Poonal Nr. 529

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 2. Juli 2002

Inhalt


ARGENTINIEN

PERU

MEXIKO

GUATEMALA

BOLIVIEN

URUGUAY

HAITI

USA-LATEINAMERIKA


ARGENTINIEN

Todesschüsse auf Demonstranten lösen neue Proteste aus

Von Marcos Salgado und Roberto Roa

(Buenos Aires, 1. Juli 2002, npl).- „Als ob wir mit der Wirtschaftskrise nicht schon genug Probleme haben. Jetzt erklärt uns diese Regierung, die nicht einmal gewählt wurde, auch noch den Krieg!“ Der erboste Ausruf einer jungen Demonstrantin, die Ende vergangener Woche in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires gegen das Vorgehen der Polizei protestierte, bringt die Stimmung im Land auf den Punkt. Nach dem Tod von zwei Demonstranten ist für viele Argentinier die Zeit der Übergangsregierung unter Präsident Eduardo Duhalde abgelaufen – weder die ökonomische, noch die politische Krise hat er eindämmen können.

Die Auseinandersetzungen ereigneten sich genau da, wo der Protest gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung am heftigsten ist: In den Armenvierteln südlich der Hauptstadt, wo die so genannten piqueteros immer wieder große Straßen und Kreuzungen besetzen. Die Piqueteros sind zumeist Arbeitslose und Tagelöhner, die teilweise wochenlang auf Straßen campieren, um so auf ihre hoffnungslose Lage aufmerksam zu machen und Forderungen durchzusetzen. Sie gelten als die neue soziale Bewegung Argentiniens, die großen Anteil daran hatte, im vergangenen Dezember die Regierung von Fernando De la Rúa wegen dessen Sozialpolitik in einer großen Protestwelle zu stürzen.

Am brutalsten agierte die Polizei an der Brücke von Pueyrredón, wo piqueteros die wichtigste Zufahrtsstraße nach Buenos Aires blockierten. Hier beträgt die Arbeitslosigkeit bereits knapp 50 Prozent, und das Vertrauen der Bewohner in die Politiker ist weit unter dem Nullpunkt. Ohne Vorwarnung eröffnete die Polizei am Mittwoch das Feuer auf die Demonstranten. Sie erschoss zwei junge Männer, es gab viele Verletzte, darunter acht schwerverletzte, alle durch Schusswunden. Von den über zweihundert Festgenommenen war nicht einer bewaffnet. Zuerst versuchte die Regierung noch, das Geschehen mit einem Streit unter den Protestierenden zu erklären. Doch Pressefotos zeigten eindeutig, dass der Polizeichef Alfredo Frachiotti höchstpersönlich vor Ort war und auch selbst zur Waffe griff. Präsident Duhalde machte prompt eine Kehrtwendung und verurteilte das Geschehen als „widerliche Menschenjagd“. Wenig später traten der Polizeichef der Provinz Buenos Aires, sein Stellvertreter und dann auch der Sicherheitsminister des Bundesstaates von ihren Ämtern zurück.

Schon am folgenden Tag reagierte die Protestbewegung: Zehntausende versammelten sich im Zentrum der Hauptstadt, um der Toten zu gedenken und um erneut gegen die Regierung zu demonstrieren. Piqueteros, Studenten, Schüler bis hin zu den Staatsangestellten, die aus Protest den ganzen Tag über nicht zur Arbeit gegangen waren, waren auf den Straßen. Damit, so kommentiert die argentinische Tageszeitung „Página 12“, sei es der Regierung jedenfalls nicht gelungen, die piqueteros zu isolieren und als gewalttätig hinzustellen.

Im Gegenteil: Es scheint offensichtlich, dass die Polizei diese Konfrontation gesucht hatte. „Es war ein krimineller Plan, der zum Ziel hatte, angesichts der sozialen Krise einer repressiven Staat zu etablieren,“ so das Kommuniqué der „Arbeitslosenbewegung Aníbal Verón, der die beiden Erschossenen angehörten.

Insbesondere die Opposition in Argentinien befürchtet, dass dieser Gewaltausbruch einen Wendepunkt markieren könnte. Immerhin ist es jetzt schon sechs Monate her, dass mit dem Aufstand vom Dezember und der Aufgabe der Regierung das wirkliche Ausmaß der Krise offensichtlich wurde. Jahrelange Misswirtschaft, Korruption und hemmungslose Bereicherung, aber auch die bedingungslose Hörigkeit gegenüber den Leitlinien des Weltwährungsfonds IWF, der mehr den Schuldendienst als die Entwicklung der Landeswirtschaft im Auge hat, haben Argentinien in den Bankrott getrieben.

In den letzten Wochen war seitens Unternehmerverbänden im Inland und im Ausland, die Forderung zu hören, es müsse mit „harten Hand und Nulltoleranz“ gegen die piqueteros und andere Protestler vorgegangen werden. Auch innerhalb der Regierung Duhalde gibt es Strömungen, die für einen härteren Kurs plädieren. So Außenminister Carlos Ruckauf, der bei einem Treffen mit Militärs die Möglichkeit in Erwägung zog, die Armee zur Befriedung des Landes einzusetzen.

Übergangspräsident Duhalde jedenfalls ist mit seinem Latein am Ende. Sogar die Proteste, die er bislang halbwegs unterbinden konnte, sind jetzt neu entfacht. Mit dem IWF konnte er die Verhandlungen zwar am Leben halten, aber noch keinen Abschluss über einen neuen Kredit aushandeln. Und die Wirtschaft ist weiterhin auf Talfahrt.

Zu der Spekulation, dass Duhalde noch dieses Jahr vorgezogene Neuwahlen ausrufen will, ist eine weitere hinzu gekommen: Ex-Präsident Carlos Menem, Symbol für Korruption und angeklagt wegen illegalem Waffenhandel, könnte sich erneut um das höchste Staatsamt bewerben – und angesichts des politischen Chaos nicht chancenlos.

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Kämpfe in der Firma Pepsico

(Buenos Aires, 21. Juni 2002, sem-poonal).- Dutzende von Arbeiter*innen haben Anzeige gegen ihre fristlose Kündigung vom transnationalen Unternehmen „Pepsico Snacks“ erstattet. Von der gesetzlich verordneten Entschädigung hat dieser marktführende Großkonzern, ein Tochterunternehmen von Pepsi, keinen Cent bezahlt.

Pepsico ist ein transnationales Konzern, das 95 Prozent des argentinischen Marktes der Pommes Frites und andere Nahrungsmittel beherrscht. In der Werbung seiner Internetseite betont Pepsico, dass die Mitarbeit mit Partnerfirmen bevorzugt wird, die von Frauen oder Mitglieder von ethnischen Minderheiten geführt werden.

So berichtet es die nichtstaatliche Organisation Red de Mujeres de Argentina (Frauen-Informationsnetz Argentiniens, RIMA) in ihrem Bulletin. Um ihren Protest gegen Pepsico Ausdruck zu verleihen, errichtete die Gruppe der gekündigten Arbeiter*innen -ein Großteil davon Frauen- ein Zeltlager um den Firmensitz.

„Wir wollen wieder angestellt werden, wir sind kein Wegwerfmaterial“, erklärte eine Arbeiterin (zudem auch Familienoberhaut) der Produktionsstätte der Firma im Stadtteil Florida in Groß-Buenos Aires der argentinischen Zeitung Prensa Obrera. Auch sie wurde ohne Einhaltung der gesetzlichen Frist gekündigt. In der Produktionsstätte Florida arbeiten ca. 600 Menschen, davon 380 Festangestellte und ca. 150 mit einem befristeten Vertrag. Etwa ein 70 Prozent der Belegschaft sind Frauen.

„Wir wurden fristlos gekündigt. Wir wurden gezwungen, im Begleitung von Sicherheitsbeamten das Haus zu verlassen, als wären wir Räuberinnen. Der Produktionschef machte sich über uns lustig, als er uns entlies.“, sagte die Arbeiterin, die zur dritten Gruppe der gekündigte Arbeiter*innen gehört, nachdem schon zwei Gruppen im Januar und Mai dieses Jahres gefeuert wurden.

Die Arbeiter*innen beklagen auch die Nichteinhaltung von Bestimmungen über Gesundheit und Hygiene am Arbeitsplatz, die sich z.B. in schlechte Gerüche, schmutzige Sanitäranlagen und das häufige Vorfinden von Insekten, Kakerlaken, und Nagetieren – Ratten – ausdrückt.

Außerdem beschweren sie sich über erschöpfende Arbeitsabläufe und -tage an den Kistenherstellungsmaschinen. Sie verursachten Krampfadern an den Beinen und Schmerzen an Handgelenken, Nieren und Hüften. Die Frauen berichten, dass sie statt im für diese Maschinen normalen Rhythmus von 80 Schlag pro Minute in einem 120er-Takt produzieren müssen. Dies würde eine deutliche Geschwindigkeitsentstellung der technischen Ausstattung bedeuten, mit der die Angestellten arbeiten.

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PERU

Massenproteste stoppen Privatisierungen

(Montevideo, 23. Juni 2002, comcosur-poonal).- Die Regierung von Präsident Alejandro Toledo wird von einer Privatisierung der Elektrizitätswerke Egasa und Egesur absehen, bis gerichtlich über die Legalität des Verkaufs entschieden ist. Sie erklärte sich zudem bereit, innerhalb von 48 Stunden den Ausnahmezustand und die Ausgangssperre aufzuheben, die seit Sonntag in Arequipa nach den anwachsenden Prostesten erlassen wurde. In der Folge dieser Maßnahmen musste bereits der Innenminister Fernando Rospigliosi zurücktreten.

Dieses Verhandlungsergebnis wurde zwischen einer Kommission, die von der Zentralregierung in die Region entsandt wurde, sowie 14 Gemeindebürgermeistern mit dem „Frente Cívico Amplio“ (Bündnis der Protestierenden) von Arequipa am zweiten Verhandlungstag erzielt. Während der Verhandlungen befanden sich fünf südliche Departements in einem Generalstreik, durch den der innerstädtische Verkehr und die Hauptverbindungsstrassen der Region lahmgelegt wurden.

Darüber hinaus sah sich Präsident Toledo, dessen Popularität seit seinem Amtsantritt vor elf Monaten immer weiter gesunken ist, dazu gezwungen, sich bei der Bevölkerung von Arequipa dafür zu entschuldigen, dass er seine Privatisierungsvorhaben nicht ausreichend erklärt hat. Er musste zudem zugestehen, dass er sein Wahlversprechen, keine Privatisierungen durchzuführen, gebrochen hat. Dies rechtfertigte er damit, dass er sich „niemals vorgestellt hat, eine Regierung in Trümmern vorzufinden“.

In der Erklärung von Arequipa, die von beiden Seiten unterzeichnet wurde, drückte die Regierung ihr öffentliches Bedauern über die Aussagen einiger Regierungsmitglieder aus, die die Bevölkerung von Arequipa als feindselig betrachtet hatte. Namentlich werden der Justizminister Fernando Olivera und der Innenminister Fernando Rospigliosi erwähnt. Beide stellten die Entschiedenheit und die Legalität der Proteste in Frage.

Unterstützung von öffentlicher Seite erfuhren die Proteste durch die Teilnahme des Bürgermeisters von Arequipa, Juan Manuel, und einem Dutzend seiner Kollegen aus benachbarten Provinzen. Sie fordern, dass die von der Zentralregierung zum Verkauf angebotenen Elektrizitätswerke von der Regionalregierung übernommen werden. Derzeit hat der belgische Konzern Tractebel den Zuschlag für 167 Millionen US-Dollar.

Tractebel möchte nun die Entscheidung der peruanischen Justiz abwarten, bevor sie den Teil der Aktien von Egasa und Egesur kaufen, der ihnen am Freitag von der Zentralregierung zugesichert worden waren, obwohl gerichtlich eine einstweilige Aussetzung des Verkaufs beschlossen wurde.

Tractebal, die in Brüssel ansässige Filiale des französischen Suez-Konzerns, ist in mehr als 100 Ländern vertreten. Die Firma bestreitet, von der peruanischen Justiz wegen Korruption angeklagt worden zu sein. Sie bestritt von der Presse verbreitete Beschuldigungen, nach denen der Konzern dem ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori zehn Millionen US-Dollar zukommen habe lassen.

Der Vizepräsident Raúl Díez Canseco, einer der Verhandlungsteilnehmer, gab das Abkommen zwischen der Regierung und der Frente Cívico Amplio bekannt. Dort verpflichtet sich die Regierung, alle Privatisierungen zu stoppen, bis eine gerichtliche Entscheidung über deren Legalität vorliegt.

Ein geforderter Volksentscheid über die Zukunft der beiden Elektrizitätswerke wurde von Premierminister Roberto Daqino ausgeschlossen. Ein solcher sei weder „ratsam“ noch „wünschenswert“, da er einen Präzedenzfall für weitere Privatisierungen schaffen würde. Ein Volksentscheid würde auch die noch vierjährige Regierungszeit Toledos beeinträchtigen, der durch Privatisierungen Investitionen ins Land holen und damit Arbeitsplätze schaffen will. Diese Position steht jedoch im Widerspruch zur Meinung der Arequipeños, die befürchten, dass die Privatisierung von Egasa und Egesur zu Erhöhungen der Strompreise und Entlassungswellen führen wird.

In Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perús, dem Zentrum der Proteste, wo Barrikaden errichtet worden waren und die Straßenproteste zum Ausnahmezustand und zur Ausgangssperre führten, gingen nach der Verkündung des Abkommens Hunderte Menschen auf die Strasse und feierten lautstark mit Trillerpfeifen und Kochtöpfen die vorläufige Aussetzung des Verkaufs der Elektrizitätswerke.

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MEXIKO

Das Geschäft mit den Geldsendungen aus dem Norden

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 27. Juni 2002, npl).- Als Rosario Marín aus Washington 200 US- Dollar an ihre Tante Teresa Martínez in Mexiko überwies, erregte dieser sonst alltägliche Vorgang durchaus Interesse – nicht nur in der Finanzwelt. Denn Marín ist nicht irgendeine lateinamerikanische Migrantin, sondern eine Mexikanerin, die vor geraumer Zeit in den USA eingebürgert wurde und es inzwischen bis zur Schatzmeisterin der Bush-Regierung gebracht hat.

Ihre Unterschrift ist zusammen mit der des Finanzministers auf die neuen Dollarnoten gedruckt. Mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Dollar-Überweisung wollte Marín darauf hinweisen, dass die „remesas“, die Geldsendungen von Migranten an ihre daheim gebliebenen Familienangehörigen, ein Wirtschaftsfaktor sind, der nicht unterschätzt werden sollte.

Fast neun Milliarden US-Dollar schickten mexikanische Migranten in den USA im vergangenen Jahr an ihre Familien, hat die mexikanische Zentralbank errechnet. Nach Daten der Weltbank empfangen nur Indien, Griechenland und Israel mehr Devisen auf diesem Weg.

Schätzungen von Aserfam, dem im September 2001 gegründeten Zusammenschluss von Devisentransfer-Unternehmen, gehen sogar vom bis zu zweieinhalbfachen Volumen der „remesas“ aus. Da die meisten der Absender über keinen legalen Status in den USA verfügen und bisher kaum Zugang zu normalen Bankgeschäften hatten, könnten viele Überweisungen gar nicht richtig erfasst werden, sagt der Aserfam-Vorsitzende Jorge Romo.

Die Tendenz ist steigend: Im ersten Quartal dieses Jahres verzeichnete die Zentralbank im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von über acht Prozent. Damit entspricht das Volumen der „remesas“ gut zwei Dritteln der mexikanischen Ölexporte und liegt über den Deviseneinnahmen aus dem Tourismus in derselben Zeit.

Etwa 1,25 Millionen Haushalte in Mexiko profitieren von den „remesas“. Sie sind aber nicht die Einzigen. Willkürlich festgelegte Wechselkurse und die Berechnung von Kommissionen verringern die Summe, die letztlich bei den Familienangehörigen ankommt, erheblich. Manchmal sind es drei verschiedene Unternehmen, die an einem Geldtransfer gewinnträchtig beteiligt sind: Das erste nimmt das Geld in den USA an, ein zweites überweist das Geld nach Mexiko und ein drittes schließlich übergibt das Geld vor Ort.

Da die Mehrheit der „remesa“-Absender zu den schlechter Verdienenden gehört, die selten Beträge von über 200 Dollar überweisen, beträgt der durchschnittliche Wertverlust durch die Mindestgebühr 20 Prozent. 40 Prozent waren noch vor wenigen Jahren nicht außergewöhnlich.

Für die „remesas“ gibt es bislang keine gesetzliche Gebührenregelung, was zu harter Konkurrenz bei dem attraktiven Kommissionsgeschäft geführt hat. Diese Tendenz wird jetzt durch eine neue Entwicklung auf dem US-Bankensektor noch verstärkt: Immer mehr Banken bieten Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus an, Konten zu eröffnen und Geldüberweisungen in ihre Heimat zu erledigen.

Als Voraussetzung für die Eröffnung eines Bankkontos akzeptieren die Geldinstitute neuerdings eine Ausweiskarte der mexikanischen Konsulate. Für die knapp acht Millionen Mexikaner, die ohne gültige Aufenthaltspapiere in den USA leben und arbeiten, hat das den Vorteil, dass sie kaum noch von der US-Einwanderungsbehörde identifiziert werden können.

Die Resonanz war enorm. Bis Mitte April eröffneten mexikanische Migranten bereits mehr als 80.000 neue Konten in 16 US-Bundesstaaten. Statt der prognostizierten 300 bis 400 Dollar deponierten sie im Durchschnitt das Zehnfache. Der Wells Fargo Bank, die eine Vorreiterrolle spielte, folgten inzwischen 33 weitere Bankinstitute, um von dem bisher vernachlässigten Markt zu profitieren.

Auch die immer engere Zusammenarbeit zwischen den US-Bänkern mit ihren mexikanischen Kollegen eröffnet neue Perspektiven für das „remesa“- Geschäft. Eine elektronische Geldüberweisung aus den USA auf das Konto einer Partnerbank in Mexiko ist in Sekundenschnelle und mit geringen Kosten möglich.

Die Citigroup, die im vergangenen Jahr mit Banamex die größte mexikanische Bank in einem 12-Milliarden-Dollardeal schluckte, könnte die Überweisungen gleich im internen Zahlungsverkehr verbuchen. Zumindest theoretisch müssten diese Vereinfachungen über sinkende Gebühren und den im Bankenverkehr besseren Wechselkurs auch den in Mexiko lebenden Familienangehörigen der Migranten zugute kommen.

Experten gehen davon aus, dass die durchschnittlichen Verluste für die Geldempfänger zunächst einmal von 20 auf 10 Prozent sinken könnten. In Einzelfällen wird eine Überweisung aber selbst dann noch sehr teuer sein, wenn keine Mitverdiener am Werk sind. Jorge Romo von Aserfam: „Es gibt Unternehmen, die die Geldsendung in ganz entlegende Gegenden sogar mit dem Pferd überbringen.“

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Ermittlungen zum Fall Digna Ochoa

(Mexiko-Stadt/Montevideo, 23. Juni 2002, poonal-comcosur).- Noch immer ist der Fall Digna Ochoa ungeklärt. Ein Staatsanwalt in der mexikanischen Hauptstadt, Renato Sales, wollte nun die Ermittlungen über den gewaltsamen Tod der Menschenrechtsanwältin vom Oktober vergangenen Jahres beenden. Sales hat sich zu diesem Schluss entschieden, nachdem sein Team zu dem Ergebnis kam, dass sich die Anwältin selbst umgebracht haben soll. Doch nach einer Intervention des Oberstaatsanwalts Bernardo Bátiz, der Sales aufforderte, den Fall weiterhin als offen zu betrachten, gehen die Ermittlungen nun doch weiter.

Familienangehörigen und Arbeitskolleg*innen von Ochoa sowie eine Öffentlichkeit, die die bisherigen holprigen Ermittlungen verfolgt hat, weisen die Version vom Selbstmord zurück. Sie beschuldigen die Behörden, die wahren Motive für einen Mord verschleiern und das Ansehen der Anwältin zerstören zu wollen. Deswegen fordern sie die Entlassung von Sales.

Die Selbstmordhypothese entstand unter anderem durch die Ermittlungen, die geführt worden waren, seit der Leichnam der Aktivistin des Menschenrechtszentrum „Miguel Agustín Pro“ am 19. Oktober vergangenen Jahres gefunden wurde. Die Ermittler wollen bei ihren Nachforschungen zu dem Ergebnis gekommen sein, dass die Menschenrechtsaktivistin durch einen Kopfschuss starb, der aus ihrer eigenen Waffe, einer Pistole des Kalibers 22, abgefeuert worden war. Nach ihren Angaben litt die Anwältin an einer neurotischen Krankheit, die zum Selbstmord führen kann.

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GUATEMALA

Portillo setzt Konzession für den Fluss Sarstún aus

(Guatemala, 21 Juni 2002, Cerigua-poonal).- Jorge Mancúa vom Verteidigungsamtes Q'eqchí' erklärte, dass Präsident Alfonso Portillo die Konzession, die die Suche und Förderung von Erdöl im Fluss Sarstún und am See Izabal gestattete, ausgesetzt hat.

Der indigene Verteidiger ist nach eigenen Angaben im Besitz eines Dokumentes, in dem Portillo die Aufkündigung der beiden Konzessionen unterzeichnet, die zuvor vom Atlantischen Erdölunternehmen (CPA) erpresst wurden. Aus bislang unerklärten Gründen wurde aber in der staatlichen Zeitung nur die Aufkündigung der Konzession für den See Izabal veröffentlicht.

Diese Tatsache liefert nach Mancús Worten einige Gründe für Spekulationen. Sie deute versteckte ökonomische Interessen an. Die CPA habe offenbar mehr Macht als die eigene Regierung. In diesem Zusammenhang kündigte er ein Treffen mit dem ecuadorianischen Führer einer indigenen Bewegung an, die gegen eine Erdölgesellschaft seines Landes kämpfe und ebenso wie die CPA die Vereinbarung 169 über indigene Gemeinschaften und Stämme der Internationalen Arbeiterorganisation (IAO) verstoße.

Magalí Rey Rosa von der Ökologischen Vereinigung Madre Selva (zu dt. Mutter Wald) erklärte, dass die verursachten Schäden irreparabel seien und vielmehr die humanitäre Frage als die gesetzliche Lage im Vordergrund stehen sollte. Die Umweltschützerin wies zudem darauf hin, dass nach internationalen Untersuchungen die Erdölvorkommen in den kommenden 15 Jahren stark abnehmen würden und innerhalb von 40 Jahren gänzlich verschwunden seinen. Sie schloss mit den Worten, dass Guatemala die Liste der erdölexportierenden Länder nicht anführen würde, wohl aber die der Umweltzerstörenden.

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BOLIVIEN

Protestierende Bauern erreichen Übereinkunft mit Regierung

(La Paz, 24. Juni 2002, recosur-Poonal).- Die protestierenden Bäuer*innen und Indígenas in Bolivien haben erreicht, dass sich Regierung und Nationalkongress verpflichtet haben, in der ersten Juliwoche den Artikel 230 der Verfassung zu ändern. Nun soll die neue verfassungsgebende Nationalversammlung einen offiziellen Status bekommen, mit dessen Hilfe die gesamte „Magna Carta“ Boliviens reformiert werden soll. Auf diese Weise wurde acht Tage vor den Wahlen einer der drei Hauptkonflikte im Land entschärft, die eine Bedrohung für den reibungslosen Ablauf des Urnengangs am 30. Juni dargestellt hatten.

Ministerpräsident Alberto Leytón, Justizminister Alberto Goitia und der Minister für Bauernfragen Tomasa Yarhui schlossen diesen Kompromiss mit dem Nationalen Rat von Ayllus und Markas del Qullasuyo (CONAMAQ) und einer Fraktion der Föderation der indigenen Gemeinden des Bolivianischen Ostens (CIDOB). Beinahe tausend Bäuer*innen wohnten dem Unterzeichungsakt bei.

Am 3. Juli soll ein Außerordentlicher Kongreß zusammentreten, der über das „Gesetz über die Notwendigkeit einer Reform“ beraten soll. An ihm sollen alle politischen Parteien und die wichtigsten sozialen Gruppen, darunter auch CONAMAQ und CIDOB, teilnehmen. Bis zum 27. Juli soll die Regierung außerdem in Zusammenarbeit mit indigenen Gruppen konkrete Ideen für das so genannte „Agrar-Paket“ entwickeln.

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Sexarbeiter*innen fordern ihre Rechte

(La Paz, 19. Juni 2002, recosur-poonal).- Die Sexarbeiterinnen von La Paz sind es leid, dass ihre Rechte kontinuierlich verletzt werden. Nun drohen sie mit einer Demonstration der schwarzen Schleier durch die Straßen von La Paz. Diese Entscheidung wurde nach Bekanntwerden des jüngsten Vorfalls getroffen, bei dem eine Sexarbeiterin brutal bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen worden war und anschließend im Krankenhaus verstarb.

Immer wieder kommt es in Bolivien zu Morden an Sexarbeiterinnen. Keiner dieser Fälle wurde aufgeklärt bzw. strafrechtlich geahndet. „Keine unserer Kolleginnen kann in Frieden ruhen, denn sie alle sind gestorben und wurden bestattet, ohne dass ihnen Gerechtigkeit widerfahren war“, so Luz, Präsidentin der Sexarbeiterinnen, die ihre Arbeitskolleginnen aus anderen Landesteilen dazu aufgerufen hat, aufgrund des jüngsten Vorfalls ihre Solidarität zu bekunden.

„Wenn uns in diesem Fall keine Gerechtigkeit widerfährt, werden wir eine Demonstration der schwarzen Schleier realisieren, in Hungerstreit treten; sei es zum ersten Mal, wir werden uns sichtbar machen. Ich rufe alle meine Kolleginnen dazu auf, mitzumachen“, bestätigt sie.

Luz berichtet, dass der Fall am 27. Mai bestätigt wurde. Am Muttertag hatte ihr Lebensgefährte sie wiederholt geschlagen, bis sie in Ohnmacht fiel und schließlich in einem Krankenhaus der Stadt verstarb. „Nach dem Todesfall unserer Kollegin hatte sie etwa vier Tage im Leichenschauhaus gelegen. Erst dann erfuhren wir durch ihre Familienangehörigen, dass unsere Kollegin ermordet worden war“.

Laut Luz gibt es viele Personen, die bezeugen können, dass Rosmery (das Opfer) von ihrem eigenen Ehegatten geschlagen wurde. Ebenfalls klagt sie an, dass zahlreiche Zeuginnen, Arbeitskolleginnen des Opfers, keine Aussagen machen möchten, weil der Angeklagte sie bedrohe.

Die formale Klage , die auf Totschlag lautet, wurde im Ministerio Público durch die Schwester der Ermordeten, Jenny E. H. am 5. Juni eingereicht. Ein Auszug aus dem Dokument besagt: „Am ersten Juni dieses Jahres verstarb meine Schwester Rosmey Ch. unter ungeklärten Umständen. Wie aus der Todesurkunde ersichtlich wird, verstarb sie im Krankenhaus aufgrund von Verletzungen am Brustkorb, nachdem sie wegen brutaler Schläge durch ihren eigenen Lebensgefährten eingeliefert worden war.“

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URUGUAY

USA und IWF loben uruguayische Regierung

(Montevideo, 22. Juni 2002, comcosur-poonal).- Der US-Finanzstaatssekretär für internationale Angelegenheiten John Taylor sagte in einer Erklärung am vergangenen Donnerstag, dass die uruguayische Regierung „schnell gehandelt habe, mit dem Ziel, das Bankensystem zu stärken, Schlüsselsektoren der Wirtschaft zu öffnen und das Steuersystem zu reformieren“. Die Entscheidung, die Wechselkursbindung des Peso an den US-Dollar aufzuheben, sei Teil des neuen und starken Wirtschaftskurses Uruguays.

Der zweite Vizedirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF) Eduardo Aninat lobte ebenfalls diese Maßnahme und sagte: „Pragmatisch gesehen glaube ich, dass dies eine zufriedenstellende Maßnahme ist, die von politischer Klugheit zeugt.“ Er drückte außerdem seine Zuversicht darüber aus, dass der IWF einen neuen Kredit über 1,5 Mrd. US-Dollar an Uruguay bewilligen werde.

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Immer mehr Minderjährige von Armut betroffen

(Montevideo, 22. Juni 2002, comcosur-poonal).- Von 800.000 Minderjährigen in Uruguay leben schätzungsweise 280.000 unterhalb der Armutsgrenze. Zu dieser Zahl kam eine vom Bürgermeisteramt von Montevideo organisierte Tagung zur Situation Minderjähriger im Land. Bei dieser Gelegenheit wies der Präsident des Nationalen Instituts für Minderjährige darauf hin, dass diese Institution derzeit 43.777 Kinder betreue, davon 4.685 in Vollzeit und weitere 39.092 in Teilzeit. Vor zehn Jahren seien es erst 7.000 Kinder insgesamt gewesen.

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Gewerkschaft verurteilt Maßnahmen des Wirtschaftsministers

(Montevideo, 22. Juni 2002, comcosur-Poonal).- Juan Silveira vom Vorstand der Gewerkschaft PIT-CNT erklärte, dass der Wirtschaftsminister Alberto Bensión sowohl Rückhalt wie Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung verspielt habe. Silveira erinnerte daran, dass Bensión „erst vor kurzem öffentlich versichert hatte, in diesem Halbjahr nichts an der Dollarbindung des uruguayischen Peso zu machen – und nun sieht es so aus, dass wir uns von einem Tag auf den anderen mit der Aufhebung dieser Bindung abfinden müssen.“

Bensión hatte ebenfalls angekündigt, dass der Staat nicht für die durch den Betrug seiner Vorstände an der Kommerzbank Uruguays entstandenen Schäden aufkommen würde. Und kurz darauf wurde bekannt, dass 60 Millionen US-Dollar genau zu diesem Zweck aus den öffentlichen Kassen entnommen worden waren. Die Gewerkschaftsführung analysierte die 50 von der Regierung angekündigten Maßnahmen und kamen zu dem Ergebnis, dass diese nur zu mehr Arbeitslosigkeit und zu einer größeren Misere der Bevölkerung führen würden.

„All dies wird zu einer Verringerung der Ausgaben für Gesundheit, Erziehung und das Wohnungswesen führen, da der Staatshaushalt in Pesos bemessen wird, die Auslandsschulden dagegen in Dollars bezahlt werden müssen. Auf indirektem Wege kommt es also zu einer Kürzung des Staatshaushalts über die von der Regierung bereits angekündigten Einschnitte hinaus.“, führte Silveira aus.

Die Gewerkschaft geht davon aus, dass Uruguay durch die Politik der Regierung das gleiche Schicksal wie Argentinien blüht. „Es handelt sich um Maßnahmen, die in unserem Bruderland zur jetzigen, extremen Krise geführt haben und Millionen von Menschen betreffen. Deswegen sollten alle Sektoren der Gesellschaft, die mit dieser Politik nicht einverstanden sind, sofort selbst etwas unternehmen, um sie zu ändern.“

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HAITI

Verhandlungen mit Oppositionsführern

(Port-au-Prince, 17. Juni 2002, alterpresse-poonal).- Das Aufeinandertreffen zwischen dem Präsidenten Jean-Bertrand Aristide und den Oppositionsführern hat am 15. Juni in der Residenz des apostolischen Nuntius, Luigi Bonazzi, in Port-au-Prince stattgefunden. Dank der Vermittlung durch die haitianische Bischofskonferenz haben sich die zwei Delegationen der Regierungspartei Fanmi Lavalas und der Convergence Démocratique an einen Tisch gesetzt.

Die beiden Seiten haben sich darum bemüht, die Bedingungen der Wiederaufnahme der politischen Verhandlungen festzulegen, um aus der Krise herauszukommen. Die Mitglieder der Delegation der Convergence Démocratique, darunter Gérard Pierre-Charles, Micha Gaillard und Hubert Deronceray, haben Aristide gegenüber die Forderungen ihrer politischen Plattform geltend gemacht, die vor der Aufnahme der Diskussionen berücksichtigt werden sollen und die insbesondere die Fragen der Sicherheit, der Entmilitarisierung und der Justiz betreffen.

Die Oppositionsführer erklärten, von Seiten des Staatschefs die Zusicherung erhalten zu haben, dass ihren Forderungen Gehör geschenkt worden sei. Die Delegation der Fanmi Lavalas, der unter anderen der Premierminister Yvon Neptune und der Parteivorsitzende Jonas Petit angehörten, liess wissen, dass bereits Massnahmen getroffen worden sind, um auf die Verhandlungswünsche der Convergence zu antworten.

Die Plattform „Initiative de la Société Civile (ISC)“ (Initiative der Zivilgesellschaft), die bereits versucht hatte, die Rolle des Vermittlers in der Krise zu übernehmen, hat das Treffen vom 15. Juni begrüßt. Sie wünscht, dass auch andere Sektoren in den Verhandlungsprozess integriert werden.

Das Treffen hatte unter Anwesenheit der Delegation der „Organisation des Etats Américains (OEA)“ (Organisation amerikanischer Staaten) und der „Communauté Economique de la Caraibe (CARICOM)“ (Wirtschaftliche Gemeinschaft der Karibik) stattgefunden. Der stellvertretende Sekretär der OEA weilte schon seit einer Woche auf Haiti, begleitet vom Außenminister Ste.-Lucies', Julian Hunt. Sie haben das Land am 17. Juni verlassen, um am 7. Juli zur Wiederaufnahme der Verhandlungen für eine weitere Mission zurückzukehren.

Auf die jüngsten Entwicklungen der politischen Situation reagierend, hat es der Priester Jan Hanssens, der Nationale Sekretär der Justiz und des Friedens, als Misserfolg bezeichnet, dass es den Haitianern nicht gelingt, ihre Probleme untereinander zu lösen. Er wollte jedoch die Anwesenheit von Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Haiti nicht als negativ bewerten.

Auf den ersten Blick erscheint die Krise als ein Wahlkonflikt, das Problem liege aber viel tiefer, sagte Priester Hanssens. Nach ihm sind der Graben zwischen Reichen und Armen, die Ausgrenzung, die Ungerechtigkeit und die Abhängigkeit des Landes vom Ausland die wirklichen Probleme, die gelöst werden müssen und von denen die Wahlen abhängen. Aus diesem Grund, so betont der Priester, müssen auch diese fundamentalen Probleme auf den Verhandlungstisch gebracht werden, um wirkliche Lösungen angesichts der Krisensituation, die die haitianische Gesellschaft erschüttert, ins Auge fassen zu können.

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USA-LATEINAMERIKA

Lateinamerika fürchtet neue Interventionspolitik der USA

Von Andres Gaudin und Roberto Roa

(Buenos Aires, 28. Juni 2002, npl).- Die Mehrzahl der politischen Strömungen in Lateinamerika, von Liberalen über Sozialdemokraten bis hin zur Linken, machen sich über die Politik Washingtons in der Region sorgen. Da vielerorts Unklarheit über die neue politische Linie der mächtigen Nachbars im Norden besteht, befürchten Regierungen wie Oppositionsparteien des Subkontinents, sie können sich unversehens Probleme mit den USA einhandeln. Ursprung dieser Befürchtung ist in erster Linie die Rolle, die die US- Administration bei dem gescheiterten Putschversuch in Venezuela am 11. April dieses Jahres spielte. Aber auch in Brasilien, wo die Linke im Herbst gute Chancen hat, die Präsidentschaft zu übernehmen, wird die Einflussnahme Washingtons kritisch zur Kenntnis genommen.

Inzwischen ist bekannt, das hohe Funktionäre des Pentagons sich zu Beginn des Putsches gegen die linkspopulistische Regierung von Hugo Chavez in Venezuela im Hauptquartier der Putschisten aufhielten. Der US-Demokrat Joseph Biden sagte eine Untersuchung der mutmaßlichen Kontakte zwischen US-Offiziellen und den venezolanischen Putschisten zu.

Der Regierung Bush, die den Staatsstreich von Beginn an nicht verurteilte, ist es bis heute nicht gelungen, den Verdacht auszuräumen, bei dem Putsch in Venezuela, dem drittgrößten Erdöllieferanten der USA, Pate gestanden zu haben.

Andere lateinamerikanische Staaten wie Uruguay oder Brasilien, in denen starke linke Partei die Chance sehen, die nächsten Wahlen zu gewinnen, befürchten nun, ebenfalls ins Blickfeld der Washingtoner Falken zu geraten. Die jüngste Warnung seitens des US-Finanzministeriums, dass ein Wahlsieg des Linkskandidaten Ignacio Lula da Silva in Brasilien dem Vertrauen in die Wirtschaft schade, hat bereits dazu geführt, dass die Währung in dem größten Land Südamerikas und in den Nachbarstaaten an Wert verlor. Ähnlich ist die Angst in Ländern wie Argentinien, Peru oder Paraguay, die politisch instabil sind und wo starke Protestbewegungen Einfluss auf die Politik nehmen.

Juan Tokatlian, Professor an der San Andres Universität in Buenos Aires, ist der Auffassung, bei den in der Regierung Bush mit Lateinamerika befassten Funktionäre sei Vorsicht angebracht. Viele der erzkonservativen Politiker, die schon unter Ronald Reagen eine fragwürdige Politik betrieben, „haben sich in Venezuela nicht als Verteidiger der Demokratie hervor getan. Wir müssen davon ausgehen, dass die USA zunehmend zu einem Sicherheitsproblem für die demokratischen Regierungen in der Region werden,“ so Tokatlian.

Professor Tokatlian und andere Kritiker der US-Politik bezeichnen der Kurs Washingtons in Lateinamerika als „zu ökonomistisch“. Ihr Angelpunkt sei die Einrichtung des Amerikanischen Freihandelszone ALCA unter Regie der USA, die mit Hilfe befreundeter konservativer Regierung durchgesetzt werden soll. Da stört natürlich ein Hugo Chavez, der die Freihandelszone als „verfrüht und unsozial“ bezeichnet und gleichzeitig mit dem sozialistischen Kuba gute Beziehungen unterhält.

Auch die starke außerparlamentarische Opposition in Argentinien hat sich gegen den ALCA ausgesprochen und der brasilianische Oppositionskandidat Lula erklärt: „Brasilien sollte an den Verhandlungen über den ALCA nicht teilnehmen, weil seine ökonomische und juristische Ausrichtung die sozialen Probleme im Land nur verschärfen werden.“

Nachdem bereits im Mai US-Banken verlauten ließen, dass sich das Investitionsklima in Brasilien verschlechtert habe, nimmt die Kritik in lateinamerikanischen Ländern an der Einmischung aus dem Norden zu. „In Venezuela haben wir gesehen, wie Bush der Demokratie den Rücken kehrte, weil Demokratie für die Rechte unerträglich ist,“ erklärte Aloízio Mercante, Beauftragter für internationale Beziehungen der Arbeiterpartei (PT) von Lula. Länder wie Brasilien müssten sehr aufmerksam sein, weil die USA ihre Interventionspolitik intensivierten, so PT-Abgeordnete.

Ähnlich der Unmut in der linken Partei Frente Amplio in Uruguay, die laut Umfragen für die Präsidentschaftswahlen 2004 weit vorne liegt. „Venezuela hat gezeigt, dass für die USA nicht die Demokratie Priorität hat, sondern die Interessen der Privilegierten,“ so der Frente Amplio-Abgeordnete Guillermo Chifflet. Und Senator Rafael Michelini ergänzt: „Lateinamerika muss sich fragen, ob die Ablehnung der US-Politik nicht generell zur Destabilisierung mittels klassischer Staatsstreiche und der Einsetzung von Diktaturen führen könnte. Somit heißt die eigentlich Frage, ob der Neoliberalismus überhaupt mit Demokratie kompatibel ist.“

  

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Koordination in Berlin: Dorothea Wein, Andreas Behn
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