Poonal Nr. 507

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 21. Dezember 2001

Inhalt


In eigener Sache:

ARGENTINIEN

GUATEMALA

EL SALVADOR

HAITI

KUBA

KOLUMBIEN

CHILE

BOLIVIEN

LATEINAMERIKA


In eigener Sache:

Liebe Poonal-Leserinnen und Leser,

das Jahr neigt sich dem Ende zu – und Poonal geht in die Winterpause.

Die nächste Ausgabe unseres Pressedienstes erscheint voraussichtlich am 5. Februar 2002, einem Dienstag.

Die etwas ausgedehntere Pause hängt damit zusammen, dass grundlegendere Veränderungen im Projekt anstehen: Zwar werden die Übersetzungsarbeiten der Texte, wie auch im vergangenen Jahr, von einem ehrenamtlich tätigen Team in Berlin übernommen. Die Zentralredakion allerdings befindet sich ab nächstem Jahr wieder in Mexiko-Stadt, von wo aus zwei neue Mitarbeiter*innen sich kontinuierlich um Poonal kümmern werden.

Zurückliegende kleinere und auch größere Unregelmäßigkeiten bitten wir zu entschuldigen – sie waren einigen strukturellen (sowohl finanziellen, technischen als auch personellen) Schwierigkeiten geschuldet.

Für das Jahr 2002 haben wir die besten Vorsätze gefasst…und sehen hoffnungsfroh weiteren 500 Ausgaben von Poonal entgegen.

Ein wohliges Jahresendfest und viel Power im neuen Jahr wünschen Euch und sich die Poonal-Redaktion, die Übersetzer*innen und der ganze Nachrichtenpool Lateinamerika.

 

 

 

INHALT  

ARGENTINIEN – Plünderungen und Proteste gegen Verhängung des Ausnahmezustands. – Immer mehr argentinische Juden wollen nach Israel emigrieren GUATEMALA – Interamerikanische Kommission für Menschenrechte fordert Schutz für drei Frauen – Weitere Exhumierungen gefährdet

EL SALVADOR – Umstrittenes AIDS-Gesetz

HAITI – „Staatsstreich“

KUBA – Kuba bietet Entwicklungsländern Experten und medizinische Ausbildung

KOLUMBIEN – Bilanz: Friedensprozess unvorhersehbar

CHILE – Evangelischer Seelsorger in Staatsdiensten – Rechtsruck bei Kongresswahlen: Pinochet-Partei wird stärkste politische Kraft – Gründung eines Feministischen Kommunikationsnetzes – Lärmende Templer*innen

BOLIVIEN – Führer der Landlosenbewegung verhaftet

LATEINAMERIKA – Wenig Strom

 

 

ARGENTINIEN

Plünderungen und Proteste gegen Verhängung des Ausnahmezustands.

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, 20. Dezember 2001, npl-Poonal).- Zuerst versuchten die Argentinier, die großen Supermärkte zu stürmen. Wo diese zu gut bewacht wurden, kamen die kleineren Supermärkte an die Reihe: Die Türen waren schnell aufgebrochen, in Plastiktüten oder Pappkartons schleppten die Menschen alles heraus, was sie tragen konnten. „Ich bin kein Dieb, ich habe Hunger und suche mir was zu essen,“ erklärte ein Familienvater dem Radioreporter, der die Plünderungen live für seinen Sender übertrug. In der Nacht auf Donnerstag (20.12.) herrschte in ganz Argentinien Chaos – die Proteste gegen die Sparpolitik und der Unmut über die Lebensbedingungen schwappte über.

Es dauerte nicht lange, dann kamen die kleinen Geschäfte an die Reihe. Auch Tante-Emma-Läden, zumeist in Familienbesitz, wurden von Plünderern gestürmt. Das Fernsehbild des Ladenbesitzers, wahrscheinlich koreanischer Abstammung, der weinend vor seinem ausgeräumten Geschäft sitzt und immer wieder „Wo ist denn die Polizei?“ fragt, wird zum Symbol dieser Nacht. Einige Ladenbesitzer verteidigten ihre Auslagen mit Schusswaffen. Mehrere der bislang neun Toten sind womöglich bei solchen Zusammenstößen ums Leben gekommen. „Ich habe zwei Kinder, fünf und zwei Jahre alt, und seit zwei Jahren bekommen ich keine Arbeit, das geht doch nicht,“ rechtfertigt sich eine Zwanzigjährige, die bei den Plünderungen in einem Vorort von Buenos Aires dabei ist.

Außer in Patagonien, ganz im Süden des lateinamerikanischen Landes, kam es überall, in allen Provinzen und nicht nur in großen Städten, zu Plünderungen. Dabei gingen die Menschen – die meisten aus den armen Vierteln, aber auch Arbeitslose aus bessergestellten Gegenden – zumeist gezielt zu Märkten und Geschäften, um Lebensmittel und andere Waren zu erbeuten. Vor allem in den Stadtzentren ging die Polizei mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Menschen auf den Strassen vor. Vereinzelt wurden auch Schusswaffen eingesetzt. Bislang wurde bestätigt, dass drei Menschen durch Polizeikugeln getötet wurden. Die Zahl der Festnahmen lag am Donnerstag Morgen bei über 450 Personen, über 130 wurden verletzt.

Seit 1989, als schon einmal die Supermärkte geplündert wurden, hat es in Argentinien nicht mehr solch heftige Ausschreitungen gegeben. Auslöser sind eine seit Jahren anhaltende Wirtschaftskrise und die Politik des sozialdemokratischen Präsidenten Fernando De la Rua, die für die Misere verantwortlich gemacht wird. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf knapp 19 Prozent angestiegen, immer mehr Unternehmen gehen in Konkurs und im Land wird eine große Kapitalflucht befürchtet. Die Maßnahmen, die die Regierung zur Krisenbewältigung anwendet, sind nicht neu: Sparen vor allem im Sozialhaushalt und gleichzeitig die Zusage, die Auslandsschulden zu bedienen, um ausländische Kreditgeber nicht zu verärgern. Dadurch hat Argentinien zwar neue Kredite mit den Weltwährungsfonds (IWF) erhandelt, konnte die Rezession und steigende Armut in Land jedoch nicht bremsen. Zusätzlichen Unmut rief Präsident De la Rua vor knapp neun Monaten hervor, als er den neoliberalen Hardliner Domingo Cavallo, der schon unter der Vorgängerregierung von Carlos Menem die Wirtschaftspolitik moderierte, erneut ins Kabinett rief und somit den Sparkurs zum Allheilmittel stilisierte.

Erst kurz vor Mitternacht (Mittwoch, 22:40 Uhr) wandte sich der Präsident an die Öffentlichkeit und verkündete zwei Maßnahmen, um dem Chaos auf den Strassen Herr zu werden: Die Verteilung von kostenlosen Lebensmitteln werde wieder aufgenommen und für 30 Tage werde der Ausnahmezustand verhängt. Letzteres, was eine nächtliche Ausgangssperre und Sondervollmachten für die Regierung beinhaltet, bezeichneten Oppositionspolitiker als eine verfassungswidrige Maßnahme und riefen für Donnerstag Abend zu einer Protestdemonstration aus. Gleichzeitig rief der Gewerkschaftsdachverband CTA zum Generalstreik auf.

Doch die Menschen auf den Straßen ließen sich von der Ankündigung nicht beirren. „Ich gebe nichts mehr!“ rief eine alte, zahnlose Frau, während hinter ihr Leute in aller Ruhe aus einem kleinen Supermarkt kamen, alle Hände voll mit Erbeutetem. Nach dem Auftritt von Präsident De la Rua kamen noch mehr Menschen aus ihren Häusern, die Stimmung wurde kämpferischer. Vor dem Kongressgebäude hatten sich inzwischen Tausende zu einer Protestkundgebung eingefunden. Um ein Uhr Morgens sickerte dann die langersehnte Nachricht durch: Wirtschaftsminister Domingo Cavallo solle zurückgetreten sein. Gleichzeitig begann die Polizei, das Zentrum den Hauptstadt mit massiven Tränengaseinsätzen zu räumen. Ein Demonstrant kommentierte: „Jetzt, wo Cavallo weg ist, will De la Rua wohl allen Unmut auf sich alleine ziehen.“

Später wurde bekannt, dass das gesamte Kabinett geschlossen seinen Rücktritt angeboten und dass De la Rua den Rücktritt von Wirtschaftsminister Cavallo angenommen hat. Dies eröffnet dem angeschlagen Präsidenten die Möglichkeit, die peronistische Opposition unter Ex-Präsident Menem enger in die Regierungspolitik einzubinden. Da die Peronisten bereits im Kongress die Mehrheit stellen und auch mehr Bundesstaaten als die Mitte-Links-Koalition von De La Rua regieren, könnte sich der Präsident, so spekulieren Beobachter, wenigstens der Opposition von rechts entledigen. Dies ist insofern nötig, als De la Rua in der eigenen Partei (Radikale Bürgerunion-UCR), beim Koalitionspartner Frepaso wie auch bei den Gewerkschaften immer mehr an Rückhalt verliert.

Am Tag danach herrscht in Argentinien Ratlosigkeit. Die wirtschaftliche Krise hat sich endgültig zur politischen Krise entwickelt. Und während die beiden großen Parteien in Zukunft eher an einem Strang ziehen dürften, scheint eine Konfrontation mit den Gewerkschaften und einer gut organisierten Protestbewegung vorprogrammiert. Schon im Sommer wurde deutlich, dass die sogenannte Piquetero-Bewegung, die im ganzen Land mit Dauer- Straßenblockaden gegen Sparpolitik und Armut mobil machte, großen Zulauf hat. Auch dass es der „Nationalen Front gegen Armut“ vergangene Woche gelang, fast drei Millionen Unterschriften gegen die Regierungspolitik zu sammeln, und zugleich ein weiterer Generalstreik erfolgreich durchgeführt wurde, unterstreicht, wie groß die außerparlamentarische Opposition mittlerweile geworden ist.

Die Ausrufung des Ausnahmezustands sowie die gleichzeitige Anweisung an alle Sicherheitskräfte, sich auf ihren Arbeitsplätzen einzufinden, lässt in Argentinien Besorgnis aufkommen. Und Präsident Fernando De la Rua macht deutlich, dass er hart durchgreifen will. Noch am Mittwoch Vormittag musste er sich auf einer Dienstfahrt Beschimpfungen und einigen Steinwürfen von Demonstranten erwehren. Und am Nachmittag zeigte ihn das Fernsehen im Regierungspalast – umringt von den Kommandeuren der Streitkräfte. „Ein stilles aber unmissverständliches Signal,“ kommentiert ein Journalist der Zeitung „Pagina 12“.

 

Immer mehr argentinische Juden wollen nach Israel emigrieren

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, Dezember 2001, npl).- Die Worte des israelischen Premierministers Ariel Scharon sind den Juden in Argentinien gut in Erinnerung. Mitte dieses Jahres rief Sharon dazu auf, „die 230.000 Juden aus Argentinien herauszuholen, da sie sich in einer schwierigen Lage befinden“. Salai Meridor, Vorsitzender der Jewesh Agency, teilte in einem Interview mit der Zeitung „Clarin“ die Sorge des israelischen Premiers: „Mehr als 30.000 Juden in Argentinien leben unter der Armutsgrenze,“ so Meridor.

Es sind schwere Zeiten in Argentinien. Die Juden leiden nicht nur unter der langanhaltende Wirtschaftskrise, die das südamerikanischen Land an den Rand des Bankrotts und in politische Turbulenzen getrieben hat. Das Trauma von zwei bislang nicht aufgeklärten Attentaten gegen jüdische Einrichtungen mit über 100 Toten lastet auf der jüdischen Gemeinde. Während jüdische Wohlfahrtverbände sich immer stärker der Sozial- und Überlebenshilfe für besonders Bedürftige widmen, nimmt erstmals seit vielen Jahren die Zahl derjenigen, die nach Israel auswandern wollen, zu.

„Den neuen Einwanderern steht die Tür offen,“ lautet die Botschaft des Jewish Agency-Chefs Salai Meridor an die Juden in Argentinien. Gleichzeitig werde seine Organisation Millionen von Dollar in die jüdische Erziehung derjenigen investieren, die im Land bleiben, erklärte Meridor im „Clarin“, einer der größten Zeitungen der Hauptstadt Buenos Aires.

„Wir gehen von einer Verdopplung der Zahl der argentinischen Einwanderer in Israel aus. Zwischen 2.000 und 2.500 werden es dieses Jahr sein,“ kalkuliert Meridor. In den 90-er Jahren waren es durchschnittlich 800 Auswanderer jährlich, im vergangenen Jahr bereits über Tausend, die ihr Wohl in Israel suchten.

Hugo Ostrower, Präsident des jüdischen Gemeindezentrums AMIA, will es nicht ganz so schwarz sehen: „Bislang will nur ein kleiner Prozentsatz der argentinischen Juden nach Israel auswandern,“ beteuert er. Doch andere Quellen in der jüdischen Gemeinde bestätigen, dass die Auswanderungswelle, die die Jewish Agency erwartet, tatsächlich begonnen hat.

Die Jabad Lubavitch-Stiftung schätzt, dass 18.000 argentinische Juden in Buenos Aires und in den umliegenden Satellitenstädten irgendeine Art von Sozialhilfe erhalten. Der Stiftung zufolge gibt es in Argentinien rund 50 jüdische Organisationen, die soziale Hilfe anbieten. Auch die Lubavitch-Stiftung selbst musste ihre Arbeit in letzter Zeit verändern. Aus der früher rein erzieherischen Arbeit entstand eine umfassende Sozialarbeit. Inzwischen versorgt die Stiftung rund 300 Familien mit Lebensmitteln, Spenden und Medikamenten. Darüber hinaus unterhält sie eine Jobbörse und widmet sich einem oft vernachlässigtem Element der Wirtschaftskrisen: der sozialen Gewalt, insbesondere gegen die Kinder. Seit über einem Jahr gibt es in der Lubavitch- Stiftung eine Einrichtung namens „Kinder in Gefahr“, die sich um Betroffene Kinder und Jugendliche kümmert. Ehrlich gibt die Stiftung zu, dass „die Problematik weit größer ist als die vorhandene Infrastruktur“.

Andere Einrichtungen bemühen sich, das private jüdische Schulwesen zu retten, das durch den Zusammenbruch zweier Banken schwer angeschlagen ist. Noch vor drei Jahren besuchten über 20.000 Jugendliche die jüdischen Bildungseinrichtungen. Doch der Bankrott der Banco Mayo, die eine Vielzahl von Schulen und Klubs finanzierte, führte zur Schließung mehrerer Schulen, der Universität Bar Ilan und zur Zusammenlegung vor allem der orthodoxen Bildungsinstitute.

Kurze Zeit später meldete auch die ebenfalls jüdisch dominierte Banco Patricios Konkurs an. Diese „Bankenkrise“ verschärfte die ökonomische Lage vieler jüdischer Familien, die ohnehin schon unter der labilen Wirtschaftslage in Argentinien litten. Zu allem Unglück spaltete sich die nun jüdische Gemeinde noch an der Frage, wer für den Bankrott der Geldinstitute verantwortlich sei und ob einige hochrangige Gemeindevertreter nicht mehr Druck auf die Regierung hätten ausüben sollen, um die Aufklärung der beiden Bombenattentate während der 90er Jahre voranzutreiben.

Angesichts der wirtschaftlichen Lage und der internen Streitigkeiten erscheint für viele Juden die Emigration ein Ausweg aus einer festgefahrenen Situation zu sein. Zumal noch ein weiterer, für das Sicherheitsgefühl entscheidender Faktor hinzukommt: In der argentinischen Polizei sind antisemitische Strömungen stark und aktiv vertreten. Viele Schändungen jüdischer Friedhöfe gehen nachweislich auf das Konto von Polizisten. Kein Wunder also, dass bei dem Gerichtsprozeß wegen des Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA, der zur Zeit in Buenos Aires stattfindet, mehrere Polizisten auf der Anklagebank sitzen.

 

GUATEMALA

Interamerikanische Kommission für Menschenrechte fordert Schutz für drei Frauen

(Guatemala-Stadt, 15. Dezember 2001, cerigua-Poonal).- Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte forderte die guatemaltekische Regierung auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben dreier Guatemaltekinnen zu schützen, die Morddrohungen ausgesetzt sind, seitdem sie den Vizepräsidenten Juan Francisco Reyes López der Korruption beschuldigt haben.

Bei den drei Frauen handelt es sich um Silvia Méndez, die Ex-Direktorin der Nationaldruckerei, um Magda Arceo, die ehemalige Abgeordnete für den Unionistischen Block und um Anabella de León von der Nationalen Einheit für die Hoffnung (UNE). Sie hatten dem Vizepräsidenten vorgeworfen, den Vorsitzenden der Handelskammer durch eine Flugblatt-Kampagne diskreditieren zu wollen.

Am 5. Dezember hatte das Zentrum für die Gerechtigkeit und das Internationale Recht (CEJIL) die Kommission angerufen, um das Leben der Frauen zu schützen.

 

Weitere Exhumierungen gefährdet

(Guatemala-Stadt, 14. Dezember 2001, cerigua-Poonal).- Menschenrechtsaktivist*innen wiesen darauf hin, daß das Fehlen finanzieller Mittel weitere Exhumierungen der Opfer des Bürgerkrieges gefährdet, da die beteiligten Organisationen größtenteils von internationaler Hilfe abhängig seien.

Die Vorsitzende der Organisation der Angehörigen der Verhafteten-Verschwundenen Guatemalas (Famdegua), Aura Elena Farfán, erklärte, dass Projekte, die sich um die Suche nach den Überresten von Verschwundenen kümmerten, aufgrund fehlender finanzieller Grundlage vorübergehend eingestellt werden mussten.

Die meisten Exhumierungen wurden von der Gruppe zur Gegenseitigen Hilfe (GAM), der Famdegua, der Nationalen Koordination der Witwen Guatemalas (Conavigua), dem Zentrum für Rechtliche Beratung in Menschenrechtsfragen (CalDH) und dem Büro für Menschenrechte des Erzbischofstums in Verbindung mit den Spezialist*innen der Stiftung für Forensische Anthropologie Guatemalas (FAFG) durchgeführt.

Farfán zufolge sollte der Staat die Kosten für die Bergung der Überreste der Opfer der Repression übernehmen, da seine Behörden auch für die Verbrechen während des Bürgerkrieges verantwortlich sind. Dieser Vorschlag war auch Teil der Empfehlungen der Kommission für die Aufklärung der Geschichte (CEH), deren Erfüllung der Staat zugesagt hatte.

 

EL SALVADOR

Umstrittenes AIDS-Gesetz

(San Salvador, 17. Dezember 2001, na-Poonal).- Nach heftigen Kontroversen im Parlament, wurde am 5. November das Gesetz zur Prävention und zur Kontrolle der Infektionen, die durch den HI-Virus hervorgerufen werden, verabschiedet. Experten geben an, dass sich im Land täglich zwischen elf und 25 Personen infizieren.

Während manche in dem Gesetz einen ernsthaften Versuch sehen, AIDS zu verhindern und die Diskriminierung von HIV Infizierten zu vermeiden, gehen andere davon aus, dass das Gesetz die Individualrechte verletzt und der Diskriminierung eine legale Handhabe verschafft.

Das Gesetz eröffnet für die Arbeitgeber die Möglichkeit eine medizinische Untersuchung zu verlangen, „wenn er/sie die Krankheit beim Arbeitnehmer vermutet“, so der Anwalt Floretín Fernández, der darin eine klare Verletzung der Grundrechte der Arbeitnehmer sieht.

Die Kontroverse konzentriert sich auf die Einmischung der katholischen ultrakonservativen Gruppe „Ja zum Leben“, die mit Opus Dei in Verbindung steht. Die Gruppe hat durchgesetzt, ein Gesetz mit der Aussage einzuschliessen, die einzige Methode wirksamer Prävention gegen AIDS seien sexuelle Abstinenz und eheliche Treue.

 

HAITI

„Staatsstreich“

(Port-au-Prince, 17. Dezember 2001, alai-Poonal).- Wie der Minister für Kommunikation, Guy Paul, im Radio erklärte, haben die haitianischen Behörden die Kontrolle über den Palast „zurückgewonnen“. Die Regierung, die den Versuch eines „Staatsstreichs“ verurteilte, forderte die Bevölkerung dazu auf, „sich friedlich zu erheben“.

Bisher gibt es kaum präzise Hinweise auf die näheren Umstände der Ereignisse. Es ist unklar, welche Gruppierungen in welcher Anzahl beteiligt waren bzw. welchen Erfolg sie bisher verzeichnen konnten.

Nach Angaben der Polizei wurden ein Aufständischer und zwei Polizisten getötet. Aus den Krankhäusern in der Hauptstadt wurde bekannt, dass dort mindestens ein Dutzend Menschen wegen Schussverletzungen behandelt wurden.

Am Morgen des 17. Dezembers hatten Parteianhänger des amtierenden Präsidenten mit Stöcken und Macheten und Feuerwaffen ausgerüstet Barrikaden auf Straßen errichtet. Die Aktionen richteten sich gegen Mitglieder der Opposition und der Presse. Die Parteizentralen der oppositionellen Parteien in Port-au-Prince. „Demokratische Übereinkunft“ (CD – Convergencia Democrática) und „Nationalkongress für demokratische Bewegungen“ (Conacom – Congreso Nacional de Movimientos Democráticos) wurden angezündet.

Anhänger von Aristide attackierten in verschiedenen anderen Städten Wohnorte und Lokale, die der Opposition zugerechnet werden. In Gonaives wurden drei Lokale angegriffen, die zur „Christlichen Haitianischen Bewegung Erneuerung und Fortschritt“ (Mochrena – Cristiano Haitiano para la Renovación y el Avance) gehören. Dabei verbrannten zwei Personen.

In der nördlich gelegenen Stadt Cap Haïtien wurden einige Häuser von Mitgliedern der Opposition geplündert. In Jeremie in der Provinz Grand Anse sahen sich mehrere Mitglieder der CD gezwungen, die Flucht zu ergreifen, nachdem ein Lokal des „Zusammenschlusses der Haitianischen Arbeiter“ (CTH – Confederación de los Trabajadores Haitianos) angezündet und Angriffe auf einen Verantwortlichen der „Organisation des kämpfenden Volkes“ (OPL – Organización del Pueblo en Lucha) verübt worden waren.

Die private Radiostation „Caraibes FM“ wurde ebenfalls geplündert und ein Fahrzeug des Senders „Radio Metropole“ vor dem Nationalpalast übergefallen. Der Direktor des Senders „Radio Grand Anse“ in Jeremie, Alex Michel Felix, angegriffen. Die privaten Radios „Kiskeya“, „Signal FM“ und „Vision 2000“ erhielten Drohungen. Die Mehrzahl der Sender in Port-au-Prince und Städten in anderen Provinzen brachen die Übertragung ab und beendeten die Informationsübermittlung.

Zur Situation befragt äußerte Minister Guy Paul, dass die Regierung „im Bilde“ sei und die „grundsätzlichen Freiheiten“ sowie das „Recht auf Meinungsäußerung“ wahre. Er erklärte weiterhin, „die Gewalt in jeder Form zu verurteilen“ und „alle zu bitten, alle zu respektieren“.

 

KUBA

Kuba bietet Entwicklungsländern Experten und medizinische Ausbildung

Von Elsa Claro

(Havanna, 17. Dezember 2001, na/ips-Poonal).- Mehr als 5000 Studenten aus 25 Ländern der Welt besuchen inzwischen die Lateinamerikanische Medizinische Fakultät, die Ende 1999 eingeweiht wurde. Es sind junge Menschen mit wenig Geld, unter ihnen Indígenas, die sich anderswo kein Universitätsstudium leisten könnten. „Wir sind gekommen, um eine Ausbildung zu machen, damit wir in unseren Gemeinden ein Projekt zur Gesundheitsversorgung ins Leben rufen können“, sagte Luter Castillo, 23 Jahre alt, einer der 38 Garífunas aus Honduras, die an der Lateinamerikanischen Fakultät studieren. „Es gibt etwa 275.000 honduranische Garífunas. In keiner unserer Gemeinden gibt es ein Krankenhaus und die gesundheitliche Situation ist sehr heikel, es gibt weder Medizin noch Ärzte,“ sagte Castillo.

An der Fakultät außerhalb von Havanna sind die 22 indigenen Nationalitäten Guatemalas mit je mindestens einem Studenten vertreten, und 35 der 286 chilenischen Studenten sind Mapuche. Für das Studienjahr 2000-2001 bot Kuba 2489 neue Stipendien für Jugendliche aus dem Trikont an. Von 1959 bis heute haben 39.283 junge Menschen aus 120 Ländern auf der Insel studiert. Insgesamt 7.715 Studenten aus Lateinamerika und der Karibik sind in verschiedenen Spezialgebieten ausgebildet worden. Derzeit genießen 11.689 Jugendliche aus Asien, Afrika und Lateinamerika ein Stipendium, und am Ende des Studienjahrs 2000-2001 werden 626 aus 48 Ländern ihren Abschluss in mehr als 30 Studienfächern machen. Mehrere Länder, aus denen die Stipendiaten kommen, verhandeln mit den kubanischen Behörden über die Anerkennung der Abschlüsse.

Der Direktor des bolivianischen Stipendiendienstes, Mario Domínguez, bezeichnete die 70 Studienplätze für Medizin, die dem Andenland seit drei Jahren zugestanden werden, als ausgezeichnet. Diese decken die sechs Studienjahre einschließlich Wohnung, Verpflegung, Studienmaterialien und was sonst gebraucht wird ab.

Für die Auswahl der Auszubildenden verlangt die kubanische Seite gute akademische Leistungen und die Berücksichtigung von Frauen. Von der Gesamtzahl der Bolivien angebotenen Stipendien werden 30 an junge Frauen vergeben. Außerdem befinden sich die ersten acht Studenten aus den USA schon zu einem Vorbereitungskurs in Kuba. Sie sind Teil eines Programms, das im vergangenen Jahr 500 Studienplätze für junge US-Amerikaner ohne Geld anbot. In ihrer Mehrzahl sind sie schwarz und kommen aus Texas, Kalifornien, Michigan, New York und Minnesota.

Kuba hat in 40 Jahren mehr als 66.000 Mediziner ausgebildet und verfügt über eine große Anzahl von Spezialisten. Auf 168 Einwohner kommt ein Arzt (NA, 19. Februar 1998). Kuba hat auch Fortschritte in der Produktion von Medikamenten gemacht, von denen viele lebenswichtig für die Behandlung von Krankheiten wie Krebs und AIDS sind, und exportiert bereits einige davon. Es produziert auch Impfstoffe, die es in einigen Fällen zu niedrigeren Preisen als die transnationalen Unternehmen anbietet und in anderen Fällen auch kostenlos zur Verfügung stellt.

Im vergangenen März unterstützte das kubanische Außenministerium die Entscheidung Brasiliens ein Gesetz anzuwenden, das es erlaubt, Patente transnationaler Unternehmen zu umgehen, wenn diese überteuerte Preise für Medikamente verlangen. Diese Idee machte sich auch Südafrika zu eigen, besonders für die Behandlung Aidskranker.

George Alleyne, Direktor der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (OPS) verwies kürzlich auf die Leistungen Kubas für die OPS. Er hob besonders den „Beitrag für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und eine sehr ausgewogene Hilfe, die von den Ländern der dritten Welt immer gut aufgenommen wurde,“ hervor. „Kuba ist ein Leuchtturm für die OPS, ihr könnt der entwickelten wie der unterentwickelten Welt viele Erfahrungen weitergeben,“ sagte Alleyne, der an einer Konferenz in Havanna teilnahm.

2.500 kubanische Ärzte arbeiten in 18 Ländern, neben Zentral- und Südamerika außerdem in Afrika. Guatemala hat eine der größten Gruppen von medizinischen Entwicklungshelfern. 466 Medizinern versorgen 227.000 Familien in 4.220 Dörfern in unwegsamen Gegenden, die historisch unversorgt und ohne Fürsorgeeinrichtungen sind. Außerdem fehlt es an Ärzten, die eine abgelegene und arme Bevölkerung versorgen wollen. Der Hilfsplan begann 1998 nach der Katastrophe des Orkans Mitch (NA, 12. November 1998). Zur gleichen Zeit wurden ähnliche Einsätze in Honduras und El Salvador gestartet, die zu den am meisten betroffenen Ländern gehörten.

Das Erdbeben vom Februar in El Salvador – einen Monat nach dem vorhergehenden – überraschte 15 kubanische Spezialisten, die sich gerade für die Rückkehr bereitmachten. Die Spezialisten blieben, um die 52 restlichen Mitglieder der Ärztegruppe zu unterstützen, die sich in dem zentralamerikanischen Land befand. In knapp drei Wochen behandelten sie 51.000 Betroffene, das sind 66 Prozent der Einwohner der drei Departments, die von dem Erdbeben am meisten betroffen waren.

In mehreren Fällen konnte die Ärztegruppe Gesundheitsposten oder Polikliniken funktionsfähig machen, die nie eingeweiht wurden – entweder aus Mangel an Fachleuten oder weil sie sich in Gegenden befanden, die für Mediziner wenig attraktiv schienen.

„Der Mangel an Ressourcen und an Kommunikationsmitteln in einigen dieser Gegenden haben uns zu vielfältigen Initiativen gezwungen, um Leben zu retten. Das ist der Lohn, Leben zu retten“, sagte die Ärztin Hersys Delgado und fügt hinzu, dass sie wegen der vielen Probleme nicht einmal einen Dienstplan zur Ablösung hatten.

Rosa Mercedes Gutiérrez, eine Krankenschwester, die in Zentralamerika mit Delgado zusammenarbeitet, erklärt: „Diese Arbeit ist überhaupt nicht leicht. Jeden Tag verlangt sie große Anstrengungen, weil geeignetes Material fehlt oder wegen der langen Wege, die man zurücklegen muss, über Berge und durch Flüsse. Das Schlimmste ist, wenn man nichts oder nicht genug tun kann – und das Beste, ein Lächeln und vertrauensvolle Blicke zu sehen.“

 

KOLUMBIEN

Bilanz: Friedensprozess unvorhersehbar

(Bogota, 14. Dezember 2001, ac-Poonal).- In diesem Jahr sind die Friedensprozesse mit den beiden wichtigsten Guerilla-Organisationen, dem ELN und der FARC, nicht in den vorgesehenen Bahnen verlaufen. Mit der FARC dachte man, ein Minimalabkommen über einen Waffenstillstand und die Einstellung der Feindseligkeiten zu erreichen und die gemeinsame Agenda voran treiben zu können. Mit dem ELN glaubte man, dass die Verhandlungen erst wieder unter dem neuen Präsidenten aufgenommen würden. Doch die Realität war anders: Mit der FARC wurden die Gespräche erneut eingefroren und es kam zu einer überraschenden Reaktivierung des Dialogs mit dem ELN. Diese Friedensprozesse spielen sich auf dem Hintergrund des Wahlkampfes in Kolumbien und dem Kampf gegen den Terrorismus auf internationaler Ebene ab.

Die Verhandlungen mit der FARC kamen nicht über einen minimalen Konsens in Verfahrensfragen hinaus. Zudem haben einige Militäraktionen der FARC während der zweiten Jahreshälfte mit dazu beigetragen, dass einige Kreise der kolumbianischen Gesellschaft und der internationalen Gemeinschaft einer militärischen Lösung des Konfliktes den Vorrang einräumten.

Das Bedeutendste im Prozess zwischen der Regierung und der FARC war vielleicht das Dokument der Kommission der Notablen zu Handen des nationalen Verhandlungstisches. Obwohl dieses Dokument nicht das Resultat einer Verhandlung zwischen den beiden Parteien war, wird darin unter anderen wichtigen Punkten die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung als Schlusspunkt des Verhandlungsprozesses vorgeschlagen.

In Bezug auf den Friedensprozess mit dem ELN kam es trotz des Gesprächsabbruchs und den Erklärungen der ELN-Kommandanten bezüglich des fehlenden Willens dieser Regierung, eine Verhandlung zu führen, im letzten Monat zu einer Reaktivierung der Gespräche mit der Regierung. Es wurde eine Übergangsagenda vereinbart, um so den Prozess auch unter dem neuen Präsidenten weiter zu führen. Es kann gesagt werden, dass diese Wiederaufnahme des Prozesses teilweise auf die Beharrlichkeit einiger Kreise der kolumbianischen Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft zurück zu führen ist. Auf alle Fälle bleibt für den ELN das Thema der Begegnungszone prioritär und mit Sicherheit wird dies ein Spannungsfeld bei der Konkretisierung der zukünftigen Agenda sein. In Bezug auf den Wahlprozess ist es wichtig, darauf hin zu weisen, dass das aktuelle Szenario sehr von jenem vor vier Jahren abweicht, als die aufständischen Bewegungen noch mit einen gewissen Grad politischer Legitimität zählten. In diesem Moment, aufgrund der während drei Jahren Verhandlungen kumulierten Fehler, gibt es in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit eine Tendenz, eine härtere Haltung des Staates zu verlangen und zu unterstützen und die Guerillaorganisationen als militärische Organisationen mit terroristischen Zielen zu sehen.

Rechtsgerichtete Kreise haben damit begonnen, ihre Präsenz im politischen- und Wahlkampf-Szenario zu verstärken. Sie tragen so zu einer weiteren Polarisierung der kolumbianischen Gesellschaft bei und vertreten eine Konzeption eines eingeschränkten Friedens verbunden mit der Waffenabgabe und der Wiedereingliederung ins zivile Leben. Selbst eine ausländische Militärintervention wird von diesen Kreisen erwogen. Die Vorstellung vieler Kolumbianer*innen ist daher geprägt von einem dreijährigen Verhandlungsprozess ohne Resultate, welcher den bewaffneten Konflikt verschärft und degradiert und die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in eine mögliche politische Lösung verringert hat.

In den Monaten, welche der Regierung Pastrana noch bleiben, wird sie auf die Gespräche mit dem ELN setzen, welcher eine grössere Bereitschaft zum Dialog zeigte. Der Friedensprozess wird erneut in den Händen einer anderen Regierung liegen, welche hoffentlich den Aufbau des Friedens zu einem prioritären Thema des Staates machen wird. Dadurch würde der Frieden politisiert und wäre nicht weiter dem Auf und Ab des Wahlprozesses, der momentanen Interessen, dem internationalen Druck und den patriarchalen und klientelistischen Vorgehensweisen der jeweils amtierenden Regierung unterworfen. Kommt man in den Friedensverhandlungen nicht signifikant vorwärts, werden die zivilen Initiativen immer mehr dem Krieg unterworfen sein und die bewaffneten Akteure werden weiterhin die Zukunft des Landes bestimmen.

 

CHILE

Evangelischer Seelsorger in Staatsdiensten

(Santiago, 13. Dezember 2001, sepch-Poonal).- Als erstes Land Lateinamerikas hat Chiles Regierung nun nicht mehr nur einen römisch.katholischen, sondern auch einen evangelischen Geistlichen angestellt. Der noch amtierende Methodistenbischof Neftalí Aravena wurde im Beisein mehrerer Minister sowie kirchenleitender evangelischer Persönlichkeiten aller Richtungen in das neu geschaffene Amt eingeführt. In seiner Ansprache zeigte sich Präsident Lagos erfreut auch über die Gegenwart des katholischen Seelsorgers Cowley und Vertretern des katholischen Ökumenismus. In einem Land, in dem derzeit eine besonders konservative Kirchenleitung ihren Einfluss in einer Weise geltend macht, die offene Spannungen zwischen ihr und der derzeitigen Regierung hervorruft, ist dies Einschätzungen von Beobachtern zufolge keine Selbstverständlichkeit.

Evangelische Präsenz im Regierungspalast zu ermöglichen ist die Erfüllung eines Wahlversprechens des sozialdemokratischen Präsidenten. Sie sei ein weiterer Schritt hin zu echter Gleichstellung auf der Grundlage des vor zwei Jahren verabschiedeten Religionsgesetzes. „Menschen ändern sich manchmal langsamer als die Gesetze“, kommentierte Lagos, „und es fällt manchen nicht leicht, ein Ja zu Toleranz und religiöser Vielfalt zu finden“. Unterschiedliche Kirchen und Glaubensauffassungen aber seien ein Reichtum für das Land, und die Zusammenarbeit mit allen Kirchen ein Potential hin zu einer offeneren, solidarischeren und demokratischeren Gesellschaft.

Neftalí Aravena, dessen Amtszeit als Methodistenbischof demnächst zu Ende geht, ist in Chile durch sein beherztes Eintreten für die Menschenrechte bekannt geworden, besonders auch für die der Frauen und Kinder. Er gehörte in der Zeit der Diktatur zum evangelischen Widerstand und nahm als Vertreter der Evangelischen Kirchen aktiv am Runden Tisch zur Aufklärung der Greuel der Militärdiktatur teil.

 

Rechtsruck bei Kongresswahlen: Pinochet-Partei wird stärkste politische Kraft

Von Leonel Yanez

(Santiago de Chile, 18. Dezember 2001, npl-Poonal).- „Chile braucht den Wechsel.“ Dieser Wahlspruch, mit dem einst die Linke gegen die regierenden Militärs mobil machte, hat die Rechte in Chile zurück ins politische Geschäft gebracht. Zwar gewann das regierende Mitte-Links Bündnis von Präsident Ricardo Lagos die Kongresswahlen am vergangenen Sonntag, doch gelang es den rechten Parteien, entscheidend Boden gut zu machen und aufgrund des besonderen Wahlsystems sogar ein Patt im Senat zu erringen.

Erstmals seit dem Ende der Diktatur 1990 erhielt das Regierungsbündnis aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Sozialisten nicht mehr die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Mit knapp 48 Prozent der Stimmen gegenüber gut 44 Prozent der Opposition behielt das Bündnis gerade mal eine Mehrheit von sechs Abgeordneten.

Als eigentlicher Wahlsieger kann sich Joaquin Lavin, Oppositionsführer und Bürgermeister der Hauptstadt Santiago de Chile, fühlen: Seine Partei, die ultrarechte Unabhängige Demokratische Union (UDI), legte um über acht Prozentpunkte zu und löste die Christdemokraten als traditionell stärkste Kraft im chilenischen Parteienspektrum ab. „Unser bestes Wahlergebnis aller Zeiten“, freute sich Lavin, der auf der Wahlfeier von seinen Anhängern schon zum neuen Präsidenten des Landes ausgerufen wurde. Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 unterlag Lavin seinem Kontrahenten Lagos nur mit drei Prozent der Stimmen in der Stichwahl

In beiden politischen Lagern hat das Wahlergebnis polarisierende Wirkung. Im Mitte-Links-Bündnis erlitten die Christdemokraten die größten Einbußen, während der linke Flügel eher profitierte. Dies ist noch deutlicher innerhalb der konservativen Opposition: Im Gegensatz zur gemäßigt-rechten Partei der Nationalen Erneuerung (RN), die nicht zulegen konnte, ging der Zugewinn bei der Rechten durchweg auf das Konto der UDI, die der radikale Flügel der ohnehin erzkonservativen Rechten in Chile ist und bedingungslos zu dem früheren Diktator Augusto Pinochet hält.

So vereinigt die UDI, die zu Diktaturzeiten gegründet wurde, fast alle namhaften Anhänger und Unterstützer des Ex-Diktators Pinochet in ihren Reihen. Zugleich vertritt sie den konservativen Flügel des Neoliberalismus in Chile. Doch so liberal die Partei in Wirtschaftsfragen ist, so radikal konservativ ist sie in Fragen der Demokratie, der Kultur und der Gesellschaft. Dies zeigt auch ihre ablehnende Haltung zur Reform des chilenischen Scheidungsrechts – bis heute sind Ehescheidungen in dem südamerikanischen Land illegal.

Genauso widersetzt sich die UDI verfassungsrechtlichen Reformen, so dass die zu Pinochet-Zeiten formulierte Verfassung noch heute gültig ist und angesichts der Stimmengleichheit im Senat auch weiterhin gültig bleiben wird. Sie besagt nicht nur, dass einige Senatoren nicht gewählt, sondern ernannt werden, und dass Ex- Präsidenten auf Lebenszeit im Senat sitzen. Auch zementiert sie ein Zweiparteiensystem, in dem sie kleinere Parteien von der Teilhabe ausschließt. So entgingen die Kommunisten, die nach Einbußen von zwei Prozent nur noch auf 5,3 Prozent kamen, nur knapp ihrer Auflösung, da laut chilenischem Recht die Fünfprozenthürde nur für die Existenzberechtigung einer Partei gilt. Abgeordnete können die Kommunisten mit diesem Ergebnis keine stellen.

Kommentatoren sprechen von einem Rechtsruck im Land. Die Ultrakonservativen haben nicht nur bei ihrer Klientel in der Ober- und Mittelschicht, sondern überraschenderweise auch unter den Armen und Marginalisierten großen Zuspruch. Dabei griff Kandidat Joaquin Lavin unumwunden auf einen populistischen Diskurs zurück, wie er noch sattsam aus dem Peru unter dem Halbdiktator Alberto Fujimori bekannt ist.

Viele wichtige Fragen bleiben dabei auf der Strecke: Der Fall Pinochet ist aus der öffentlichen Debatte verschwunden – die Verbrechen der Vergangenheit werden mit seinem schlechten Gesundheitszustand entschuldigt. Zwar stimmt es, dass er im öffentlichen Leben nicht mehr präsent ist, doch werden seine Wertvorstellungen von einer Partei wie der UDI offensiv vertreten. Auch die juristische Aufarbeitung der Diktaturverbrechen steht nahezu still.

Dem sozialdemokratischen Präsidenten Ricardo Lagos stehen schwierige Jahre bevor, bis 2006 die nächsten Wahlen anstehen. Die Stimmeneinbußen waren allerdings vorausgesagt worden, weil sich das Regierungsbündnis abgenutzt hat, ohne entscheidende Versprechen einlösen zu können: Die Arbeitslosigkeit ist mit knapp zehn Prozent höher als erhofft, der wirtschaftliche wie der soziale Aufbruch lassen auf sich warten. Hinzu kommt jetzt die erstarkte Opposition, die keine Gelegenheit auslassen wird, den langersehnten „Wechsel“ herbeizureden.

 

Gründung eines Feministischen Kommunikationsnetzes

Von Andrea González

(Santiago, Dezember 2001, sem-Poonal).-Anfang Dezember organisierten 15 Journalistinnen aus Chile eine internationale Konferenz, zu der bekannte und erfolgreiche Journalistinnen anderer lateinamerikanischer Länder eingeladen waren. Ziel der Konferenz war der Austausch über Erfahrungen mit Journalismus, der Geschlecht und die Diskriminierung der Frau zum Thema hat, sowie die Gründung eines journalistischen Frauennetzwerkes.

Als Vorbild der Initiative gelten die mittelamerikanischen Länder und die Karibik, in denen bereits mehrere journalistische Organisationen der Frauen gegründet wurden.

Unterstützung fand die Initiative vor allem auch durch Sara Lovera, Mitbegründerin der mexikanischen Tageszeitung La Jornada und Mitglied des „Centro de Información de Mujeres“ (CIMAC). Lovera sprach von der Notwendigkeit, die immer noch vorherrschenden Bilder der Frauen in den Medien zu verändern und betonte, dass es nur durch starke Netzwerke in Mexiko möglich gewesen sei, 80 feministische Beilagen und zwölf feministische Vereinigungen von Journalistinnen ins Leben zu rufen.

Als weitere Vertreterinnen dieses neuen Journalismus berichtete Silvia Vicente von den Erfahrungen mit der Gründung von Equis Media in Argentinien. Equis Media produziert Radio- und auch Fernsehbeiträge zu Geschlechterfragen, die zum Teil von großen Sendern wie Canal 7 oder Cablevisión vertrieben werden.

Vorläufig wird die Vernetzung unter dem Dach von „Isis Internacional de Chile“ http://web.archive.org/web/20160126022200/http://www.sociedadcivil.cl/ begonnen werden. Eine eigene Domain des Projektes ist in Planung – ihr Titel und ihre Adresse wird voraussichtlich „mujeres periodistas“ sein.

 

Lärmende Templer*innen

(Santiago, 17. Dezember 2001, na-Poonal).- Mehr als 40 evangelische Templer*innen wurden von ihren Nachbar*innen angezeigt, weil sie während ihrer religiösen Riten mit ihren Stimmen und Instrumenten lärmten. Seit 1998 hat die städtische Gesundheitsbehörde SESMA in Santiago 46 Beschwerden erhalten. Ricardo Saavedra, der Chef der SESMA, sieht das Problem darin, dass die Einrichtungen nicht über entsprechenden Lärmschutz verfügen.

„Was wir machen, sind Messungen [des Lärms] im Haus der Person, die uns gerufen hat, um festzustellen, ob der Grenzwert überschritten wird. Wir haben schon Lärmpegel bis zu 70 Dezibel festgestellt“, erklärte Saavedra. Dies wird der Vereinigung der Templer mitgeteilt werden. Im Falle der Wiederholung, könnte die SESMA die Kirche mit einer Geldstrafe belegen oder sogar den Gottesdienst verbieten.

 

BOLIVIEN

Führer der Landlosenbewegung verhaftet

(La Paz, Dezember 2001, pasalavoz-Poonal).- Am 13 Dezember wurden im bolivianischen Ort Yacuiba der Vorsitzende der Landlosenbewegung (MST – Movimiento Sin Tierra) Boliviens Ángel Durán, und Hermelinda Fernández, die Vorsitzende des MST der Region Gran Chaco verhaftet.

Die Verhaftung der führenden Aktivisten für eine Agrarreform fand trotz der Erklärung der Regierung Präsident Jorge Quirogas statt, in der diese sich verpflichtet, die Vorsitzenden des MST und ihre Familienangehörigen zu schützen.

Die Verhaftung von Durán und Fernández fand in einer Polizeistation statt, als diese freiwillig Aussagen zu Protokoll gaben. Dort wurde ihnen mitgeteilt, sie würden aufgrund des Vorwurfs der Anstiftung zum Mord an dem Viehzüchter Teófilo Urzagaste festgenommen.

„El loco“ – der Verrückte – wurde Urzagaste genannt. Er starb am 9. November, als eine von ihm geführte paramilitärische Einheit eine Landbesetzung niederschlug. Bei der Aktion, die später als Massaker von Pantani bekannt wurde, wurden sieben Bauern des MST in einen Hinterhalt gelockt und ermordet.

Von diesem Tag an verstärkten die Viehzüchter ihre Kampagne gegen die Landlosenbewegung und riefen die Bevölkerung dazu auf, Mitglieder des MST zu „eliminieren, wo immer sie auftauchen“. Deswegen ist um die Sicherheit der Bauern-Führer zu fürchten, im besonderen von Hermelinda Fernández, die erst vor einer Woche ein Kind bekam. Die breite Öffentlichkeit wurde aufgerufen, angesichts der Entwicklung und den Angriffen auf die Bauern wachsam zu sein.

 

LATEINAMERIKA

Wenig Strom

(Lima, 17. Dezember 2001, na-Poonal).- Die Länder Lateinamerikas mit dem höchsten Energieverbrauch erreichen nicht einmal ein Drittel des durchschnittlichen Konsums der industrialisierten Länder.

Argentinien, Chile, Brasilien, Costa Rica, Mexiko, Uruguay und Venezuela verbrauchen wenig mehr als 1.400 Kilowattstunden pro BewohnerIn im Jahr. Länder wie die USA oder Norwegen dagegen haben einen jährlichen Konsum von 11.800 KW/h und 24.600 KW/h pro Kopf.

Bolivien, Ecuador, Paraguay und Peru sind im Mittelfeld der Energie-Konsumskala der Region und haben einen Verbrauch zwischen 600 und 800 KW/h pro EinwohnerIn im Jahr.

 

 

 

   

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