Poonal Nr. 496

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 5. Oktober 2001

Inhalt


 

GUATEMALA

GUATEMALA/ MEXIKO

KUBA

HAITI

PANAMA

KOLUMBIEN

BRASILIEN

LATEINAMERIKA


 

INHALT

GUATEMALA- Bauernführer ermordet – Reiner Spiritualismus oder Satan am Werk?

GUATEMALA/ MEXIKO – Weitere Legalisierungen guatemaltekischer Ex-Flüchtlinge in Mexiko

KUBA Regierung betont Haltung gegen Terrorismus und Krieg

HAITI – Streit um Premier Cherestal

PANAMA – Notstand über indigene Zonen verhängt

KOLUMBIEN – Der unwahrscheinliche Frieden – Caritas-Mitarbeiterin Yolanda Cerón ermordet – Von täglich zu wöchentlich

BRASILIEN – USA nutzen Raketenabschussbasis in Brasilien – Wissenschaftler und Opposition besorgt um Souveränität – Missbrauchte Kinder

LATEINAMERIKA – Frauenorganisationen fordern Entkriminalisierung von Abtreibung – Kleiner Fortschritt 

 

GUATEMALA

Bauernführer ermordet

(Guatemala-Stadt, 29. September, cerigua-Poonal).- Die Bauernorganisation CUC verurteilt die Ermordung des Bauernführers Eugenio García aus dem Dorf los Cerritos in Morales, Izabal, und fordert die Behörden zur Festnahme der Urheber dieses Verbrechens auf.

Garcia, der dem Komitee zur Verbesserung der Gemeinde Cerritos vorstand, wurde Ende September von einer Gruppe bewaffneter Männer ermordet, die Edgar Beltrán, einer der Wachschutzmänner der zu dieser Gemeinde gehörenden Finca las Quebradas anführte. Dies erklärte Amado Mejía, Mitglied der CUC

Der Bauernführer hatte darauf hingewiesen, dass die Einwohner des Ortes ständig vom Wachschutz besagter Finca bedroht würden, trotz der vielen Anzeigen bei den zuständigen Behörden jedoch wurde nichts unternommen, um in der Gemeinde wieder Sicherheit herzustellen.

So hatte García berichtet, es hätten am fünften September über 100 Männer, die mit Waffen großen Kalibers,wie Jagdgewehre und Gewehre vom Typ AK-47, bewaffnet waren, auf die mehr als 290 in los Cerritos lebenden Familien, geschossen, um sie aus ihrem Ort zu vertreiben.

Mejía erklärte außerdem, dass die Drohungen, bewaffneten Überfälle und Ermordungen von einem seit mehreren Jahren bestehenden Landkonflikt zwischen den Bauern und den angeblichen Besitzern der Finca las Quebradas rührten.

Aufgrund dieser Zustände forderte die CUC von den Behörden die Gefangennahme derer, die für diesen Mord und für die Überfälle verantwortlich sind. Außerdem bat sie die UN-Friedenskommission Minugua und den Menschenrechtsbeauftragten, sie bei diesem Konflikt zu unterstützen und ein Gutachten zu erstellen.

 

Reiner Spiritualismus oder Satan am Werk?

(Guatemala, 3. Oktober 2001, alc-Poonal).- In Guatemala-Stadt findet bis zum 7. Oktober der III. Spiritistische Weltkongress mit 1.800 Teilnehmern aus 28 Ländern statt. Hohe Persönlichkeiten der katholischen und evangelischen Kirche hatten das Treffen im Vorfeld kritisiert und unter anderem als „satanisch“ bezeichnet. Sowohl der Vorsitzende der guatemaltekischen Bischofskonferenz als auch der Präsident der evangelischen Allianz sehen die Aktivitäten der Spiritisten als gegen die christliche Lehre gerichtet und forderten indirekt die Regierung zum Verbot der Veranstaltung auf. Dagegen sieht Spiritistenführer Bravo im Weltkongress einen „Bildungsvorschlag für den Menschen“. „Für uns sind alle Religionen gut“, ergänzte er. Zu Zwischenfällen kam es den Berichten zufolge während des Treffens bislang nicht.

 

GUATEMALA/ MEXIKO

Weitere Legalisierungen guatemaltekischer Ex-Flüchtlinge in Mexiko

(Guatemala-Stadt, 28. September 2001, cerigua-Poonal).-Victorina Lucas Gregorio, Repräsentantin der ehemaligen Flüchtlinge aus Guatemala, dankte der mexikanischen Regierung für ihre Hilfe für die über fünfzigtausend Menschen, die in der achtziger und neunziger Jahren ihr Land hatten verlassen mußten.

Lucas sprach auf einer Veranstaltung in Chiapas, Mexiko, während der die Behörden des Landes im Zuge des 1996 begonnenen Programms zur Regularisierung von Einwander*innen hunderten von guatemaltekischen Flüchtlingen Ausweise überreichte.

Mit Tränen in den Augen erinnerte sie an „die grausame und bittere Zeit für die indigenen Völker, Bauern und die arme Bevölkerung Guatemalas“, als sie genötigt wurden, ihre Wohnungen, ihr Land und ihre Heimat zu verlassen.

Sie fuhr fort, davon zu erzählen, wie sie es schafften, dem Kugelhagel zu entfliehen, den ihnen „die Kaibiles genannten Unterdrücker entgegenschleuderten“, wie sie dann viele Tage lang durch den Urwald ziehen mußten und ihre Kinder an Kälte und Hunger litten.

Der Unterstaatssekretär für mexikanische Bevölkerung und Einwanderung, Javier Moctezuma Barragán, sagte in seiner Ansprache, die Papiere seien eine Garantie dafür, dass „die guatemaltekischen Brüder weiterhin ihrer Beschäftigung und ihrem Familienleben in Mexiko nachgehen“ könnten.

Seit dem Beginn des Programms sind bis heute etwa dreizehntausend ehemalige Flüchtlinge aus Guatemala, die in den Bundesstaaten Campeche, Quintana und Chiapas in Flüchtlingslagern leben, legalisiert worden.

 

KUBA

Regierung betont Haltung gegen Terrorismus und Krieg

(Havanna, 3. Oktober 2001, pl-Poonal).- Der kubanische Präsident Fidel Castro unterrichtete am Mittwoch (3.10.) UNO-Generalsekretär Kofi Annan darüber, dass Kuba sich dem aus zwölf internationalen Abkommen bestehenden Maßnahmenkatalog gegen den Terrorismus anschließen will. In einem Brief an Annan erklärt Castro, die Insel habe bereits drei der Abkommen ratifiziert und die Regierung werde das Parlament um die Zustimmung zu den neun restlichen bitten. Damit reagiert Kuba auf einen Aufruf der UNO in Bezug auf die Attentate am 11. September in den USA.

Castro machte ebenfalls deutlich, dass sein Land sich weiterhin „für den Abschluss eines allgemeinen und integralen Abkommens gegen den Terrorismus einsetzen wird, das diese verurteilenswürdige Praxis wirklich definiert und der internationalen Gemeinschaft erlaubt, ihr effizient, dauerhaft und umgehend gegenüber zu treten“. Gleichzeitig betonte der kubanische Präsident, die UNO müsse die verantwortliche Instanz beim internationalen Vorgehen gegen den Terrorismus bleiben. Seiner Meinung nach werde eine militärische Antwort der USA auf die Attentate „unnötige, nutzlose und gefährliche Kriege“ auslösen, die Gewalt und Hass zwischen den Völkern nur verschärfen.

 

Mutterschaftsurlaub in Zukunft auch für Männer

Von Sara Más

(Havanna, 26. September 2001, sem-Poonal).- Auf Kuba könnten sich die Männer bald mehr an der Beaufsichtigung von Kleinkindern beteiligen, wenn ein Gesetzesvorschlag angenommen wird, der vorsieht, dass sie diese Aufgabe während des ersten Lebensjahres des Kindes mit ihren Frauen teilen.

„Mal sehen, wie viele das überhaupt machen werden, wenn es in Kraft tritt“, äußert sich eine 56jährige Arbeiterin gegenüber SEM skeptisch bezüglich der Frage wie viele Männer freiwillig ihren Arbeitsplatz gegen Heim, Herd und Kind eintauschen werden.

Die neue Resolution sieht laut der Tageszeitung Granma vor, dass der Mutterschaftsurlaub nach der Stillzeit voll oder teilweise von den Vätern in Anspruch genommen werden kann. Sie soll ein Zusatz zur derzeitigen Mutterschutzregelung sein. Im Mai letzten Jahres wurde der Mutterschaftsurlaub auf zwölf Monate nach der Geburt verlängert. Diese Möglichkeit erfährt in der Bevölkerung viel Zustimmung, vor allem von seiten der Mütter, den einzigen, die derzeit gesetzliche Unerstützung zur Beaufsichtigung ihrer Kleinkinder erhalten.

Die Änderung wurde erst kürzlich während einer Regierungsversammlung, die den Stand des „Nationalen Aktionsplans zur Ratifizierung der Ziele der Pekinger Konferenz“ untersuchte, bekannt gegeben. Regionale Sachverständige und Behörden erhoffen sich von der Maßnahme neue Horizonte bezüglich des sozialen Stellenwerts der Vaterschaft, der familiäre Zusammenarbeit und der Teilnahme der Männer am familiären Leben. Sie gehen davon aus, dass die Annahme der Resolution eines der gesetzlichen und praktischen Hindernisse aus dem Weg räumen wird, das die Vätern davon abhalten könnte, sich stärker um ihre Kinder zu kümmern.

Dieses Gesetz zum „Mutterschaftsurlaub“ hat keine Entsprechungen in Mittel- und Südamerika, während es in einigen europäischen Staaten, wie Frankreich, bereits möglich ist, dass Männer sich Vaterschaftsurlaub nehmen, um sich nach der Geburt um das Kind zu kümmern. In Mexiko und Peru beträgt der Mutterschaftsurlaub 84 Tage, in Argentinien und Uruguay drei Monate, in Brasilien und Costa Rica liegt er bei vier Monaten. Der längste Zeitraum ist mit viereinhalb Monaten in Chile und Venezuela gesetzlich vorgesehen.

 

HAITI

Streit um Premier Cherestal

(Port-au-Prince, 24. September 2001, sicrad-Poonal).- Die Rückkehr des Premierministers Jean Marie Cherestal am 19. September in sein Büro hat die Auseinandersetzungen um den Regierungschef im Lavalas-Lager nicht beendet. Streitpunkt ist der Kauf einer Residenz für den Regierungschef auf Staatskosten. Die luxuriöse Villa liegt östlich der Hauptstadt in Canapé-Vert. Nach Kritik des stellvertretenden Senatspräsidenten Fourel Célestin an dem Kauf war Cherestal über eine Woche lang praktisch verschwunden.

Der Senator Gérald Gilles von der regierenden Lavalas-Partei fordert, über den Preis und die Bedingungen des Kaufs unterrichtet zu werden. Die Regierung habe die Verpflichtung, diese Information öffentlich zu machen, da es sich nicht um ein „Staatsgeheimnis“ handele. Am Tag nach der Rückkehr von Cherestal an seinen Amtssitz in Artibonite kam es zu Demonstrationen der Anhängern von Fanmi Lavalas, bei denen ein Wechsel an der Regierungsspitze gefordert wurde. Zur gleichen Zeit demonstrierten ebenfalls Anhänger von Fanmi Lavalas im Norden der Insel zur Unterstützung Cherestals.

Sobald alle Fakten offen liegen, wird die Regierung Cherestal Rechenschaft ablegen müssen. Der Senat hat verlangt, dass ihm der Bericht über die siebenmonatige Amtszeit der Regierungsverwaltung übermittelt wird. Das einwöchige Verschwinden, sowie das Auftauchen Cherestals in Begleitung des Präsidenten Aristide sind ein Kuriosum in der politischen Geschichte Haitis. Unter Anwesenheit mehrerer Minister, einiger Senatoren und Abgeordneten sowie der Presse als Zeugen, räumte Präsident Aristide die Existenz einiger Probleme ein, die es bezüglich Fanmi Lavalas und der Regierung von Jean Marie Cherestal gebe.

 

PANAMA

Notstand über indigene Zonen verhängt

(Panama-Stadt, 1. Oktober 2001. na/ladb-Poonal).- Präsidentin Miraya Moscoso hat über einige Zonen mit überwiegend indigener Bevölkerung den Notstand verhängt, um gegen die Armut, die in diesen Gebieten weit über dem Landesdurchschnitt von 37 Prozent liegt, vorzugehen.

Die drei stärksten indigenen Gruppen in Panama, die ngóbe-buglé, die kuna und die eberá stellen acht Prozent, der 2,8 Millionen Guatemaltek*innen. Während einer Versammlung, die im August in einer Gemeinde der ngóbe-buglé in Quebrada del Guabo in der Provinz Chiriquí stattfand, sagte Präsidentin Moscoso, dass 60 Prozent der Erwachsenen und 95 Prozent der Kinder der ngobé-buglé in Armut lebten.

Die Notstandserklärung ermöglicht den Bewohner*innen dieser Gebiete den Zugang zu Krediten für wirtschaftliche Entwicklung, den Aufbau von Schulen, Verbesserungen im öffentlichen Transport und den Bau eines Zentrums für interkulturellen Austausch zwischen indigenen und internationalen Organisationen.

Moscoso ernannte außerdem ein Kommission, die die Hilfprogramme überwachen soll, um den sozialen und ökonomischen Defiziten, die die Indigenas betreffen, entgegen zu treten .

 

KOLUMBIEN

Der unwahrscheinliche Frieden

(Bogota, 29. September 2001, ac-Poonal).- Das Urteil über die Zukunft des Friedensprozesses scheint gesprochen. Wird er nicht definitiv neu ausgerichtet, haben die Gespräche zwischen den Kontrahenten wohl keine Zukunft. Von der Comisión de Notables (Kommission hochgestellter Persönlichkeiten) gibt es den Vorschlag, einen bilateralen, sechsmonatigen Waffenstillstand durchzuführen, um eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Die Chancen dafür sind nicht groß.

Die FARC verhindert in der demilitarisierten Zone den Wahlkampf. Zudem stellt der noch ungeklärte Tod der ehemaligen Kulturministerin Consuelo Araujo Noguera, die sich in der Geiselhaft der FARC befand, eine weitere Belastung für den Friedensprozess dar. Letzterer ist somit erneut zentrales Thema des Präsidentschaftswahlkampfes geworden. Wie vor vier Jahren wird sich die Wahl an den Aussagen der Kandidaten hinsichtlich des Krieges entscheiden. Während Pastrana sich damals als Kandidat durchsetzen konnte, der den Frieden befürwortete, wird sich bei dieser Wahl allerdings voraussichtlich derjenige durchsetzen, der den militaristischsten Diskurs gegen den Dialog führt.

Diese Polarisierung und Verhärtung der Positionen der Präsidentschaftskandidaten sind die Konsequenzen einer Regierungspolitik, die von Beginn an ohne klare Ausrichtung war. Dies nicht nur aufgrund der Differenzen zwischen der Regierung und der Militärführung, sondern auch aufgrund der fehlenden Kohärenz zwischen den Regierungserklärungen und ihrer Umsetzung. Aber auch die FARC haben zu dieser Polarisierung beigetragen, indem sie ihre politischen Fehler meistens in kritischen Momenten des Prozesses begangen haben. Dadurch ist der Eindruck entstanden, die FARC habe mehr Interesse an ihrer ökonomischen und militärischen Stärkung als an einem Frieden.

Die FARC forderten nun mittels ihres obersten Kommandanten Manuel Marulanda Vélez die Regierung und die Armee zur Teilnahme am Dialog auf. In einem Brief an Präsident Pastrana, wenige Tage nach den Attentaten in den USA, schlug Marulanda einen neuen Gefangenenaustausch von Soldaten und Guerilleros vor. Außerdem sprach er sich für die Ausweitung des Verhandlungstisches auf weitere politische Kräfte aus. Die Antwort der Militärführung auf die Vorschläge der FARC war kategorisch: Sie lehnte einen Austausch ab, sah keinen Grund, sich mit der Guerilla zu treffen und wies darauf hin, dass sie sich dem internationalen Kreuzzug gegen den Terrorismus anschließen werde.

In der Wahrnehmung der Armee sind die Feinde der USA auch die Feinde Kolumbiens: So wie es bislang der Kommunismus und der Drogenhandel waren, so ist es jetzt der Terrorismus. Alle diese Feindbilder manifestieren sich nach Ansicht der Militärführung in der kolumbianischen Guerilla. Der Wechsel in der Terminologie der us-amerikanischen Außenpolitik bedeutet einen Wechsel in der kolumbianischen Innenpolitik, und dies besonders in Bezug auf den Friedensprozess. Wenn vorher die Guerilla eine „Narcoguerilla“ war, so ist sie jetzt eine „Narcoterroristen-Guerilla“. Eine Bezeichnung, die der Rechtfertigung militärischer Lösungen dient.

Der vielleicht spürbarste Aspekt des Abkommens von Los Pozos, das von Präsident Pastrana und Manuel Marulanda Vélez unterzeichnet worden war, ist die Bildung der sogenannten „Comisión de Notables“. Die Kommission unterbreitete am 27. September ein 28-Punkte Programm für den Frieden. Ausgangspunkt des neuen Verhandlungsszenarios ist ein bilateraler, sechsmonatiger Waffenstillstand, der auf Absprache hin verlängert werden kann. Während dieser Zeit sollen weitere politische und soziale Kreise an den Verhandlungen beteiligt und spezifische Abkommen ausgearbeitet werden. Diese sollen den Themenkatalog für eine Reform der Verfassung bilden.

Auf der Basis dieser Abkommen könne eine Verfassunggebende Versammlung einberufen oder ein Referendum durchgeführt werden. In der Verfassunggebenden Versammlung sollen die politischen Parteien und Bewegungen, die Gewerkschaften, der Produktionsbereich, unabhängige Kreise der Zivilgesellschaft, die FARC und die weiteren Guerillagruppen vertreten sein.

Die Verfassunggebende Versammlung oder das Referendum wäre der Abschluss des Verhandlungsprozesses. Daher solle in diesem Moment die FARC-EP die Waffen niederlegen. Raul Reyes, der Sprecher der FARC äußerte sich nicht zu diesem Punkt. In Bezug auf den Paramilitarismus bekräftigte die Kommission, dass er militärisch bekämpft werden müsse und mit ihnen kein paralleler Verhandlungsprozess zu jenem mit der Guerilla stattfinden dürfe. Zudem müsse das politische und wirtschaftliche Rückzugsfeld der Paramilitärs bekämpft werden.

Das Dokument der Kommission ist zur Revitalisierung und Neuausrichtung des Friedensprozesses wichtig, da es konkrete Vorschläge unterbreitet und Etappen definiert, die zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung und zur Wiedereingliederung der FARC ins Zivilleben führen sollen. Weiter werden Vorschläge gemacht, der ELN an diesem Prozess zu beteiligen, da diese Verhandlungen am 7. August 2001 zum Erliegen gekommen waren. Damals erklärte Präsident Pastrana einseitig den Dialog für beendet.

 

Caritas-Mitarbeiterin Yolanda Cerón ermordet

(Tumaco, 19. September 2001, ac/caritas-Poonal).- Mehrere bewaffnete Männer schossen um die Mittagszeit in der Stadt Tumaco, Provinz Narino auf die Menschenrechtlerin Yolanda Cerón und verletzten sie mit acht Schüssen lebensgefährlich. Cerón starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Nähere Hinweise auf die Täter gibt es noch nicht. Die Caritas Kolumbien geht aber davon aus, dass es sich um Angehörige der Paramilitärs handelt.

Die Caritas-Mitarbeiterin aus der Diözese Tumaco im Süden des Landes hatte sich immer wieder gegen den Drogenkrieg und die damit verbundene Militarisierung und Verschärfung des Konflikts ausgesprochen. Noch im Juli war die frühere Ordensschwester Yolanda Cerón zu Besuch bei Caritas international. Der Gefahr, in der sie sich befand, war sie sich bewusst. „Ich weiß, dass ich auf der Todesliste stehe und meine Wohnung überwacht wird“, sagte sie damals.

Yolanda Cerón hatte sich vor allem gegen den Plan Colombia eingesetzt. In Kolumbien lässt die Regierung mit massiver finanzieller Unterstützung der USA die Koka-Felder mit Chemikalien besprühen und zerstört so die Lebensgrundlage der Kleinbauern. Caritas international hat immer wieder betont, dass der Drogenkrieg in Kolumbien das Suchtproblem in Europa und Amerika nicht lösen wird. Seit die Besprühungen begonnen haben, haben sich vielmehr die Konflikte im Land verschärft. Jeder, der sich für den Frieden einsetzt gerät zwischen die Fronten.

In der Diözese Tumaco hatte Yolanda Cerón die Kleinbauern in den Gemeinden dabei beraten, selbständige Vertriebsstrukturen für ihre landwirtschaftlichen Produkte wie Mais und Manjok aufzubauen und vom Kokaanbau unabhängig zu werden. Ihr Einsatz hat sie jetzt das Leben gekostet.

Sprecher der indigenen Gruppe der Eperara Siapidara an der Pazifikküste verfassten in Vertretung der 85 indigenen Gruppierungen Kolumbiens eine Erklärung, in der sie ihre Trauer über den Tod der ehemaligen Schwester der Gemeinschaft Marias ausdrückten. „Wir schließen uns dem Schmerz der Familienangehörigen und aller Freunde und Freundinnen der Diözese an, welche Yolanda nahe standen und sie in ihrer Pastoralarbeit begleiteten.“ Weiter schreiben sie: „Wir möchten der Diözese mitteilen, dass sie in ihrer Arbeit für den Frieden in der Region nicht nachlassen soll, denn genau das ist es, was all jene beabsichtigen, die weiterhin unser Land mit Morden überziehen.“ Die ökumenische Kommission „Justicia y Paz“ kommentierte in einer Würdigung der Arbeit von Yolanda Cerón: „Wir betrachten ihre Ermordung als eine systematische Haltung gegenüber den Gemeinschaften und Organisationen, die sich für die Verteidigung des Lebens und der Menschenrechte aus der Perspektive der Opfer des Staates einsetzen.“

 

Von täglich zu wöchentlich

(Bogota, 1. Oktober 2001, na-Poonal).- Die Tageszeitung „El Espectador“ hat ihr Erscheinen von taglich zu wöchentlich umgestellt und erscheint seit dem 16. September nunmehr nur noch sonntags. Wie der Chefredakteur der Zeitung, Carlos Lleras, erklärte, habe die allgemeine Krise nun auch „El Espectador“ erreicht. „Unter den derzeitigen Umständen stecken alle Printmedien in der Krise und haben enorme Schwierigkeiten“, sagte er. „Deswegen versuchen wir, uns auf eine Nische zu konzentrieren, wo sich die Mehrheit der Leserschaft und der Werbenden findet – am Sonntag“, fügte er hinzu. Nach eigener Einschätzung hat „El Espectador“ in Kolumbien die Rolle einer unabhängigen und kritischen Zeitung.

 

BRASILIEN

USA nutzen Raketenabschussbasis in Brasilien – Wissenschaftler und Opposition besorgt um Souveränität

Von Jose Pedro Martins

(Sao Paolo, 1. Oktober 2001, na-Poonal).- Wissenschaftler und Oppositionspolitiker in Brasilien kritisieren, dass die USA das Recht haben, eine brasilianische Raketenabschussbasis zu nutzen. Hintergrund ist ein Vertrag, den beide Länder in April 2000 geschlossen haben und der bis Ende diesen Jahres vom Kongress in Brasilia ratifiziert werden soll. Die Kritiker sehen die Souveränität Brasiliens gefährdet und befürchten, die USA könnten mittels der Nutzungsrechte eine eigene Raketenbasis auf brasilianischem Territorium errichten.

Die umstrittene, zivile Raketenabschussbasis Alcantara (CLA) liegt im Bundesstaat Maranhao, zwischen dem Amazonasgebiet und dem Nordosten Brasiliens. Sie wurde gegen Ende der Militärdiktatur 1980 mitten in einem unzugänglichen Naturschutzgebiet gebaut. Schon damals wurden die Einwohner mehrerer Gemeinden von Indigenas und von Schwarzen, die einst aus der Sklaverei in diese Gegend geflohen waren, vertrieben.

Ökologen und Menschenrechtler befürchten, dass die intensive Nutzung der Raketenbasis durch die USA nicht nur die Umwelt weiter schädigen wird, sondern auch weitere Gemeinden aus ihrem traditionellen Siedlungsgebiet vertreiben wird. Zumal die Regierung Brasiliens keinen Hehl daraus macht, dass sie mittels der Raketenbasis versucht, das brasilianische Weltraumprogramm zu finanzieren. „Unser Ziel ist es, Verträge über eine ausländische Nutzung der Basis anzuschließen,“ erklärte der Direktor der brasilianischen Weltraumagentur (AEB), Daniel Borges Netto. Der erste dieser geplanten Verträge wurde nun mit den USA geschlossen, die rund 80 Prozent des weltweiten Satellitengeschäfts abwickeln. Ausschlaggebend war dabei der Standortvorteil der Basis Alcantara: Sie liegt unmittelbar südlich des Äquators, wodurch beim Raketenabschuss die Erdrotation besser genutzt und bis zu 30 Prozent Treibstoff eingespart werden kann.

Die meiste Kritik kommt jedoch aus der brasilianischen Wissenschaft, die befürchtet, dass der Vertrag mit den USA die Entwicklung einer eigenen Weltraumtechnologie erschweren wird. Einer Studie der renommierten Brasilianischen Wissenschaftsgesellschaft (SBPC) zufolge räumt der Vertrag den USA weitreichende Kontrollrechte bei Nutzung wie Entwicklung von Weltraumtechnologie ein. Die USA bestehen demzufolge nicht nur auf der Verpflichtung Brasiliens, jegliche nicht-zivile Nutzung der Technologie und einen Export militärisch nutzbarer Bestandteile auszuschließen. Sie haben zudem das Recht, jederzeit alle Installationen der Raketenabschussbasis zu inspizieren und zu überwachen.

Damit, so die Autoren der SBPC-Studie, sei auch die schon bestehende Zusammenarbeit mit Ländern wie China, Indien und der Ukraine gefährdet. Insbesondere das Satelliten-Programm, das Brasilien seit Jahren mit China unterhält, sei nunmehr in seinem Bestand gefährdet. Auch der Abgeordnete und Wissenschaftsexperte der oppositionellen Arbeiterpartei, Marcelo Zero, fürchtet die Einflussnahme seitens der USA: „Angesichts der vereinbarten Kontroll- und Nutzungsrechte wird das Gelände de facto zu einer US-Basis.“ Damit sei die Souveränität Brasiliens gefährdet, moniert der Abgeordnete.

Dieser Auffassung widerspricht das Wissenschaftsministerium in Brasilia vehement: „Die Vereinbarung sieht keine Präsenz von ausländischen Militärs in der Basis vor,“ so die offizielle Stellungnahme. Außerdem, so der Sprecher des Ministeriums, würde eine Kündigung des Vertrages für Brasilien finanzielle Verluste von über 300 Millionen US-Dollar bedeuten.

 

Missbrauchte Kinder

(Rio de Janeiro, 1. Oktober 2001, na-Poonal).- Mehr als 3000 Kinder zwischen sieben und 14 Jahren werden in Rio de Janeiro in Drogenhandel, Prostitution und anderen illegalen Aktivitäten eingesetzt. Dies wurde in einem am 16. September veröffentlichten Bericht des Entwicklungsbüros der Stadt bekannt gegeben.

Die Anzahl der Fälle, mit denen sich die Gerichte zum Schutz des Kindes und Heranwachsenden befassen, sind von 609 im Jahr 1996 auf 1003 im Jahr 2000 gestiegen. Dabei ist die Dunkelziffer der nicht angezeigten Fälle sehr hoch.

„Im Drogenhandel ist man sich schnell darüber klar geworden, dass die beste Arbeitskraft die der Kinder von bis zu zwölf Jahren ist. Je jünger, desto weniger wird das Gesetz gebrochen,“ sagte Marcio Mothé, Staatsanwalt am Gericht. „Bis zu diesem Alter kann ein Kind nicht bestraft werden, und wird in ein Waisenhaus oder eine Erziehungsanstalt gebracht, das es jeden Moment wieder verläßt.“

Das Entwicklungsbüro der Stadt arbeitet an der Identifizierung der in kriminelle Aktivitäten verwickelten Kinder um sie mit in den Plan zur nationalen Sicherheit einzubinden. Dieser Plan sieht vor, ein Präventiv-Programm zur Kompensation anzubieten, das wirtschaftlichen Ausgleich, Bildung und sportliche und kulturelle Aktivitäten beinhaltet.

 

LATEINAMERIKA

Frauenorganisationen fordern Entkriminalisierung von Abtreibung

(Santiago, 20. September 2001, sem-Poonal).- Anläßlich des Internationalen Tags der Abtreibung (28.September) tagten Frauen aus 18 Ländern Lateinamerikas vom 26. bis zum 30. September in Rio de Janeiro, Brasilien. Ihr Anliegen war und ist es, Abtreibung zu entkriminalisieren und das Recht der Frauen auf Abtreibung verfassungsrechtlich zu verbürgen.

Die Abgeordneten aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Kuba, El Salvador, Ecuador, Haiti, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Peru, der Dominikanischen Republik, Puerto Rico, Uruguay und Venezuela hatten die Aufgabe, die Kampagne des letzten Jahres auszuwerten. Außerdem ging es bei dem Treffen in Rio de Janeiro darum, die Strategien für die nächsten 12 Monate zu bestimmen.

Die diesjährige „Kampagne 28 September“ wird von dem „Frauengesundheitsnetzwerk Lateinamerikas und der Karibik“ vorangetrieben. Kernstück der Aktionen ist es, das Recht der Frauen auf Abtreibung zu garantieren. Ziel des Treffens war die Vernetzung und der Dialog mit Frauen anderer Regionen, die Erarbeitung von kurzfristigen und längerfristigen Strategien für Aktionen im lateinamerikanischen Raum und die Stärkung gleichgesinnter Initiativen in den Ländern.

Teil des Aktionsplans der Tagung war eine öffentliche Veranstaltung in Rio de Janeiro. Dazu hatte das Netzwerk Frauen aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern eingeladen, die illegal abgetrieben hatten und immer noch unter den Folgen des Eingriffs leiden.

Einen weiteren Diskussionspunkt der Tagung bildete der Vorschlag des „lateinamerikanischen Komitees zur Verteidigung der Rechte von Frauen“, ein interamerikanisches Abkommen bezüglich der sexuellen und reproduktiven Rechte (Convención Interamericana de los Derechos Sexuales y Reproductivos) zu verabschieden. Diese Initiative benötigt die Unterstützung der Frauenorganisationen, um in naher Zukunft umgesetzt zu werden.

Die Teilnehmerinnen nahmen auch Bezug auf eine Reihe von Vorfällen in der Region und in anderen Ländern. Im Vordergrund standen Aktivitäten der katholischen Kirche, des Opus Dei und der Pro-Life-Gruppen (Provida). Diese hatten unter anderem Druck auf die Regierungen ausgeübt, um einen „Tag des nichtgeborenen Kindes“ einzuführen. Scharf kritisiert wurde auch die Entscheidung eines chilenischen Gerichts, die „Pille danach“ zu verbieten. Nach Meinung des Netzwerks widerspricht dieses Urteil dem schon gewonnenen Recht der Frauen auf freie Entscheidung in bezug auf Verhütung.

Was die Nachrichten aus anderen Regionen betrifft, wurde die Wahl von George W. Bush als Präsident der Vereinigten Staaten von den Frauen durchweg als negativ beurteilt. Auch die Versuche des konservativen italienischen Präsidenten Berlusconi, das Abtreibungsrecht in Italien einzuschränken, werden verurteilt. Positiv dagegen beurteilen die Frauen die Entscheidung Frankreichs, den Zeitraum (Schwangerschaftswochen) für legale Abtreibungen auszuweiten.

 

Kleiner Fortschritt

(Lima, 1. Oktober 2001, na-Poonal).- Peru und Ekuador haben alle Bodenminen, die sich auf ihren Gebieten befanden zerstört. Dies geschah vor dem Beginn des 3. Staatstreffens zur Übereinkunft zu Verbot der Arbeitsplätze, der Herstellung, Lagerung und des Transports von Anti-Personen-Minen und ihrer Vernichtung, das vom 18. bis 21 September in Managua, Nikaragua, stattfand.

In Erfüllung der Übereinkunft von Ottawa, die 1997 unterzeichnet wurde, die die die Eliminierung der Minen vor März 2003 anordnete, vernichtete die ekuadorianische Armee ihre sämtlichen Bestände. Zwei Tage später beendete Peru die Unbrauchbarmachung seiner 321.368 Anti-Personen-Minen, die in verschiedenen Waffenkammern deponiert gewesen waren.

Trotz dieser Aktivitäten rechnen Menschenrechtsorganisationen damit, dass immer noch etwa 100.000 Landminen auf dem Grenzgebiet zwischen Ekuador und Peru liegen. Sie wurden während des bewaffneten Konfliktes zwischen den beiden Ländern 1995 dort eingesetzt. Sämtliche dort lagernden Minen außer Kraft zu setzen würde nach Schätzungen nicht weniger als fünfzehn Jahre dauern, da täglich lediglich 18 Minen beseitigt werden könnten.

Chile seinerseits müsste eine halbe Million Landminen suchen und zerstören, um das Abkommen zu erfüllen. Diese Anzahl an Landminen ist an den Grenzen Chiles mit Peru und Bolivien ausgelegt. In den letzten fünfzehn Jahren sind etwa zwanzig Personen von Landminen schwer verletzt oder getötet worden. Chile hat, gleichzeitig mit Peru, damit begonnen, 14.000 seiner gelagerten Landminen unbrauchbar zu machen.

 

 

   

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