Poonal Nr. 483

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 483 vom 22. Juni 2001

Inhalt


 

MEXIKO

GUATEMALA

GUATEMALA/KUBA

NICARAGUA

PUERTO RICO

PANAMA/USA

KOLUMBIEN

VENEZUELA

ECUADOR

PERU

BOLIVIEN

CHILE/DEUTSCHLAND

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINIEN

LATEINAMERIKA


 

INHALT

MEXIKO- Fox versichert, dass in Chiapas Frieden herrsche – Bischof Samuel Ruiz: „Friedenszeichen sind widersprüchlich“

GUATEMALA – Regierung nutzt Massenflucht „gefährlicher“ Häftlinge als Anlass – Verurteilung des Angriffs gegen Aktivistin von Amnesty International – Ermittlungen gegen Ex-Diktatoren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

GUATEMALA/KUBA – Ränkespiele nach Genfer Menschenrechtsabstimmung

PUERTO RICO – US-Marineeinheiten bleiben bis 2003 in Vieques stationiert

PANAMA/USA – Entlassene Kanalarbeiter*innen fordern Entschädigung von USA

KOLUMBIEN – Die Ausweitung des Konfliktes bringt indigene Völker täglich mehr in Gefahr – Die Friedensgespräche erstarken mit dem Gefangenenaustausch von Guerillakämpfern und Militärs

NICARAGUA – OAS moniert fehlende Garantien für transparente Wahlen

VENEZUELA – Chávez provoziert Fremdenfeindlichkeit

ECUADOR – Umweltschützer kämpfen gegen neue Öl-Pipeline. Deutsche Banken an Finanzierung beteiligt

PERU – Montesinos veruntreute über 380 Millionen Dollar an peruanischem Staatsvermögen – Alejandro Toledo mus sich mit anderen politischen Kräften absprechen

BOLIVIEN – Ex-Präsident gestorben

CHILE/DEUTSCHLAND – Theologische Fachausdrücke in deutsch-spanischem Wörterbuch

BRASILIEN – Senator verzichtet auf Amt

URUGUAY – Auf der Suche nach Simon – Sara Mendez sucht seit 25 Jahren nach ihrem von Militärs verschleppten Sohn – Ehemalige politische Häftlinge schließen sich zusammen – Mahnmal für die Verschwundenen

ARGENTINIEN – Tote bei Protesten gegen die soziale Misere in Argentinien. Kritik an hartem Durchgreifen. – Methodisten wählen erstmals Bischöfin

LATEINAMERIKA – Rettende Überweisungen – Mutterschaftsurlaub in Gefahr

 

MEXIKO

Fox versichert, dass in Chiapas Frieden herrsche

(Mexiko-Stadt, 15. Juni 2001, pulsar-Poonal).- In Chiapas „gibt es keinen Konflikt, es herrscht dort Frieden“, sagte der mexikanische Präsident Vicente Fox Quesada in San Salvador, wo er an den formellen Verhandlungen zum Plan Puebla – Panama teilnimmt. Dabei handelt es sich um ein groß angelegtes Modernisierungs- und Industrialisierungsvorhaben im mexikanischen Süden. Fox verteidigte das Vorhaben und sagte, dass er dem Zapatismus weder weiteren Raum noch andere Artikulierungsmöglichkeiten geben werde. Er behauptete, dass die Bewegung sich im Auflösungszustand befinde.

Zum ersten Mal seit der Übernahme des Präsidentenamtes spielte Fox Quesada die Rolle der zapatistischen Bewegung herunter. Und obwohl er nicht unerwähnt ließ, dass die Verhandlungen zwischen Regierung und EZLN ausgesetzt sind, maß er diesem Umstand keine besondere Bedeutung bei. Er sagte, dass es keine Gespräche gäbe, weil keine Gewalt vorhanden sei und Frieden zwischen EZLN und Regierung herrsche.

Fox versicherte, dass an der Entwicklung der Gemeinden in Chiapas und allen indigenen Gemeinschaften auf dem mexikanischen Territorium gearbeitet werde. Er gab außerdem seine Überzeugung bekannt, dass die zapastistische Bewegung sich nicht in die Umsetzung des sogenannten Plan Puebla – Panama einmischen wird. Fox ist die treibende Kraft bei diesem Plan in Koordination mit anderen Staaten Zentralamerikas. Er schloß mit den Worten, dass „der Plan Puebla – Panama tausend Mal besser als der Zapatismus oder irgendeine indigene Gemeinschaft in Chiapas“ sei.

 

Bischof Samuel Ruiz: „Friedenszeichen sind widersprüchlich“

(San Cristóbal, 12. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Der emeritierte Bischof von San Cristobàl de las Casas, Samuel Ruiz, hat die Zeichen der Bundesregierung hinsichtlich des Konfliktes in Chiapas als zweischneidig und widersprüchlich bezeichnet. Er sagte, dass er kein Nähe zwischen den Zapatistas und der Regierung erkennen könne, die zur Wiederaufnahme des Dialogs führen könnte.

Wie der Prälat ausführte, gab es seitens der Fox-Regierung einerseits die Aussage, die drei Minimalforderungen des zapatistischen Befreiungsheeres zu erfüllen um die Friedensgespräche wieder auf zu nehmen, andererseits wurden Mitglieder der paramilitärischen Gruppe „Paz y Justicia“ aus dem Gefängnis entlassen, was eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den zapatistischen Gefangenen darstellt.

Samuel Ruiz tätigte diese Aussagen bei seiner Ankunft in San Cristóbal de las Casas, wo er Treffen der Menschenrechtsorganisation Fray Bartolomé de las Casas vorstand.

 

GUATEMALA

Regierung nutzt Massenflucht „gefährlicher“ Häftlinge als Anlass

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 21. Juni 2001, npl-Poonal).- Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien sorgen sich um die Konsequenzen des sogenannten „Alarmzustands“, der seit Dienstag (19.6.) in Guatemala gilt. Ihrer Meinung nach handelt es sich um eine Art Notstandsrecht, durch das mehrere Grundrechte in dem mittelamerikanischen Land in Frage gestellt werden. Per Dekret hatte Präsident Alfonso Portillo wesentliche Verfassungsnormen für 30 Tage außer d in-Poonal).- Kraft gesetzt. Die Zustimmung des Parlamentes gilt als sicher, da die rechtsgerichtete Regierung der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) über eine absolute Mehrheit verfügt.

Präsidentensprecher Luis Mijangos begründete den Schritt mit der Massenflucht gefährlicher Häftlinge am vergangenen Sonntag aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Bisher konnten nur wenige der Flüchtigen wieder gefasst werden. Sie waren am helllichten Tag aus der Haftanstalt ausgebrochen, einige mit Maschinengewehren bewaffnet. Inzwischen wird vermutet, dass die Flucht von Teilen der Gefängnisverwaltung unterstützt wurde. Guatemalas Nachbarstaaten Mexiko und El Salvador haben extreme Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze getroffen.

Der Alarmzustand, der 1970 von der Regierung des Generals Carlos Arana Osorio im Gesetz zur öffentliche Ordnung vorgesehen wurde, schränkt vor allem die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit der Bürger ein. Zudem wird die Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte erweitert. Unter anderem sind Verhaftungen und Verhöre verdächtiger Personen durch Polizei und Militär ohne richterlichen Beschluss möglich. Auch Pressezensur und das Streikverbot sind von den Sondermaßnahmen gedeckt.

Die nach der guatemaltekischen Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu benannte Menschenrechtsstiftung bezeichnete das Notstandsrecht als den „bisher schwerwiegendsten Akt von Autoritarismus“ in anderthalb Jahren FRG-Regierung. Zwar hält auch die Menchu-Stiftung die Situation nach der Flucht der wegen Mordes, Vergewaltigung und Drogenhandel verurteilten Kriminellen für schwierig. Gleichzeitig sieht die Stiftung in dem Dekret jedoch ein Mittel, um „Kritik zum Schweigen zu bringen“.

Rigoberta Menchu selbst warnte in den Medien vor Attacken auf Menschenrechtler unter dem Deckmantel des Alarmzustandes. Sie forderte dazu auf, sich „nicht einschüchtern zu lassen“. Eine von ihr und anderen Organisationen geteilte Sorge besteht darin, dass Teile der Streitkräfte hinter der Massenflucht und der Aussetzung von Verfassungsrechten stehen könnten.

Dies ist bislang nur Spekulation, doch sie hat einen konkreten Hintergrund: Eine Reihe von Militärs steht im Verdacht, enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen zu haben. Zudem wurden vor zwei Wochen in einem überraschenden und in Guatemala beispiellosen Urteil ehemalige und aktive Mitglieder des Militärs wegen des Mordes an Bischof Juan Gerardi zu hohen Haftstrafen verurteilt. Kurz darauf erklärte ein Gericht Verfahren wegen Genozids gegen die ehemaligen Generäle und Diktatoren Romeo Lucas Garcia und Efrain Rios Montt für zulässig.

 

Ermittlungen gegen Ex-Diktatoren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

(Guatemala-Stadt, 14.Juni 2001, pulsar-Poonal).- Die UN-Mission für den Friedensprozeß in Guatemala, MINUGUA, gab am vergangenen Donnerstag an, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen zwei Ex-Generäle wegen Völkermordes einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Prozess bedeutet.

Die Generäle Fernando Romeo Lucas García, Diktator in der Zeit von 1978 bis 1982, und José Efraín Rios Montt, Diktator in den Jahren 1982 und 1983, werden angeklagt, während ihrer jeweiligen Regierungszeit Massaker an den Maya angeordnet zu haben.

Dies ist das erste Mal, dass die Gerichte des zentralamerikanischen Landes einwilligen, gegen Ex-Diktatoren zu ermitteln, die der Gräueltaten wegen angeklagt werden, die während 36 Jahren Bürgerkrieg in dem etwa 200 Tausend Guatemalteken ums Leben kamen, begangen wurden.

Die Ermittlungen wurden auf Antrag der Vereinigung für Gerechtigkeit und Wiederversöhnung eingeleitet. Gegenwärtig bekleidet der General Ríos Montt das Amt des Parlamentspräsidenten Guatemalas. Von Lucas García heißt es, er sei in Venezuela ansässig und leide an der Alzheimerschen Krankheit.

Jesús Peña, Prüfungsbeamter der MINUGUA, erklärte, die Anklagen gegen die Ex-Generäle seien bereits im Bericht der gemäß den Friedensverträgen eingesetzten Wahrheitskommission (CEH) zusammengestellt worden.

 

Verurteilung des Angriffs gegen Aktivistin von Amnesty International

(Guatemala-Stadt, 15. Juni 2001, cerigua-Poonal).- Menschenrechtsaktivist*innen aus Guatemala verurteilten den Angriff auf Barbara Bocek, einer Repräsentantin von Amnesty International (AI) im Land. Den Aktivist*innen zufolge hat die Tat aufgrund der Arbeit, die diese Organisation in Guatemala geleistet hat, politische Motive.

Barbara Bocek wurde am vergangenen Montag in dem Hotel, in dem sie residierte, mit einem schweren Gegenstand auf dem Kopf geschlagen und Minuten später geknebelt und unter dem Einfluß einer Droge stehend gefunden.

Die US-amerikanische Vertreterin von AI war ins Land gekommen, um zusammen mit anderen internationalen Menschenrechtsbeauftragten den Verlauf des Prozesses wegen der Ermordung des Bischofs Juan Gerardi zu beobachten und die Menschenrechtssituation in Guatemala zu untersuchen.

Nery Ródenas, Direktor der Abteilung für Menschenrechte des Erzbischoftums von Guatemala, verurteilte ebenfalls den Überfall. Er äußerte sich besorgt darüber, dass weiterhin Angriffe auf Menschen, die über die grundlegendsten Rechte der Menschen wachen, festzustellen sind. Mario Polanco, der Vorsitzende der Gruppe ‚Gegenseitige Hilfe‘, sagte dass diese Tat wieder einmal zeige, dass es in Guatemala einen erheblichen Rückstand gäbe, was die Einhaltung der Menschenrechte betreffe. Er fügte hinzu, dass die internationale Gemeinschaft darauf achten müsse. Carmen Ibarra, die Sprecherin der Myrna-Mack-Stiftung, forderte eine Untersuchung dieses erneuten Einschüchterungsversuches gegenüber Menschenrechtsaktivist*innen.

Bocek war zusammen mit der AI-Aktivistin Tracy Ulltveitmoe nach Guatemala gekommen und mit Vertreter*innen der ‚Vereinigung für die Gerechtigkeit und die Versöhnung‘ zusammengetroffen. Diese Organisation reichte Klagen gegen verschiedene Militärs mit dem Vorwurf des Völkermords ein, darunter u.a. gegen die ehemaligen Präsidenten Romeo Lucas García und Efraín Ríos Montt.

 

GUATEMALA/KUBA

Ränkespiele nach Genfer Menschenrechtsabstimmung

(Guatemala-Stadt, 18. Juni 2001, na-Poonal).- Die guatemaltekische Stimmabgabe gegen Kuba in der UN-Menschenrechtskommission im April hat zu heftigen außen- sowie innenpolitischen Reaktionen geführt. Sowohl in den Beziehungen zu Kuba wie auch innerhalb der regierenden Guatemaltekischen Republikaner Front (FRG) führte das Geschehen zu Irritationen.

Die kubanische Regierung ist über die Entscheidung verärgert. Nach Aussage des kubanischen Außenministers Felipe Pérez Roque hat der guatemaltekische Präsident Portillo am 27. März einen Brief an den kubanischen Präsidenten Fidel Castro geschickt, in dem er sich für die Entsendung des medizinischen und Lehrerpersonals bedankt, das derzeit in Guatemala humanitäre Hilfe leistet, und angedeutet, dass Guatemala sich bei der Abstimmung enthalten würde.

Noch am gleichen Tag wies Edgar Gutiérrez, Leiter der Secretaría de Análisis Estratégicos (SAE), den guatemaltekischen Botschafter in Genf an, sich der Stimme zu enthalten oder gegen eine Kuba verurteilende Resolution zu stimmen. Pérez Roque erklärte, dass er Kopien beider Briefe besäße.

Des weiteren teilte er mit, dass die USA „furchtbaren Druck auf Guatemala“ ausgeübt hätten, u.a. mittels Wirtschaftsdrohungen und der Andeutung, dass die US-Regierung umgehend die Abschiebung von 100.000 illegal in den USA lebenden Guatemaltek*innen anordnen könnte.

Der guatemaltekische Außenminister Gabriel Orellana bestritt, dass Portillo dem Druck der USA nachgegeben habe und erklärte, die Entscheidung sei eine Reaktion auf die Verhaftung von drei Guatemalteken in Kuba, denen vorgeworfen wird, 1997 in Touristengebieten Havannas Bomben gelegt zu haben. Die guatemaltekischen Behörden haben sich darüber beschwert, dass die Verdächtigen ohne Prozeß bereits über lange Zeit hinweg inhaftiert sind.

Regierungsvertreter der FRG leiteten am 8. Mai eine Untersuchung ein, um herauszufinden, wie die guatemaltekischen Dokumente in kubanische Hände gelangen konnten. In diesem Rahmen wurden die Präsidentschaftsberater Gutiérrez, Luis Mijangos und Rodrigo Carillo befragt, wie auch Victor Hugo Godoy, Leiter der Menschenrechtskommission des Präsidenten (COPREDEH), der die guatemaltekische Delegation in Genf angeführt hatte.

Während Präsident Portillo sich auf einer Rundreise in Japan befand, teilte am 16. Mai der Vizepräsident Francisco Reyes mit, dass Godoy wegen „Überschreitung seiner Befugnisse“ entlassen worden sei. Gutiérrez seinerseits bestritt, die Briefe den kubanischen Behörden zugespielt zu haben und erklärte nicht zu wissen, wer in letzter Minute Anweisungen gegeben hatte, gegen Kuba zu stimmen.

Die Absetzung von Godoy führte zu einem Zusammenprall zwischen dem von Portillo angeführten Flügel der FRG und dem Flügel unter der Ägide des Ex-Diktators Efraín Ríos Montt. Godoy, der zu erstgenanntem gehört, erklärte, dass seine Absetzung Teil einer Strategie sei, mit der die Anhänger des Präsidenten unter Druck gesetzt würden, um sie zum Verlassen der Regierung zu bewegen.

 

NICARAGUA

OAS moniert fehlende Garantien für transparente Wahlen

(Managua, 12. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) weist auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei den nächsten allgemeinen Wahlen in Nicaragua hin. Das Problem liege beim politischen Standpunkt des Obersten Wahlgerichts.

Santiago Murray, Chef der Wahlbeobachter*innen der OAS, gab seiner Sorge Ausdruck, die Garantien für die Ergebnisse der Wahl am 8. November seien mangelhaft. Das bedeutet, dass mit Wahlfälschungen gerechnet wird.

Murray sagte: „Die internationale Gemeinschaft ist höchst besorgt darüber, wie der Entwicklungsprozess in Nicaragua weiter geht und wie diese Wahlen beginnen werden. Alle Anzeichen für eine Krise sind gegeben.“

Der Funktionär fügte hinzu, dass sich die OAS an einen Runden Tisch des Dialogs mit allen politischen Akteur*innen Nicaraguas setzen müsse, um den wirklichen Willen, das destabilisierende Problem zu lösen, zu finden.

 

PUERTO RICO

US-Marineeinheiten bleiben bis 2003 in Vieques stationiert

(Vieques, 18. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Gegen den Wunsch der Puertorikaner*innen haben die Vereinigten Staaten entschieden, bis zum Mai des Jahres 2003 auf der puertorikanischen Insel Vieques stationiert zu bleiben. Dies kündigte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, George Bush während seiner Europareise an.

In seiner Ansprache gab Bush zu, es seien durch die US-Marine auf der puertorikanischen Insel Vieques Menschen zu schaden gekommen und auch Sachschäden entstanden. Die durch die durch die Militärübungen der Amerikaner verursachten Umweltschäden jedoch erwähnte er nicht.

In den USA stieß die Ankündigung auf die Unterstützung des Verteidigungssekretärs. Er äußerte, die entsprechenden Stellen hätten diese Angelegenheit „auf ausgezeichnete Weise“ zu handhaben gewußt.

In den unterschiedlichen Massenmedien wird davon ausgegangen, dass die Ankündigung des Pentagons und der Regierung der USA bedeutet, hinzunehmen, dass die Puertorikaner*innen Druck ausüben, um den Abzug der Marine zu erreichen. In Puerto Rico und ganz besonders in Vieques herrscht im allgemeinen die Ansicht, die Vereinigten Staaten blieben gegen den Willen der Bevölkerung.

Nichts habe sich geändert, versichern mehrere Experten. Das einzige, was die USA erreicht haben sei die Umgehung des Referendums, das für November dieses Jahres in Puerto Rico angesetzt worden war und dessen Ausgang zweifellos den Abzug der US-Marine von Vieques notwendig gemacht hätte.

Unterdessen wurden am Mittwoch mehrere Unabhängigkeitskämpfer, die den Schießplatz auf der Insel besetzt hatten, den die US-Marine für Übungen benutzt, verurteilt. Unter den Verurteilten befinden sich die Vizepräsidentin des Senats, Belda González, die Senatorin Jazmín Mejía, sowie weitere Verfechter der Unabhängigkeit, die den sofortigen Abzug der US-Marine aus Vieques fordern.

 

PANAMA/USA

Entlassene Kanalarbeiter*innen fordern Entschädigung von USA

(Panama-Stadt, 18. Juni 2001, na-Poonal).- Eine Vereinigung von 30.000 Arbeiter*innen des Panama-Kanals hat von den USA insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar an Entlassungszahlungen gefordert. Die Arbeiter*innen präsentierten ihre Forderungen in us-amerikanischen Miami. Sie verweisen auf das panamaische Arbeitsrecht und die Torrijos-Carter-Verträge von 1977. Demnach stünden ihnen pro Beschäftigungsjahr ein Monatslohn an Entlassungszahlung zu. Von 1979 bis 1999 – dem Jahr, in dem die Kontrolle über den Kanal an Panama zurückgegeben wurde – seien ihre Rechte nicht anerkannt worden, so die Arbeiter*innen. Sie verlangen 300 Millionen Dollar an verlorenem Lohn und 900 Millionen Dollar für psychologisches Leiden.

 

KOLUMBIEN

Die Ausweitung des Konfliktes bringt indigene Völker täglich mehr in Gefahr

(Bogota, 13. Juni 2001, ac-Poonal).- Am 2. Juni verschleppten wahrscheinlich Paramilitärs gewaltsam den charismatischen indigenen Führer der Embera-Katío, Kimy Pernia Domicó in Tierralta, Provinz Cordoba. Obwohl Kimy zweimal versuchte, seinen Verschleppern zu entkommen und sich vom Motorrad warf, auf dem diese ihn mitführten, wurde er jedes Mal wieder festgenommen und geschlagen. Er wurde über die Landstraße in die Provinzhauptstadt Monteria. Dort sind die Paramilitärs besonders stark verankert. In der Region kommt es immer wieder zu intensiven Gefechten zwischen den paramilitärischen Gruppen und der Guerilla-Organisation FARC, ohne dass der Staat etwas zum Schutz der Zivilbevölkerung unternimmt. Trotz der zahlreichen dringenden Bitten nationaler und internationaler Organisationen an Präsident Pastrana, die sichere und unversehrte Rückkehr von Kimy zu garantieren, haben die Behörden bis heute nichts getan, um ihn aufzufinden.

Genau einen Monat vor der Entführung Kimys wurden im Ort Santander de Quilichao, Provinz Cauca, die Indigenas Pedro Fernandez und Ricardo und Bernardo Mestizo von schwerbewaffneten Männern festgehalten. Die Indigenas waren in einem Lastwagen mit Lebensmitteln für die indigenen Gemeinschaften in Jambaló und Huellas-Caloto unterwegs. Sie sollen im selben Lastwagen von den Bewaffneten verschleppt worden sein.

Die Organisation „Wiwa Yugumaiun Bunkuanurrua Tayrona“, in der indigene Gruppen der Koggi, Malayo und Arhuacos der Sierra Nevada von Santa Marta vereinigt sind, klagte am 9. Mai 2001 Übergriffe der Armee in San Juan del Cesar gegen ihre Führungsperson Victor Loperena an. Dieser war von der Armee belästigt worden, als er Lebensmittel für die Kinder seiner Gemeinschaft transportierte, die vom staatlichen Programm der Familienhilfe betreut werden. Zuvor hatten sich die Gemeinschaften gegen die dauernden Feindseligkeiten der mit den Drogenhändlern verfilzten paramilitärischen Gruppen, sowie der FARC- und der ELN-Guerilla und auch gegen die Militäroperationen auf ihrem Territorium gewehrt.

Dies sind einige Beispiele von mehreren tausend schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die indigenen Völker Kolumbiens. Von den 85 Ethnien des Landes sind 30 ständiger Gefahr ausgesetzt: aufgrund der Invasion ihrer Territorien, der Erdöl- und Rohstoffausbeutung, jedoch vor allem durch die Verlagerung der schlimmsten Kriegsauseinandersetzungen in ihre Gemeinschaften.

Im Putumayo versucht das Volk der Cofán die Pestizidbesprühungen und die Intensivierung des Krieges zu überleben. Im Caquetá werden auf dem Gebiet der Coreguaje-Indigena in San Antonio de Getuchá riesige Anti-Drogen-Operationen durchgeführt, an denen die kürzlich geschaffenen und von US-Militärs ausgebildeten Anti-Drogenbataillone beteiligt sind.

Paramilitärische Gruppen liefern sich mit Guerilleros der FARC und des ERP (Revolutionäres Volksheer) und anderen kleineren Guerillagruppen auf dem Territorium der Embera-Chamí Indigenas im Kaffeeanbaugebiet der Provinz Risaralda Gefechte und haben Anfang Juni 40 Familien aus dem Ort Riosucio vertrieben.

Nach Angaben der nationalen Indigena-Organisation ONIC befinden sich fünf Ethnien in größter Gefahr: Die Barí in Nordsantander, die Sicuani und Cuibs in der Provinz rauca, die Macaguaje in der Amazonas-Provinz und die Chimila in der Provinz Magdalena. Die Chimila sind praktisch Geiseln. Auf ihrem Territorium wurde der Flughafen der Paramilitärs von Carlos Castaño gebaut und die zivilen Behörden stehen im Dienst dieser beschönigend „Selbstverteidigungsgruppen“ genannten Paramilitärs. Niemand übernimmt die Verantwortung für die Morde und das Verschwindenlassen von Führungsleuten der Chimilas, einer nur 1.200 Personen zählenden Ethnie.

Die indigenen Völker sind entschlossen sich zu verteidigen und ihren zivilen, unbewaffneten Widerstand zu verstärken. Dies soll vor allem mittels zwei Aktionen geschehen: In der Provinz Cauca marschierten sie im Mai 2001 in die Stadt Cali und verlangten ihre Respektierung durch die bewaffneten Akteure. Gegen 50.000 Personen – Indigenas, Bauern, Mestizen und Schwarze – waren auf der panamerikanischen Straße unterwegs und forderten die Respektierung ihres Lebens, ihrer Kultur und der Territorien der indigenen Völker.

Diese Woche lancierten die nationalen indigenen Organisationen eine innovative Kampagne für „humanitäre Missionen“. Anknüpfend an die von den verschiedenen indigenen Völkern, NGOs und staatlichen Aufsichtsbehörden realisierten Anstrengungen, schlagen sie eine konkrete „humanitäre indigene Mission“ vor. Dabei sollen „die Formen des indigenen Widerstandes wieder aufgenommen werden: Die direkte Präsenz, die Mobilisierung und sich offen hinstellen, um das Leben zu verteidigen.“

Diese Mission hat das Ziel, „eine Finca nach der anderen in der Provinz Cordoba abzusuchen“, bis Kimy Pernia gefunden wird. „Te'walas y jaibanás, Frauen und Betagte, Heiler und Heilerinnen, indigene Autoritäten aller Ethnien, Führungspersonen der Gemeinschaften, indigene Parlamentarier und Jugendliche werden sich unseren Geschwistern der Embera-Katío bei ihrer direkten Suche anschließen. Es soll eine massive Kommission sein, die von unseren Geschwistern des Alto Sinú angeführt wird und vor allem durch Embera-Indigena aus ganz Kolumbien (Katíos, Chamíes, Dobidá, Siapidara) gebildet sein wird, aber auch NGOs sollen präsent sein, die mit den indigenen Kämpfen solidarisch sind.“ Die indigenen Organisationen rufen zur Solidarität und zur nationalen und internationalen Begleitung ihrer massiven Kommission auf.

 

Die Friedensgespräche erstarken mit dem Gefangenenaustausch von Guerillakämpfern und Militärs

(Bogota, 17. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Nach 2 1/2 Jahren der Verhandlung verzeichnete der Friedensprozess zwischen den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC)“ und der Regierung des Landes einen ersten wichtigen Erfolg: Elf Guerillakämpfer wurden gegen 29 Soldaten und Polizisten ausgetauscht. Man geht davon aus, dass innerhalb der nächsten Tage weitere 26 Uniformierte freigelassen werden.

Die freigelassenen Uniformierten wurden dem internationalen Kommitee des Roten Kreuzes, dem Obudsmann sowie am Friedensprozess beteiligten ausländischen Delegierten, übergeben. Der einmütig beschlossene Ort der Übergabe befand sich in Caquetania, im Verwaltungskreis Caquetá.

Die freigelassenen und unter gleichen Umständen übergebenen Guerillakämpfer erreichten am Nachmittag die entmilitarisierte Zone von Caguán im Bezirk Putumayo.

Die Übergabe der 26 weiteren Uniformierten, die von der FARC freigelassen werden sollen, findet in den bergigeren Gebieten von Antioquia, Cesar und Boyacá statt. Immer noch steht die Freigabe von drei in Haft befindlichen Guerillakämpfern aus.

 

VENEZUELA

Chávez provoziert Fremdenfeindlichkeit

(Caracas, 14. Juni 2001, pulsar/ips-Poonal).- Die Drohung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, kritische Ausländer*innen des Landes zu verweisen, verstärkt die Befürchtungen, dass sich die schon existierende Fremdenfeindlichkeit in Venezuela noch verschärfen wird. Chávez, der seine Reden gerne mit nationalistischen Sprüchen würzt, bezog sich in seinen jüngsten Äußerungen auf die peruanische Christdemokratin Lourdes Flores.

Der Präsident reagierte mit seiner Attacke auf die Aussage der peruanischen Ex-Präsidentschaftskandidatin Flores, die ihn letzte Woche während eines internationalen Forums in Caracas mit Alberto Fujimori verglichen hatte. Der Vergleich bezog sich in erster Linie auf den Autoritarismus des Chávez-Regimes. „Chávez' Reaktion bestätigt meine Aussagen“ sagte Flores, die mittlerweile in die USA weitergereist war.

Carlos Correa, Mitglied der Menschenrechtsorganisation Provea versicherte IPS, dass Chávez Ankündigung nicht nur dem „Klima im Land schadet“, sondern außerdem den venezolanischen Gesetzen widersprechen würde -auch denen, die von dem Machthaber selbst festgelegt wurden. Er warnte, dass die Position des beliebten Machthabers eine Reihe von Situationen hervorrufen könne, die es den Ausländer*innen im Land schwer machen könnten.

Der venezolanische Kanzler Luís Alfonso Dávila bestätigte, dass die „Einmischung eines Ausländers in interne Landesangelegenheiten“ natürlich eine Reaktion zur Folge haben würde, er wies aber darauf hin, dass die Meinungsfreiheit in Venezuela gewährleistet sei. Der Verteidigungsminister José Vicente Rangel stellte weiterhin klar, dass sich Chávez Äußerungen nicht auf die im Lande lebenden Ausländer*innen bezögen, sondern nur auf Besucher*innen.

Die Angst vor fremdenfeindlichen Ausbrüchen war zum ersten Mal im September vergangenen Jahres diskutiert worden. Damals tauchten einige fremdenfeindliche Flugblätter auf, in denen Spanier, Italiener und Portugiesen als „Feinde des Volkes“ bezeichnet wurden. Aktuell werden auch in Schulhandbüchern neuerdings die Bewohner*innen anderer lateinamerikanischer Länder abgewertet.

Kritiker*innen führen diese Fremdenfeindlichkeit auf den Nationalismus Chávez' zurück. Organisationen wie Provea fordern eine Untersuchung der Ursachen dieser xenophobischen Erscheinungen und rufen den Präsidenten auf, seine Äußerungen klarzustellen.

 

ECUADOR

Umweltschützer kämpfen gegen neue Öl-Pipeline. Deutsche Banken an Finanzierung beteiligt

Von Marcia Cevallos

(Quito, 19. Juni 2001, npl-Poonal).- Umweltschützer und Vertreter des Öko- Tourismus in Ecuador machen gegen ein Großprojekt der Ölindustrie mobil. Mit dem Segen der Regierung will ein multinationales Firmenkonsortium eine 510 Kilometer lange Pipeline bauen. Vom erölreichen Amazonasgebiet aus soll die Röhre die Anden in 4.000 Meter Höhe überwinden und im Hafen von Esmeraldas an der Pazifikküste enden. Die Trasse führt durch mehrere Naturschutzgebiete und erdbebengefährdete Vulkanzonen. Inzwischen regt sich auch in Deutschland Protest gegen das Mammutprojekt, da mehrere deutsche Banken an der Finanzierung beteiligt sind.

Die Menschen in Ecuador sind nicht gut auf Öl-Pipelines zu sprechen. Eine staateigene Pipeline, die in den 70-er Jahren gebaut wurde und die Anden weiter südlich, nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Quito entfernt, erklimmt, ist schon unzählige Male geborsten. Sie ist bis heute in Betrieb und für viele Umweltschäden verantwortlich.

Die neue Trasse soll quer durch den Feuchtwald „Mindo Nambillo“, eines der bekanntesten Naturschutzgebiete Südamerikas, verlaufen. Hier leben in tropischen Gärten einzigartige Schmetterlingsarten, Pumas und seltene Bärenarten. Die Bewohner von Mindo Nambillo und Öko-Aktivisten führen den Protest gegen die neue Pipeline an. Die erste Runde jedoch haben sie verloren: Anfang Juni genehmigte das Umweltministerium Ecuadors den Bau und die vorgeschlagene Strecke. „In 20 Jahren ist das Erdöl alle. Dafür soll jetzt alles hier zerstört werden,“ ärgert sich der 31-jährige Efrain Toapanta, der Touristen durch das Gebiet mit über 400 Vogelarten führt. „75 Prozent der Menschen hier lebt vom Tourismus, Umweltschutz ist für uns also eine Überlebensfrage,“ erklärt Toapanta und fragt: „Warum bauen sie die neue Pipeline nicht direkt neben der alten?“.

Zuvor hatten die Erdölunternehmen den Druck erhöht. Sollte die Route nicht genehmigt werden, würden sie sich aus Ecuador zurückziehen, drohten sie. Das Konsortium OCP (Oleoducto de Crudos Pesados Ecuador) besteht aus der spanisch-argentinischen Repsol- YPF, Albert Energy aus Kanada, Agip Oil aus Italien und neben zweier US-Firmen noch das argentinische Unternehmen Perez Companc, das von Citybank und der Deutschen Bank finanziert wird. Auch die Hypovereinsbank und die Vereins- und-Westbank ist BNamericas zufolge mit der Vergabe von Krediten an der Pipeline-Finanzierung in Höhe von insgesamt 1,1 Milliarden US-Dollar beteiligt.

Ihren Angaben zufolge wollen die Bauunternehmen den Bedürfnissen der Natur Rechnung tragen. Zum Transport der Röhren soll eigens eine Seilbahn gebaut werden, um weniger Wald abzuholzen. Pflanzen sollen umgesetzt und Baulärm vermieden werden, um die Vögel nicht zu verschrecken. Doch die Menschen in Mindo glauben nicht an Wunder. Sie wissen, welche ökologischen Folgen 30 Jahre Ölproduktion in Ecuador hinterlassen haben. Allein im Jahr 2000 versickerten bei sechs Unfällen Tausende Liter Öl im Boden, wobei drei Unfälle durch starke Regenfälle verursacht wurden. Beim größten Unfall 1998 in Esmeraldas liefen 43.000 Barrel Öl aus und verursachten einen Brand, der über 20 Menschen tötete.

Für die Regierung unter Präsident Gustavo Noboa hat das Pipeline- Projekt oberste Priorität. Es bringt Prestige und Auslandsinvestitionen in einem zentralen Wirtschaftssektor des Andenlandes. Die Exporteinnahmen der Erdölindustrie machen immerhin rund 43 Prozent des Staatshaushaltes aus. Der Kapazitätsengpass, der aufgrund der Auslastung der alten Pipeline entstanden ist, könnte so innerhalb von zwei Jahren beseitigt sein. Im August sollen die Arbeiten beginnen.

Doch die wirklichen Kosten, die damit auf Ecuador zukommen, sind unkalkulierbar, argumentieren die Kritiker. Der Plan, die Andenregion nach dem Vorbild Costa Ricas zu einem Zentrum für Öko- Tourismus zu machen, ist durch diese Trassenlegung gefährdet. Ebenso die Einnahmen durch ausländische Besucher, die im Gegensatz zur Exportindustrie auch der ansässigen Bevölkerung zugutekommen. Dies ist besonders brisant, da die dramatische Wirtschaftskrise im Land viele der zwölf Millionen Ecuadorianer – und vor allem Indigena-Gemeinden – zur Subsistenzwirtschaft zwingt. „Wie oft bei Großprojekten werden nur die Investitionen berechnet – die sozialen Kosten sowie Schäden für das Ökosystem schlagen erst später zu Buche,“ sagt der Touristenführer Toapanta voraus.

 

PERU

Montesinos veruntreute über 380 Millionen Dollar an peruanischem Staatsvermögen

(Lima, 13. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Wie eine Untersuchungskommission verbreitete, hat Vladimiro Montesinos, der derzeit flüchtige ehemalige Berater des Ex-Präsidenten Fujimori, Peru über sein Korruptionsnetz um über 380 Millionen Dollar beraubt.

196 Tage lang untersuchten fünf Mitglieder der parlamentarischen Kommission das Korruptionsnetz, das Montesinos in den zehn Regierungsjahren des nun seines Amtes enthobenen Fujimoris geknüpfte hatte. Nach Ablauf der für die Untersuchung festgelegten Frist stellte der Parlamentarier und gewählte Vizepräsident David Waisman den Bericht nun dem Vorsitz des peruanischen Kongresses vor.

Außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen im Militär- und Polizeihaushalt ermöglichten den Raub von über 300 Millionen Dollars aus der peruanischen Wirtschaft. Waisman führte aus, dass diese Summe durch die militärisch-polizeiliche Pensionskasse mit dem Ankauf von überteuerten Grundstücken, Gebäuden und Hotels veruntreut wurde. Allein durch den Ankauf dreier MIG-29-Flugzeuge von Weißrussland während der zweiten Amtszeit Fujimoris kamen weitere hinterzogene 80 Millionen Dollar hinzu. In diesem Zusammenhang werden in dem Untersuchungsbericht der jetzige Chef der peruanischen Luftwaffe, Miguel Angel Medina Ramos, und 180 weitere Personen als Beteiligte genannt.

Der Parlamentarier Víctor Cuaresma erklärte seinerseits, dass nicht nur Vladimiro Montesinos in diese Ungereimtheiten verwickelt sei, sondern auch etwa zwanzig weitere ehemals hohe Militärs und Regierungsfunktionäre aus der Fujimorizeit.

 

Alejandro Toledo mus sich mit anderen politischen Kräften absprechen

Von Cecilia Remon

(Lima, 18. Juni 2001, na-Poonal).- Alejandro Toledo, gewählter peruanischer Präsident und 55jähriger Ökonom aus der Ortschaft Cabana im zentralen peruanischen Hochland, hält es für eine bedeutende Tatsache, dass jemand wie er, mit „indianischen Wurzeln“, an die Macht gelangt. „Ich übernehme das Amt mit Bescheidenheit, aber auch mit einer enormen Verantwortung, denn nach 500 Jahren wird es einen demokratisch gewählten Präsidenten indigenen Ursprungs geben“, gab er nach den Präsidentschaftswahlen vom 3. Juni bekannt, in denen er einen knappen Sieg über seinen Rivalen, den Ex-Präsidenten Alan García (1985-90), errang.

Toledo gewann die saubersten und am wenigsten umstrittenen Wahlen seit Jahrzehnten. Mit diesen Wahlen erfüllte die Übergangsregierung von Präsident Valentín Paniagua, die am 22. November 2000 die Amtsgeschäfte übernahm, ihr Versprechen, den Rechtsstaat wieder herzustellen und dem Land seine demokratischen Institutionen zurückzugeben.

Trotz einer Amtszeit von nur acht Monaten – die am 28. Juli mit der Übergabe der Macht an Toledo enden wird – gab die Übergangsregierung „den Peruanern das Vertrauen zurück, dass eine anständige und gleichzeitig effiziente Regierung möglich ist“, wie eine Verlautbarung des Instituts für Strafverteidigung (Instituto de Defensa Legal – IDL) meldet. „Auf diese Weise hat sie die Mindeststandards und die Vorbilder festgesetzt, nach denen die Regierungsführung des neuen Präsidenten beurteilt werden wird.“

Die Verwaltung von Paniagua stellte die Unabhängigkeit der Schlüsselinstitutionen wieder her und erreichte große Fortschritte im Kampf gegen die Korruption. Dutzende ehemaliger Würdenträger des Regimes von Präsident Alberto Fujimori (1990-2000) sind derzeit im Gefängnis.

Im April gründete die Übergangsregierung die „Nationale Initiative gegen die Korruption“, die von Monssignore Miguel Irízar, dem Bischof des Callao, geleitet wird. Zum Ende dieses Monats soll sie eine Studie über die Korruption und Vorschläge für Gegenmaßnahmen vorstellen. Die Übergangsregierung stärkte außerdem die Arbeit der Ad-Hoc-Staatsanwaltschaft für den Fall Vladimiro Montesinos, den ehemaligen Berater Fujimoris in Sicherheitsfragen. Diese wurde in den letzten Tagen der vorherigen Regierung geschaffen.

Nach Informationen von Staatsanwalt José Ugaz liefen bis Ende Mai 140 Ermittlungen gegen insgesamt 537 Personen, von denen 40 im Gefängnis und zehn im Hausarrest sind; etwa 20 sind flüchtig.

Was das staatliche Vermögen angeht, konnten 156 Millionen US-$ eingefroren werden, die hauptsächlich auf Konten von Montesinos oder seinen Strohmännern liegen. Ugaz erklärte, im Moment seien 300 Millionen US-$ von Montesinos oder seinen Strohmännern gefunden worden. Die Zahlen deuteten aber an, dass Beträge von über einer Milliarde im Spiel waren. „Der Rechnungshof hat 315 Millionen US-$ gefunden, für die es im deaktivierten Geheimdienst Sistema der Inteligencia Nacional (SIN), der Montesinos unterstand, keine Erklärung gibt“, unterstrich der Staatsanwalt. Auch wenn „90 Prozent des nächsten Umfelds von Montesinos, etwa 60 Personen“, laut Ugaz identifiziert wurden, wird die nächste Regierung die Arbeitsfrist der Ad-Hoc-Staatsanwalt – die am 28. Juli zu Ende geht – bestätigen und verlängern müssen, weil die Ermittlungen und die Wiederbeschaffung aller Gelder „zwischen vier und fünf Jahre“ dauern werden.

Es wird die Aufgabe Toledos sein, den Kampf gegen die Korruption ohne Pause fortzuführen. Von Anfang an muss er sich versichern, dass die Mitglieder seines Kabinetts und die Spitzenbeamten seiner Regierung keinerlei Verbindung mit dem vorherigen Regime haben, deuteten Beobachter an. Aber die große Herausforderung wird es sein, sein Wahlversprechen zu erfüllen: Arbeit zu schaffen. Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Elmer Cuba vom Beratungsunternehmen Macroconsult „sind mehr als 50 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung unterbeschäftigt, das heißt sie verdienen weniger als 170 US-$ pro Monat. Der Mindestlohn beträgt derzeit 130 US-$.“ „Der Großteil der Bevölkerung arbeitet im Dienstleistungssektor und 70 Prozent sind selbständig beschäftigt, das heißt sie bieten ihre eigenen Dienste an“, fügte er hinzu. Verschiedene Analytiker stimmen darin überein, dass es der orthodoxen Wirtschaftsführung der Übergangsregierung gelang, einige der makröokonomischen Indizes zu kontrollieren, die durch die schlechte Wirtschaftsführung der Fujimori-Regierung außer Kontrolle geraten waren. Dennoch wird für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von –0,5 Prozent vorhergesagt. „Peru ist wie ein Patient, dessen Zustand stabil ist, aber die Prognose ist zurückhaltend“, sagte Francisco Sagasti von Agenda Perú.

Mit einem Kongress ohne Mehrheit wird Toledo jedoch Absprachen mit anderen politischen Kräften treffen müssen, damit er regieren kann. „Die neue Regierung muss eine Mehrheit entwickeln, die den Wandel garantiert, den die Bürger wollen,“ sagte der gewählte Kongressabgeordnete Javier Diez Canseco. „Dieser Prozess wird sehr schwierig sein, weil Peru es nicht gewohnt ist zusammenzuarbeiten, sondern im Gegenteil.“ Fürs erste hat Toledo Abkommen mit zwei Parteien, der Frente Independiente Moralizador und Somos Perú, erreicht. Dadurch hat er sich einen parlamentarischen Block von 60 Stimmen in einem Einkammerkongress von 120 Sitzen gesichert. Die zweite Kraft des Landes, die Apra-Partei von García, hat angekündigt, dass sie keine radikale Opposition entwickeln wird, „weil wir zusammenarbeiten müssen, um zu einer Vereinbarung zu kommen und die wirtschaftliche und moralische Krise zu überwinden,“ sagte der Apra-Abgeordnete César Zumaeta. „Der Kongress muss jedoch darüber wachen, dass die Wahlversprechen erfüllt werden,“ fügte er an. Die verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft, die an Toledos Seite für die Rückkehr zur Demokratie kämpften, haben versichert, dass sie die antretende Regierung überwachen werden.

Toledo hat sich verpflichtet, nicht nur die Wirtschaft zu reaktivieren, Arbeit zu schaffen und die Armut zu bekämpfen, sondern auch die Menschenrechte zu verteidigen und die Korruption zu bekämpfen. Inzwischen muss die Bevölkerung „großzügig und geduldig“ sein und Toledo eine angemessene Frist einräumen, damit er seine Vorschläge entwickeln kann, sagte Sagasti. In diesem Sinn hat Toledo erklärt, dass er „dazu verdammt ist, Erfolg zu haben“, und erbat eine Schonfrist von zwölf bis 16 Monaten, „bis die Ergebnisse in der Produktion und der Beschäftigung sichtbar werden.“

 

BOLIVIEN

Ex-Präsident gestorben

(La Paz, Juni 2001, na-Poonal).- Victor Paz Estenssoro, vierfacher Präsident Boliviens, starb am 7. Juni in Tarija im Alter von 93 Jahren. In den vierziger Jahren und Anfang der Fünfziger gehörte Paz Estenssoro der Bewegung an, die sich der Oligarchie der Minen- und Großgrundbesitzer entgegenstellte, die das Land seit dem Ende des 19. Jahrhunderts regierten. Während seiner ersten Amtszeit (1952-1956) verstaatlichte er die Minen und leitete eine Agrarreform ein, bei der die großen Landgüter unter den Kleinbauern aufgeteilt wurden. Die Kleinbauern lebten seit Jahrzehnten in faktischer Knechtschaft.

Paz Estenssoro, Rechtsanwalt und Ökonom, wurde von 1960-1964 erneut Präsident und erreichte 1964 seine Wiederwahl. Ein Jahr später stürzten ihn die Militärs. In seiner vierten Amtszeit, die 1985 begann, änderte er plötzlich den ursprünglichen Kurs seiner Wirtschaftspolitik, führte eine Liberalisierung der Märkte durch und verkaufte staatliche Unternehmen, einschließlich der Minen.

Präsident Hugo Bánzer, der in Bolivien zwischen 1971 und 1978 als Diktator herrschte, rief zum Andenken an den toten Würdenträger eine Staatstrauer von 30 Tagen aus. Paz Estenssoro starb am Jahrestag der Revolutionären Nationalistischen Bewegung (MNR), die er mit begründet hatte.

 

CHILE/DEUTSCHLAND

Theologische Fachausdrücke in deutsch-spanischem Wörterbuch

(Santiago, Juni 2001, sepch-Poonal).- Als der deutsche Theologe Martin Breitenfeldt als Dozent an die Evangelische Theologiefakultät in Santiago de Chile kam, suchte er vergeblich nach einem Wörterbuch, dass spezielle theologische Begriffe angemessen ins Spanische übersetzte. Daraus resultierte die Idee, selbst ein solches Werk zu verfassen. In zweijähriger Arbeit enstand ein 160 Seiten starkes Wörterbuch, das soeben im deutschen Missionshilfe Verlag erschienen ist. Es nimmt die relevanten Begriffe und die Sprache über Kirchenthemen und versucht dabei, die ganze Bandbreite von Freikirchen bis hin zur katholischen Kirche zu berücksichtigen (das Wörterbuch kann beim Verlag unter der e-mail demh@emw.de oder der Faxnummer 40-2542987 bestellt werden).

 

BRASILIEN

Senator verzichtet auf Amt

(Brasilia, 11. Juni 2001, na-Poonal).- Der mächtige Senator Antônio Carlos Magalhães ist am 30. Mai aufgrund eines andauernden Korruptionsskandals zurückgetreten. Bis zum politischen Gewitter im März 2001 war er Präsident des brasilianischen Senates gewesen. Dem 73-jährigen von der Partei der Liberalen Front wird wie dem Senator José Arruda, der sein Amt eine Woche früher niederlegte, vorgeworfen, illegalen Zugang zu einer geheimen Abstimmungsliste erhalten zu haben. Die Opposition mutmaßte, dass die Liste für „Erpressungen“ benutzt werden könnte.

 

URUGUAY

Auf der Suche nach Simon – Sara Mendez sucht seit 25 Jahren nach ihrem von Militärs verschleppten Sohn

Von Boris Kanzleiter

Montevideo, 18. Juni 2001, npl-Poonal).- Simon müsste heute 25 Jahre alt sein. Denn vor 25 Jahren verschleppten Militärs die junge Aktivistin Sara Mendez in Buenos Aires, der Hauptstadt Argentiniens. Ihr nur zwanzig Tage zuvor geborenes Kind nahmen sie als „Kriegsbeute“ mit, während die Militärs Frau Mendez jahrelang in Gefängnissen in Argentinien und Uruguay quälten.

Weil sie in ihrer Heimat bei der Suche nach Simon seit Jahren auf verschlossene Türen stößt, hofft die 57-jährige nun auf die internationale Öffentlichkeit. „Ich will mit meiner Rundreise durch Europa dazu beitragen, den Kampf gegen die Straflosigkeit der Militärs in Südamerika zu stärken“, erklärte Frau Mendez nach eine Treffen mit Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international in Berlin. Ihr Fall wurde in Uruguay zum Symbol für die Schrecken der Diktaturzeit und die lange Suche nach Gerechtigkeit, die noch immer verweigert wird.

Bis heute sucht Sara Mendez vergeblich nach Simon, aber sie kennt die Namen ihrer Folterer. Und diese könnten Auskunft geben. Die Militärgeheimdienstler Jose Nino Gavazzo und Juan Antonio Buratti genießen in Uruguay unbehelligt ihren Ruhestand. Zeugen der damaligen Ereignisse haben sie zweifelsfrei identifiziert. Doch die Agenten bleiben wie die meisten der Verantwortlichen für den Terror gegen die linke Opposition straflos. 1986, ein Jahr nach der Rückkehr zur Demokratie, wurde in Uruguay ein Amnestiegesetz verabschiedet. Darin wurden alle Verfahren gegen Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen eingestellt.

Gerade der Fall von Sara Mendez könnte ein besonders dunkles Kapitel der Repression gegen die südamerikanische Linke beleuchten – die „Operacion Condor“. Unter dieser Bezeichnung arbeiteten die Militärs der verschiedenen Diktaturen unter den Augen der USA in den 70-er Jahren bei der Jagd auf Linke grenzüberschreitend zusammen. Die Bilanz der Repressionspolitik ist grauenerregend. Während auf das Konto der Spezialeinheiten der „Operacion Condor“ selbst nur einige hundert nachgewiesene Opfer gehen, wurden von den Militärs insgesamt im Südteil Lateinamerikas etwa 50 000 Menschen ermordete, 35 000 zählen als „verschwunden“. 400 000 Menschen wurden inhaftiert und meist brutal misshandelt.

Als Aktivistin der Anarchistischen Föderation Uruguays musste Sara Mendez Anfang der 70er Jahre vor der Repression ins Nachbarland Argentinien flüchten, in dem noch die zivile Regierung von Juan Peron amtierte. Doch nach der Machtübernahme der Militärs am 24. März 1976 begannen Kommandos aus Chile und Uruguay im Rahmen der „Operacion Condor“ auch in Argentinien mit der Hatz auf die Exilierten. Unter der Führung des uruguayischen Majors Gavazzo wurde Frau Mendez aus ihrer Wohnung in Buenos Aires in das Folterzentrum Automotores Orletti verschleppt. Ihr Sohn wurde ihr entrissen. Wie über vierhundert andere Kinder verhafteter Oppositioneller in Argentinien wurde Simon „zwangsadoptiert“. Nur wenige der heute Erwachsenen kennen ihre Identität, während die Eltern auf der oft verzweifelten Suche nach ihnen sind – sofern sie die Haft überlebten.

Frau Mendez überlebte: Nach ihrer Verhaftung wurde sie von den Militärs aus Buenos Aires zurück nach Uruguay gebracht. Mit zwanzig anderen Inhaftierten wurde sie dort in einer Villa festgehalten, die dann in einer inszenierten Militäraktion vor laufenden Fernsehkameras als angebliches Terroristen-Zentrum gestürmt wurde. Die Machthaber wollten so der Öffentlichkeit die Gefährlichkeit der linken „Subversion“ demonstrieren. 1981 kam Frau Mendez schließlich frei.

Auch wenn die kräftezehrende Suche nach Simon bis heute keinen Erfolg hat, bleibt Sara Mendez optimistisch. „Durch den Einsatz der überlebenden Opfer und Menschenrechtsgruppen konnte im Kampf gegen die Straflosigkeit einiges erreicht werden“, meint sie. Seitdem auf internationaler Ebene vermehrt Strafverfahren gegen südamerikanische Militärs angestrebt werden, wächst auch der Druck auf die Regierungen. So setzte Uruguays Präsident Jorge Batlle im vergangenen August eine Kommission ein, die das Schicksal der Verschwundenen während der Militärdiktatur untersuchen soll. Diese, so Batlle, solle Informationen sammeln und analysieren. Allerdings habe die Kommission nicht das Recht, Strafverfolgung in Gang zu bringen, beklagt Frau Mendez. Sie hofft, dass ihr Fall im Juni durch eine von Abgeordneten aus Frankreich, Niederlanden und Belgien eingebracht Resolution vom Europäischen Parlament unterstützt wird. „Nur durch öffentlichen Druck können wir etwas erreichen“, ist sie überzeugt.

 

Ehemalige politische Häftlinge schließen sich zusammen

(Montevideo, 17. Juni 2001, comcosur-Poonal).- Im Zentrum für Arbeitsbeziehungen und -Lösungen (Crysol) haben sich 300 ehemalige politische Häftlinge organisiert. Sie tragen zum Teil immer noch an den dramatischen Konsequenzen ihrer Verhaftung unter der Diktatur (1973-85). Das Zentrum soll zum einen konkrete Hilfestellung bei der Arbeitssuche und der Wiedereingliederung ins gesellschaftliche Leben leisten. Zum anderen wollen die Mitglieder vom Staat eine ökonomische Entschädigung für die psychischen und körperlichen Schäden fordern, die sie während ihrer langen Freiheitsberaubung erlitten.

Osvaldo Alvarez, Vorsitzender von Crysol beschreibt die Erlebnisse der ExHäftlinge als „tragisches Fragment der Geschichte unseres Landes, die nicht vergessen werden darf“. Zwar seien mehr als 15 Jahre seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie vergangen, doch habe Crysol „wirklich dramatische Situationen“ vorgefunden. „Es gibt Menschen, denen ein normales Leben in der Gesellschaft nicht mehr möglich ist.“

Obwohl die Mitglieder mehrheitlich eine gemeinsame Vergangenheit als Gefangene der Diktatur haben, ist das Zentrum offen für andere Personen. Alvarez: „Wir ehemaligen Häftlinge betrachten uns nicht als eine geschlossene Gruppe, wir sind weder auserwählt noch isoliert gegenüber der übrigen Gesellschaft.“

 

Mahnmal für die Verschwundenen

(Montevideo, 17. Juni 2001, comcosur-Poonal).- Die Stadtverwaltung von Montevideo beginnt am 1. Juli mit dem Bau des Mahnmals zur Erinnerung an die Verhafteten-Verschwundenen. Die offizielle Einweihung ist für den 10. Dezember vorgesehen. An diesem Tag verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Das Mahnmal ist ein aus 42 Projekten ausgewählter Entwurf der Architekten Ruben Otero und Marta Cohen. Die Schirmherrschaft haben die Stadtregierung, der Rat der Stadt und die Architektengesellschaft Uruguays übernommen. Noch läuft eine Spendenkampagne weiter, um über die notwendigen Gelder für den vollständigen Bau zu verfügen.

 

ARGENTINIEN

Tote bei Protesten gegen die soziale Misere in Argentinien. Kritik an hartem Durchgreifen.

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, 20. Juni 2001, npl-Poonal).- In Argentinien haben die wochenlangen Proteste gegen die Wirtschaftsmisere erste Todesopfer gefordert. Seit vergangenen Sonntag liefern sich Demonstranten und Polizei Straßenschlachten in der Stadt General Mosconi im Norden des Landes. Zuvor hatte die Grenzpolizei versucht, die bis dahin friedlichen Proteste von Arbeitslosen und Bauarbeitern, die eine Erhöhung ihrer Tagessätze forderten, gewaltsam zu beenden. Die Polizei setzte Schusswaffen ein und verletzte zwei Demonstranten tödlich.

Offenbar setzte die argentinische Regierung unter dem Sozialdemokraten Fernando De la Rua auf hartes Durchgreifen. Regierungssprecher verteidigten das Vorgehen der Polizei mit Hinweis auf „professionelle Störer“ unter den Demonstranten und „Heckenschützen“, die auf die Polizisten zielten. Juan Carlos Romero, Gouverneur der betroffenen Provinz Salta, sprach sogar von „Gewalttätern, die aus dem Nachbarlang Bolivien kommen“ und möglicherweise in Drogenhandel verstrickt seien.

Der Generalsekretär der Staatsangestellten-Gewerkschaft, Fermin Hoyos, wies die Beschuldigungen als „Lügen“ zurück. Um gegen das Vorgehen der Polizei zu protestieren, begannen die Staatangestellten in General Mosconi und in umliegenden Orten einen unbefristeten Generalstreik. Unter großer Anteilnahme wurden die beiden Todesopfer am Dienstag beigesetzt.

In Buenos Aires rief Ex-Präsident Raul Alfonsin beide Seiten zur Mäßigung auf: Die Situation in Salta könne „eskalieren und schnell außer Kontrolle geraten, wenn nicht schnell gehandelt wird“. Die Zusammenstöße seien ein Alarmzeichen für die Demokratie Argentiniens.

Analysten zufolge ist die dramatische soziale Lage in der nördlichen Provinz Salta Grund für die Zuspitzung. Die Arbeitslosigkeit ist hier weit höher und die Einkommensverteilung ungerechter als im Landesdurchschnitt. In General Mosconi liegt die Arbeitslosenquote über 40 Prozent, seitdem die Erdölindustrie vor Ort privatisiert wurde. Schon im vergangenen Jahr kam es immer wieder zu Protesten gegen die ortüblich niedrigen Löhne.

Gewerkschafter und Arbeitslose in anderen Landesteilen solidarisierten sich mit den Demonstranten in Salta. Vor allem in den Vororten der Hauptstadt Buenos Aires – einem anderen sozialen Brennpunkt – kam es zu Protestaktionen. Auch die katholische Kirche kritisierte, dass Gouverneur Romero „keinen politischen Willen zum Regieren“ habe. Niemand höre, niemand verstehe die sozialen Warnzeichen, beklagte Bischof Jorge Lugones.

Die Situation in Salta ist nur die blutige Konsequenz einer Wirtschaftskrise, aus der die politisch Verantwortlichen seit über drei Jahren keinen Ausweg finden. Zuletzt verkündete Wirtschaftsminister Domingo Cavallo vergangene Woche ein Maßnahmenpaket zur Ankurbelung von Nachfrage und Produktion sowie eine erste Abwertung der Landeswährung Peso im Außenhandel. Viele Ökonomen halten die Überbewertung der Währung durch die feste Bindung des Peso an den US-Dollar für einen Hauptgrund der Krise. Diese Bindung ist just Domingo Cavallo zu verdanken, der vor zehn Jahren einen entsprechenden Plan durchsetzte. Damals regierte noch der Peronist Carlos Menem, der inzwischen wegen Korruption inhaftiert ist.

Die Märkte reagierten nervös auf die Abwertung: Die argentinischen Schuldtitel verloren an Wert und alle lateinamerikanischen Währungen von Mexiko bis Chile gerieten unter Druck. Auch dieser neue Cavallo-Plan, der dritte in wenigen Monaten, nütze, so die Kritiker, weder der Wirtschaft noch den 14 Millionen Armen in Argentinien.

 

Methodisten wählen erstmals Bischöfin

(Buenos Aires, 18. Juni 2001, alc-Poonal).- Die Pfarrerin und Theologin Nélida Ritchie ist am 17. Juni in Buenos Aires zur ersten Bischöfin der Evangelisch Methodistischen Kirche Argentiniens gewählt worden. Ihre Aufgabe wird es sein, die Kongregation für die kommenden vier Jahre zu leiten. Der scheidende Bischof Aldo Etchegoyen kommentierte, froh zu sein, einem historischen Akt in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Methodisten in Argentinien beizuwohnen. Zeugen der Wahl waren auch Gäste aus vielen anderen lateinamerikanischen Ländern, darunter der Generalsekretär des Lateinamerikanischen Kirchenrates (CLAI).

 

LATEINAMERIKA

Rettende Überweisungen

(Lima, 11. Juni 2001, na-Poonal).- Die Geldtransfers, die Immigrant*innen aus Lateinamerika in ihre Heimatländer schicken, sind ein wichtiger Entwicklungsfaktor und eine Kapitalquelle für die Länder der Region geworden.

Nach Informationen der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) werden jährlich etwa 20 Milliarden-US Dollar von Arbeiter*innen, die aus Lateinamerika stammen, aber in anderen Ländern arbeiten, in ihre Heimat geschickt. Die durchschnittlich acht bis zehn Überweisungen pro Jahr bewegen sich um die Summe von jeweils 250 Dollar (ebenfalls der Durchschnittswert).

„Lateinamerika und die Karibik haben sich zu einer Region gewandelt, die Humankapital exportiert und die sogenannten Familientransfers importiert. Letztere haben sich zu einem entscheidenden Bestandteil der Familienökonomien und der Ökonomie im Ganzen entwickelt“, so BID-Präsident Enrique Iglesias. Haiti erhält auf diese Weise 720 Millionen Dollar im Jahr. Das sind 17 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die 1,3 Milliarden Dollar der brasilianischen Immigrant*innen machen dagegen nur 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in ihrem Heimatland aus.

Familientransfers aus dem Ausland

Land US-Dollar (Mill.) % del PIB

Haiti 720 17.0

Nicaragua 345 14.4

El Salvador 1,580 12.6

Jamaica 781 11.7

Rep. Dom. 1,747 10.0

Ecuador 1,247 10.0

Honduras 368 6.8

Guatemala 535 3.0

Peru 819 1.6

Mexiko 6,795 1.4

Colombia 612 0.7

Brasil 1,898 0.3

Quelle: BID

 

Mutterschaftsurlaub in Gefahr

(Lima, 11. Juni 2001, ips/na-Poonal).- In den letzten zehn Jahren hatten die Frauen unter der sich verschlechternden Absicherung in Arbeitsverträgen zu leiden. Das lässt sich am erzwungenen Verzicht auf die Rechte ablesen, die Mutter und Kind betreffen. Während die Regierung von Kuba die Ausdehnung des Schwangerschaftsurlaubes von sechs Monaten auf ein Jahr mit Gehaltsfortzahlung angekündigt hat, sind es in Mexiko und Peru 84 Tage, in Argentinien und Uruguay drei Monate, in Brasilien vier Monate und in Chile und Venezuela viereinhalb Monate.

„Vom Mutterschaftsurlaub bleibt bald nichts mehr übrig“, meint die argentinische Anthropologin Monique Altschul, Leiterin der argentinischen Gruppe Frauen in Gleichheit, an. „Wenn die Frauen ihre erworbenen Rechte nicht aktiv verteidigen, laufen sie Gefahr, sie zu verlieren“. Nach der Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL), fallen die Kosten pro Arbeitskraft um 30 Prozent, wenn die Arbeiter*innen ohne Sozialversicherung, Recht auf Urlaub, Mutterschaftsurlaub oder Rentenversicherungsbeitrag beschäftigt werden. Diese Tatsache „begünstigt den Abschluss kurzer Verträge“ und fördert das Auftauchen der Kategorie „zeitweilig Bezahlte“, in der Mehrheit Frauen, Jugendliche und Personen mit niedrigem Bildungsstand.

 

 

   

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