilbevölkerung bewegen.

BRASILIEN

Unterschriftenkampagne gegen ALCA

(Brasilia, 27. November 2002, alc-poonal).- Bei einer bundesweiten Unterschriftensammlung sollen eine Million Unterschriften gesammelt werden, um die Regierung zur Durchführung einer Volksabstimmung über die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA (Area de Libre Comercio de las Américas) zu verpflichten. Diese soll im Januar nächsten Jahres feststellen, ob die brasilianische Bevölkerung für oder gegen das Freihandelsabkommen ist. Der Beginn der Kampagne fällt mit der Eröffnung des Weltsozialforums zusammen. Auf dem Treffen, das vom 23. bis 28. Januar 2003 in Porto Alegre stattfindet, soll eine internationale Konferenz zum ALCA statt finden.

Letzten September ergab eine Volksbefragung in Brasilien, die während der Woche der Unabhängigkeitsfeiern statt fand, dass zehn Millionen Brasilianer und Brasilianerinnen fordern, dass sich die Regierung aus den Verhandlungen zum ALCA zurück zieht und dass die Militärbasen Alcántara im Bundesstaat Maranhão nicht den Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellt wird.

Die Organisatoren der Kampagne propagieren eine Integration der Länder Lateinamerikas, die auf der Solidarität sowie der Anerkennung der Kulturen und der Souveränität gründet. Das sei der Unterschied zum ALCA, so ein Bericht des Indígena-Rates CIMI aus der Region Misiones.

Dort heißt es, der ALCA sei nicht nur ein Handelsabkommen. Allein, dass sich nur eine von neun Verhandlungskommissionen dem Thema der Handelsbeziehungen widme, zeige dies. „Es handelt sich um ein strategisches Projekt, das alle Lebensbereiche unserer Völker treffen wird“, wird beklagt. Der ALCA sei ein Anliegen, mit dem „das Leben, die Politik, die Ernährung, die sozialen Beziehungen und die Kultur unserer Länder den Interessen der Vereinigten Staaten untergeordnet werden sollen“.

Weiterhin wird argumentiert, dass die USA versuchten, mittels des ALCA ihren Jahresexport nach Lateinamerika von 90 auf 200 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Die Vereinigten Staaten dominierten bereits jetzt vollständig den Markt und die Finanzwelt, ohne ihre protektionistische Politik verändern zu müssen und möchten diese Vorherrschaft mit ihrer militärischen Macht garantieren, wird hinzugefügt.

Unter diesen Bedingungen sei eine wirkliche Integration nicht möglich, da es sich eher um ein Projekt der Vorherrschaft und der Neokolonialisierung handle, so weiter. Es wurde auch noch einmal darauf hin gewiesen, dass die Kriegspläne der USA vorsähen, Militärbasen in Ecuador, Bolivien, Argentinien und der Karibik zu errichten.

Amnesty international kritisiert Bundespolizei

(Montevideo, 29.November 2002, comsur-poonal).- Amnesty International hat die Ermordung eines der wichtigsten Zeugen in den Ermittlungen der Polizei über die Todesschwadrone, die im Bundesstaat Espíritu Santo operieren, bekannt gegeben. Kurz nachdem Manoel Corrêa da Silva Filho in das staatliche Gefängnis von Cachoeiro überführt worden ist, wurde er dort zu Tode geprügelt.

Das Opfer war einer der Verdächtigen, der bereit war, gegen Mitglieder der Polizeiorganisation „Scuderie Detetive le Coq“ auszusagen. Es wird angenommen, dass diese Gruppe in das organisierte Verbrechen, Morde und Menschenrechtsverletzungen involviert ist.

Die Versetzung in das andere Gefängnis war nicht von einem Richter autorisiert gewesen. Für amnesty international war „die Art, mit der die Bundespolizei einen so wichtigen Zeugen behandelte, im besten Fall eine extreme Nachlässigkeit und im schlechtesten Fall eine mögliche Komplizenschaft“.

„Justicia Global“ veröffentlicht Menschenrechtsbericht Kritik an Hinrichtungen ohne Prozess durch die Polizei

(Rio de Janeiro, 4. Dezember 2002, oficina de informações-poonal).- Der vergangene Woche veröffentlichte Bericht über der Verletzung der Menschenrechte im Jahr 2002 zeichnet ein Bild dantesker Ausmaße von Gewaltanwendungen in Brasilien. Die von der Nichtregierungsorganisation „Justicia Global“ erstellte Erhebung beinhalten 14 verschiedene Themenbereiche wie politische Gewalt, Folterpraxen, moderne Sklavenarbeit, Erschießungen von Landbesetzern und die diskriminierende Behandlung von Frauen im Land.

Den Analysen zufolge hat sich die Anzahl von Verbrechen erhöht, jedoch bei ausbleibender Strafverfolgung. Im Falle von Folterungen zum Beispiel gab es trotz eines 1997 verabschiedeten Gesetzes zur Eindämmung von Folter 120 Untersuchungen, von denen nur 30 zu einem Prozess führten und bis jetzt noch nicht abgeschlossen sind. Die Regierung rief seitdem eine Kampagne ins Leben, „SOS Folter“, woraufhin sie landesweit 1.500 Anklagen erhielt. Im Vergleich dazu erhielten NGO´s, die sich mit Menschenrechtsthemen beschäftigen, in diesem Jahr 1.631 Anklagen, allein im Bundesstaat São Paulo.

In Bezug auf Formen moderner Sklaverei auf dem Land wurden laut der Studie im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 17. September dieses Jahres 75 Großgrundbesitzer landesweit von insgesamt 3.110 Personen verklagt. Im Vergleich mit dem Vorjahr ist das ein Zuwachs von 32 Prozent.

Neben der zunehmenden Kriminalisierung sozialer Bewegungen im Einsatz für Landreformen steigt die Zahl der Gewalttaten an Landarbeitern. Bis August dieses Jahres registrierte Justicia Global 16 Ermordungen, 20 Fälle versuchten Mordes, 73 Morddrohungen und 10 Anklagen wegen Folter. Daten des Kommission der Landpastorale fallen noch drastischer aus: Die Einrichtung der katholischen Kirche registrierte 33 Ermordungen, darunter zwei Indígenas, und insgesamt 299 Landeskonflikte.

Am auffälligsten sind die Ergebnisse der Studie bezogen auf Ermordungen seitens der Polizei, sei es bei Aufständen in überfüllten Gefängnissen oder bei Konfrontationen auf der Straße. Laut dem Bericht handelt es sich bei den meisten Schießereien der Zivilpolizei und des Militärs in Wahrheit um Fälle von „kurzem Prozess“. Dieses Vorgehen gleicht einer Vollziehung der Todesstrafe ohne Prozess, die es im brasilianischen Gesetzbuch zudem nicht gibt. Die Höchststrafe liegt bei 30 Jahren Gefängnis. In São Paulo belief sich die Zahl bis Oktober dieses Jahres auf 703 Todesopfer dieser Konfrontationen, das sind im Durchschnitt 70 pro Monat. In Rio de Janeiro ermordete die Polizei 592 Personen, gemessen an der Bevölkerungszahl eine weitaus höhere Rate als in São Paulo.

Vergleicht man diese hohe Zahl an Ermordungen, allein in den zwei Bundesstaaten 1.295 Todesfälle, derer sich die Polizei zu verantworten hat, beispielsweise mit den 367 registrierten Fällen von Mord seitens der US-amerikanischen Polizei im Jahr 1998, wird deutlich, welch absurdes Ausmaß diese Gewalttaten in Brasilien angenommen haben. Sarkastischer noch ist der Vergleich mit den insgesamt 810 Todesurteilen , die in den USA seit 1976 bis zum November diesen Jahres verhängt wurden. In diesen Fällen gab es für die als Kriminelle erachtete wenigstens einen Prozess.

GUATEMALA

GAM findet Skelette auf zwölf geheimen Friedhöfen

(Guatamela-Stadt, 2.Dezember 2002, cerigua-poonal).- Die Menschenrechtsorganisation GAM (Grupo de Apoyo Mutuo) hat mit Hilfe von Gerichtsmedizinern während dieses Jahres insgesamt 46 Gerippe von Männern, Frauen und Kindern auf geheimen Friedhöfen in den Landkreisen Chimaltenango, Huehuetenango und Quiché gefunden.

Ein Bericht der guatemaltekischen Anthropologischen Stiftung FAFG (Fundación de Antropolgía Forense de Guatemala) teilt mit, dass die Organisation im Auftrag von GAM insgesamt zwölf geheingehaltene Friedhöfe untersucht habe und dabei auf 46 sterbliche Überreste gestoßen sei, von denen zwölf Menschen identifiziert wurden, die jünger als 34 Jahre waren.

Nach Angaben von GAM und anderen Gruppen zur Verteidigung von Menschenrechten wird die Zahl der geheimgehaltenen Friedhöfe im Land mit Sicherheit unterschätzt. Es könnten Tausende sein, weshalb der Prozess der Exhumierung sehr langsam voranschreite.

In ihrem Bericht bedauert GAM, dass der Staat weiterhin die Empfehlungen der Kommission für Historische Aufklärung CEH (Comisión del Esclarecimiento Histórico) nicht aufnimmt, vor allem in Bezug auf die Exhumierungen, denn diese sollten von staatlicher Seite vorangetrieben werden, um auf die Nachfragen von Familien antworten zu können, deren Angehörige als Opfer in Massengräbern beerdigt wurden.

Eines der Ziele von GAM und anderen Menschrechtsorganisationen ist, den unmittelbaren Familienangehörigen der Opfer durch die Exhumierungen die Trauer um ihre gefolterten und verschwundenen Lieben zu erleichtern.

Frauen haben keinen Zugang zu Grundbesitz

(Guatemala-Stadt, 29.November 2002, cerigua-poonal).- Frauen können weder Land besitzen noch an Entscheidungen auf dem Lande teilhaben, gab die Koordinatorin der Verhandlungskommission für den Zugang für Frauen zur Miteigentümerschaft von Land (Comisión Negociadora para el Acceso de la Mujer a la Co-Propiedad de la Tierra), María Guadalupe García, bekannt.

García erklärte, dass diese Organisation eine landesweite Studie durchgeführt habe, in der festgestellt wurde, dass in der Mehrzahl der Fälle die Männer das Recht zum Erwerb von Boden haben, obwohl viele Frauen, vor allem Witwen und allein stehende Mütter, Eigentümer des Landes sind, auf dem sie leben. Diese Situation wurde als ausschließend und diskriminierend bezeichnet.

Die Vertreterin der Verhandlungskommission sagte, dass im ländlichen Bereich die Frauen auch von der Teilnahme an Entscheidungen ausgeschlossen seien, da sie innerhalb der Kooperativen und Verbände, die über die Sicherheit der Kommunen wachen, keinerlei Stimmrecht und Recht zur Meinungsäußerung hätten sowie weder wählen noch gewählt werden dürften. Es sei bedauerlich, dass die Frauen in der Mehrheit die produktive und die reproduktive Arbeit innerhalb der Kooperativen und Hilfsverbände leisteten und man ihnen trotzdem keinerlei Möglichkeit zur Teilnahme gebe.

Gleichfalls stellte Frau García fest, dass es, um diese Situation zu vermeiden, notwendig sei, die Einhaltung der Gesetze zu garantieren, hauptsächlich die Verfassung der Republik, die Friedensvereinbarungen und die Internationalen Abkommen. Diese würden oftmals nur auf dem Papier bestehen und nicht in die Praxis umgesetzt.

Zum Abschluss rief sie die staatlichen Organe, die nicht staatlichen Frauenorganisationen und andere Verbände auf, die weibliche Landbevölkerung in ihre Pläne und Projekte einzubeziehen und sich der Tatsache bewusst zu werden, dass diese ausgeschlossen und diskriminiert würden. Andernfalls sei es nicht möglich, wirklichen Frieden im Land aufzubauen.

Die Verhandlungskommission für den Zugang der Frauen zur Miteigentümerschaft an Land besteht aus der Vereinigung Ixmucané, der guatemaltekischen Frauenorganisation Madre Tierra, dem Verband Mamá Maquín und dem Frauenkommitee der Boca Costa.

 

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