Poonal Nr. 546

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 29. Oktober 2002

Inhalt


BRASILIEN

CHILE

KOLUMBIEN

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

PUERTO RICO

GUATEMALA

URUGUAY

PARAGUAY

PERU

ANDENLÄNDER

LATEINAMERIKA


BRASILIEN

Präsidentschaftswahl: Eindeutiger Sieg für Inácio Lula da Silva

Von Roberto Roa

(Berlin/Mexiko-Stadt, 28. Oktober 2002, npl-poonal).- Das Ergebnis ließ keinen Zweifel offen: Der Präsidentschaftskandidat der Arbeiterpartei PT Inacio Lula da Silva, kurz Lula, konnte bei der Stichwahl am vergangenen Sonntag 61,31 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Für seinen Konkurrenten, den Sozialdemokraten José Serra aus der Partei des scheidenden Präsidenten Fernando Henrique Cardoso stimmten 38,69 Prozent der wahlberechtigten und zum Wahlgang verpflichteten Brasilianer und Brasilianerinnen. Mehr als 52 Millionen Menschen gaben damit dem Kandidaten der gemäßigt linken Arbeiterpartei, der zum vierten Mal ins Rennen um die Präsidentschaft gegangen war, ihre Stimme. Bereits den ersten Wahlgang am 6. Oktober hatte Lula mit weit über 40 Prozent klar für sich entscheiden können.

Damit steht dem größten Land Südamerikas ein Regierungswechsel bevor, der weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung haben könnte, da die Arbeiterpartei Brasiliens von einer Vielzahl von Basisbewegungen unterstützt wird, die auf eine ganz neue Politik hofft: Nein zur liberalen Wirtschaftspolitik und der engen Zusammenarbeit mit dem Weltwährungsfonds (IWF), wie sie Präsident Cardoso bevorzugte. Statt dessen fordert Lulas Basis eine sozial ausgewogene Politik, um die extremen Einkommensunterschiede im Land zu mäßigen, die Durchführung einer Landreform und einen effektiven Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft.

Ob Lula diese Hoffnungen erfüllen wird, ist allerdings fraglich. Denn der einst engagierte linke Gewerkschafter setzte im Vorfeld der Wahl auf breite Bündnisse bis weit hinein ins rechte politische Spektrum Brasiliens und mäßigte seinen Ton, so dass mittlerweile sogar große Teile der Unternehmerschaft ihre Angst vor einer PT-Regierung verloren haben.

Lula, der sich kurz vor der Wahl siegesgewiss zeigte, findet jedoch immer noch die richtigen Worte, um seine Anhängerschaft zu überzeugen: „Als Präsident werde ich als erstes alle meine Minister in ein Flugzeug setzen und sie in den Nordosten fliegen, damit sie sehen, was Hunger ist,“ sagte der 57-jährige am Mittwoch in Fortaleza. Die Stadt liegt im Nordosten Brasiliens, der Region, die periodisch von Dürre heimgesucht wird und wo die meisten Menschen im Landesinnern unter erbärmlichen Bedingungen leben müssen.

Derweil machen sich die Spitzen der Arbeiterpartei schon Gedanken um die Regierungsbildung. Zwar ist die PT mit 91 von 513 Sitzen stärkste Fraktion im Parlament, ist aber für eine stabile Regierung auf feste Allianzen angewiesen. Erst kürzlich deutete der parlamentarische Fraktionsführer der PT, Joao Paulo Cunha, an, seine Partei erwäge, den Parlamentsvorsitz anderen Parteien zu überlassen, sollten diese im Gegenzug die Regierung Lula unterstützen.

Ganz anders die Stimmung im Lager des gescheiterten Kandidaten Serra. Zwar hatten dessen Wahlkämpfer immer wieder erklärt, es gebe keinen Anlass, das Handtuch zu werfen. Doch Sprecher der sozialdemokratischen PSDB ließen schon vor der Wahl wissen, sie würden keine so destruktive Oppositionsrolle spielen wie bisher die Arbeiterpartei. Man hatte sich also darauf eingestellt, den Kampf zu verlieren, was wenig verwundert, schließlich hatten Meinungsumfragen Serra maximal 40 Prozent versprochen.

Lula dagegen war sich vorab derart sicher, dass er in der Woche vor der Wahl kaum noch für sich, sondern für die Gouverneurskandidaten in den Bundesstaaten, in denen die PT an der Stichwahl teilnahmen, Wahlkampf betrieb. Bei den Gouverneurswahlen in den 27 Bundesstaaten Brasilien wurden im ersten Wahlgang am 6. Oktober erst zwölf entschieden, die restlichen 15 wurden am Sonntag ermittelt. Beim ersten Wahlhang gewann die PT nur in zwei Bundesstaaten, in acht erreichte sie die Stichwahl.

Besonders wichtig war die Wahl im reichsten und bevölkertsten Staat Sao Paulo. Dort konnte jedoch am Sonntag der PSDB-Kandidat Gerardo Alkmin seine Wiederwahl als Gouverneur erreichen. Auch im südlichen Rio Grande do Sul verlor die Arbeiterpartei die Wahl und muss nun nach 15 Jahren die Regierung an den Sozialdemokraten Germano Rigotto abgeben. Dabei ist die Hauptstadt des Bundesstaates, Porto Alegre, nicht nur Modell für eine basisdemokratische Stadtregierung, sondern auch Treffpunkt der Anti-Globalisierungs-Bewegung, die dort jeden Januar zum Weltsozialforum zusammen kommt.

Rigotto galt zwar schon vorab als klarer Favorit, doch nach Meinung vieler politischer Beobachter schnitt der PT in Rio Grande do Sul auch aufgrund interner Streitigkeiten schlecht ab. Traditionell links orientierte Flügel der Arbeiterpartei wollten sich dort nicht mit den umfangreichen Allianzen abfinden, die Lula etwa mit dem rechtsliberalen PL eingegangen war, um Stimmen zu gewinnen und die Regierung auf eine breite Basis zu stellen.

Fraglos werden Lula und die Arbeiterpartei immense Aufgaben zu bewältigen haben. Zwar ist Brasilien das reichste und wirtschaftlich mit Abstand stärkste Land Lateinamerikas und ist auch politisch relativ stabil. Doch das 170-Millionenland ist laut UNO weltweit auf Platz zwei in Sachen unausgewogener Verteilung und sozialer Ungerechtigkeit. 56 Millionen Brasilianer leben in Armut, und angesichts einer schweren Finanzkrise und unbezahlbaren Auslandsschulden ist der Handlungsspielraum der Politik stark eingeschränkt. Hinzu kommen gravierende ökologische Probleme und die hohe Kriminalitätsrate in den Städten, zwei Brennpunkte, die von den bisherigen Regierungen sträflich vernachlässigt wurden.

CHILE

Neonazis greifen Zentrale der kommunistischen Partei an

(Montevideo, 20.Oktober 2002, comcosur-poonal).- Am frühen Morgen des 5. Oktober drang eine Gruppe Neonazis in Puente Alto in die Räumlichkeiten der Kommunistischen Partei ein, zerstörte das gesamte Mobiliar und beschmierte die Wände mit Hakenkreuzen und antikommunistischen Parolen. Verletzt wurde niemand.

Nach Informationen von PC-Mitgliedern war dies nicht der erste Angriff dieser Art. Bisher war allerdings nicht die Zentrale Ziel der Neonazis gewesen, sondern deren Umgebung. In der Gegend um die Zentrale sowie auf dem Platz in Puente Alto sind vor allem Neonazis aktiv, die bis vor einiger Zeit Mitglieder der Chilenischen Antikommunistischen Aktion waren, einer chilenischen Version der Antikommunistischen Allianz Argentinien, die bereits traurige Berühmtheit erlangt hat.

In der Nacht vor dem Überfall hatte in der Zentrale das Kulturfestival Victor Jara stattgefunden, das die Kommune ausrichtete. Wegen des Verbrechens wurde bereits Anklage erhoben. Politische und soziale Organisationen planen zudem für den 20. Oktober eine Veranstaltung, um ihre Ablehnung und ihre Scham diesen Ereignissen gegenüber auszudrücken. Sie fordern von der Regierung, gegen die Gruppen vorzugehen, deren Ideologie Millionen Menschen das Leben gekostet hat und unter deren Folgen noch heute viele Menschen zu leiden haben.

Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich in Los Angeles, wo am 12. Oktober im Kulturzentrums Victor Jara ein Dutzend Jugendliche mit Stöcken, Ketten und Schlössern auf César Espinoza losgingen, den Vizepräsident der städtischen Anwaltskammer und Leiter des Zentrums. Nach dem Angriff wurde Espinoza in ein Krankenhaus eingeliefert, wo die Ärzte ihm nur leichte Verletzungen attestierten und ihn nach Hause schickten. Seine Frau brachte ihn wegen seines schlechten Zustandes in die Andenklinik, ein anderes Krankenhaus, wo er stationär behandelt wurde, da er in Lebensgefahr schwebte. Außer der Familie Espinoza und der Anwaltskammer will auch das Kulturzentrum Anklage erheben.

Ranghoher Militär tritt zurück

(Santiago de Chile, 21. Oktober 2002, na-poonal).- Spannungsgeladene Wochen zwischen der Regierung um Ricardo Lagos und der chilenischen Luftwaffe (FACH) endeten mit dem Rücktritt des Generalkommandanten der Luftwaffe, General Patricio Rios. In die Enge getrieben durch Vorwürfe, nach denen die FACH Informationen über während der Diktatur verschwundene Personen zurückgehalten habe, trat Rios am 13. Oktober zurück.

Rios ist der erste Militär von hohem Rang, der seinen Posten aufgrund von Belastungen, die mit Menschenrechtsverletzungen einher gehen, aufgeben musste. Er könnte sich in einem Gerichtsverfahren wegen Behinderung der Justiz verantworten müssen.

Nachdem Rios zurückgetreten war, riefen kirchliche Organisationen und Menschenrechtsgruppen erneut dazu auf, dass die Militärs Informationen über den Verbleib der Verschwundenen preisgeben sollen. Die Krise um Rios macht die Einschränkungen deutlich, die der chilenischen Demokratie von Ex-Diktator Augusto Pinochet (1973 – 1990) bei seiner Machtübergabe aufgezwungen wurden. Gleichzeitig gilt der Rücktritt des Generals als Ausdruck einer Stärkung der zivilen Regierung von Lagos gegenüber den Militärs.

Verfahren gegen sechs Militärs wegen Mordverdacht eröffnet

(Montevideo, 19. Oktober 2002, comcosur-poonal).- Die chilenische Richterin Olga Pérez eröffnete ein Verfahren gegen sechs Militärs ihres Landes. Sie werden der Mittäterschaft am Mord an dem Biochemiker und Pinochet-Geheimdienstagenten Eugenio Berríos beschuldigt. Dieser wurde 1993 in Uruguay getötet. Die Majore a.D. Arturo Silva Valdés und Jaime Torres Gacitúa stehen unter direktem Mordverdacht und wurden letzte Woche in Santiago verhaftet.

Gleichzeitig sah sich die uruguayische Richterin Nancy Hagopian nicht befugt, den chilenischen Untersuchungsbehörden Amtshilfe zu leisten und die uruguayischen Militärs, die in den Fall verwickelt, sind zu befragen: die Offiziere a.D. Tomás Casella und Eduardo Radaelli. Die Richterin sieht die Zuständigkeit „wegen der Bedeutsamkeit des Falles“ bei den jeweiligen Obersten Gerichtshöfen.

Die chilenischen Offiziere Silva y Torres waren Jahre lang die Vorgesetzten der Leibwache des Ex-Diktators Augusto Pinochet. Beide wurden von uruguayischen Zeugen als „Begleiter“ von Berrios identifiziert. Die chilenische Richterin erreichte, dass die Zeugen in Chile aussagen können. Ansonsten wirft sie der uruguayischen Regierung eine unübersehbare Unlust an der Zusammenarbeit vor, nachdem die uruguayische Justiz ihr auch die Akteneinsicht verwehrte.

Wegen Irreführung der Justiz prozessiert Pérez auch gegen den Hauptmann Pablo Rodríguez, den ehemaligen Chef des Militärgeheimdienstes DINE, General Hernán Ramírez, und den Unteroffizier a.D., Raúl Lillo, sowie wegen Mitwisserschaft gegen den General a.D. Eugenio Covarrubias, der ebenfalls Chef des DINE war.

Der ermordete Berríos produzierte Giftstoffe für die chilenische Diktatur. Besonders zweifelhaften Ruhm erlangte er dadurch, dass er es schaffte, eigenständig das von den Nazis entwickelte Saringas zu synthetisieren. Gleichzeitig war er drogenabhängig und widmete sich dem Drogenhandel. 1991 wurde er aus Chile rausgeholt, nachdem er von der Justiz vorgeladen worden war, um in einer Untersuchung über die Ermordung von Orlando Letelier in Washington DC auszusagen. Über Argentinien erreichte er Uruguay mit gefälschten Dokumenten.

Ende 1992 präsentierte er sich mit richtigem Namen in der Polizeistation des Badeortes Parque del Plata im Bezirk Canelones und behauptete, er sei von uruguayischen und chilenischen Militärs entführt worden und fürchte nun um sein Leben. Die Polizei ignorierte die Anzeige und übergab Berríos dem Oberst Tomás Casella (der einige Monate später zur Militäreskorte von Augusto Pinochet bei seinem Uruguay-Besuch gehörte). Mit Casella wurde der Biochemiker Berríos das letzte Mal lebendig gesehen.

Diese Begebenheiten wurden damals von einem Polizeiagenten verraten, und obwohl dies zum Rücktritt des Polizeichefs von Canelones führte, wurden sie von höheren Dienststellen nicht zur Kenntnis genommen. Einige Tage später tauchte dann auch ein Foto von Berríos mit einer italienischen Tageszeitung und ein Brief von ihm auf, in dem er schreibt, dass er in Mailand sei und sich bester Gesundheit erfreue. Der Brief wurde von Schriftexperten der Polizei für echt befunden und führte dann zur Einstellung der Untersuchungen.

Zwei Jahre später wurde die Leiche eines durch Kopfschuss getöteten Unbekannten im nahen Badeort El Pinar gefunden. Der Untersuchungsrichter vermutete, dass es sich um Berríos handeln könne, was dann später der Obduktionsbericht bestätigte. Es begann ein bis heute andauerndes Untersuchungsverfahren. Dieses kommt aber derzeit nicht weiter, nachdem ausgeschlossen werden kann, dass, Eduardo Radaelli (der Besitzer des Hauses, in dem Berríos wohnte) und Tomás Casella (der Letzte, mit dem er lebend gesehen wurde) an dem Mord beteiligt waren.

KOLUMBIEN

Iren werden angeklagt

(Montevideo, 18. Oktober 2002, comosur-poonal).- Die kolumbianische Justiz gab bekannt, dass im Dezember das Gerichtsverfahren gegen drei vermeintliche Mitglieder der irischen Befreiungsbewegung IRA beginnt, die in Kolumbien im Sommer 2001 verhaftet wurden. Sie werden angeklagt, die Guerillagruppe FARC trainiert zu haben.

Der Richter Jairo Acosta kündigte die erste Anhörung von Niall Connolly, Jim Monaghan und Martin McCauley an. Es werden jedoch zahlreiche Zeugen im Sinne der Angeklagten aussagen. Unter ihnen befindet sich ein Gerichtstechniker, der Beweise widerlegen soll, die auf Spuren von Sprengstoffen und Drogen in der Kleidung der Iren basieren.

Die Angeklagten sitzen zur Zeit in einem Gefängnis der höchsten Sicherheitsstufe ein. Ihren Erklärungen zufolge steht ihre Reise nach Kolumbien und ihr Kontakt zur FARC im Zusammenhang mit einer Forschungsarbeit über den mittlerweile gescheiterten Friedensprozess, der sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstrecken sollte, bis er von der Regierung des Ex-Präsidenten Andrés Pastrana vollendet werden sollte.

Die Iren reisten mit falschen Pässen in das Land ein und sie haben möglicherweise eine Gefängnisstrafe zwischen 15 und 20 Jahren zu erwarten. Die Verteidiger wiederholten ihre Anschuldigung gegenüber Kolumbien und den USA, dass es sich um einen parteiischen Prozess handele und die Länder Druck auf das Gericht ausüben würden.

Schwere Zusammenstöße in Medellín

(Montevideo. 18.Oktober 2002, comcosur-poonal).- Der Beginn einer Großoffensive der Streitkräfte am 16.Oktober in Medellín, der Stadt, die schon Ort vieler Zusammenstöße zwischen linksgerichteten Guerillagruppen und ultrarechten paramilitärischen Einheiten war, schafft chaotische Zustände für die Zivilbevölkerung. Die Aktion mit dem Namen „Orión“, konzentriert sich hauptsächlich in den 20 Stadtvierteln an den Berghängen, in denen sich die mehr als 200.000 Bewohner nun mehr in Geiselhaft des Gefechts befinden. Amnesty International rief die Kämpfenden auf, die Rechte der Zivilbevölkerung zu achten und forderte Verhandlungsbereitschaft von Präsident Álvaro Uribe.

Eine ähnliche Haltung demonstrierte auch das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Kolumbien. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt die Situation von 400 älteren Menschen, die in einem Seniorenheim eingeschlossen sind. Die schreien aus den Fenstern, man möge sie aus dem Gebäude befreien.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Regierung soll kein Militär gegen illegale Migranten einsetzen

(Santo Domingo, 23. Oktober 2002, textosdom-poonal).- Die dominikanische Regierung soll künftig bei der Suche nach und der Abschiebung von illegalen haitianischen Migranten kein Militär mehr einsetzen. Eine Delegation der Rechtsfakultät der Berkley-Universität in Kalifornien forderte gleichzeitig auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, den 23. Oktober, in der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo, die Rechte von illegalen Einwanderern zu respektieren und nach internationalen Rechtskriterien zu verfahren. In Verletzung internationaler Abkommen, denen auch die dominikanische Regierung beigetreten sei, werde bei der Suche und der Festnahme von so genannten Papierlosen aus Haiti Militäreinheiten eingesetzt.

Die Leiterin der Delegation, die Rechtsprofessorin Laurel F. Flechter beklagte, dass illegale haitianische Einwanderer festgenommen und ohne rechtliche Anhörung sowie Möglichkeiten juristischen Einspruchs summarisch abgeschoben würden. „Was wir gesehen und gehört haben ist alarmierend“, sagte Laurel Flechter und bezeichnete die Razzien, Festnahmen und Kollektivabschiebungen als eine „schwere Menschenrechtsverletzung“.

Die Delegation der Rechtsfakultät der Berkley-Universität hatte zuvor in Treffen mit dem dominikanischen Außenminister, dem Verteidigungsminister und dem Armeechef sowie dem obersten Polizeipräsidenten des Landes und dem Justizminister die Ergebnisse einer Studie vorgelegt, die Mitglieder der juristischen Abteilung zwischen August 1999 und Juli 2000 in der Dominikanischen Republik vorgenommen hatten. Es handelt sich um die erste wissenschaftliche Untersuchung über die Abschiebepraxis haitianischer „Sin Papeles“, die über die grüne Grenze aus der Nachbarrepublik gekommen sind. Dabei wurden Hunderte von Unterlagen und Falldokumenten von Abgeschobenen ausgewertet, die verschiedene Menschenrechtsorganisationen in der Dominikanischen Republik und Haiti gesammelt hatten.

Laurel Flechter widersprach der allgemeinen Vorstellung, dass es sich bei der Mehrzahl der Deportierten um erst kürzlich illegal Eingewanderte gehandelt habe. Die Mehrheit der „Sin Papeles“ habe mehr als zwei Jahre im Land gelebt und gearbeitet, ein Fünftel sogar mehr als 15 Jahre, sagte Flechter. Bei jedem zwanzigsten Fall habe es sich sogar um eine Person gehandelt, die die dominikanische Staatsbürgerschaft gehabt habe. Die Zahl der Deportierten, die dabei misshandelt worden seien, liege bei zehn Prozent, fast allen (80 Prozent) sei die Möglichkeit verwehrt worden, ihre Besitztümer mitzunehmen. 16 Prozent der Abgeschobenen seien von ihren Kindern und 19 Prozent von ihren Lebenspartnern getrennt worden.

Mit ihren Empfehlungen und Klagen sei die Delegation bei den Regierungsstellen auf offene Ohren gestoßen, sagte Delegationsleiterin Fletcher. Sowohl die stellvertretende Chefin der Einwanderungsbehörde, als auch der Polizei- und Armeechef sowie der Verteidigungs- und der Justizminister hätten ihre Bereitschaft zu erkennen gegeben, eine Trennung der Funktionen von Migrationsbehörde und Armee vorzunehmen. Jetzt gelte es, die Erklärungen in praktisches Handeln umzusetzen´, sagte Flechter. Dabei werde die dominikanische Regierung auch an Glaubwürdigkeit gewinnen bei der Forderung, Einwanderer aus der Dominikanischen Republik in den Vereinigten Staaten nicht zu diskriminieren.

Nach inoffiziellen Angaben aus Kreisen der Internationalen Migrationsorganisation leben etwa eine halbe Million illegale Haitianer in der Dominikanischen Republik. In der Boomzeit des Zuckeranbaus kamen sie als Erntearbeiters, als so genannte Braceros ins Land, zum Teil mit Zeitarbeitsverträgen. Die politische und ökonomische Krise im ärmsten Land Lateinamerikas hat dazu geführt, dass inzwischen immer mehr „ambafil“, unter dem Schlagbaum durch, illegal einwandern. Die Mehrheit von ihnen arbeitet im Bausektor, in der Landwirtschaft, als Haushaltsgehilfinnen oder im informellen Sektor als „fliegende Händler“. In Haiti, dessen Staatsgebiet ein Drittel der Insel Hispaniola ausmacht, leben rund acht Millionen, in der Dominikanischen Republik rund 8,5 Millionen Einwohner.

Immer mehr HIV-infizierte und immer weniger Geld

(Santo Domingo, 26. Oktober 2002, textosdom-poonal).- Die Karibik ist nach Schätzungen der Vereinten Nationen gegen AIDS (UNAIDS) nach der subsaharischen Region weltweit die am zweitstärksten von HIV-Infizierungen betroffene Region. Auf den Kleinen und Großen Antillen leben inzwischen rund 420.000 HIV-Infizierte.

In Haiti sind nach UNAIDS-Angaben etwa sechs, auf den Bahamas vier, in der Dominikanischen Republik zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung HIV-Träger. Zu ihrer medizinischen Behandlung und zur Vorsorge werden nach einer Studie der in Trinidad beheimateten Westindischen Universität in den nächsten Jahren jährlich zwischen 265 und 355 Millionen Euro benötigt. Mit diesem Geld könnten ausreichend Medikamente für die Träger des Immunschwächevirus, Vorsorge- und Aufklärungsprogramme in den Ländern der Region finanziert werden, wenn die bisher entwickelten antiretroviralen Medikamente preiswerter würden.

Die Mitglieder der karibischen Staatsgemeinschaft Caricom wollen deshalb künftig bei der Behandlung der rasant steigenden Zahl von HIV-Trägern und AIDS-Erkrankten generische Medikamente einsetzen. Anfang des kommenden Jahres will die Caricom in Namen ihrer 15 Mitgliedsstaaten Verhandlungen mit Pharmaherstellern aufnehmen, die preiswerte, weil nicht Marken gebundene Gattungsmedikamente herstellen, kündete der stellvertretende Caricom-Ausschußvorsitzende für menschliche und soziale Entwicklung, Edward Green, Ende der vergangenen Woche an. Dabei handele es sich vor allem um Firmen aus Brasilien und Guayana, die sich auf die Herstellung von preiswerten Medikamenten gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria spezialisiert haben.

Dass die Karibikstaaten Zuflucht bei billigeren generischen Medikamenten suchen, hat auch mit der derzeitigen ökonomischen Situation in den Mitgliedsländern der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) zu tun. Rückläufige Besucherzahlen in den Urlaubszentren und geringere Überweisungen der Migranten, die in den Vereinigten Staaten von Amerika oder Europa leben und ihren Verwandten Geld schicken, haben in den chronisch unterfinanzierten Staatshaushalten noch größere Löcher gerissen.

PUERTO RICO

Chemiewaffenübungen in Vieques?

(Montevideo, 18. Oktober 2002, comcosur-poonal).- Die Bevölkerung der puertoricanischen Insel Vieques will die Wahrheit über den Einsatz von chemischen Waffen wissen und fordert deren sofortigen Stopp. Angesichts des Verdachts, dass bei den Militärübungen in Vieques chemische und biologische Waffen getestet wurden, verlangt das Komitee zur Rettung und Entwicklung von Vieques (Comité Pro Rescate y Desarrollo de Vieques – CPRDV) durch seinen Vertreter in Washington, dem Akademiker Flavio Cumpiano, sämtliche Informationen, die mit dem militärischen Gebrauch von chemischen und toxischen Substanzen auf der Insel Vieques zu tun haben.

Hochrangige Vertreter des US-Verteidigungsministeriums haben zugegeben, dass im Mai 1969 die Marine in Vieques Übungen mit „Trioctylphosphat“ (Phosphorsäureester) durchgeführt hat. Die chemische Substanz löst Haut- und Augenreizungen aus, beeinträchtigt die Atemwege und verursacht Krebs bei Tieren. Dr. Rafael Rivera Castaña, Epidemiologe aus Vieques und Mitglied des CPRDV weist darauf hin, dass “ … diese neuen Beweise über die Gesundheitsgefährdung unserer Bevölkerung, welche die Marine und ihre Militärübungen darstellt, eine sofortige epidemiologische Untersuchung über die militärischen Verseuchungen notwendig machen“.

Ismael Guadalupe, Sprecher des Komitees in Vieques stellte fest, dass „eine Anweisung des Präsidenten George W. Bush zum Abzug der Marine und der Säuberung des Geländes angesichts der neuen und schaudererregenden Informationen des Pentagon, die ans Tageslicht gekommen sind, notwendiger denn je ist.“

GUATEMALA

US-Regierung will Ermittlungen gegen Ex-Militärs genau verfolgen

(Guatemala-Stadt, 24 Oktober 2002, cerigua-poonal).- Carlos de León Argueta, Chef der Generalstaatsanwaltschaft (MP), hat Ermittlungen gegen fünf guatemaltekische Militärs angekündigt, denen Verbindungen zum Drogenhandel nachgesagt werden. Die US-Regierung wird diese Nachforschungen aufmerksam verfolgen und erhofft sich dadurch positive Resultate, so der Geschäftsführer der US-Botschaft in Guatemala, Stephen McFarland.

Die Generalstaatsanwaltschaft erklärte, dass sie Nachforschungen anstellen werde gegen die Generäle Francisco Ortega Menaldo, Mario Roberto Castillo Catalán und Manuel Antonio Callejas sowie gegen die Obersten Jacobo Salán Sánchez und Napoleón Rojas. Die Männer stehen unter Verdacht, Verbindungen zur gegenwärtigen Regierung sowie zum Drogenhandel und zum Grenzschmuggel zu haben.

Laut McFarland ist es ein offenes Geheimnis, dass die Beschuldigten zu den Parallelkräften in der Regierung der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) zählen. Er fügte aber hinzu, dass es wichtig wäre, die Ermittlungen zu vertiefen, um auf diese Weise herauszufinden, ob eine Verbindung zu anderen undurchsichtigen Mächten des Staates bestehe. Der Geschäftsführer der Botschaft der Vereinigten Staaten meinte, es bestünde die Möglichkeit, dass seine Regierung vier der verdächtigen Männer das US-Visum verweigere. So sei man bereits mit Ortega Menaldo verfahren, nachdem er beschuldigt worden war, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein.

Der US-amerikanische Diplomat wiederholte die Empfehlung seines Landes an Guatemala, die Korruption sowie den Drogenschmuggel und das organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Nur so könne ein richtiger Rechtsstaat aufgebaut werden. Er stellte jedoch klar, dass es nicht in seiner Macht stünde, den Justizbehörden vorzuschreiben, ihre Arbeit zu erledigen. Vor einigen Tagen erklärte Otto Reich, der US-Staatssekretär für die Westliche Hemisphäre [der Regierungsbeauftragte für Lateinamerika, d. Red.], dass einige Personen, die eine wichtige Rolle im Drogenhandel Guatemalas spielten, enge Verbindungen zu hohen Regierungsbeamten pflegten und sogar Einfluss auf die Besetzung von Militärposten sowie Stellen im Innenministerium ausübten. Diese Aussage wurde von Diplomaten der US-Botschaft in Guatemala sowie auch von Beamten der Drogenbehörde der Vereinigten Staaten bestätigt.

Die guatemaltekische Regierung reagierte auf die Behauptungen, indem sie die Anschuldigungen herunterspielte und dazu aufforderte, die Namen der Beschuldigten bekannt zu geben. Außerdem drohte sie damit, bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine Beschwerde wegen angeblicher Einmischung der USA in die interne Angelegenheiten des Landes vorzubringen.

URUGUAY

Gesetz über Informationszugang und freie Meinungsäußerung verbessert

(Montevideo, 24. Oktober 2002, sem-poonal).- Der uruguayische Kongress hat seine vorläufige Zustimmung zu einem neuen Gesetzesentwurf über den Zugang zu Informationen gegeben, der Journalisten und der Öffentlichkeit zum ersten Mal den Zugang zu Regierungsregistern erlaubt. Die Abgeordnetenkammer hatte dem Gesetzesentwurf am 8. Oktober 2002 zugestimmt.

Berichten der Interamerikanischen Pressegesellschaft (Sociedad Interamericana de Prensa, SIP) und dem Weltverband der Basis- und Communityradios (Asociación Mundial de Radios Comunitarias, AMARC) zufolge regelt der Gesetzesentwurf das Recht auf den Erhalt und die Verbreitung von öffentlichen Informationen, sagt die SIP. Darüber hinaus räumt er Journalisten das Recht auf freien Zugang zu nicht-vertraulichen Regierungsdokumenten ein.

AMARC jedoch weist darauf hin, dass der Gesetzesentwurf eine Klausel beinhalte, die es den einzelnen Abteilungen der Regierung, dem Verteidigungsministerium eingeschlossen, erlaube die Verbreitung von Informationen zu verhindern, sofern die angeforderten Daten von „persönlichem Interesse sind und deren Verweigerung rechtmäßig“ ist“. Die SIP hebt hervor, dass in Uruguay Regierungsorgane und staatliche Unternehmen regelmäßig den Zugang zu grundlegenden Informationen blockieren.

PARAGUAY

Gesetz sichert Basisradios

Dokumentation: Erklärung von Arturo E. Bregaglio, Leiter von FM Trinidad

(Asunción, 26. September 2002, alai-poonal).- Die ersten Ansätze von freien Radioinitiativen, die sich auf dem fruchtbaren Land Paraguays verbreiteten, erschienen Anfang der neunziger Jahre. Nach Jahren des langsamen aber steten Wachsens wurde nun am 25. September durch das Telekommunikationsgesetz 642/95 die rechtliche Existenz dieses neuen Bereichs in der Radiolandschaft Paraguays anerkannt: die Basisradios.

In früheren Zeiten gab es mehrere Versuche von Seiten der privaten Medien sowie von Seiten der Regierung und ihrer Institution CONATEL, die Rechte der Basisradios zu beschneiden. Zum einen beschlagnahmte man Ausrüstungen und brachte Radios durch die autoritäre Hand einer alten Diktatur zum Schweigen, die nicht sterben wollte. Zum anderen erreichte man ähnliche Resultate durch die restriktive und diskriminierende Interpretation des Gesetzes. Das fand im Namen einer Demokratie statt, die nicht aufhört geboren zu werden.

Während dessen brachten andere in hartnäckiger und konsequenter Arbeit das Radio zum Laufen, gestärkt durch das Recht der Gemeinden und die Notwendigkeit der Demokratisierung des Kommunikationssektors von Paraguay. So -Tropfen für Tropfen, manchmal Schlag für Schlag – erwuchsen neue Radios in den entlegensten Winkeln des Landes. Eine Radioanstalt wurde geschlossen, zwei neue wurden gegründet, Kräfte wurden gestärkt. Es wurden über neue Frequenzen diskutiert und Verordnungen und willkürliche Anordnungen überprüft.

Auf tausend Arten wurde immer wieder versucht, die Bewegung und ihre Gruppen zu spalten. Doch Tropfen für Tropfen, Jahr für Jahr, widersetze man sich stets aus der Luft, mit der Stimme und mit allem, was jedem nach seinen Möglichkeiten und Örtlichkeiten zur Verfügung stand.

Manchmal schien es, als würden tausend Jahre vergehen und die fruchtbare Erde austrocknen. Neue und alte Verordnungen, öffentliche Aufforderungen, Verfassungsbeschwerden, Bewegungen und Proteste wurden initiiert, und immer wieder begannen wir von vorne. Trotz der vergangenen Jahre hielt jeder Tag, jedes Radio, jeder Mann und jede Frau dieser wunderbaren Bewegung den Traum am Leben.

Am 25. September 2002 musste die Nationale Telekommunikationskommission nun endlich einsehen, das steter Tropfen zum Regen führt: die Steine wurden ausgehöhlt und dahinter verblieb sauber, noch durchnässt schillernd die Anerkennung von insgesamt 107 Basissendern Paraguays als Institutionen.

PERU

Koka-Ausrottung ohne soziale Konflikte?

Von Cecilia Ramón

(Lima, 21.Oktober 2002, na-poonal).- Peru könnte vom US-amerikanischen Antidrogennachweis im Jahr 2003 ausgeschlossen werden und damit seinen Anspruch auf die Vergünstigungen durch das Handels- und Drogenbeseitigungsgesetz für die Andenregion „Andean Trade Promotion and Drug Eradication Act“ (ATPDEA) verlieren, sollte es die Forderungen der USA nicht erfüllen. Bis Ende des Jahres müssten zwischen 3500 und 7000 Hektar Koka-Anbaufläche vernichtet werden.

Obwohl dies nicht die einzige Bedingung für die Vergünstigungen der APTDEA ist – u.a. stellt das Handelsgesetz Anforderungen, um in die amerikanische Freihandelszone ALCA aufgenommen zu werden und verlangt Unterstützung im US-amerikanischen Kampf gegen den Terrorismus -, so müsse Peru dennoch in erster Linie „eine erfolgreiche Ausrottung“ von Drogenpflanzen vorweisen, vor allem von Koka, sagte Nils Ericsson, Präsident der nationalen Regierungskommission für Entwicklung und drogenfreies Leben (DEVIDA). „Das ist der Faktor, der die USA am meisten beschäftigt,“ so Ericsson.

Nach Zahlen der US-amerikanischen Regierung existierten im Jahr 2001 in Peru 34.200 Hektar Koka-Anbaufläche. Inoffizielle Quellen vermuten jedoch 60.000 Hektar. Ericsson warnte vor einer Größenordnung von über 120.000 Hektar, falls das Verbot nicht verschärft oder die Programme zur alternativen Nutzung nicht verbessert würden.

Angesichts dessen hat DEVIDA einen neuen Plan zur kontrollierten Verkleinerung der Koka-Gebiete zusammen mit einem Programm zur gemeinschaftlichen Landwirtschaftsentwicklung vorgestellt. Auf der Basis von Notkrediten für Produkte mit festem Abnehmermarkt sollen alternative Arbeitsplätze und Einkünfte gesichert werden. Gleichzeitig wurde die Polizei ermächtigt, sowohl auf dem Luftweg als auch auf dem Lande, in den Binnengewässern und auf See die Einhaltung des Verbots zu gewährleisten.

Zwischen Juni und August forderten Kokabauern der Amazonastäler von Alto Huallaga, Monzón und Apurímac-Ene bei Demonstrationen und Protesten die zeitweilige Aufhebung der erzwungenen Flächenausrottung und die Ausweisung von Nichtregierungsorganisationen, die Entwicklungsprogramme mit Geldern der internationalen Gemeinschaft – v.a. der internationalen Entwicklungsorganisation USAID – durchführten. Im Anschluss daran unterzeichneten Vertreter der peruanischen Regierung Übereinkommen mit den Kokabauern, in denen sie sich verpflichteten, „in Abstimmung mit den Bauern die allmähliche und zumutbare Reduzierung der Kokablätter und den Kampf gegen Drogenhandel und Subversion“ voranzutreiben. Auch wurde festgeschrieben, die „Anzeigen gegen Nichtregierungsorganisationen zu überprüfen“.

Nach Aussagen der Bauern ging die Flächenbeseitigung nicht mit einem effektiven Programm zur alternativen Nutzung vonstatten und die vorgesehenen Mittel wurden zweckentbunden für nebensächliche Aktionen und Arbeiten verwendet, die nicht mit den entsprechenden Organisationen und lokalen Regierungen abgestimmt waren. Die von Bauern und Regierung unterzeichneten Vereinbarungen missfielen jedoch den USA, die ihrer „Besorgnis“ um die Abschaffung der Ausrottungsprogramme Ausdruck verlieh. Sie führten lediglich zu einem erneuten Anstieg der Kokapflanzungen. Zudem warnte die USA die peruanische Regierung davor, die festgelegten Ziele nicht einzuhalten. In diesem Fall hätten sie keinen Zugriff zu den Vergünstigungen der ATPDEA.

Fest steht, dass die Kokapflanzung dreimal ertragsreicher ist als jeder andere Anbau. Der Preis für das Kokablatt ist seit Mitte 1998 gestiegen: heute werden im Durchschnitt 30 US-Dollar pro Arroba (11,5 Kilo) bezahlt, im Vergleich dazu nur 13 US-Dollar vor vier Jahren. Demgegenüber liegt der Preis von Kaffee in den Kokatälern bei 8 US-Dollar pro Arroba, von Kakao bei 14 US-Dollar, Bohnen bei 4 US-Dollar, Reis bei 3,80 US-Dollar und Mais bei 2,60 US-Dollar. „Das Alternativmodell ist gescheitert,“ versicherte der Amazonasexperte Roger Rumrill. „Der kommerzielle Anbau, der die Bauern interessieren könnte, erwies sich zu keiner Zeit als ausreichend rentabel. Außerdem zeichnete sich niemals eine Politik zur Entwicklung des Amazonasgebietes ab.“

ANDENLÄNDER

Zollminderungsabkommen mit den USA in Kraft getreten

(Lima, 21. Oktober 2002, na-poonal).- Mit großen Erwartungen wurden jetzt die Gesetzesänderung und -erweiterung der US-Zollbestimmungen von den Behörden und Unternehmern aus Bolivien, Kolumbien und Peru angenommen. Die Änderungen werden als Maßnahme betrachtet, die bessere Exportmöglichkeiten in die USA schaffen soll.

Am 25. September erklärte die US-Regierung, dass diese drei Länder in die Liste der Länder aufgenommen werden, für die das Gesetz der Andinischen Handelsförderung und Drogenbekämpfung (Ley de Promoción Comercial Andina y Erradicación de Drogas) ATPDEA gelte. Ekuador wurde nicht aufgenommen. Auch Venezuela kann nicht von dem Gesetz profitieren, weil dort keine Drogen (Koka, Marihuana oder Mohn) angepflanzt werden.

Am 6. August hatte der US-Präsident George W. Bush das neue Gesetz erlassen, das das vorherige Gesetz Andinischer Zollbestimmungen (Ley de Preferencias Arancelarias Andinas) ATPA erneuerte und erweiterte. Das ATPA wurde am 4. Dezember letzten Jahres ungültig. Die jetzige Regelung, die seit dem 1. Oktober rückwirkend vom 4. Dezember 2001 bis zum 31 Dezember 2006 gelten soll, macht Zollerleichterungen auf 6.200 Produkte dieser Andenländer möglich. Das sind ungefähr 700 Produkte mehr als bisher im ATPA einbezogen waren.

Laut Informationen der US-Botschaft in Peru erhöhten sich durch den ATPA die Exporte der Andenstaaten in die USA – Erdöl, Schnittblumen, Früchte, Gemüse, Fisch und Juwelen – seit 1991 um 124 Prozent. Weil die Regelungen bisher nur 40 Prozent der Exporte der Andenregion in die USA betrafen, wurde das Gesetz nun erweitert.

Nicht alle Länder werden die gleichen Bedingungen bei dieser Regelung haben, wie dies auch in der ersten Phase von ATPA der Fall war. Kolumbien nützte dieses Gesetz mit 47 Prozent seiner Exporte am meisten, danach folgte Peru mit 34 Prozent, Ekuador mit 14 Prozent und Bolivien mit fünf Prozent.

In der ersten Phase des ATPA erhöhten sich die peruanischen Exporte in die USA von 695 Millionen US-Dollar im Jahr 1993 auf 1,7 Milliarden im Jahr 2001. Diese Steigerung sei wichtig gewesen, sagt der peruanische Ökonom Antonio Castillo. Allerdings habe sie nur wenige Produkte betroffen. Er fügte hinzu, dass „die hohe Konzentration unserer exportfähigen Angebote, bei denen 115 Unternehmen 80 Prozent der Exporte ausmachen, gegen einen hohen potenziellen sozialen Nutzen des ATPDEA spricht“.

Der Ökonom Daniel Saba sagte gegenüber der peruanischen Tageszeitung Liberación, dass der einzige Vorteil, den Peru aus dem ATPDEA ziehen könnte, im Bereich der Baumwollerzeugung liege. Diese sei aber zur Zeit so niedrig, dass Baumwolle „importiert werden muss“.

Der peruanische Ökonom Óscar Ugarteche erklärte, dass das ATPA gebildet wurde, um wirtschaftliche Substitutionsmöglichkeiten für Alternativen in den Drogenanbaugebieten anzuregen. Allerdings sei der Kaffee „der einzige Anbau, der für dieses Klima und diese Landschaft geeignet ist und die Kokapflanze ersetzen könnte“. Dessen internationale Preise aber seien so niedrig, „dass er nicht wirklich attraktiv ist“. Damit der ATPDEA einen bedeutenden wirtschaftlichen Einfluss bekomme, sagte Ugarteche, „braucht man Wirtschaftsakteure, die bereit sind, in die Agrarproduktion einzusteigen. Ich sehe weder eine landwirtschaftliche Massenproduktion in der Küste noch eine Steigerung der Produkte von hohem Wert im Hochland“. Den peruanischen Bauern fehlten auch die technischen Geräte. „Wenn ihnen keine technischen Geräte zur Verfügung gestellt werden, ist der ganze Rest nur reines Gerede“, fügte er hinzu. Laut Ugarteche hat Kolumbien eine höhere Produktionskapazität. „Kolumbien hat eine höhere Produktvielfalt, größere Anbaugebiete, um einen wirtschaftlichen Vorteil herauszuholen, was jedoch im Andengebirge trotzdem sehr schwierig ist“.

Nach Meinung von Experten benötigt man mindestens einen Zeitraum von vier Jahren, um wettbewerbsfähige Produkte mit einen exportierbaren Potenzial an die USA zu entwickeln. Abgesehen davon brauche man eine klar definierte langfristige Politik, die Exporte und Investitionen fördert.

Die Zollbefreiung hängt nicht nur von dem Erfüllen der Antidrogenkriterien der USA ab, sondern auch von den Lösungen der Konflikte mit den US-Unternehmen. Kurz nach dem das Gesetz verabschiedet wurde, haben Duzende von US-Unternehmen gegen Bolivien, Kolumbien, Ekuador und Peru geklagt. Sie forderten, dass deren Teilnahme in der ATPDEA verweigert wird, weil sie die Handelsrechte in den besagten Ländern brechen würde. Es gibt jede Art von Klagen. Das fängt damit an, dass sie der Meinung sind, dass der Zoll für Mikrowellenpopcorn zu hoch sei, geht über arbeitsrechtliche Prozesse und bis hin zu delikaten Fällen wie Steuerflucht. So wollen sich die US-Unternehmen offensichtlich gegen die südamerikanische Konkurrenz schützen.

LATEINAMERIKA

Feministinnen nehmen Stellung gegen den Neoliberalismus

(San José, 4.Oktober 2002, sem-poonal).- Feministische Organisationen Lateinamerikas geben Stellungnahmen ab, um auf dem IX. feministischen Treffen Lateinamerikas und der Karibik in Costa Rica Anfang Dezember eine einheitliche Position gegen neue Strömungen des Neoliberalismus und der Globalisierung zu vertreten.

Unter dem Motto „Die Positionierung der Feministinnen gegen neoliberale Globalisierung ist ein zentrales Thema für die Bewegung“ vertreten die Mitglieder der Frauengruppen die Überzeugung, dass dieses Thema nicht nur eine Meinungsbekundung verlangt, sondern auch eine Bewertung vorhergehender Globalisierungsprozesse, in denen die Frauen eine historisch wichtige Rolle gespielt haben.

„Der Feminismus ist eine globalisierte Bewegung und wir Frauen haben einen langen Kampf hinter uns, denn wir haben das größte existierende Repressionssystem erlitten, nämlich das Patriarchat. Auch das wurde einst globalisiert. In diesem Sinne teilen wir Frauen viel mit anderen sozialen Bewegungen und können unseren Beitrag leisten. Wir sind gleichzeitig eine der ersten Bewegungen, die sich globalisierte,“ sagte die Roxana Arroyo, eine der Organisatorinnen des Treffens.

Als Vorbereitung auf das Regionaltreffen fanden im Oktober zwei Workshops im mexikanischen Guadalajara und in Kanada unter dem Motto „aktiver Widerstand gegen neoliberale Globalisierung“ statt. Das Forum „Frauen erfinden die Globalisierung neu“ wird vom 1. bis 5. Dezember in Playa Tambor, Guanacaste in Costa Rica abgehalten.

Die Teilnehmerinnen in Costa Rica werden sich mit Themen rund um die Globalisierung und die Rolle der Medien im Zusammenhang mit dem Feminismus auseinandersetzen. So zum Beispiel mit den Auswirkungen der Globalisierung auf die freie Sexualität der Frauen und dem Beitrag des Feminismus zum Modell der neoliberalen Globalisierung.

Ivonne Gómez, Mitglied der Organisationsleitung des Treffens, erklärte, dass das Vorhaben in Playa Tambor darin bestehe, eine multimediale Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die die Teilnahme der Feministinnen in Diskussionen in der Presse begünstige.

María Suárez, ebenfalls in der Kommunikationsleitung des neunten Treffens tätig, sagte, dass die Kommunikationsstrategie sich auf eine Analyse der Globalisierung und deren Auswirkungen auf den Feminismus stütze. „Es herrscht eine Revolution in der heutigen weltweiten Kommunikation. Man muss anerkennen, dass dies ein Teil der Globalisierung darstellt, die es erlaubt, uns an andere Welten anzunähern, mit ihnen zu kommunizieren und mit anderen Völkern und deren Frauen zu interagieren. Aber der Zugriff zu den Informations- und Kommunikationstechnologien ist nicht immer garantiert. Noch viel weniger ist das der Fall in Bezug auf den Zugang zur Produktion und Verbreitung des Wissens, das Feministinnen ausarbeiten,“ hob die Organisatorin hervor. Suárez vertritt die These, dass das steigende Medienmonopol durch die internationalen Konzerne verhindert, dass Frauen und Randgruppen eine eigene Stimme in der Welt haben.

Die Organisatorinnen sagten, neu sei das Finanzierungsmodell innerhalb der Bewegung. Die Mittel kommen aus Stiftungsgeldern der internationalen Gemeinschaft, freiwilliger Arbeit, verschiedenen Einnahmen der Organisationsleitung während der letzten Jahre und der Einschreibegebühren der am Treffen teilnehmenden Feministinnen. Die internationale Gemeinschaft, die Stiftungsgelder zur Verfügung stellt, setzt sich zusammen aus dem Weltfond der Frauen, Mama Cash, ICCO, UNIFEM, der Dougherty Foundation, Hivos, ASTRAEA und anderen Fonds.

 

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