Poonal Nr. 456

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 456 vom 17. November 2000

Inhalt


 

MEXIKO

GUATEMALA

NICARAGUA

KUBA

HAITI

KOLUMBIEN

ECUADOR

BRASILIEN

CHILE

ARGENTINIEN

ITALIEN/ARGENTINIEN

LATEINAMERIKA

Lateinamerika

LATEINAMERIKA

KLEINER SPENDENAUFRUF


 

– weiterhin die Bitte um Spenden zur Qualitätssicherung: – "Spendito" –

 

INHALT  

MEXIKO – Bilanz nach drei Jahren linker Regierung in Mexiko-Stadt

GUATEMALA – Vom Sturmhelm zu Student*innen – Militärstützpunkt wird zu Universität

NICARAGUA – Die FSLN vor der Wahl

KUBA – Der Ausnahmezustand wird 10 Jahre alt

HAITI – Werden die nächsten Wahlen nun doch am 26. November stattfinden?

KOLUMBIEN – Abwanderung von Spezialisten – Paramilitär mordet

ECUADOR – Menschenrechtler*innen fordern Rückgabe eingefrorener Gelder

BRASILIEN – Ja zu Waffen – Autobahn zerstört brasilianisches Amazonasgebiet – Landlose Bauern fordern internationale Unterstützung

CHILE – General wegen Mordes angeklagt

ARGENTINIEN – Gefangene aus La Tablada in verzweifelter Lage

ITALIEN/ARGENTINIE – Verhaftung von argentinischen Militärs gefordert

LATEINAMERIKA – Neoliberalismus mit oder ohne die USA? – Brände immer gefährlicher fürs Klima – Nie wieder Folter

IN EIGENER SACHE – weiterhin kleiner Spendenaufruf „Spendito“

 

 

MEXIKO

Bilanz: Weder versagt noch Ruhmestaten vollbracht – Drei Jahre linke Regierung in Mexiko-Stadt

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, November 2000, Poonal).- Mehrere günstige Konstellationen führten 1997 dazu, dass der erste frei gewählte Bürgermeister von Mexiko-Stadt aus den Reihen der linksgemäßigten Partei der Demokratischen Revolution (PRD) stammte. Cuauhtemoc Cardenas landete einen triumphalen Wahlsieg, im 66-köpfigen Stadtrat erreichte die PRD eine sichere absolute Mehrheit. Anfang Juli dieses Jahres konnte die PRD die Stadtregierung mit Ach und Krach verteidigen, verlor aber die dominierende Stellung in der Ratsversammlung. Das Ergebnis ist Quittung und Anerkennung zugleich für eine Amtsführung, die sich von den Vorgängerregierungen einerseits positiv abhob, andererseits aber an den zum Teil selbst gesetzten hohen Ansprüchen scheiterte. Kurz vor der Amtsübergabe an den neuen Stadtregenten Andres Manuel Lopez Obrador am 5. Dezember lohnt es sich, Bilanz zu ziehen.

Vor 1997 war die Bestimmung des Stadtoberhauptes eine Formsache. Der mexikanische Präsident – bis dahin stets von der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) – suchte sich einen Gefolgsmann aus und verschiedene Gremien segneten die Entscheidung ab. Auf demokratische Experimente wollte sich die PRI in Mexiko-Stadt lange Zeit nicht einlassen, denn die Bewohner der Metropole waren stets überdurchschnittlich oppositionell eingestellt. Im Rahmen einer langwierigen Diskussion mit den Oppositionsparteien kam es aber Mitte der 90er Jahre zu einer Einigung über neue Spielregeln. Die Stadt sollte mehr Unabhängigkeit von der Zentralregierung erhalten und die Bevölkerung bekam das Recht, den Bürgermeister zu bestimmen.

Wenige Monate vor der Wahlpremiere deutete damals alles auf einen Sieg der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) hin. Doch die PAN verfügte über keine nennenswerte Stammwählerschaft in der Hauptstadt. Ein katastrophaler Wahlkampf ihres Kandidaten und der feste Wille der Bevölkerung, auf keinen Fall der PRI die Stadt weitere drei Jahre zu überlassen, ließen die Figur des zuvor zweimal zu Präsidentschaftswahlen angetretenen Cardenas wachsen. Dem als integer geltenden PRD-Politiker wurden als einzigem die Versprechen geglaubt, den Moloch Mexiko-Stadt, in dem einschließlich des Einzugsgebietes mehr als 20 Millionen Menschen leben, innerhalb kurzer Zeit sicherer und lebenswerter und korruptionsfrei zu machen.

Bei nüchterner Betrachtung musste dies jedoch von Anfang an als Illusion angesehen werden. Eine jahrzehntelang auf den PRI-Klüngel ausgerichtete Stadtverwaltung von heute auf morgen umzukrempeln, war ein Ding der Unmöglichkeit. In der Opposition konnte die PRD kaum Regierungserfahrung sammeln, ihr in vielen Fällen aus Nicht-Regierungsorganisationen und Volksbewegungen rekrutiertes Personal wies zwar hohe Motivation, aber nur bedingte Kenntnisse der Verwaltungsarbeit auf. Hohe Verschuldung, ein durch mittelfristige Planungen weitgehend festgelegtes Budget und Abhängigkeit von Finanzzuweisungen der Zentralregierung grenzten und grenzen den Handlungsspielraum der neuen Administration enorm ein. Der Sympathiewelle für Cardenas und seine Regierung folgte bald die Enttäuschung. Von großen Reformvorhaben und zündenden Ideen konnte unter seiner Amtszeit nicht die Rede sein. Vor allem symbolische Akte wie die Gehaltskürzungen für die gehobenen Posten in der Stadtverwaltung reichten der Bevölkerung ebenso wenig wie die Neuasphaltierung der wichtigsten Verkehrsadern, lange Zeit das sichtbarste Zeichen der „aktiven“ Politik der neuen Verwaltung.

Der Versuch, das völlig korrupte Polizeiwesen der Hauptstadt von Grund auf zu erneuern, steckt bis heute in den Anfängen. In der Öffentlichkeit zählte nicht, dass kaum ein Bürgermeister vorher das Problem überhaupt ernsthaft anging. Zudem wurde das Thema der anhaltenden Kriminalität von den meisten Medien immer wieder mit der Absicht hoch gespielt, die linke Stadtverwaltung als unfähig darzustellen und ihr vorzuhalten, die Metropole unregierbar zu machen. Cardenas selbst versäumte es, seine Politik aggressiv zu verteidigen. Außerdem war es wenig nützlich, dass er vom ersten Tag seiner Amtsperiode an ein Bürgermeister auf Abruf war. Schließlich hatte er für das Jahr 2000 seine dritte Präsidentschaftskandidatur fest im Auge, sein vorzeitiger Rücktritt als Stadtregent war damit vorprogrammiert. Nur schlug das Kalkül fehl: Mit einer glanzvollen Regie an der Spitze Mexiko-Stadts wäre Cardenas nach verbreiteter Ansicht mit besten Chancen in den Präsidentsschaftswahlkampf gegangen. So aber erfüllte sich die Hoffnung seiner politischen Gegner, die mit Recht darauf wetteten, der PRD-Politiker werde sich im Bürgermeisteramt verausgaben und abnutzen.

Als Cardenas im Herbst 1999 tatsächlich zurück trat, um sich ganz dem Wahlkampf zu widmen, war das Image der PRD in der Hauptstadt auf dem Tiefstand. Kaum jemand glaubte, seine nicht von der Bevölkerung gewählte Nachfolgerin, Innensenatorin Rosario Robles, könne das Blatt wenden. Es kam anders, vor allem aus zwei Gründen. Die bis dahin relativ unbekannte Robles erwies sich wider Erwarten im Gegensatz zu Cardenas als wesentlich energischer im Amt. Sie vermittelte in kurzer Zeit das Bild einer effizienten Regentin und scheute sich nicht, mit einer breit angelegten Werbekampagne selbstbewusst Erfolge anzupreisen. Das wichtigste jedoch war, dass die unspektalären, aber kleinen Veränderungen zuletzt auch Anerkennung unter den Metropolenbewohnern fanden.

Das Ausmisten im wahrsten Sinne des Wortes zeigt nach jahrzehntelanger PRI-Herrschaft erste Ergebnisse. So schlug sich die konsequente Reinigung von Abwasserkanälen in verschiedenen Stadtteilen in weniger Überschwemmungen nieder. Der Wasserverschwendung wurde durch die Ausbesserung zahlreicher lecker Leitungen verringert, einige Siedlungen erstmals an die Versorgung angeschlossen. Wer heute einen Behördengang antritt, hat wesentlich größere Aussichten, seine Angelegenheit ohne Bestechungsgeld erledigt zu bekommen als noch vor drei Jahren. Pilotprojekte im Jugend- und Altenbereich sind zaghafte Anstrengungen, Randgruppen stärker einzubeziehen. Arbeitsmarktbörsen, öffentliche Kulturveranstaltungen und die Dezentralisierung von Bürgerbüros sind kein Kennzeichen für eine speziell „linke“ Politik, aber markieren einen Unterschied zu früher.

Etwas mehr Handlungsspielräume verschaffte sich die Stadt durch eine bessere Finanzverwaltung. Angesichts der Altschulden, eines von der Zentralregierung verfügten Schuldendeckels und gleichzeitiger Streichung von Bundesmitteln musste aus der Not eine Tugend gemacht werden. Mit weniger Geld wurde mehr erreicht. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern verzichteten Cardenas und Robles auf prestigeträchtige Großprojekte. Bauaufträge werden -meistens – mit mehr Transparenz vergeben. Die städtischen Beschäftigten erhielten drei Jahre hintereinander Lohnerhöhungen, die leicht über der Inflationsrate lagen. Die Metropreise, für Millionen Menschen in der Hauptstadt Bestandteil ihrer täglichen Ausgaben, blieben in den vergangenen Jahren stabil.

Große Skandale konnte die PRD bisher vermeiden. Das heißt nicht, dass es nicht auch bei ihr Postenschacher und Korruption gab und gibt. Aber angesichts der 420 Millionen Pesos (derzeit etwas mehr als 100 Millionen DM), über deren Verbleib der inzwischen flüchtige Cardenas-Vorgänger Oscar Espinosa keine Auskunft geben kann, handelt es sich bei den während ihrer Amtsperiode aufgedeckten Fälle um relativ geringe Vergehen – Peanuts würde ein deutscher Bänker dazu sagen.

Mit dem neu gewählten Bürgermeister Andres Manuel Lopez Obrador wird ab Anfang Dezember einer der wenigen charismatischen PRD-Politiker die Hauptstadt regieren. Seine Popularität zeigt sich in den knapp 40 Prozent der erhaltenen Stimmen, während die PRD als Partei im Stadtrat nur 30 Prozent erreichte und sogar hinter die konservative Allianz von PAN und den mexikanischen Grünen zurückfiel. Wie die Gouverneure in den Bundesstaaten wird Obrador nun sechs Jahre Zeit haben, seine politischen Vorstellungen umzusetzen. Angekündigt hat er, für die Armen zu arbeiten. Alle zwei Jahre will er sich einer Volksbefragung stellen und bei negativem Votum zurücktreten. Damit setzt er sich einem hohen Risiko aus. Andererseits müssen er und seine Partei es eingehen, denn außer dem Hauptstadt-Distrikt ist ihnen nach dem Einbruch bei den Präsidentsschafts- und Parlamentswahlen vom Juli kaum noch eine Machtbasis geblieben. Eine Bestätigung durch die Bevölkerung würde es dem Bürgermeister auch erleichtern, sich gegen die Ratsversammlung und die oppositionellen Bezirksbürgermeister durchzusetzen.

 

GUATEMALA

Vom Sturmhelm zu Student*innen – Wie im verarmten Hochland aus einem Militärstützpunkt eine Universität wurde

Von Paul Jeffreys

(Solola, 6. November 2000, na-Poonal).- Jahrelang kamen die Guatemalareisenden auf dem Wege zur Haupttouristenattraktion, dem westlich von der Hauptstadt Guatemala liegenden Atítlansee, an einem riesigen Paar Militärstiefel vorbei auf denen ein ebenso überdimensionaler Sturmhelm ruhte, die den Eingang zur Militärbasis oberhalb von Sololá, "zierten". Was bei den Touristen für Amüsement gesorgt haben mag, gab den einheimischen Anwohnern jedoch alles andere als Anlaß zur Heiterkeit: der Stützpunkt beherbergte über 2.500 Soldaten und diente als Folterzentrum für diejenigen Guatemaltek*innen, die in den Verdacht geraten waren, die in den umliegenden Vulkanen operierende Guerilla unterstützt zu haben.

Mittlerweile gibt es die Riesenstiefel und den Helm nicht mehr und an ihrer Stelle wurde ein neuer Universitätscampus in einer der ärmsten Zonen des Landes eröffnet. Ende Juli eröffnete die auf technischem Gebiet ebenso renommierte wie teure guatemaltekische Privatuniversität Del Valle, UVG, mit Sitz in der Hauptstadt eine Nebenstelle im Hochland just in den Installationen des ehemaligen Stützpunkts. Ungefähr 300 Lehrer*innen nehmen derzeit an pädagogischen Fortbildungen teil. Ab November beginnt dann die Immatrikulation für die im Januar beginnenden Kurse.

Der neue Campus stellt einen Sieg für die lokale Bevölkerung dar, die seit dem Abschluß der Abkommen 1996 dafür gekämpft hat, dass der Übergang zu tatsächlichem Frieden nach 36 Jahren Bürgerkrieg Wirklichkeit wird.

Als der Krieg zuende war und zahlreiche Militärbasen im ganzen Land schließen mussten, wollten die Militärchefs den Stützpunkt von Sololá in das Armeeinstitut Adolfo V. Hall, eine Oberschule die dem Militär angeschlossen ist, umwandeln. Die Anwohner protestierten dagegen mit Demonstrationen und Straßenblockaden und verlangten eine Universität, die ihren Bedürfnissen entspräche.

In dem Maße in dem die Spannungen stiegen, reisten Regierungsangehörige nach Panajachel, um sich mit den lokalen Führern zusammenzusetzen. Mehrere Tausend Anwohner der Region marschierten zum Ort der Zusammenkunft, einige darunter mit Protestplakaten. Als die Teilnehmer des Treffens hinaustraten, um die Demonstrant*innen zu begutachten, stellte der Vizeverteidigungsminister fest, dass die Bevölkerung von Sololá offenbar noch nicht bereit sei für eine Universität. "Ihr seid Dummköpfe, ihr wollt zwar eine Universität, aber wisst noch nicht einmal, wie man Protestplakate schreibt", soll der Vizeminister gesagt haben. Die lokalen Anführer antworteten daraufhin, dass im Gegenteil, die schlecht beschrifteten Transparente mit orthographischen Fehlern ein klares Indiz dafür seien, wie nötig eine Universität sei, "um uns weiterzuentwickeln und lesen und schreiben zu lernen."

Nachdem die Militärs dem lokalen Druck nachgegeben hatten, traten die Führer von Sololá am die Universität San Carlos, USAC, heran; diese staatliche Studieneinrichtung erklärte jedoch, dass sie nicht in der Lage sei, die Kosten für eine Ausweitung ihres Operationsgebietes im konfliktreichen Hochland zu tragen. Nach Monaten der Verhandlungen transferierten die Militärs den Besitz an das Landwirtschaftsministerium, was schlussendlich die UVG davon überzeugte, sich des Ortes anzunehmen.

Angestellte der UVG hatten Schwierigkeiten, Zugang zum Hochland zu finden. "Als wir die Gespräche aufnahmen, war die ganze Bevölkerung gegen unseren Vorschlag. Ich wurde beschimpft und mir wurde vorgeworfen, ich sei ein Vertreter der Regierung; wir seien alle Hurensöhne und sie wollten nur die USAC. Die Beschimpfungen war derart wüst, dass es mir den Atem verschlug", erzählte Carlos Enrique Blanco, Mitglied der Stiftung UVG.

Die Verhandlungen dauerten 18 Monate. Einer der kommunalen Vertreter war Pedro Saloj, ehemaliger Guerillakommandant, heute Bürgermeister von Sololá. " Die kamen aus der Hauptstadt mit anderen Vorstellungen, mit einer anderen Mentalität und es hat monatelange Dialoge erfordert, in denen das Volk von Sololá verlangte, dass die Zivilgesellschaft eine Rolle im Konzept und Betreiben der Universität übernehmen würde. Wir haben nicht all die Jahre gegen den Militärstützpunkt gekämpft, um ihn dann gegen ein Projekt auszutauschen der nicht mit unserer Realität korrespondiert", erklärte Saloj.

Die Verhandlungspartner ersannen schließlich eine gemeinsame Vision für die Lehranstalt inklusive niedriger Gebühren und eines Lehrplans der sich auf die Bedürfnisse der Region konzentriert. Eine landforstwirtschaftliche Abteilung soll den Landwirten aus der Umgebung des pittoresken Sees helfen integrale Praktiken bei der Handhabung von Pestiziden zu entwickeln, welche die Kontamination der Gewässer reduzieren sollen. Ein Bildungsprogramm widmet sich zunächst der Fortbildung von bilingualen Lehrer*innen für die Volksschulen des Hochlands.

Ein Ökotourismusprogramm wird sich der Aufgabe widmen, den lokalen Anwohnern dabei behilflich zu sein, aus den Zehntausenden von Touristen jedes Jahr Nutzen zu schlagen. Die lokale Bevölkerung "hat bisher am Tourismus als Objekt, sozusagen als Teil des Panoramas teilgenommen", sagte Saloj.

Zu Beginn des Jahres haben sich die Baracken in Klassenzimmer verwandelt und die Wände in Tarnfarbe wurden in den Farben der UVG übertüncht: weiß und blau. Ein Denkmal für die im Kampf gefallenen Offiziere wurde gesprengt und Pinien an seine Stelle gepflanzt. Die Geschützbettung für Defilees verwandelte sich in den Platz der Kulturen auf dem Freilichttheater und Marimbakonzerte stattfinden.

Angesichts des schlechten Alphabetisierungsniveaus der Indígenas der Maya-Ethnien von Kaqchikeles und Tzutujiles, aus sich der überwiegende Anteil der Bevölkerung von Sololá zusammensetzt, sind Spezialisten der Universität damit beschäftigt Programme zu entwerfen, damit sie nicht den Anschluß verpassen. Aber Blanco betonte, dass die Experten den Mangel an formaler Schulbildung nicht mit Dummheit verwechseln würden. "Es gibt viele Frauen in dieser Provinz die rechnen und auch die Fadenfolge in einem komplizierten Webmuster behalten können. Das ist hohe Mathematik. Vielleicht können sie nicht lesen und schreiben und sprechen vielleicht auch noch nichtmal Spanisch; deswegen wurden sie traditionell als dumm eingestuft und ihnen der Zugang zur formalen Bildung versagt. Das werden wir ändern", bekräftigte Blanco.

Wenngleich die Umwandlung des Militärstützpunkt in eine Hochschule einen Schritt nach vor in dieser vom Krieg gebeutelten Region bedeutet, zeigt die Ermordung von zwei lokalen Bauernführern, einer Frau und einem Mann, am 21. Juli diesen Jahres, dass der Frieden noch weit davon entfernt ist, sich in Realität zu verwandeln.

José Alfredo Quino und María Elena Mejía wurden in der Nähe von San Andrés Semetabaj von 10 maskierten Männern mit Galil-Gewehren ermordet – dem Standardgewehr des guatemaltekischen Militärs. Beobachter berichten, dass Art und Weise in der die Operation durchgeführt wurde darauf hinweist, dass Mörder mit dem Militär im Zusammenhang stehen.

 

NICARAGUA

Die FSLN vor der Wahl

Von Gioconda Belli

(Managua, 13. November 2000, alai-Poonal).- Als ich am 6. November, dem Tag nach den Kommunalwahlen, durch die Straßen von Managua ging, erinnerte mich die Stimmung, die ich dort wahrnahm an den 26. Februar 1990, den Tag nach der Wahlniederlage der Sandinisten. Dieselbe Witterung einer Stadt, die auf der Lauer liegt, lag in der Luft, wobei es sich diesmal um einen sandinistischen Sieg handeln sollte. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass wir Nicaraguaner*innen es einfach nicht schaffen, an die – hart verdiente – Freiheit wählen zu können zu glauben und immer noch befürchten, dass uns die Aufrichtigkeit teuer zu stehen kommt. Oder ob es sich bei dieser Ruhe um Angst handelt, die wir in einer Gesellschaft angestaut haben, in der die Willkür immer noch über einen großen Handlungsspielraum verfügt.

Aber wir wären blind, wenn wir nicht erkennen würden, dass wir Fortschritte machen. Zum ersten haben die Nicaraguaner*innen unabhängig von den Präsidentschaftswahlen Kommunalpolitiker gewählt. Und zum zweiten Mal in der Geschichte des Landes hat die regierende Partei – wenngleich zähneknirschend – den für sie ungünstigen Willen des Volkes akzeptiert. Die FSLN hat nicht nur die Bürgermeisterwahlen von Managua gewonnen, sondern auch in allen wesentlichen Provinzhauptstädten des Landes. Bei der letzten Hochrechnung waren es 13 der Hauptstädte. Angesichts dieses deutlichen Rückschlags hat die Liberale Partei keine Zeit versäumt, um Sündenböcke zu suchen. Präsident Alemán beschuldigt die Konservative Partei. Liberale Parteigänger werfen Alemán vor, dass er seine bei Korruption erwischten Beamten nicht exemplarisch bestraft hat. Aber wer die Ursache für die Absage an die gegenwärtige Regierungspartei finden möchte, sollte den Blick darauf richten, wie die Lebensumstände der ärmsten Nicaraguaner*innen zugrunde gerichtet worden sind.

In der UNO-Bewertung bezüglich der humanitären Entwicklung nahm Nicaragua 1990, trotz Kriegen und Unglücksfällen, von 175 Ländern Platz 85 ein. Gegenwärtig liegt es auf Platz 124. Anders ausgedrückt heißt das, daß sich die Lebenserwartung der Bevölkerung reduziert hat und der Analphabetismus und die Kindersterblichkeit gestiegen sind. Wir haben die zweithöchste Müttersterblichkeit in ganz Lateinamerika. Die Epidemien suchen uns Jahr für Jahr heftiger heim, das Gesundheitssystem hat sich deutlich verschlechtert, die Preise für Basisversorgung sind gestiegen. Das Motto der liberalen Regierung "Taten, keine Worte" bezieht sich auf Autobahnen für diejenigen, die Autos haben (für die Armen wurden noch nicht einmal Zebrastreifen eingerichtet); Heiligenstatuen in jeder offiziösen Blumenrabatte; Straßenbeleuchtung auf dem Weg zum Wohnsitz des Präsidenten; Brunnen, die singen und tanzen; Einkaufszentren, Hotels. Das Land macht Fortschritte, das Bruttoinlandsprodukt ist gestiegen – aber spür- und genießbar ist dies nur für die Spitze der sozialen Pyramide.

Die Armen sind nicht nur arm geblieben, sie verelenden. Sie sind durch Naturkatastrophen hart geschlagen worden: Mitch, Keith und Erdbeben. Sie mussten mit ansehen, wie sich korrupte Beamte bereichern, während sie leiden. Und jetzt bedroht sie nicht bloß die Natur und die Arbeitslosigkeit, sondern auch die Delinquenz: die Banden ihrer eigenen Söhne oder ihre Töchter, die gezwungen sind, auf den Strich zu gehen.

Angesichts dieses Panoramas erkannte der Sandinismus, dass er eine neue Machtoption hatte. Nicht nur, weil er die stärkste Opposition ist, sondern aufgrund seiner revolutionären Vorgeschichte, seiner Wurzeln im Volk und seines Organisationsnetzes. Als ehemalige Sandinistin bedauere ich diesen Sieg der FSLN in keinerlei Weise. Im Gegenteil, ich wünsche mir glauben zu können, dass dieses neuerliche Vertrauensvotum des Volkes, die Zeichen der Versöhnung der Privatunternehmen, die Anwesenheit von Herty Lewites in der Bürgermeisterei von Managua sowie seine Verpflichtung gegenüber der Autonomie seines Amtes, die Führung der FSLN dahin bringen, die Vorteile eines Öffnungsprozesses zu erkennen.

Zweifelsohne hätte sich die Situation für die FSLN in Managua deutlich anders dargestellt, wenn – wie 1996 – Carlos Guadamuz der Kandidat für der Bürgermeisterposten gewesen wäre. Wie sehr er auch auf die Unterstützung der FSLN und sogar Radio "Ya" zählen kann, er hätte dennoch nur die "eingefleischten" sandinistischen Stimmen ergattern können. Sein Image, seine Persönlichkeit hätten es ihm unmöglich gemacht, im Amt zu wachsen.

Die gleiche Situation wird sich darstellen, wenn Daniel Ortega sich erneut als Präsidentschaftskandidat der FSLN ins Rennen stürzt. Anders als er – seinen jüngsten Erklärungen zufolge – offensichtlich annimmt, ist dieser sandinistische Sieg der Beweis dafür, dass um erneut vor dem Volk als eine Partei der Gewinner auftreten zu können, die Frente nicht nur einen einheitlichen Diskurs braucht, sondern vor allem auch Persönlichkeiten, die diesem Diskurs Glaubwürdigkeit verleihen, wie im Fall Herty Lewites. Dieser Wahlsieg, da darf man sich nichts vormachen, ist nicht eine Folge des Bündnisses sondern der Öffnung.

Hätte der Generalsekretär der FSLN die innere Demokratisierung; die Erneuerung und den Wachwechsel innerhalb der Partei seit Anfang der 90er Jahre zugelassen, hätte der Sandinismus keine Teufelspakte eingehen müssen. Es ist bedauerlich, daß es so viel einfacher gewesen ist mit den politischen Gegnern zu paktieren, als den Genoss*innen nachzugeben. Wir können nur hoffen, dass wenn die Niederlage nicht dazu reichte, diese Lektion zu begreifen, es der Sieg vielleicht schafft. Vielleicht dient er ja als bisher fehlender Beweis für die Führung der Frente um zu begreifen, dass um neue Zeiten proklamieren zu können, man auch neue Gesichter braucht. Und das diejenigen, die Wechsel an der Führungsspitze vorschlagen, verdienen gehört statt verleumdet zu werden.

Wenn sich die Frente Sandinista, einheitlich, mit neuen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen präsentieren würde, könnten die Wahlen jetzt als gutes Omen für 2001 für diese Partei betrachtet werden. Wenn jedoch die Kandidatur von Daniel Ortega so unvermeidlich ist, wie sie zu sein scheint, ist zu erwarten, dass es zu einer Polarisierung der Wählerstimmen kommen wird. Wie diese Wahlen gezeigt haben, könnte sich der Wachstumsspielraum für eine dritte Kraft aus 40 Prozent Enthaltungen und 25% für die Konservative Partei in Managua ergeben.

Diese Zahl stimmt mit dem Prozentsatz der unentschiedenen Wählerstimmen überein, den diesbezügliche Umfragen ergeben haben. Das ist ein äußerst beachtlicher Prozentsatz. Es bleibt abzuwarten, ob die Chance die sich hier historisch bietet, von ihm vergeudet oder von der Frente Sandinista ergriffen wird.

 

KUBA

Der Ausnahmezustand wird 10 Jahre alt

(Havanna, November 2000, sem-Poonal) –Vor drei Monaten erlebte Kuba den 10. "Geburtstag" der schlimmsten wirtschaftlichen Krise des Landes seit der Machtübernahme von Fidel Castro. Der Jahrestag steht im Schatten weiterer schlechter Vorzeichen: während die Regierung ermutigende Zahlen über die Makroökonomie veröffentlicht, wenn auch mit dem Zusatz, dass die schlechten Zeiten wohl doch noch nicht ganz vorbei sind, gehen Gerüchte um, dass alles noch viel schlimmer wird.

Wie immer in den finstersten Momenten fordert Castro die Menschen auf, standzuhalten. Genau das hat das kubanische Volk während der letzten zehn Jahre getan, wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise. In der kürzlich veröffentlichten Studie "die kubanische Wirtschaft in den neunziger Jahren" , erklärt der Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Universität von Havanna Armando Nova, dass die Wiedererlangung des Lebensstandards der achtziger Jahre in weiter Ferne ist.

Der offiziell betitelte "Ausnahmezustand in Friedenszeiten" begann am 29. August 1990, als die regierende Kommunistische Partei Kubas das Ausbleiben der Öllieferungen aus der damaligen Sowjetunion und die zukünftige Rationierung des verbliebenen Brennstoffs ankündigte. Von da an wurden Fabriken geschlossen, fingen die Stromausfälle an, wurden die Zeiten für Fernsehen, Kino und Theater gekürzt.

"Das Leben änderte sich radikal. Während außerhalb Kubas auf das Ende der Revolution gesetzt wurde, haben wir hier drin versucht herauszufinden, wie lange der Ausnahmezustand wohl andauern würde. Wenn uns damals jemand gesagt hätte, dass es zehn Jahre dauern würde, hätte ihm das niemand geglaubt", sagt die 38 jährige Ingenieurin Mariela Jiménez. Sie versuchte das Unmögliche möglich zu machen, d.h. ihre Arbeit nicht aufzugeben und gleichzeitig ihre Familie mit etwas mehr als 400 pesos monatlich über Wasser zu halten. Und das zu einer Zeit, als der Dollar mit 140 kubanischen Pesos quotiert wurde (1994). Heute ist der Dollar zwischen 20 und 22 Pesos wert, aber der kubanische Durchschnittslohn beträgt nur 223 Pesos im Monat. Obwohl die meisten öffentlichen Dienstleistungen sehr billig und Gesundheit und Ausbildung umsonst sind, müssen die Menschen zusehen, wie sie ihre Grundbedürfnisse befriedigen.

Die Regierungsmaßnahmen, die auf den Massenexodus von 30.000 Kubaner*innen, der sogenannten "balseros", im August 1994, folgten, schienen den Verfall der Wirtschaft und des Lebensstandards etwas abzufangen. Sie richteten sich in erster Linie auf die Behebung der Versorgungslücken bei Nahrungsmitteln. Neben der Legalisierung des Dollars, der Öffnung der Agrarmärkte und Lockerung der Auflagen im Bereich der selbständigen Arbeit, verabschiedete die Regierung ein Maßnahmenpaket, um die Außenfinanzen zu sanieren. Dabei sollte besonders die Menge des Geldes, die im Umlauf war reduziert werden. 1995 wurden dann kleine Familienunternehmen erlaubt und grünes Licht für eine Bankreform gegeben, das Gesetz für ausländische Investitionen wurde verabschiedet und man begann über Veränderungen in bezug auf die Unternehmen und die Arbeit nachzudenken.

Die Wirtschaft fing ganz allmählich wieder an zu wachsen. Der kubanische Vizepräsident Carlos Lage gab bekannt, dass das Bruttosozialprodukt im letzten Semester um 7,7% gestiegen ist. Aber das Wachstum erlaubt der Bevölkerung noch nicht, an den Standard der 80er Jahre anzuknüpfen.

Dieser Standard war durch die Noch-Existenz der Ostblockpartner Kubas begünstigt. Der Fall der Mauer in Berlin und der Zusammenbruch der UDSSR, bedeutete für Havanna den Verlust der Partner, mit denen sie 85% ihres Wirtschaftsaustauschs unterhielten. Dabei ein ganz besonders gelungener Handel: Zucker gegen 13 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr. Zu diesem Schlag, den viele schon als Todesstoß für die kubanische Revolution sahen, kam während des letzten Jahrzehnts die zunehmende Verschärfung des Embargos der USA. Diese Politik trug der Insel während der letzten 40 Jahre Verluste von über 67 Millionen Dollar ein.

Nach offiziellen Zahlen, war es Ende 1999 noch nicht gelungen, im Bereich der Landwirtschaftsprodukte wie Fleisch, Tomaten, Pfeffer, Zwiebeln, Reis, Zitrusfrüchte, Bananen und tropische Früchte das Produktionsniveau von 1989 wieder zu erreichen. Der Tourismus hat den Zucker als Haupteinnahmequelle von Devisen abgelöst, mit Bruttoeinnahmen von 2,142 Milliarden Dollar im Jahr 1999. Die Gewinnspanne ist aber immer noch sehr gering, da für jeden eingenommenen Dollar, 70 cents investiert werden müssen. Die Förderung und Produktionen von Nickel, Zement, Tabak, Weizenmehl, Waschmittel, Strom, Gas und Erdöl haben sich erholt, aber es gibt immer noch eine große Anzahl von Produktionsbereichen, die weit unter dem Niveau von 1989 liegen.

Schätzungen zur Folge hat sich das Wirtschaftsdefizit im letzten Jahr gehalten. Die kubanischen Exporte erreichten, einen Wert von 1,447 Millliarden Dollar, während die Importe sich auf 4,334 MilliardenDollar beliefen. Ende letzten Jahres gab es in Kuba 374 Gesellschaften mit ausländischem Kapital in 32 Wirtschaftssektoren mit 300 Millionen Dollar an ausländischen Direktinvestitionen. Man nimmt an, dass sich die Auslandsverschuldung Kubas zur selben Zeit auf 12 Milliarden Dollar angestiegen ist, während sich die Summe der aus dem Ausland erhaltenen Gelder sich auf etwa 1,004 Milliarden Dollar belief.

In seinem Bericht versicherte Carlos Lage, dass die Bevölkerung von der Abnahme der Stromausfälle, dem größeren Angebot an Lebensmitteln, Verbesserungen in der Wasserversorgung, Lohnerhöhungen und Investitionsprogrammen in den Sektoren Gas und Telefon, profitiert habe. Trotzdem zeigen Erhebungen des Nationalen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass die Zahl der Menschen, die von der Armut bedroht werden, von 6.3 Prozent 1988 auf 14.7 Prozent 1996 gestiegen ist.

 

HAITI

Werden die nächsten Wahlen nun doch am 26. November stattfinden?

(Port-au-Prince, 30. Oktober 2000, sicrad-Poonal).- In Bezug auf die letzten Wahlen am 21. Mai fordern die Vereinigten Staaten die haitischen Behörden dazu auf, die Ergebnisse zu korrigieren. Der stellvertretende Staatssekräter für regionale Angelegenheiten, Peter Romero, behauptete in einer Erklärung, dass das angewendete Berechnungsverfahren für die prozentualen Ergebnisse der Senatorenwahlen von der Partei „Fanmi Lavalas“ des ehemaligen Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten Jean Bertrand Aristide erfunden worden wäre, um das Parlament unter seine Kontrolle zu bringen. Die Mitglieder des Bündnisses Convergence Démocratique (Demokratische Einheit), in dem sich die Anti-Lavalas-Parteien zusammengetan haben, freuen sich über die us-amerikanische Stellungnahme. Saveur Pierre-Etienne, Mitglied der „Organisation des Volkes im Kampf“ (OPL), verlangt sogar, daß „Sanktionen gegen Aristide angewendet werden“. „Fanmi Lavalas“ beharrt jedoch auf den Ergebnissen der Senatorenwahlen vom 21. Mai. Der umstrittene Senator des Südens, Yvon Feuillé erklärte, daß er sich nicht über die us-amerikanische Forderung wundere. Er betonte, Haiti müsse kämpfen „um seine grundlegenden Errungenschaften beizubehalten“.

Unterdessen wird der Wahlprozess unbeirrt fortgesetzt. Der provisorische Wahlrat (CEP), hat am 30. Oktober die Liste der Kandidaten für die nächsten Wahlen veröffentlicht, die auf den 26. November festgelegt sind. Es haben sich sieben Präsidentschafts- und etwa 30 zu großer Mehrheit unabhängige Kandidaten für den Senat aufstellen lassen. Das Datum für den Beginn des Wahlkampfs ist jedoch noch nicht festgesetzt worden. Am 24. Oktober hat der derzeitige Präsident René Préval auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Verfassung zu respektieren, in der festgesetzt ist, dass die Präsidentschaftswahlen am letzten Sonntag des Monats November abgehalten werden müssen. Er hat auch bekanntgegeben, dass der Amtsantritt des neuen Präsidenten am 7. Februar 2001 zwingend ist.

Währenddessen haben sich religiöse Kreise vergangene Woche für die Weiterführung den Verhandlungen zwischen den beiden Lagern ausgesprochen. Der Vizepräsident der haitischen Bischofskonferenz, Monsignore Guyre Poulard, hat die Beteiligten dazu aufgefordert, die Interessen der Nation in den Vordergrund zu stellen, um die Krise zu unterdrücken und dem Land die Isolierung der internationalen Gemeinschaft zu ersparen. Ein Antrag auf Hilfe der Regierung im Rahmen des Programms der Vereinten Nationen für Entwicklung (PUND) war angesichts der derzeitigen Organisierung der Wahlen nicht gebilligt worden.

Angesichts außenpolitischen Drucks müßten, so der bei der Bevölkerung angesehene Bischof von Jérémie, Monsignore Willy Romelus, die Konfliktparteien zu Zugeständnissen bereit sein. Der ehemalige venezolanischen Präsidenten Carlos Andrez Perez, der als Vermittler in dem Konflikt fungiert, hat indes auf Santo Dominigo mit mehreren Mitgliedern des Bündnisses Convergence Démocratique (Demokratische Einheit) Gepräche geführt.

 

KOLUMBIEN

Abwanderung von Spezialisten

(Bogotá, 6. November 2000, na-Poonal) Über 85.000 ausgebildete Spezialisten haben 1999 Kolumbien aufgrund des bewaffneten Konflikts verlassen, hat das Statistische Amt gemeldet. Jeder fünfte der insgesamt 1,1 Millionen Kolumbianer, die im vergangenen Jahr ins Ausland gereist sind, kehrten danach nicht zurück. 1997 und 1998 betrug die Zahl der Emigranten 380.000. Die Flucht dieses "menschlichen Kapitals", darunter viele gut ausgebildete, kostet das Land rund 2,2 Milliarden Dollar. Nach Angaben der Colombian-American Service Organization (CASA) in Miami, die Einwanderern aus Kolumbien hilft, hätten 70 Prozent aller Auswanderer das Land aufgrund von Drohungen durch Guerilla, Paramilitärs oder Kriminellen verlassen. Die US-amerikanische Einwanderungsbehörde (SIN) hat in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres 61 Prozent aller Aufenthaltsanträge genehmigt.

 

Farc setzt Dialog mit der Regierung aus

(Bogota, 14. November 2000, pulsar-Poonal).- Andrés Paris, Verhandlungsführer der größten kolumbianischen Guerillagruppe Farc, erklärte am vergangenen Dienstag, dass die Verhandlungen mit der Regierung in jeder Hinsicht ausgesetzt seien. Vor zwei Jahren hatte die Guerilla Gespräche mit der Regierung unter Andrés Pastrana aufgenommen. In einem Kommuniqué fordert die Farc die Regierung auf, ihre Position gegenüber den rechten Paramilitärs öffentlich darzulegen.

Diese Aufforderung folgte einem Treffen des kolumbianischen Innenministers, Humberto de La Calle mit Carlos Castaño, dem Chef der paramilitärischen Gruppierung AUC (Autodefensas Unidas). Dieses Treffen sollte der Freilassung von sieben Abgeordneten dienen, die sich seit drei Wochen in der Gewalt der Paras befanden und inzwischen freigelassen wurden. Damit wollten die Paramilitärs offenbar auf die Verhandlungen mit der Farc Einfluss nehmen. Diese jedoch lehnten das Treffen als Einmischung in den Friedenprozess ab.

 

Paramilitär mordet

(Bogota, 12. November 2000, pulsar-Poonal).– Der Direktor des kommunalen Senders Galaxia im Bezirk von Antioquía im Nordwesten Kolumbiens wurde diesen Samstag (11.November), vermutlich durch eine paramilitärische Gruppe, der "Vereinigung zur Kolumbianischen Selbstverteidigung" (AUC), ermordet. Dies berichtete Prensa Libre, das Netzwerk zur Verteidigung der Pressefreiheit.

Mitte September wurde ein Journalist entführt und schließlich durch vermutliche Paramilitärs erschossen, die seinen Kadaver dann auf ein Feld im zentralen kaffeeanbauenden Bezirk von Tolima warfen.

Die Zahl der seit 1980 durch Drogenschmugglerbanden, Guerillas und Paramilitärs in Kolumbien ermordeten Journalist*innen beläuft sich auf über hundert. Andere wiederum sind entführt worden und Dutzende mußten nach Todesdrohungen das Land verlassen. Organisationen wie ‚Journalisten ohne Grenzen‘ und die ‚Interamerikanische Pressegesellschaft‘ versichern, daß Kolumbien eines der gefährlichsten Länder ist, um Journalismus auszuüben.

Der kolumbianische Kommunalverband verurteilte den Mord am Bürgermeister von Pailitas im Bezirk von Cesar im Nordosten des Landes, Joel de Jesús Rincón. Dies ist eine Zone der andauernden militärischen Konfrontation zwischen paramilitärischen Kräften und linken Guerilla-Gruppen. Rincón inbegriffen wurden allein in diesem Jahr 13 Bürgermeister ermordet. Gleichzeitig prangerte er die Entführung des Bürgermeisters von Santa Isabel im Bezirk von Tolima an.

 

ECUADOR

Menschenrechtler*innen fordern Rückgabe eingefrorener Gelder

(Quito, 14. November 2000, pulsar-Poonal).- Menschenrechtsgruppen in Ecuador haben von der Regierung gefordert, die Namen der priviligierten Personen zu veröffentlichen, die vor dem Bankencrash und der Einfrierung aller Konten im März 1999 ihr Geld rechtzeitig abgehoben haben. Damals hatte Präsident Mahuad alle Sparkonten eingefroren, um die Bankenkrise zu entschärfen.Elsie Monge, Präsidentin der ökumenischen Menschenrechtskommission, sagte, dies sei eine gute Gelegenheit für die Regierung unter Präsident Noboa, ihren Willen zum Kampf gegen Korruption unter Beweis zu stellen. Zugleich forderte Monge, dass alle eingefrorenen Gelder sofort an ihre Besitzer*innen zurückgegeben werden.Die Vermutung, dass bestimmte Leute vorab von der Einfrierung der Konten informiert wurden, kam während der Ermittlungen gegen den Chef der Bankenaufsicht, Juan Falconí Puig, zur Sprache. Der Funktionär ist inzwischen entlassen worden.

Weiterhin leidet Ecuador unter der bald chronischen Wirtschaftskrise. Die Dollarisierung der Wirtschaft und der Währung, die Noboa durchgesetzt hatte, konnte bislang die Inflation nicht eindämmen, und auch die Banken haben sich von der Krise noch nicht erholt.

 

BRASILIEN

Ja zu Waffen

(Brasilia, 6. November 2000, na-Poonal).- Der Oberste Gerichtshof hat das im Juni diesen Jahres verhängte Verkaufsverbot von Waffen aufgehoben. Die Regierung hatte das Verbot verfügt, um die Gewaltkriminalität zu stoppen, der in den letzten zwei Jahrzehnten etwa eine halbe Millionen Menschen in Brasilien zum Opfer gefallen sind. Die Regierung wollte damit einem Gesetzespaket vorgreifen, das dem Kongress vorliegt und mit dem unter anderem der Besitz von Faustfeuerwaffen für Armeeangehörige und Polizei, privaten Wachmännern, Waffensammlern und Waffenclubs reglementiert werden soll. "Kriminelle kaufen ihre Waffen nicht in Geschäften", kommentierte der Richter Carlos Vellos die Entscheidung. Nach seiner Ansicht werde mit dem Verbot das legitime Recht der Selbstverteidigung eingeschränkt und habe nicht zum Ziel, die Kriminalität im Lande zu verringern, in dem statistisch alle 13 Minuten ein Mensch ermordet wird.

 

Autobahn zerstört brasilianisches Amazonasgebiet

(Brasilia, 12. November 2000, pulsar-Poonal). – Etwa 40 Prozent des Amazonasurwaldes könnten in den nächsten zwanzig Jahren zerstört werden, wenn der Plan zur Erweiterung von vier Autobahnen, die die Region durchqueren, in die Tat umgesetzt wird. Die brasilianische Regierung plant als Entwicklungsmaßnahme etwa 3500 km Autobahn neu zu bauen bzw. instandzusetzen. Eine vom Nationalen Institut für die Beobachtung des Amazonas angefertigte Studie zur Umwelteinwirkung dieser einfachen vier transamazonischen Autobahnen hat gezeigt, daß wenigstens eine Million Quadratkilometer Urwald dabei zerstört werden können.

Wenn die Arbeiten an den Autobahnen erst einmal soweit sind, werden Hunderte und Tausende von Holzfäller*innen und Bäuer*innen mit aller Leichtigkeit in den Urwald gehen können um dort weiter zu roden. Der Prozeß der fortschreitenden Abholzung würde sich weiterhin deutlich verstärken.

 

Landlose Bauern fordern internationale Unterstützung

(Brasilia, 10. November 2000, comcosur-Poonal).-Die „Bewegung der Landlosen “ MST ist als eine der größten und best-organisiertesten revolutionären Bewegungen Lateinamerikas angesehen. Aufgrund ihres stetigen Kampfes für eine Agrarreform ist die Bewegung Ziel von Anklagen wegen Terrorismus und Korruption. Ihre Fürer rechnen mit der Unterstützung fortschrittlicher Teile der Katholischen Kirche und sehen in den Vorwürfen einen Schachzug der Regierung unter Fernando Henrique Cardoso, der von den Großgrundbesitzern Beistand erhält. Nach einigen Umfragen sprechen sich Teile der Bevölkerung gegen das Kampfmittel der Besetzung öffentlicher Gebäude aus. Andere Gruppen üben starken Druch auf die Arbeiterpartei aus, damit sie die Verbindung zur MST abbricht. Aus diesen Gründen hat die Landlosenbewegung Brasiliens international dazu aufgerufen, ihr den Rücken zu stärken.

 

CHILE

General wegen Mordes angeklagt

(Santiago, 10. November 2000, comcosur-Poonal).-Der ehemals bedeutende Staatsanwalt und vormaliger Chef der Militärgerichtsbarkeit, Fernando Torres Silva, wurde auf einen Magistratsbeschluß hin festgenommen. Er ist angeklagt, den Mord an dem Gewerkschaftsführer Tucapel Jimenéz gedeckt zu haben. Jimenéz war 1982 durch Agenten der chilenischen Geheimpolizei CNI, Nachfolgerin der DINA, umgebracht worden. Der Gewerkschaftsführer hatte die ersten Massenproteste gegen die Diktatur organisiert. Damals war er entführt und dann mit fünf Schüssen und anschließender Enthauptung durch Agenten Pinochets ermordet worden.

Torres sieht nun einem Verfahren entgegen, in dem ihm vorgeworfen wird, mit den Agenten Absprachen über deren Aussagen getroffen zu haben. Außerdem ist er angeklagt, Folterungen von politischen Gefangenen in der Diktaturzeit befohlen zu haben. Der chilenische Verfassungsrichter Luis Correa ordnete an, dass Pinochet und sechs weitere Angehörige der DINA sich innerhalb der nächsten 60 Tage in Chile aufhalten müssen.

 

ARGENTINIEN

Gefangene aus La Tablada in verzweifelter Lage

(Buenos Aires, 10. November 2000, comcosur-Poonal).- Der Hungerstreik, der seit 65 Tagen andauert und von 13 der 20 für den Überfall auf die Militärkaserne La Tablada in Buenos Aires am 23. Januar 1989 Verurteilten ausgeführt wird, ist an einem kritischen Punkt angelangt. Zwei der Streikenden mußten auf die Notfallstation eines Krankenhauses eingeliefert werden. Die Forderungen der Protestierenden richten sich auf eine Revision ihres Verfahrens, die im Einklang mit den Abkommen von San José in Costa Rica stünden. Das Abgeordnetenhaus hat unterdessen vorgesehen, das Gesetz zum Schutz der Demokratie, nachdem die Gefangenen verurteilt und eingekerkert wurden, zu modifizieren.

Hintergrund der Verurteilung von 1989 war der Versuch gewesen, die Militärkaserne in La Tablada zu erstürmen, da angenommen worden war, dass dort ein neuerlicher Putsch vorbereitet würde.

Miguel Aguirre und Claudio Rodríguez sind nach Mitteilung der Ärzte „körperlicher Zerrüttung und Unterernährung“auf die Intensivstation eingliefert worden. Zwei andere Gefangene, Gustavo Mezutti und José Moreira, die eine Woche zuvor in die Klinik eingeliefert worden waren, sind nach einer „Genesungstherapie“ inzwischen in Ezeiza erneut vor Gericht gestellt worden. Die peronistische Opposition würde gegen das Gesetz votieren. Mit einer dann möglichen Revision der Verfahren gegen die Gefangenen könnten diese wieder Hoffnung auf einen Freispruch schöpfen.

 

ITALIEN/ARGENTINIEN

Verhaftung von argentinischen Militärs gefordert

(Buenos Aires, 10. November 2000, comcosur-Poonal).-Der italienische Staatsanwalt Francesco Caporale hat lebenslange Haftstrafen für sieben ehemalige Angehörige des argenitinischen Miltitärs gefordert. Die sieben stehen in Rom wegen dem Verschwindenlassen von acht italienischen Staatsbürger*innen während der Militärdiktatur vor Gericht. Hauptangeklagter ist der Ex-General Guillermo Suárez Mason, der bei dem Verfahren als „argentinischer Adof Hitler“ gilt. Für ihn forderte der Staatsanwalt die Höchststrafe wegen „geplantem Mord“ an fünf italienischen Bürgern plus sechs Jahre für die Entführung eines Kindes. Die Namen seiner Opfer lauten: Norberto Morresi, Pedro Mazzocchi, Luis Fabbri, Daniel Ciuffo und Laura Carlotto. Das Kind der letztgenannten, Guido, wurde während der Gefangenschaft seiner Mutter in einem geheimen Lager geboren, dann entführt und steht heute mit auf der Liste der Verschwundenen. Für den Staatsanwalt repäsentieren die acht Opfer für 30 000 andere Verschwundene der in Argentienien während des „schmutzigen Krieges“ Verschwundenen. Caporale bezog sich ebenfalls auf die Zusammenarbeit der USA mit der lateinamerikanischen Diktaturen in den siebziger und achtziger Jahren. Er bezeichnete die militärische Unterdrückung als „an einer Generation von jungen Menschen vollzogenen Völkermord“. Außerdem nannte er die argentinischen Amnestiegesetze eine „Schande“.

 

LATEINAMERIKA

Neoliberalismus mit oder ohne die USA?

Von Emir Sader

(Rio de Janeiro, November 2000, npl-Poonal).- Seit zehn Jahren steht die Gründung eines gesamtamerikanischen Wirtschaftsraumes als strittiger Punkt auf der politischen Tagesordnung der USA. Inzwischen herrscht hinsichtlich der Lateinamerika-Politik Einigkeit zwischen den beiden großen US-Parteien. Oberstes Ziel ist es, langfristig die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung auf dem Doppelkontinent zu sichern. Deswegen soll im Kongress nun möglichst schnell der Weg für ein Freihandelsabkommen geebnet werden, das von Kanada bis Argentinien reicht.

Das Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) 1994 zwischen Mexiko, den USA und Kanada, wird von vielen lateinamerikanischen Wirtschaftsexperten als erster konkreter Schritt zur geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA) interpretiert. Sie warnen vor den sozialen Konsequenzen eines solchen Abkommens für die Länder Lateinamerikas und plädieren stattdessen für die Stärkung des wirtschaftlichen Zusammenschlusses der südamerikanischen Staaten (Mercosur).

Nachdem Mercosur sich jahrelang nur auf bescheidenem Niveau zwischen den Vertragsstaaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay – Chile und Bolivien haben den Status von Assoziierten – entwickelte, erhielt das Projekt eine konkretere Form, als die Wirtschaftskrise in Mexiko 1994/95 die Kapazitäten der USA blockierte, wie vorgesehen Chile in den Nafta-Vertrag einzubinden. Ebenso wenig konnte Clinton damals gegen die Republikaner im Kongress einerseits und die US-Gewerkschaften andererseits den sogenannten Fast-Track (schnellen Weg) – ein Schnellverfahren für FTAA – durchzusetzen.

Mercosur gewann somit Zeit, sich zu konsolidieren, den Beitritt von Chile und Bolivien vorzubereiten und Verhandlungen mit den Ländern des zunehmend nationalistisch orientierten Andenpaktes aufzunehmen. Auf dem FTAA-Gipfel 1998 in Chile gelang es den Mercosur-Staaten, als Block mit Nordamerika zu verhandeln und festzulegen, dass ein gesamtamerikanische Wirtschaftsabkommen keinesfalls vor 2005 in Kraft treten wird.

Seitdem treiben die Währungs- und Wirtschaftskrisen in Brasilien und Argentinien einen Keil zwischen die beiden mächtigsten Mercosur-Partner. Angesichts dessen gibt es zwei Lösungen: die Dollarisierung, um das Risiko von Währungsschwankungen auszuschließen, oder eine einheitliche Währung für die Länder des Mercosur. Während die brasilianische Regierung sich zumindest offiziell gegen die Einführung der US-Währung ausspricht, ist Argentinien diesem Gedanken deutlich mehr zugeneigt als dem einer gemeinsamen regionalen Währung. In jedem Fall würde die Dollarisierung das definitive Ende des Mercosur bedeuten und gleichzeitig den Weg für FTAA freimachen.

Im April 2001 findet im kanadischen Quebec der nächste FTAA-Gipfel statt. Im Gegensatz zu Mitte der 90er Jahre wollen nun auch die Republikaner noch vor dem Treffen im US-Kongress den Fast- Track durchsetzen, damit FTAA 2005 in Kraft treten kann. Dass sich Republikaner und Demokraten in der Ausrichtung der Lateinamerika- Politik inzwischen so einig sind, hat mehrere Gründe.

Zunächst ist Lateinamerika für die USA ein wichtigerer Markt als die EU. 1996 ist der Handel Nordamerikas mit dem Subkontinent im Süden doppelt so schnell gewachsen wie mit dem Rest der Welt. Außerdem würde FTAA die Handelsbeziehungen zwischen Lateinamerika und US-Konkurrent EU schwächen und nicht zuletzt eine weitere Liberalisierung der lateinamerikanischen Märkte einläuten. Die von den USA vorangetriebene Deregulierung staatlicher Auftragsvergabe in den lateinamerikanischen Staaten dient letztlich der Durchsetzung eines Wirtschaftsprogramms für den ganzen Kontinent, das US-Konzerne begünstigt, die die Tendenz zum Protektionismus vieler lateinamerikanischer Volkswirtschaften zynischerweise als Diskriminierung bezeichnen.

In diesem Kontext wird Mexiko von den internationalen Finanzorganisationen als Vorbild herausgestellt. Makroökonomisch weist das Land seit dem Inkrafttreten von NAFTA kontinentweit die besten Ergebnisse auf. Einschneidende wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen ermöglichten den Expansionsprozess. Zum einen wurden die Kriterien zur Nutzung der strategischen Ressourcen – in erster Linie des Erdöls – verändert. Um sich von der Schuldenkrise Anfang der 80er Jahre zu erholen, machte Mexiko das Erdöl zum neuen Motor der Wirtschaft und förderte die produktive Verkettung mit dem Ausland, insbesondere mit den USA, anstatt das interne Produktionssystem und den internen Markt zu konsolidieren. Parallel dazu wurde vor allem die erdölverarbeitende Industrie dem nordamerikanischen Kapital geöffnet, was den USA den Zugang zu Reserven ermöglichte, die näher und sicherer situiert sind als die des mittleren Ostens.

Weitere Umstrukturierungsmaßnahmen der mexikanischen Regierung bestanden in der Ausrichtung der Industrie auf die sogenannte Billigproduktion in Weltmarktfabriken, der Reorganisation des Arbeitsmarktes und der Einkommensverteilung sowie der wirtschaftliche Neuaufteilung des nationalen Territoriums. US- Konzerne nutzten die ernorme Lohndifferenz zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten und verwandelten den Norden Mexikos in eine gigantische Freihandelszone, wo mehr als 90 Prozent der benutzten Inputs importiert wird und keine gewerkschaftlichen Rechte für die Arbeiter existieren.

Begleitet ist die wirtschaftpolitische Umstrukturierung Mexikos vom Niedergang der sozialen Indikatoren. Die Öffnung des Handels gegenüber einem sehr viel weiter entwickelten Land – das Bruttosozialprodukt der USA liegt etwa 25 mal höher als das des mexikanischen Staates – führten in Mexiko zur Deindustrialisierung einheimischer Sektoren, der Vernichtung ganzer Bereiche der traditionellen Landwirtschaft sowie zur Verschärfung der sozialen Ungleichheit.

Trotzdem wird der sogenannte Dritte Weg Mexikos von den schwächelnden lateinamerikanischen Großmächten Brasilien, Argentinien und Chile immer ausdrücklicher als ein Modell hervor gehoben, das den Stillstand der anderen Ökonomien in der Region überwinden konnte, weil es sich an die US-Wirtschaft andockte. Ein kontinentaler Intregrationsprozess unter der Hegemonie der stärksten Ökonomie des Kontinentes gewinnt damit zunehmend an Legitimation. Legitimiert wird allerdings im gleichen Zuge auch die Etablierung einer neuen Ordnung, die real auf einem asymetrischen Liberalisierungsprozess zwischen Nord- und Südamerika, und ideologisch auf zwei Prinzipien beruht: dem juristischen Gleichberechtigungsprinzip und dem ökonomischen Prinzip des freien Wettbewerbs.

Nach dem Scheitern des WTO-Gipfels in Seattle scheint FTAA zu einem regionalen Ersatzprojekt für eine Wirtschaftsordnung zu avancieren, die sich momentan weltweit nicht durchsetzen lässt. In diesem Projekt spielt auch die Sicherheitspolitik eine entscheidende Rolle. Der von den USA stark vorangetriebene Verabschiedung des „Plan Colombia“, ein militärisch-strategisches Konzept zur Bekämpfung der kolumbianischen Guerillas, soll unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung die US-Militärpräsenz auf den gesamten Subkontinent ausweiten.

Mittelfristig steht für die politisch sehr heterogenen Länder Lateinamerikas also die Entscheidung zwischen einer gesamtamerikanischen Freihandelszone und einem erweiterten Mercosur an. Ersteres würde aus der Region ein riesiges zollfreies Gebiet machen. Mercosur hat hingegen nur dann Erfolgsaussichten als wirtschaftspolitisches Integrationsprojekt, wenn es über soziale Legitimität verfügt. Ansonsten bleibt lediglich die Wahl zwischen Neoliberalismus mit oder ohne die USA.

 

Lateinamerika

Brände immer gefährlicher fürs Klima

(Lima, 6. Nov. 2000, ips/na-Poonal).- Der Zusammenhang zwischen dem Klimaphänomen "El Niño" und den großen Waldbränden wird immer deutlicher. In einer Studie über den Baumbestand warnen die beiden Umweltorganisationen World Wide Fund for Nature (WWF) und Unión Mundial por la Conservación (IUCN), vor einem neuen "El Niño"-Phänomen, das bereits Ende kommenden Jahres entstehen könnte. Nach Meinung der Umweltexperten viel zu früh, denn die Regenwälder haben sich nach den großen Waldbränden in den Jahren 1997 und 1998 noch nicht wieder erholt. "El Niño" ist eine Warmwasserströmung, die im Pazifik entsteht und das Klima in verschiedenen Erdregionen beeinflusst. Die Folge sind schweren Naturkatastrophen wie Dürre und Überschwemmungen. "Die Erde verkraftet solche Waldbrände wie vor zwei Jahren kaum noch", betonte Tom Dillon, der Direktor des Waldprogramms des WWF.

Die starke Erderwärmung scheint die Häufigkeit und die Intensität von "El Niño" ansteigen zu lassen. Seit 1970 ist das Klimaphänomen sieben Mal aufgetaucht, zuletzt in den Jahren 1997 bis 1998. (NA vom 14. Mai 1998). Die Mehrheit der Wissenschaftler macht für den so genannten Treibhauseffekt die Verbrennung fossiler Brennstoffe, wie Erdöl und Kohle, verantwortlich. El Niño produziere durch die Erderwärmung Trockenheit und diese erhöhe die Gefahr von Waldbränden, wodurch wiederum große Mengen von Kohlendioxyd in die Atmosphäre gelangten. Schätzungen gehen davon aus, dass Waldbrände einen Anteil von 40 Prozent bei den Treibgasemissionen in den Jahren 1997 und 1998 hatten. "Ein Teufelskreislauf, denn der durch Waldbrände und Abholzung verursachte Klimawechsel, erhöht die Häufigkeit des Auftretens von El Niño, der wiederum die Zahl der Brände ansteigen lässt", fasst die Untersuchung zusammen. Zum anderen hat eine Studie, die auf Daten aus der Amazonas-Region basiert, ergeben, dass der Anstieg der Brandgefahr in Zusammenhang mit der Brandrodung und der Abholzung steht. Je mehr Flächen abgeholzt werden, um so größere Brandgefahr besteht. Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass die nachfolgenden Brände wesentlich stärker und zerstörerischer sind, als die Brände in den tropischen Wäldern. Folgebrände aufgrund von Rodungen zerstören mehr als 80 Prozent der Biomasse, die Folgeschäden gewöhnlicher Brände liegen unter zehn Prozent.

 

LATEINAMERIKA

Nie wieder Folter

(Lima, 6. November 2000, na-Poonal).- Amnesty international (ai) hat erneut Costa Rica als eines der wenigen Länder auf der Welt genannt, in dem die Menschenrechte sowohl rechtlich als auch praktisch respektiert werden. Die Realität in den anderen lateinamerikanischen Ländern unterscheidet sich dagegen entscheidend. Der Jahresbericht von ai, der am 18. Oktober unter dem Titel "Jetzt einschreiten! – Nie wieder Folter" thematisiert, dass in Lateinamerika täglich Tausende von Männern, Frauen und Kindern gefoltert werden, obwohl dies aufgrund nationaler Gesetze und internationalem Recht geächtet ist. Nach Informationen von ai sind in den Gefängnissen in Brasilien, Mexiko und Peru "Folterungen an unzähligen Personen an der Tagesordnung", während in Kolumbien "Polizeiübergriffe bei der Aufstandsbekämpfung verübt" würden. Gleichzeitig meldet ai, dass es in Chile trotz des Verfahrens wegen Verletzung der Menschenrechte während der Diktatur von General Augusto Pinochet "neue Informationen über die Misshandlung von Festgenommenen durch Gefängniswärter und exzessive Gewalt von Polizisten während Demonstrationen" gibt.

 

KLEINER SPENDENAUFRUF

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 456 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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