Poonal Nr. 497

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 12. Oktober 2001

Inhalt


 

KOLUMNE VON EDUARDO GALEANO

MEXIKO

GUATEMALA

KUBA

KUBA/LATEINAMERIKA

NIKARAGUA

KOLUMBIEN

EKUADOR

BRASILIEN

ARGENTINIEN


 

INHALT

KOLUMNE VON EDUARDO GALEANO- Diese Welt ist ein Mysterium

GUATEMALA – Bericht der Minugua über indigene Völker in Sololá – Ermordungen und Verschwindenlassen mit CIA-Methoden KUBA – Aufruf zu alternativen Informationsnetzen auf JournalistInnenkongress

KUBA/LATEINAMERIKA – Castro warnt vor sozialen Explosion aufgrund der Auslandsschulden

NIKARAGUA – Sieg der Indigenas

KOLUMBIEN – Friedensprozess in letzter Sekunde vor dem Ende bewahrt – Militär sieht sich im Kampf gegen die Farc an der Seite der Anti-Terror-Allianz

EKUADOR – Neue Blüte der kleinen jüdischen Gemeinde in Ecuador

BRASILIEN – Schwule gegen Diskriminierung – Eskalation der Gewalt gegen Homosexuelle im Gegensatz zum wachsenden Bewusstsein über ihre Rechte – Protest gegen angebliche Agrarreform – Internationale Auszeichnung für die Landlosenbewegung – Diskriminierung und Armut

ARGENTINIEN – Korrupte Polizisten wegen Anschlag auf jüdisches Gemeindezentrum AMIA vor Gericht – Scharfe Kritik an Ermittlern

 

KOLUMNE VON EDUARDO GALEANO

Diese Welt ist ein Mysterium

Kürzlich besuchte eine Gruppe Außerirdischer unseren Planeten. Sie wollten uns kennenlernen, aus reiner Neugierde oder mit wer weiß was für verborgenen Absichten.

Die Außerirdischen fingen dort an, wo sie anfangen mussten. Sie begannen ihre Forschung, indem sie das Land untersuchten, das die Nummer Eins in allem ist, die Nummer Eins bis hin zu den internationalen Telefonlinien: das Land, dem man sich fügt, das beneidete Paradies, das Modell, das die ganze Welt imitiert. Dort begannen sie – in der Absicht, den Leithammel zu verstehen, um danach alle übrigen kennen zu lernen.

Es war gerade Wahlzeit. Die Bürger hatten gerade ihre Stimmen abgegeben und das verlängerte Ereignis hatte die ganze Welt in Ungewissheit gehalten, so als ob der Präsident des Planeten gewählt worden wäre.

Die außerirdische Delegation wurde vom scheidenden Präsidenten empfangen. Das Gespräch fand im Ovalen Salon des Weißen Hauses statt, der jetzt ausschließlich für die Besucher aus dem All reserviert ist, um Skandale zu vermeiden (Plan B). Der Mann, der gerade sein Mandat beendete, antwortete lächelnd auf die Fragen.

Die Außerirdischen wollten wissen, ob im Land das Einparteien-System herrschte, denn sie hatten nur zwei Kandidaten im Fernsehen gehört und beide sagten dasselbe.

Aber es bewegten sie auch andere Fragen: Warum benötigten Sie mehr als einen Monat, die Stimmen zu zählen. Würden Sie unsere Hilfe akzeptieren, um diese technologische Rückschrittlichkeit zu überwinden? Warum wählt immer nur die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung? Warum nimmt die andere Hälfte die Mühe nie auf sich? Warum gewinnt der Zweitplazierte? Warum verliert der Kandidat, der 328.696 Stimmen Vorsprung hat. Bedeutet Demokratie nicht die Regierung der Mehrheit?

Und ein weiteres Rätsel besorgte sie: Warum akzeptieren die anderen Länder, dass dieses Land ihnen die Demokratie-Prüfung abnimmt, ihnen Regeln diktiert und ihre Wahlen überwacht? Etwa, weil dieses Land sie abstraft, wenn sie sich nicht gebührend benehmen?

Die Antworten ließen sie noch perplexer zurück. Aber sie hatten weitere Fragen.

An die Geographen: Warum nennt sich dieses Land Amerika, wenn es eines der vielen Länder des amerikanischen Kontinentes ist?

An die Sportpersönlichkeiten: Warum heißt das nationale Beisball-Turnier Weltmeisterschaft (World Series)?

An die Militärchefs: Warum heißt das Kriegsministerium Verteidigungsbehörde in einem Land, das niemals bombadiert noch von irgend jemand invadiert wurde?

An die Soziologen: Warum hat eine so freie Gesellschaft die höchste Zahl Häftlinge in der Welt?

An die Psychologen: Warum schluckt eine so gesunde Gesellschaft die Hälfte aller Psychopharmaka, die der Planet produziert?

An die Diäthalter: Warum hat dieses Land, das den übrigen Ländern das Menü diktiert, die höchste Anzahl an Dicken?

Wenn die Außerirdischen einfache Erdenbürger gewesen wären, hätte diese absurde Fragerei böse geendet. Bestenfalls wäre ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Alle Toleranz hat eine Grenze. Aber sie waren weiter neugierig, frei von jedem Verdacht der Unverschämtheit, schlechter Erziehung oder böser Absicht.

Und sie fragten die Strategen der Außenpolitik: Wenn Sie von terroristischen Feinden wie dem Irak, dem Iran und Libyen bedroht werden, warum stimmten Sie zusammen mit Irak, Iran und Lybien gegen die Bildung des Internationalen Strafgerichtshofes, der ins Leben gerufen wurde, um den Terrorismus zu bestrafen?

Und sie wollten auch wissen: Wenn Sie hier, ganz in der Nähe, eine Insel haben, wo die Schrecken der kommunistischen Hölle offen liegen, warum organisieren Sie keine Exkursionen anstatt die Reisen zu verbieten?

Und an die Unterzeichner des Freihandelsvertrages: Wenn die Grenze mit Mexiko jetzt offen ist, warum stirbt täglich mehr als ein Tagelöhner, der sie überschreiten will?

Und an die Spezialisten im Arbeitsrecht: Warum verbieten McDonald's y Wal-Mart die Gewerkschaften hier und in allen Ländern, in denen sie operieren?

Und an die Ökonomen: Wenn die Wirtschaft sich in den vergangenen zwanzig Jahren verdoppelte, warum verdient die Mehrheit der Arbeiter weniger als vorher und arbeitet mehr Stunden?

Niemand verweigerte diesen Seltsamen, die mit ihren Albernheiten fortfuhren, eine Antwort.

Und sie fragten die Hüter der öffentlichen Gesundheit: Warum verbieten Sie den Leuten das Rauchen, wenn die Autos und die Fabriken ungehindert rauchen?

Und an den General, der den Krieg gegen die Drogen leitet: Warum sind die Gefängnisse voll mit Drogenabhängigen und leer von Bänkern, die Drogendollar waschen?

Und an die Direktoren des Währungsfonds und der Weltbank: Wenn dieses Land die höchste Auslandsschuld des Planeten hat, warum zwingen Sie es nicht, die Staatsausgaben zu kürzen oder die Subventionen abzuschaffen? Etwa, weil man höflich zu den Nachbarn sein soll?

Und an die Politologen: Warum sprechen die, die hier regieren, immer von Frieden, während dieses Land die Hälfte der Waffen für alle Kriege verkauft?

Und an die Umweltexperten: Warum sprechen die, die hier regieren, immer von der Zukunft der Welt, während dieses Land die Hälfte der Verschmutzung produziert, die mit der Zukunft der Welt Schluss macht?

Je mehr Erklärungen sie erhielten, desto weniger verstanden sie. Die Expedition war von kurzer Dauer. Die Außerirdischen begannen ihren Besuch bei der beherrschenden Macht und dort beendeten sie ihn. Die Normalität der Macht war außerhalb des Verständnisvermögens dieser Touristen.

 

MEXIKO

Einwanderungsbehörde bestreitet Gebrauch von „Schwarzen Listen“

(Mexiko-Stadt, 6. Oktober 2001, comcosur-Poonal).- Mexiko hat im Zuge der weltweiten Sicherheitspolitik nach dem Anschlag auf die Vereinigten ebenfalls seine Einwanderungskriterien verschärft. Obwohl sich das Land weder im Krieg befindet noch Teil des aktuell die Weltlage bestimmenden Konfliktes ist, sprach der Beauftragte der Nationalen Migrationsbehörde (INM), Felipe de Jesis Preciado, von 81 Festnahmen sog. Illegaler, die arabischer Herkunft seien. Der Beamte bestand gleichzeitig auf der Feststellung, keine „Schwarzen Listen“ zu besitzen, nach denen bestimmte Nationalitäten verstärkt verfolgt würden. Er fügte hinzu, dass es einen Anstieg von Anzeigen durch anonyme Bürger gegen „Papierlose“ mit anschließender „Verwahrung“, und dies nicht nur bei Menschen arabischer Herkunft, gebe.

Nach Darstellung von Preciado hätte es vor den Attentaten eine „Sympathie“ und eine Tendenz, sie zu schützen von der mexikanischen Bevölkerung gegenüber den Migrant*innen gegeben. Aber nach dem 11. September habe sich dieses Verhalten verändert und es sei vermehrt zu Anzeigen gegen „Papierlose“ gekommen.

Noch am 11. September waren 41 Iraker festgenommen worden. An den darauffolgenden Tagen wurden desweiteren Männer libanesischer, pakistanischer jemenitischer und jordanischer Herkunft festgenommen.

Außerdem bestritt der Migrationsbeauftragte die Militarsierung des Behördenpersonals im Bundesstaat Chiapas, wie einige Medien berichtet hatten. Preciado mußte allerdings zugeben, dass der Delegierte des INM für Chiapas, Javier Miguel Bolaños, ehemaliger Agent des Militärs ist. Bolaños sei jedoch bereits seit zehn Jahren aus dem Militärdienst ausgeschieden.

 

GUATEMALA

Bericht der Minugua über indigene Völker in Sololá

(Sololá, 6. Oktober 2001, cerigua-Poonal).- Die UN-Friedensmission in Guatemala, Minugua, hat den sozialen Organisationen den Wahrheitsbericht über die indigenen Völker in Guatemala und die Überwindung ihrer Diskriminierung im Zuge der Umsetzung der Friedensabkommen vorgelegt.

Laut Einschätzung der Minugua wird die ethnische Vielfalt der guatemaltekischen Nation noch immer nicht anerkannt und wertgeschätzt, und die indigenen Völker leiden weiterhin unter rassistischer, sozialer und kultureller Diskriminierung, was sie daran hindert, in vollem Umfang Menschenrechte zu genießen.

In dem Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass in den Regionen, in denen die bewaffneten Auseinandersetzungen am stärksten waren, vorwiegend Indigenas siedeln, so dass diese während dreißig Jahren zu Opfern der allerschlimmsten Greueltaten wurden.

Das Dokument enthält die Forderung nach einer aktiven und entschiedenen Politik von staatlicher Seite, um in Gesetzgebung, Institutionen sowie im öffentlichem Leben die Anerkennung der indigenen Völker mit ihrer eigenen Identität und ihren Rechten als Grundvoraussetzung für die Konsolidierung der Demokratie und für die Regierbarkeit eines multikulturellen Staates zu integrieren.

Der Bericht schließt mit der Feststellung, dass Sololá eines der Departements mit der stärksten indigenen Bevölkerung ist, innerhalb dessen in den letzten Jahren eine stetige Zunahme der Wahlbeteiligung sowie der Ausübung öffentlicher Ämter, vor allem auf Gemeindeebene, zu verzeichnen ist.

 

Ermordungen und Verschwindenlassen mit CIA-Methoden

Guatemala-Stadt, 5, Oktober 2001, cerigua-Poonal).-Über mehrere Jahre hinweg bildete der CIA das guatemaltekische Militär in Methoden des Mordens und Verschwindenlassens von Personen, die sich in sozialen Bewegungen engagierten, aus. Dies zeigte Kate Doyle von der us-amerikanischen Einrichtung Nationales Sicherheitsarchiv (NSA).

Doyle nahm am Interdisziplinären Treffen zu Universeller Gerichtsbarkeit teil, das am vierten und fünften Oktober an der Universität Rafael Landívar (URL) stattfand und an dem bekannte Juristen und Menschenrechtsaktivisten aus vielen Ländern der Erde teilnahmen.

In ihrem Vortrag wies Doyle darauf hin, das NSA habe vom CIA zugänglich gemachte Archive veröffentlicht, welche Namen von guatemaltekischen Bürgern enthielten, die vom Militär festgenommen und ermordet worden waren, und zwar vom Zeitpunkt des Sturzes von Jacobo Arbenz durch den Coronel Carlos Castillo Armas bis zu den achtziger Jahren.

Wie die internationale Rechtsaktivistin berichtete, seien die guatemaltekischen Folgeregierungen trotz der Dokumente, in denen diese Greueltaten festgehalten sind, und von denen bereits die ganze Welt wüßte, noch immer nicht bereit, ihre Verantwortung für diese von den guatemaltekischen Sicherheitskräften begangenen schweren Verbrechen einzugestehen.

 

KUBA

Aufruf zu alternativen Informationsnetzen auf JournalistInnenkongress

(Havanna, 9. Oktober 2001, pl-Poonal).- Auf dem zur Zeit stattfindenden Kongress lateinamerikanischer und karibischer Journalist*innen sprach sich die Ecuadoreanerin und Indigena Lucila Lema für eine alternative Informationsverbreitung aus. Sie berichtete vor mehr als 400 Teilnehmer*innen aus gut 30 Ländern über die Erfahrungen ihrer Organisation, der Vereinigung der Indigena-Nationalitäten Ecuadors (CONAIE). Mit Gruppen wie Altermedio und anderen von der CONAIE gegründeten Initiativen werde im Land Information verbreitet, die bei den großen Medien keine Beachtung finde. Die Stärkung solcher Prozesse in den einzelnen Ländern könne in ein alternatives internationales Netz münden.

Die „Möglichkeiten alternativer Medien und eines contra-hegemonischen Denkens“ waren eines der Hauptthemen am zweiten Kongresstag. In diesem Zusammenhang wurde auch über die Gefahren für den Berufsstand und die JournalistInnenausbildung angesichts der Globalisierung im neoliberalen Gewand diskutiert. Der Mexikaner Luis Suarez, Präsident der Lateinamerikanischen Journalistenvereinigung (FELAP), wies bereits am Vortag angesichts der aktuellen Umstände und der Angriffe der USA auf Afghanistan auf die gewachsene Verantwortung der Medien hin. Nicht nur die ökonomische und die informative Globalsierung richte Schäden an, sondern auch die derzeitige militärische Globalisierung, die die Tendenz zu einem Einheitsdenken radikalisiere.

 

KUBA/LATEINAMERIKA

Castro warnt vor sozialen Explosion aufgrund der Auslandsschulden

(Buenos Aires, 10. Oktober 2001, pl-Poonal).- In einem Interview mit der argentinischen Tageszeitung „Pagina 12“ machte Kubas Staatspräsident Fidel Castro auf die Gefahren der unhaltbaren Auslandsschulden von insgesamt 950 Milliarden Dollar und der Krise des neoliberalen Modells in Lateinamerika aufmerksam. Sie seien für eine alarmierende Armut in der Region verantwortlich. Es habe sich „Dynamit angesammelt“, so Castro, alle Mittel, um eine soziale Explosion hinaus zu zögern, würden die Situation letztendlich nur verschärfen. Als Beispiel nannte er die sogenannten Brady-Bonds, bei deren Abwicklung es mehrmals Änderungen gab, um die Schuldenlast abzufedern: „Lateinamerika ist es so gegangen wie vielen in den USA zum Tode Verurteilten. Sie gehen in die Berufung und nach 23 Jahren kommen sie doch auf den elektrischen Stuhl.“

 

NIKARAGUA

Sieg der Indigenas

(Managua, 8. Oktober 2001, na/amazon alliance-Poonal).- Die 650 Mitglieder der Indigenagemeinde Awas Tingni haben einen wichtigen Rechtsstreit gegen die nikaraguanische Regierung gewonnen. Am 17 September hat der Interamerikanische Gerichtshof festgestellt, dass Nikaragua die Menschenrechte der Ureinwohner verletzt habe und wies die Regierung an, deren Landrechte anzuerkennen und zu schützen.

Obwohl es im auf dem ganzen Rontinent ähnliche gerichtliche Auseinandersetzungen gibt, ist dies das erste Mal, dass der Gerichtshof über einen Fall dieser Art entscheidet. „Dies ist ein Urteil, das schon längst auf internationaler Ebene gefällt hätte werden müssen“, sagte James Anaya, Anwalt des Indian Law Resource Center mit Sitz in den USA. „Die Mitglieder dieser Gemeinschaft kämpften seit Jahrzehnten um den Schutz ihres Landes und gegen die Nachlässigkeit der Regierung sowie die Invasion der Holzfirmen“.

Der Interamerikanische Gerichtshof ordnete an, dass die traditionellen Lebensgebiete dieser Gemeinde ausgewiesen werden müssen sowie gesetzliche Grundlagen zu schaffen seien, die die Gebiete aller im Land lebenden Indigenagemeinden festlegen und schützen sollen.

 

KOLUMBIEN

Friedensprozess in letzter Sekunde vor dem Ende bewahrt – Militär sieht sich im Kampf gegen die Farc an der Seite der Anti-Terror-Allianz

Von Laura Barros

(Bogota, 8. Oktober 2001, npl-Poonal).- Kolumbiens Präsident Andres Pastrana hat den entmilitarisierten Status einer von der Guerilla kontrollierten Zone bis zum 20. Januar kommenden Jahres verlängert. Unmittelbar zuvor hatte die Farc, die größte Guerillagruppe des südamerikanischen Landes, angekündigt, in Zukunft keine Privatleute mehr zu entführen. Außerdem verpflichtete sich die Guerilla, die unterbrochenen Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen und die entmilitarisierte Zone ausschließlich zur Durchführung des Dialogs zu nutzen.

Durch diese Zugeständnisse gelang es am vergangenen Wochenende, einen Friedensprozess zu wahren, der in der Woche zuvor von allen Seiten bereits für tot erklärt worden war. Grund hierfür waren weniger die seit Wochen zunehmenden Kämpfe in Folge einer Armeeoffensive. Die Krise begann, nachdem die Farc einer Delegation unter Führung des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Horacio Serpa den Zugang zur entmilitarisierten Zone verwehrte. Daraufhin sagte auch Präsident Pastrana das Gespräch mit der Farc ab.

Entscheidend jedoch war, dass am 30. September die Leiche der ehemaligen Kulturministerin Consuelo Araujo Noguera aufgefunden wurde. Sie war eine Woche zuvor von der Farc entführt worden. Pastrana erklärte daraufhin, das Land sei „der Entführungen und der ständigen Menschenrechtsverletzungen müde“ und stellte ebenso wie der Friedensbeauftragte der Regierung, Camilo Gomez, den Friedensprozess grundsätzlich in Frage. Auch wenn die Farc ihrerseits die Armee für die Ermordung der Ex- Kulturministerin verantwortlich machte, war die Verurteilung der Guerilla seitens der Organisation Amerikanischen Staates (OAS) bis hin zur Presse in Kolumbien einhellig.

Die Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla zur Beilegung des seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieges treten trotz intensiver Gespräche seit Jahren auf der Stelle. Die Kämpfe zwischen Armee, Paramilitärs und Guerilla halten an, und die Parteien streiten über die mögliche Richtung, die der Friedensprozess nehmen soll. Während die Armee zuerst einen Waffenstillstand will, fordern die Rebellen, dass dem Treiben der Paramilitärs Einhalt geboten wird sowie Garantien für eine soziale Wirtschaftspolitik. Sogar die entmilitarisierte Zone in der Größe der Schweiz, die seit nunmehr drei Jahren von der Farc kontrolliert wird und Schauplatz des Dialogs ist, wird zum Zankapfel, weil die Armee befürchtet, dass die Farc von dort aus ihre Angriffe vorbereitet.

Ein Lichtblick ist, dass sich nun Farc wie Regierung am vergangenen Sonntag verpflichtet haben, die Vorschläge, die eine hochrangige Schlichtungskommission Ende September vorlegte, ernsthaft zu prüfen. Kern des Vorschlags ist ein 28-Punkte- Programm, das von einem sechsmonatigen Waffenstillstand ausgeht, die Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Gruppen in den Dialog vorsieht und über mehrere spezifische Abkommen in eine Verfassungsgebende Versammlung münden soll. Zudem weist die Schlichtungskommission darauf hin, dass der Paramilitarismus in Kolumbien effektiv bekämpft werden muss.

Diese konstruktiven Vorschläge beinhalten jedoch keinerlei Garantie, dass das Auf und Ab des Friedensprozesses nicht weiterhin anhält. Zumal die momentane weltpolitische Lage auch auf Kolumbien Auswirkungen haben könnte. So verschärfte das Militär bereits den Ton gegenüber der Guerilla, indem sie einen weiteren Gefangenenaustausch mit dem Hinweis ablehnte, dass sich „das kolumbianische Militär dem internationalen Kampf gegen den Terrorismus anschließen“ werde. In der Wahrnehmung der Armee sind offenbar die Feinde der USA auch die Feinde Kolumbiens: So wie es bislang der Kommunismus und der Drogenhandel waren, die sich als Feindbild in der Guerilla manifestierten, so ist es inzwischen der Terrorismus. Folgerichtig spricht die Armee auch nicht mehr von „Narcoguerilla“ sondern von „Narcoterroristen-Guerilla“, eine Bezeichnung, die eine militärische Lösung nahe legt.

Mehrere Kommentatoren in Kolumbien fragen bereits, wie sich die US-Offensive gegen den Terrorismus auf das Land auswirken werde. „Es ist durchaus möglich, dass der Plan Colombia sich in Zukunft nicht mehr – wie ursprünglich gedacht – gegen den Drogenhandel richtet, sondern zum Antiterror-Kampf gegen die Guerilla und auch die Paramilitärs wird,“ meint beispielsweise der politische Beobachter und Universitätsprofessor Juan Tokatlian. Nicht ganz aus der Luft gegriffen, wenn der demokratische US-Senator Bob Graham beim Wort genommen wird, der kürzlich die Farc, ihre Struktur, ihre Finanzierung „bis hin zu ihren Zielen“ mit der Organisation von Osama Bin Laden verglich.

 

EKUADOR

Neue Blüte der kleinen jüdischen Gemeinde in Ecuador

Von Larry Luxner

(Quito, 11. Oktober 2001, na-Poonal).- An der Panamerikana nahe der Hauptstadt Quito steht das bedeutendste Denkmal Ecuadors: ein Erdball aus Zement mit einer gelben Linie, die den Äquator nachzeichnet, genau dort, wo sich Nord- und Südhalbkugel treffen. Acht Kilometer weiter steht ein anderes Denkmal, weitaus bescheidener, aber nicht weniger bedeutend, zumindest für die jüdischen Bürger des Andenlandes: das prächtige Zentrum der Jüdischen Gemeinde von Ecuador (CJE). Der elegante Bau erinnert an den jüdischen Teil Jerusalems.

Seit einem knappen Jahr fertiggestellt, beherbergt der Komplex neben einer Synagoge einen Raum für das Studium der Tora, einer Mikvah auch eine Cafeteria, Sauna und Schwimmbad, mehrere Büros und außerdem einen Tanzsaal, der mehr als genug Raum böte für sämtliche Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft des ganzen Landes. Insgesamt leben nur etwa 700 Juden in Ecuador. Würde man aber, so meint der Vorsitzende der CJE Enrique Heller, eine Umfrage machen zum Thema „was schätzen Sie, wie viele Juden in Ecuador leben“, so lägen die Schätzungen bestimmt bei bis zu Hunderttausend.

Heller ist Eigentümer von Texas Chicken, einer Fast Food Kette, die jeder in Ecuador kennt. Er erzählt von anderen bekannten Persönlichkeiten der jüdischen Gemeinde: „Zwei unserer Mitglieder haben für das Bürgermeisteramt kandidiert – dass sie nicht gewonnen haben, lag allerdings nicht daran, dass sie Juden sind. In Argentinien wäre es fast undenkbar, dass sich ein Jude um ein öffentliches Amt bewirbt, hier gibt es immerhin die Möglichkeit dazu,“ meint er.

Jahrhunderte lang war der jüdische Bevölkerungsanteil in Ecuador verschwindend gering, aber erst vor kurzem sind in der Stadt Loja Spuren jüdischer Kultur gefunden worden, die darauf hindeuten, dass es im 17. Jahrhundert bereits eine florierende jüdische Gemeinde gegeben haben könnte.

„Offensichtlich gab es unter den spanischen Eroberern auch einige Juden, die wahrscheinlich sogenannte „marranos“ waren – Juden also, die sich hatten taufen lassen, die aber versteckt noch den jüdischen Glauben praktizierten“, weiß Jonny Czarninski, Geschäftsführer einer Ladenkette in der lärmenden Hafenstadt Guayaquil, zu berichten. Die heutige jüdische Gemeinde in Ecuador gehe allerdings in vor allem auf den zweiten Weltkrieg zurück.

Die Gemeinde in Guayaquil entstand bereits 1939, viel früher also als die in Quito. Heute umfasst letztere 620 der 700 Juden und Jüdinnen des Landes. 1945 sah das zunächst anders aus: 2000 jüdische Flüchtlinge kamen nach Guayaquil. Fast alle Flüchtlinge waren Ashkenasi: Deutsche, Österreicher oder Polen. Sie brauchten das Visum um jeden Preis, manche kauften es sich, andere kamen über Freunde hierher. „Aber stellen sie sich den Klimawechsel vor – die meisten zogen, sobald sie konnten, nach Quito oder Cuenca, wo das Klima dem europäischen ähnlicher ist“, erzählt Czarninski, der außerdem das Amt des israelischen Ehrenkonsuls innehat. Bis 1975 seien fast alle, bis auf ein paar Familien, wieder weggezogen. Die heutige Gemeinde setze sich aus Juden zusammen, die in den letzten Jahren aus Argentinien, Peru, Kolumbien oder Israel gekommen seien.

Der Sitz der Jüdischen Gemeinde in Guayaquil liegt im ärmlichen Stadtteil Mapasingue, dort schimmelt der Müll auf den kaputten Strassen vor sich hin. Betritt man dagegen das Gemeindezentrum, scheint es, als befinde man sich in einer anderen Welt. Der gut gepflegte Garten mit dem weiß gestrichenen Gebäude zeugen vom Stolz und relativem Wohlstand der Jüdischen Gemeinde in Guayaquil. „Vor zwanzig Jahren gab es hier kein jüdisches Leben mehr – jetzt haben wir geschafft, es wieder aufzubauen,“ erzählt Czarninski.

Mit seinen 93 Jahren ist Gerardo Anker einer der Ältesten in der Gemeinde. Er berichtet – auf spanisch mit dem charakteristischen deutschen oder jiddischen Akzent – davon, wie schwer es war, überhaupt ein Visum zu bekommen. Anker kam 1941 von Frankreich in das Andenland. Ecuador war eines der wenigen Länder, die jüdische Flüchtlinge einreisen ließen. Laut Anker ist er in all den Jahren, die er nun in Ecuador lebt, noch kein einziges Mal mit Antisemitismus konfrontiert gewesen. Dennoch hält auch das nur die wenigsten dort. Von den 500 Schülern der jüdisch-ecuadorianischen Schule „Albert Einstein“ in Quito sind nur etwa zehn Juden.

 

Umstrittener Ministerwechsel

(Quito, 8. Oktober 2001, na/ladb-Poonal).- Die von Präsident Gustavo Noboa vorgenommene Ernennung des ekuatorianischen Indigena Luis Maldonado zum Sozialminister wurde von Indigenaorganisationen scharf kritisiert. Maldonado führte Rat der Nationalitäten und Völker Ecuadors (CODENPE) sowie das Projekt für Entwicklung für die indigenen Völker Ekuadors (PRODEPINE) an, beides Projekte, die von der Weltbank finanziert werden.

Der Zusammenschluss der indigenen Nationalitäten (CONAIE) und die „Plural-kulturelle Bewegung Pachakutik (MPP)“ lehnen die Ernennung von Maldonado ab, da sie die indigenen Bewegung spalte. Viele Indigenagruppen stellen sich gegen die derzeitige Regierung, da diese sich nicht die Vereinbarungen hält, die sie nach den Protesten Anfang dieses Jahres eingehen musste.

Maldongo räumt ein, dass er den Posten aus persönlichen Gründen akzeptiert hat, und diese Entscheidung unabhängig von CONAIE oder der MPP sei.

 

BRASILIEN

Schwule gegen Diskriminierung – Eskalation der Gewalt gegen Homosexuelle im Gegensatz zum wachsenden Bewusstsein über ihre Rechte

Von José Pedro S. Martins

(Sao Paulo, 8. Oktober 2001, na-Poonal).- Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten für die homosexuellen Bürgerrechte intensivieren seit einiger Zeit eine Kampagne zur Unterstützung von Gesetzesinitiativen im Kongress, die der schwulen Gemeinde grundlegende Rechte garantieren und die Eskalation der Gewalt gegen Schwule bremsen würden. Zwischen 1999 und 2000 wurden 299 Homosexuelle getötet, davon 67 Prozent Schwule, 30 Prozent Transvestiten und 3 Prozent Lesben. Diese Daten veröffentlichte die Gay-Gruppe Bahia (GGB), die bekannteste und aktivste brasilianische Organisation zur Verteidigung der Homosexuellen. Zwei Drittel dieser Verbrechen wurden im Nordosten des Landes begangen. „Der Machismo im Nordosten und die Intoleranz gegen Schwule, Transgender und Lesben verursachen dieses Gemetzel“, sagte Luiz Mott, Vorsitzender der GGB mit Sitz in Salvador, der Hauptstadt des nordöstlichen Bundesstaates Bahia.

Die Bestätigung, dass die homophobe Gewalt weitergeht, steht im Gegensatz zum Optimismus, den die Verurteilung zweier „Skinheads“, José Nilson Pereira da Silva und Juliano Filipini Sabino, auslöste. Sie wurden wegen des Mordes an dem Homosexuellen Edson Néris da Silva zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt. Da Silva wurde vor einem Jahr in der Stadt São Paulo von einer Gruppe von 18 Skinheads durch Knüppelschläge getötet. „Die Intoleranz als Handlungsprinzip ist absolut tadelnswert.“ Dies erklärt das Urteil, das Richter Luís Fernando Camargo de Barros Vidal am 14. Februar erließ.

Die Verurteilung der Skinheads wurde von Menschenrechtsgruppen und Verteidigern der Bürgerrechte von Schwulen, Lesben und Transvestiten als historisch eingeschätzt. Zum ersten Mal in Brasilien werden an einem Delikt sexueller Diskriminierung Beteiligte verurteilt. Die anderen 16 Skinheads stehen noch nicht vor Gericht. Am 6. Februar 2000 ging Da Silva, Hundeabrichter und damals 35 Jahre alt, Hand in Hand mit Dário Pereira Netto über den Platz der Republik, als er von der Gruppe Skinheads überfallen wurde. Da Silva wurde schwer geschlagen und starb in Folge der Verletzungen.

Nach dem Angriff begaben sich die Skinheads in aller Ruhe in eine Bar im Stadtteil Bexiga, ebenfalls im Zentrum von São Paulo. Sie wurden wenig später verhaftet, aber die Menschenrechtsgruppen und Verteidiger der Bürgerrechte von Schwulen, Lesben und Transvestiten machten mobil, um zu verhindern, dass ein weiteres von sexueller Intoleranz motiviertes Verbrechen ohne Bestrafung der Urheber endet.

Eine besondere Anstrengung unternahm die Menschenrechtskommission der Gesetzgebenden Versammlung von São Paulo. „Wir hatten die Befürchtung, dass ein weiteres Verbrechen vergessen und zu den Akten gelegt wird“, sagte Renato Simões, Abgeordneter der Arbeiterpartei (PT) und Vorsitzender der Kommission. Neben anderen Aktivitäten unterstützte die Kommission zwei öffentliche Anhörungen in der Gesetzgebenden Versammlung, um eine breite gesellschaftliche Reflexion über die Eskalation von Verbrechen gegen Homosexuelle in Brasilien anzuregen.

Während des Prozesses versicherten die beiden Angeklagten, die anderen Beteiligten nicht zu kennen, aber sie gaben zu, in der Vergangenheit der Gruppe Carecas do ABC angehört zu haben. Diese Gruppe entstand im Arbeiterviertel ABC im Stadtgebiet von São Paulo, und besteht vor allem aus Jugendlichen der unteren Mittelklasse mit schlechten Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Die Carecas („Kahle“ auf Portugiesisch) sind in Episoden rassistischer und sexueller Intoleranz verwickelt.

Die beiden Skinheads wurden wegen Mordes verurteilt, aber die Verteidigung kündigte Einspruch gegen das Urteil an. Weitere neun Mitglieder der Mördergruppe sind weiter in Haft, und sieben einstweilig in Freiheit. In dem Urteil formulierte Barros Vidal nachdrücklich: „Zwei Homosexuelle haben das Recht, Hand in Hand auf der Straße zu gehen, genauso wie zwei Personen das Recht haben, mit rasierten Köpfen und exotischem Schmuck umherzugehen.“

Die humanitären Organisationen und die Gruppen zu Verteidigung von Schwulen, Lesben und Transvestiten hoffen, dass die ersten beiden Urteile einen Präzedenzfall in der brasilianischen Rechtsprechung darstellen.

Laut GGB wird in Brasilien alle drei Tage ein Homosexueller ermordet, was aus dem Land weltweit das mit den meisten Morden an Homosexuellen macht.

Auf der anderen Seite kann man auch in verschiedenen sozialen Schichten eine Zunahme des Bewusstseins über die Bürgerrechte von Schwulen, Lesben und Transvestiten feststellen. Ein Indikator ist der Rosa-Winkel-Preis, der von der GGB an Personen vergeben wird, die sich bei der Verteidigung der Menschenrechte von Homosexuellen hervortun. Der Preis wurde in der Presse bekannt als Gay-Oskar und wird kurz nach dem Film-Oskar übergeben.

Im Jahr 2000 wurde der Preis an den damaligen Justizminister José Carlos Dias übergeben, der sich für die Zivilehe zwischen Personen desselben Geschlechts aussprach, und an den Präsidenten selbst, Fernando Henrique Cardoso, weil er einem Transsexuellen eine Operation zur Geschlechtsumwandlung ermöglicht hatte.

Das Justizministerium kündigte Ende vergangenen Jahres seine Unterstützung für die Gestaltung eines nationalen Netzwerks zum Schutz Homosexueller an, das zusammen mit dem Brasilianischen Verband von Schwulen, Lesben und Transvestiten (ABGLT) organisiert wird.

Der Abgeordnete Simões setzt sich für eine Neuformulierung des Nationalen Plans für die Menschenrechte (PNDH) ein, mit der die rechtlichen Mechanismen zum Schutz und zur Verteidigung der Rechte Homosexueller gestärkt werden sollen.

Die Organisationen von Homosexuellen setzen sich jetzt auch für die Verabschiedung von drei Gesetzesvorlagen im Nationalparlament ein. Eine stammt vom Abgeordneten Marcos Rolim von der PT und verbietet jede Art von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung. Die ehemalige Bundesabgeordnete und heutige Bürgermeisterin von São Paulo, Marta Suplicy, hat eine weitere Vorlage eingebracht, die die zivile Ehe zwischen Homosexuellen legalisiert. Das dritte Projekt, eingebracht vom Abgeordneten Nilmário Miranda (ebenfalls von der PT), bestimmt, dass jede Art von Diskriminierung und von Vorurteilen im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung eine Straftat ist.

„Dies alles sind Projekte die, wenn die föderale Regierung den politischen Willen hätte, mühelos verabschiedet werden könnten“, versichert der Anwalt Paulo Mariante, von der Organisation Identität-Aktionsgruppe für die homosexuelle Bürgerschaft.

 

Internationale Auszeichnung für die Landlosenbewegung

(Montevideo, 6. Oktober 2001, comcosur-Poonal).- Die brasilianische Landlosenbewegung (MST) ist am 5. Oktober im spanischen Barcelona mit dem Internationalen Alfonso Comín Preis ausgezeichnet worden. Der Preis, der dieses Jahr zum 18. Mal vergeben wurde, richtet sich an Personen oder Gruppen, die sich um den Kampf um Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Menschenrechte verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Nelson Mandela (1986), das palästinensische Volk (1988), die unschuldigen Opfer im Irak während des Golfkrieges (1991) und der Bischof von S. Félix do Araguaia, Dom Pedro Casaldáliga.

Die Stiftung Alfonso Comín wurde 1983 gegründet, drei Jahre nach dem Tod ihres Namensgebers. Ihre Arbeit orientiert sich am Lebenswerk von Comín, der sich stets für eine gerechtere und solidarische Welt eingesetzt hatte. Alfonso Comín (1933-1980) war ein katholischer und marxistischer Intellektueller. Er widmete sein Leben dem Kampf um Gleichheit und trat für die Arbeiterklasse und alle emanzipatorischen Bewegungen ein.

Bereits am 25. September 2001 hat der MST den Menschenrechtspreis der Stadtregierung von Siero in Asturias, Spanien, erhalten. 1991 hatte der MST den Alternativen Nobelpreis bekommen, 1996 überreichte der belgische König der Bewegung den König-Balduin-Preis. Und das Erziehungsprogramm des MST wurde 1995 von Unicef ausgezeichnet.

 

Protest gegen angebliche Agrarreform

(Brasilia, 2. Oktober 2001, recosur-Poonal).- Rund 1.500 Landarbeiter*innen des Bundesstaates Pernambuco, die in der Landarbeiter-Föderation Fetape organisiert sind, lagern vor dem Gebäude der Agrarreform-Behörde (INCRA), um gegen die von ihnen angeprangerte „Farce einer Agrarreform per Post“ zu protestieren. Stein des Anstoßes ist, dass Agrarminister Raul Jungmann die Ankündigung, innerhalb von 120 Tagen bedürftigen Familien Land zuzuweisen, nicht umgesetzt hat. Nach Angaben der LandarbeiterInnern haben die meisten lediglich entsprechende Post vom Agrarministerium bekommen, haben aber noch nicht einmal einen Termin zur Vorsprache erhalten. Außerdem habe die Regierung die 15.000 Familien ignoriert, die in provisorischen Camps auf Landzuteilungen warten. Zudem versuche die Regierung, die sozialen Bewegungen gegen andere Forderungen auszuspielen, um die Agrarreform ohne jede soziale Kontrolle durchzuziehen.

„Unser Ziel ist es, mit dieser Mobilisierung die betrügerische Propaganda des Ministers Raul Jungmann zu entlarven,“ sagte Fetape-Direktor Joao Santos. „Da die bereits berechtigten Familien nicht angesiedelt wurden, bleibt uns nicht anderes als die Massenbesetzung im ganzen Bundesstaat, was praktisch der einzig legitime Weg ist, damit die Arbeiter*innen ein Stückchen Boden abkriegen.“

Auch im Bundesstaat Minas Gerais haben rund 300 Landarbeiter*innen den Platz von dem INCRA-Gebäude besetzt. Sie fordern mehr Mittel zur Enteignung unproduktiver Böden und zur Ansiedlung landsuchender Familien, Zugang zu Krediten und Infrastrukturmaßnahmen.

 

Diskriminierung und Armut

(Brasilia, 8. Oktober 2001, na/ips-Poonal).- Laut der Regierungsorganisation AMB (Articulación de Mujeres Brasileñas) sind die brasilianischen Frauen die Hauptopfer sozialer Ungerechtigkeit, da sie sowohl unter rassistischer wie auch sexueller Unterdrückung zu leiden haben.

Laut einer Studie gab es 1999 36,3 Mio. Frauen afrikanischer Herkunft in Brasilien, das entspricht einem Anteil von 23 Prozent der Gesamtbevölkerung und 44 Prozent der Frauen.

Wie Guacira César de Oliveira, Vorsitzende von AMB, erklärte, seien diese Frauen stärker von Arbeitslosigkeit und geringeren Bildungschancen betroffen.

Die Diskriminierung der afrobrasilianischen Bevölkerung findet hauptsächlich im Arbeitsleben statt und drückt sich dadurch aus, dass die Menschen niedrigere Löhne erhalten, schneller entlassen werden und oft unter ihrer Qualifikation arbeiten müssen, fügte De Oliveira hinzu. Sie trat dem verbreiteten Glauben, in Brasilien gebe es keinen Rassismus, sondern lediglich Armenfeindlichkeit, entgegen. „Die Armut im Land hat eine Farbe und die ist schwarz“ sagt auch der Präsident des Instituts für angewandte Wirtschaftswissenschaften, Roberto Martins.

 

ARGENTINIEN

Korrupte Polizisten wegen Anschlag auf jüdisches Gemeindezentrum AMIA vor Gericht – Scharfe Kritik an Ermittlern

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, 10. Oktober 2001, npl).- Nicht einmal zwei Wochen nach den Terroranschlägen in New York und Washington begann in Argentinien der Gerichtsprozess wegen einem der schlimmsten Attentate gegen jüdische Einrichtungen außerhalb Israels. 15 Polizisten und fünf Zivilisten sind angeklagt, an der Ausführung der Bombenexplosion beteiligt gewesen zu sein, die das Jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires im Juli 1994 in die Luft sprengte. Die in einem Kleinlaster verborgene Bombe tötete 85 Menschen und verletzte über 300, das Gebäude wurde vollständig zerstört.

Schon der Auftakt des Prozesses wies darauf hin, dass die eigentlich Verantwortlichen des abscheulichen Verbrechens kaum ermittelt werden können. Grund hierfür ist, dass die Ermittlungen über Jahre hinweg behindert wurden und Funktionäre bis hin zum Ex- Präsidenten Carlos Menem verdächtigt werden, die Urheber des Attentats und die Mitwisser zu decken. Diejenigen, die seit dem 24. September vor Gericht stehen, sollen laut Anklageschrift lediglich – in unterschiedlichem Umfang – an der Umsetzung des Verbrechens beteiligt gewesen sein.

Bereits eine Woche nach dem Anschlag stießen die Ermittler auf den Besitzer des Tatautos, den Kleinkriminellen Carlos Telleldin. Erst zwei Jahre später jedoch kam heraus, dass Telleldin enge Verbindungen zu korrupten Polizeikreisen in der Hauptstadt Buenos Aires unterhielt. Schließlich gelangten die Ermittlungen bis zu Juan Jose Ribelli, dem Schützling und designierten Nachfolger des Polizeichefs der Hauptstadt, Pedro Klodzyc. Ribelli steht im Verdacht, Kopf eines von der Polizei unterhaltenen Verbrechernetzes in der bevölkerungsreichen Provinz Buenos Aires gewesen zu sein. Mit Ribelli stürzten mehrere seiner Untergebenen, von denen drei an dem Anschlag auf das AMIA-Gebäude beteiligt gewesen sein sollen.

Während der ersten Prozesstage bezeichnete die Anklage Telleldin, Ribelli und drei weitere Polizisten als „notwendige Komplizen“, ohne die der Anschlag nicht möglich gewesen wäre. Die Angeklagten selbst, die sich kaum zu den Vorwürfen äußern, bezeichneten sich durchgehend als unschuldig. Der Prozess, der unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, soll mindestens ein Jahr dauern – mehr als Tausend Zeugen sollen verhört werden.

Jüdische Organisationen und Angehörige der Opfer sind sich darin einig, dass bislang erst ein kleiner Teil der Organisation, die den Anschlag durchführte, vor Gericht steht. „Heute wissen wir genau so viel wie eine Woche nach dem Attentat,“ ärgert sich Luis Zuppi, Rechtsanwalt der Angehörigen-Organisation „Aktive Erinnerung“. Auch nach sieben Ermittlungsjahren weiß die Polizei offenbar nicht, wer die Autobombe wo herstellte und konnte nicht einmal feststellen, ob sich der Fahrer bei der Explosion mit in die Luft sprengte.

Beobachtern und Journalisten zufolge sind die vielen Verhüllungsversuche seitens der Sicherheitsbehörden und des Geheimdienstes der Hauptgrund für die Ermittlungspannen. Einerseits hat die Polizei von Buenos Aires Unmengen falscher Spuren gelegt, um die Beteiligung ihrer Vorgesetzten an Verbrechen zu decken. Andererseits hat der Geheimdienst stets parallel zu dem Untersuchungsrichter ermittelt, so dass beide Instanzen miteinander konkurrierten.

Der ehemalige Ermittler Claudio Lifschitz wirft in einem Buch zu dem Fall sogar dem in der Sache ermittelnden Richter Juan Jose Galeano Verschleierung vor: Galeano soll, so Lifschitz, Geheimdienstmitarbeiter gedeckt haben, die eine islamistisch- fundamentalistische Gruppe im Visier hatten, deren Spur sie jedoch kurz vor dem Attentat aus den Augen verloren.

Außer dieser verlorenen Spur ist so gut wie keine Erkenntnis über die intellektuellen Urheber der Tat sicher. So taucht in den rund 200.000 Seiten Ermittlungsakten auch eine Spur zum Iran auf, die auf einen früheren iranischen Agenten zurückgeht, der heute unter anderer Identität in Deutschland leben soll. Die letzte Äußerung dieses Agenten löste einen Skandal in Argentinien aus: Der Agent versicherte, dass Ex-Präsident Carlos Menem mit dem Iran ein Abkommen ausgehandelt hatte, demzufolge keine weiteren Attentate erfolgen, sofern die Urheber der beiden Attentate in Argentinien nicht verfolgt würden – bereits 1992 hatte ein Bombenanschlag die israelische Botschaft in Buenos Aires zerstört und 29 Menschen getötet. Neuen Presseberichten zufolge soll ein Bruder von Carlos Menem mit besten Kontakten zu Syrien den „Pakt“ ausgehandelt haben.

 

 

   

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