Poonal Nr. 445

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 445 vom 25. August 2000

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MEXIKO

KOLUMBIEN

PERU


MEXIKO

Ehemalige Staatspartei PRI verliert auch die Wahl in Chiapas Hoffnung auf baldige Friedensverhandlungen mit den Zapatisten

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 22. August 2000, Poona).- In Mexiko wird bereits vom Dominoeffekt gesprochen. Nach der klaren Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli hat die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) nun auch die wichtigen Gouverneurswahlen im südöstlichen Bundesstaat Chiapas deutlich verloren. Pablo Salazar Mendiguchia, der Oppositionskandidat der „Allianz für Chiapas“, erreichte nach den bisherigen Auszählungen knapp 53 Prozent der abgegebenen Stimmen. PRI-Anwärter Sami David konnte zwar mit 44 Prozent das Ergebnis seiner Partei vom 2. Juli halten. Doch der Oppositions-Zusammenschluss der konservativen PAN und der linksgemäßigten PRD sowie weiterer kleinerer Parteien sorgte für eindeutige Tatsachen: Erstmals hat die langjährige Staatspartei PRI in ihrer bislang unumstrittenen Hochburg Chiapas das Nachsehen.

Trotz anfänglicher Versuche, das Resultat in Zweifel zu ziehen, musste die PRI wenige Stunden nach der Schließung der Wahllokale den Sieg Salazars anerkennen. Viele der mehr als 4.000 in- und ausländischen Beobachter sprachen von den ersten fairen Wahlen in dem Bundesstaat überhaupt. Einschüchterungsversuche im Vorfeld durch der PRI nahestehenden paramilitärischen Gruppen oder die

Direktive des PRI-Interimsgouverneurs Roberto Albores, die Auslieferung regierungskritischer Zeitung zu verhindern, hatten offenbar keine tiefgreifenden Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten. Allerdings war die Wahlbeteiligung mit geschätzten 50 Prozent niedrig.

Die Hoffnung, der konfliktreiche Bundesstaat, in dem Indigenas und Campesinos die Bevölkerungsmehrheit stellen, könne in absehbarer Zeit zur Ruhe kommen, hat nun Auftrieb bekommen. Ohne eine örtliche PRI-Regierung hat nun der zukünftige mexikanische Präsident Vicente Fox von der PAN verbesserte Handlungsmöglichkeiten. Mit Spannung wird eine Reaktion der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) erwartet. Durch ihren bewaffneter Aufstand am 1. Januar 1994 war die soziale Misere in Chiapas zum Thema einer breiteren Öffentlichkeit geworden. Die Zapatisten hatten sich in den Wochen vor der Wahl bezüglich ihrer Position ausgeschwiegen. Über ihre zivile Basis hatten sie allerdings durchblicken lassen, den Urnengang nicht boykottieren zu wollen.

Viel wird an der Sensibilität und dem konkreten politischen Willen von Vicente Fox liegen, wenn es um die Lösung des Chiapas-Problems geht. Am Wahlabend wiederholte er seine Bereitschaft direkt mit den Zapatisten in Kontakt treten zu wollen. Zusammen mit Salazar, der erst vor knapp anderthalb Jahren der PRI den Rücken kehrte, wolle er einen Friedensschluss in dem Bundesstaat erreichen, so Fox.. Sobald der Rechtsstaat wieder hergestellt sei, könne auch aufs Neue über die Präsenz der Bundesarmee in Chiapas geredet werden. Die EZLN fordert den Rückzug der Bundestruppen aus den Konfliktgebieten sowie eine wirksame Bekämpfung der Paramilitärs, von denen – offenbar mit Billigung der PRI – immer wieder Übergriffe gegen Zivilisten ausgingen.

Fox erklärte ebenfalls, zu den Abkommen von San Andres zu stehen. Diese wurden im Februar 1996 zwischen EZLN und Regierung unterzeichnet, von letzterer aber nie umgesetzt. Eine von der parteiübergreifenden Chiapaskommission des Parlamentes ausgearbeitete Reforminitiative, die sich auf diese Vereinbarungen bezog, kam nie zur Abstimmung, weil sie nicht den Zuspruch des noch amtierenden Präsidenten Ernesto Zedillo fand. Die Zapatisten hatten den Kompromissvorschlag trotz einiger Einwände akzeptiert. Sollte der neue Präsident den Kommissionsentwurf in den Kongress einbringen, könnte das einen Durchbruch für die Verhandlungen mit der EZLN bedeuten. Sollte der neue Präsident jedoch auf den Alternativplan seiner eigenen Partei zurückgreifen, wäre ein Misserfolg vorprogrammiert. Bisher hat Fox nur geäußert, gleich zu Beginn seiner Amtszeit Chiapas im Parlament zum Thema zu machen.

Für die PRI, die 71 Jahre lang in Chiapas und ganz Mexiko herrschte, kann die neuerliche Niederlage entscheidende Auswirkungen im internen Machtkampf haben. Die PRI-Gouverneure der südöstlichen Bundesstaaten erwarteten von der Wahl am vergangenen Sonntag den Schub, der ihnen noch fehlte, um die Parteiführung zu übernehmen. Nach dem Misserfolg bei der Wahl sehen sie ihre Pläne durchkreuzt und müssen nun ebenso um den Machterhalt in Chiapas' Nachbarbundesstaat Tabasco zittern. Dort wird am 20. Oktober gewählt. Würde sich der Dominoeffekt fortsetzen, könnte die noch vor kurzem so allmächtige Partei sogar an internen Streitigkeiten zerbrechen.

In dem stark polarisierten Chiapas wird der neue Gouverneur beweisen müssen, eine volle Regierungsperiode von sechs Jahren durchstehen zu können. Der Bundesstaat musste die Ernennung und Absetzunge von immerhin fünf PRI-Gouverneure in sechs Jahren verkraften. Ob die Zeichen für Pablo Salazar günstiger stehen, ist ungewiss: der neue Gouverneur ist lediglich Kandidat eines Zweckbündnisses. Nachdem das Ziel, die PRI von der Macht zu vertreiben, erreicht ist, werden das Aufbrechen der Konflikte, die durch gegensätzliche Interessen bestimmt sind, wohl nicht lange auf sich warten lassen. Zudem gibt es keine Garantie dafür, dass die Ruhe am Wahltag und die Resignation der PRI in ihr Schicksal in den kommenden Wochen anhalten werden. Erwartungen, der Bundesstaat werde sich von einem Tag auf den anderen in eine friedliche Idylle verwandeln, sind jedenfalls fehl am Platze.

 

KOLUMBIEN

Clinton-Besuch in Kolumbien stark umstritten Guerillas warnen vor weiterer Einmischung der USA

Von Laura Patricia Barros

(Bogota, 21. August 2000, npl). – Ende August (30.08.) besucht der scheidende US-Präsident Bill Clinton seinen Amtskollegen Andres Pastrana in Kolumbien. Die Vorbereitungen werden inmitten einer aufgeheizten Debatte über den umstrittenen Plan Colombia getroffen. Während die kolumbianischen Guerilla-Organisationen FARC und ELN den Kolumbien-Plan als „Kriegs-Projekt“ bezeichnen, spricht die Regierung in Bogota davon, dass die im Juni vom US-Kongress zugesagte Militärhilfe für Pastranas Plan Colombia eine wichtige Unterstützung des Antidrogenkampfes darstelle.

Das 1,3 Milliarden teure Paket aus Washington ist unter anderem für die Anschaffung von 60 Kampfhubschraubern sowie weiterer High-Tech-Waffen vorgesehen. Dazu sollen von US-Militärexperten durchgeführte Ausbildungsprogramme für die kolumbianischen Streitkräfte kommen.

Clinton, der sich persönlich stark für die Bewilligung der Militärhilfe eingesetzt hatte, erklärte in einem Kommunique des Weißen Hauses, er verfolge mit seiner Reise die Absicht, „persönlich die Unterstützung der USA bei den Bemühungen um Frieden, dem Aufbau der Wirtschaft und der Stärkung der Demokratie sowie im Kampf gegen den Drogenanbau und -handel in Kolumbien zu betonen“.

Angesichts der kurz bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in denUSA sehen viele Journalisten den geplanten Kolumbien-Besuch Clintons hingegen als Versuch, das diplomatische Geschick der bei

Vorumfragen ins Hintertreffen geratenen us-amerikanischen demokratischen Partei zu beweisen und im gleichen Zuge für deren Kandidaten, den jetzigen Vizepräsidenten Al Gore, zu werben.

„Des weiteren“, schreibt die Wochenzeitschrift „Semana de Bogota“, „soll die Reise zum Ende seiner Amtszeit Clintons Ruf als Politiker manifestieren, der sich weltweit den Herausforderungen der Friedensgestaltung, Verteidigung der Demokratie und des Kampfes gegen das Drogengeschäft stellt.“ Der Clinton- Besuch findet, soviel ist klar, zu einem Zeitpunkt statt, in dem Pastrana erstmals, neben der FARC zeitgleich auch mit der kleineren ELN Verhandlungen über eine politische Lösung des seit über vierzig Jahre andauernden bewaffneten Konflikts führt.

Sowohl die FARC mit ihren 12.000 Kämpfern als auch die 5.000 Aufständische zählende ELN werten den bevorstehenden Besuch des nordamerikanischen Staatschefs als Provokation. Sie sehen in ihm „eine klare Entscheidung Washingtons, sich noch weiter in die internen Angelegenheiten Kolumbiens einzumischen und damit den bewaffneten Konflikt weiter zu verschärfen.“

In einem Artikel in der „Semana“ erklärte Alfonso Cano, Chef des politischen Armes der FARC: „Clinton kann in unserem Land nicht willkommen geheißen werden, weil er die nötigen Dollars mitbringt, damit wir Kolumbianer uns ohne Aussicht auf eine politische Lösung weiter gegenseitig umbringen“. Ähnlich äußerte sich auch Antonio Garcia von der ELN: „Clinton kommt mit keiner anderen Absicht nach Kolumbien, als den internen Konflikt weiter zu polarisieren“.

Bereits Anfang August reiste eine hochrangige US-Abordnung zu einem Treffen mit Präsident Pastrana ins kolumbianische Seebad Cartagena de Indias, um „die Tagesordnung der Reise von Clinton zu besprechen,“ wie Ministerpräsident Guillermo Fernandez de Soto erklärte. Mit von der Partie waren unter anderem der

stellvertretende Staatsminister für politische Angelegenheiten, Thomas Pickering sowie Barry McCaffrey, Direktor der US-Drogenkontrollbehörde, und General Charles Wilhelm, Befehlshaber des Ende vergangenen Jahres aus Panama abgezogenen Süd-Kommandos der us-amerikanischen Streitkräfte.

Pickering und McCaffrey gehörten zu einer Delegation us-amerikanischer Funktionäre, die nach einem Kolumbien-Besuch im vergangenen Sommer vor dem Kongress ihres Landes die Dringlichkeit einer militärischen Unterstützung im Kampf gegen das Drogengeschäft in Kolumbien betonten und die Verabschiedung des milliardenschweren Paketes stark vorantrieben.

Während „Antidrogenzar“ Mc Caffrey nun die Herausforderung in Kolumbien darin sieht, die „harte Arbeit für den Frieden und gegen das Drogengeschäft in Kolumbien zu forcieren“, warnen die kolumbianischen Guerilla-Organisationen vor einem „patriotischen Krieg“, falls die „Streitkräfte des Giganten im Norden sich dazu entscheiden, Truppen in Kolumbien einmarschieren zu lassen.“

 

Düstere Halbzeit-Bilanz der Regierung Pastrana Kritik an der Finanzierung des „Plan Colombia nimmt zu

Von Barbara Fraser

(Bogota, 24. August 2000, na-Poonal).- Die Halbzeit-Bilanz in der vierjährigen Regierungsperiode von Kolumbiens Präsident Andres Pastrana sieht düster aus: Seine Popularität ist stark gesunken, die Regierungsallianz im Kongress ist zerstritten und die Reorganisierung seines Kabinetts kommt nur schleppend voran. Einziger Erfolg aus seiner Sicht ist die breite finanzielle Unterstützung für seinen 7,5 Milliarden Dollar schweren „Plan Colombia“, mit dem der Drogenhandel bekämpft werden soll. Doch im

Vorfeld des Besuchs von US-Präsident Clinton in Kolumbien mehrt sich die Kritik an dem Plan. Als „schweren Fehler“ und Freibrief für noch mehr Gewalttaten bezeichnete die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am vergangenen Mittwoch das Milliardengeschenk an die Militärs.

Pastrana übernahm die Macht im August 1998 mit dem besten Wahlergebnis in der kolumbianischen Geschichte. Zwei Jahre ist sein Image wegen fehlender Fortschritte bei den Verhandlungen mit der Guerilla, Wirtschaftsrezession sowie Korruptionsvorwürfen angekratzt. Das Ergebnis ist nach Meinung der Zeitschrift Semana „eine beispiellose Regierungskrise“.

Eine kürzlich von Gallup durchgeführte Umfrage zeigt, dass 21 Prozent der Kolumbianer Pastranas Arbeit gutheißen, während sie von 64 Prozent missbilligt wird. 77 Prozent sind unzufrieden mit dem Vorgehen des Regierunschefs in der Wirtschaft. Noch alarmierender ist, dass sich 78 Prozent gegen Pastranas Friedensbemühungen mit der Guerilla aussprechen und 77 Prozent die Versuche, Abkommen mit den Paramilitärs zu erreichen, kritisieren.

Laut Pastrana ist der Plan Colombia eine umfassende Maßnahme, die neben dem Kampf gegen Drogenhändler und der Zerstörung unerlaubten Plantagen auch die Finanzierung sozialer Programme und eine Förderung des Friedensprozesses beinhaltet. Vier der geplanten 7,5 Milliarden Dollar will Kolumbien selbst beisteuern. Allerdings räumte Pastrana ein, dass von den 1,3 Milliarden Dollar, die die USA beisteuern wollen, nur knapp 30 Prozent für soziale Programme vorgesehen seien.

Von einigen europäischen Ländern sowie Japan erhielt Kolumbien Zusagen für über insgesamt 871 Millionen Dollar. Die Europäische Union verschob die Entscheidung über ihren Beitrag bisher- vielen ist die militärische Komponente zu ausgeprägt. „Es existiert das Gefühl, dass der Plan ein grundlegend militärischer ist und man uns später bitten wird, das Desaster zu bereinigen, das die US-Amerikaner hinterlassen werden,“ so ein europäischer Diplomat.

Die europäischen Staaten favorisieren – zumindest in offiziellen Stellungsnahmen – soziale Programme und die Entwicklung von Alternativen zum Drogenanbau. Sie widersetzen sich der Militarisierung der Drogenbekämpfung, weil sie befürchten, dass sich damit der Bürgerkrieg weiter verschärfen würde.

Aus Ecuador, das sich 600 Kilometer Grenze mit Kolumbien teilt, ist ebenfalls vehemente Kritik am Plan Colombia zu vernehmen. Wenn die militärischen Operationen zunehmen, so wird befürchtet, könnte der Krieg zu einem regionalen Konflikt zwischen den beiden Staaten eskalieren. Derzeit koordinieren die USA ihre Anti-Drogen-Operationen in einer Militärbasis im ecuadorianischen Manga. Ecuadors Außenminister Heinz Moeller erklärte wiederholt, sein Land werde die Grenze zu Kolumbien verteidigen und in Zukunft stärker überwachen.

Seit zwei Monaten warnt das Hohe Flüchtlings-Kommissariat der Vereinten Nationen davor, dass die Zerstörung des Anbaus im Süden Kolumbiens zur Vertreibung von bis zu 30.000 Menschen führen würde. Die meisten von ihnen wären wahrscheinlich gezwungen, nach Ecuador zu flüchten.

Deutliche Einwände kommen ebenfalls von einer Gruppe von mehr als 50 kolumbianischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie Gewerkschaften. Sie forderten, den Plan Colombia zu revidieren, damit mehr Nachdruck auf die Entwicklung und weniger auf die militärischen Anstrengungen gelegt werden können. Die NGOs protestierten zudem gegen die vom Militär angewendeten Methoden der Ausräucherung und Nutzung von Pilzen, um den illegalen Anbau zu zerstören. Die NGOs unterstrichen, dass die Bauern Kokain lediglich anpflanztenn um ihr Überleben zu sichern.

Die Gegner des Plan Colombia hinterfragen auch die chemischen Vernichtung von Planzungen aus der Luft. Die Nationale Rauschgift Direktion Kolumbiens schätzt, dass der illegale Koka- und Mohnanbau trotz der Zerstörungseinsätze um 33 Prozent gestiegen ist. Diese chemische Vernichtung schadet zudem dem ohnehin angeschlagenen ökologischen System in Kolumbien.

Für das ökologische Desaster werden von staatlichen Stellen die Kokabauern verantwortlich gemacht. Kritiker bestätigen dagegen, dass die Ausräucherung den Umweltschaden nur noch verschlimmern.

 

PERU

Amtsantritt von Präsident Fujimori glanzlos Strassenschlachten in Lima

(Lima, 21. August 2000, na-Poonal).- Die Prophezeiungen für das dritte Mandat von Präsident Alberto Fujimori, wiedergewählter Präsident Perus, sind alles andere als gut. Sie sind geprägt von internationalem Druck, einer tiefen Wirtschaftskrise und Mißtrauen von Seiten der Bevölkerung gegenüber der Regierung.

Nach einem Wahlgeschehnissen, die ständig von Betrugsanklagen und der Kritik internationaler Beobachter begleitet wurden, trat Fujimori sein Amt am 28. Juli an. Die offizielle Zeremonie verlief glanzlos: An ihr nahmen mit Gustavo Noboa aus Ecuador und Hugo Banzer aus Bolivien lediglich zwei der lateinamerikanischen Staatschefs teil. Während dessen gab es von den Regierungsgebäuden blutige Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizei.

Die Mehrheit der Oppositionsabgeordneten zog sich aus dem Kongressaal zu Beginn der Feierlichkeit zurück, während sich Demonstranten und Polizei draußen Straßengefechte lieferten. Sechs Tote, hunderte Verwundete und Verhaftete sowie die Brände in den Sitzen von Nationalbank, Wahlrat, Justizpalast und dem ehemaligen Bildungsministerium waren das Ergebnis eines tragischen Tages.

Zu den Protesten, die über vom 26. Bis 28. Juli auerten und unter dem Motto „Marsch der vier Regionen des alten Inkareiches“ standen, hatte Ex-Präsidentschaftskandidat Alejandro Toledo aufgerufen. Die Demonstranten fordern mehr Demokratie.

Trotz der Hindernisse, die die Behörden in den Weg legten, um die Karawanen aus den Provinzen aufzuhalten, begann der Marsch am 26. Juli mit der Demonstration mehrerer tausend Frauen. Am Folgetag versammelten sich etwa 200.000 Menschen gegenüber dem Justizpalast im Zentrum der Hauptstadt, wo sie schwörten, die Demokratie zu verteidigen.

Am 28. Juli versuchten die Organisatoren des Marsches, auf friedlichem Weg zum Platz des Kongresses und zum Hauptplatz der Stadt zu gelangen, um gegen die Vereidigung von Fujimori zu protestieren. Die Polizei versuchte in den Morgenstunden, den Zug mit Gewalt aufzuhalten. Wenige Zeit später war der starke Polizeigürtel, der das Zentrum Limas umgeben hatte, jedoch verschwunden. Damit waren wichtige Regierungsgebäude schutzlos den Attacken von Randalieren preisgegeben. Während die Organisatoren des Marsches die Regierung anklagen, mit Provokateuren den Demonstationszug infiltriert zu haben, werden die Protestierenden durch die die Regierung terroristischer Akte beschuldigt und mit mit Strafprozessen bedroht.

Die Wähler, die Fujimori 1995 mit einer überwältigenden Mehrheit im Amt bestätigten, äußern sich zunehmend unzufriedener über die Regierunspolitik. In einer von der Nationalen Ingenieursuniversität Ende Juli durchgeführten Umfrage lehnten etwa 60 Prozent der befragten die Maßnahmen des Präsidenten ab. Eine andere Erhebung Mitte August durch das Unternehmen Apoyo ergab eine Zustimmung von 45 Prozent für Fujimori und eine Ablehnung von 47 Prozent.

Die Unzufriedenheit spiegelte sich im ersten Wahlgang am 9. April wider, in dem Fujimoris Koalition „Peru 2000“ nur 52 von 120 Parlamentssitzen errang. Doch in den zwei folgenden Monaten liefen mindestens 18 Abgeordnete der Opposition zur Regierung über und verhalfen ihr so zu der Abgeordnetenmehrheit, die ihr an den Urnen verweigert worden war. Nach Presseberichten hat die Regierung den Seitenwechsel durch Bestechung, Drohungen und Erpressung erreicht. Ein bemerkenswerter Fall ist der des vorherigen Präsidentschaftskandidaten Federico Salas von der Bewegung Avancemos, der jetzt Premierminister des Fujimori-Kabinetts ist. Noch 20 Tage, bervor er den Posten akzeptierte, hatte Salas gegenüber den Medien erklärt: „Ich kann versichern, dass sie mich nicht den Eid für ein Ministeramt ablegen sehen werden.“

In seiner Botschaft an die Nation ging Fujimori nicht darauf ein, dass sich die Hälfte des Landes gegen seine dritte Amtszeit stellt. Er erwähnte weder den Dialog mit der Opposition noch die von der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) genannten Maßnahmen, um die Demokratie in Peru wieder herzustellen. Statt dessen betonte er nachdrücklich, dass „keine Demokratie in der Welt existiert, wo die Minderheiten regieren. Und noch viel weniger, dass die Nicht-Gewählten regieren oder die Abgeordnetenkandidaten, die eine minimale Zahl von Wählerstimmen erhalten haben“.

Wenig Selbstkritik war ebenso bezüglich eines Wirtschaftsmodelles der Regierung zu vernehmen, das das Land zerstört hat. Genausowenig machte der Präsident Vorschläge, wie die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten überwunden werden könne, die etwa die Hälfte der 24 Millionen Peruaner der Armut überlässt, Neun Prozent der peruanischen Bevölkerung sind Statistiken zu Folge völlig arbeitslos und 54 Prozent unterbeschäftigt.

Fujimorie ernannte ein weiteres Mal Carlos Boloña zum Wirtschaftsminister, der bereits für die Durchsetzung des Strukturanpassungsprogramms an die Vorgaben des Weltwirtschaftfonds in den Jahren 1991/92 verantwortlich war.

Das Militär spielt für die Machtsicherung des Präsidenten eine bedeutende Rolle. Für den Analysten Fernando Rospigliosi ist das Bündnis von Fujjmori mit den Streitkräften – die ihn mit ihrer Tradition brechend einen Monat vor dem Amtseid anerkannten – die Stütze seiner Regierung. „Die Militärspitze sendet allen Zeichen, die sie verstehen wollen, dass sie die Manager der Macht in Peru sind“, versichert Rospigliosi. Nach den gewalttätigen Ereignissen fand die traditionelle Militärparade vom 29. Juli im Hauptquartier des Heeres statt. Fujimori war lediglich von seinen Vasallen Geschäftspartnern von Beginn an umgeben: den Militärs.

Wenn die Opposition nun auch ein stärkeres Profil als in den vergangenen Jahren hat, so stimmen viele Beobachter darin überein, dass es ihr an Organisation und ideologischer Grundlage fehlt. Trotz der Versuche der Fujimoristas, ihn nach den Vorkommnissen vom 28. Juli als Terroristen zu präsentieren, konnte Toledo seine Position als Oppositionsführer aufrecht erhalten. Dennoch sind sich die Mitglieder der Opposition nicht einig, in welcher Form es nun weitergehen soll. Einige fordern die Neuorganisation der politischen Parteien, während andere mit den öffentlichen Protesten fort fahren wollen.

„Mit Einrichtungen wie dem Justizwesen, dem Kongress, der Staatsanwaltschaft, die völlig vereinnahmt sind, bleibt der Bürgerschaft und der Opposition als einziger Weg, ihre Unzufriedenheit zu zeigen, die Straße“, meint Rospigliosi. „Die Demonstrationen müssen zu bestimmten, dezentralisierten Forderungen wirtschaftlicher, politischer Art übergehen. Es müssen Verteidigungsbündnisse gebildet, Bürgermobilisierungen einberufen werden. Es macht keinen Sinn, auf die Bildung politischer Parteien zu warten, um einen geordneten Übergang vorzubereiten. Solange Fujimori und Montesinos (die Rechte Hand Fujimoris, Anm.d.R.) an der Macht sind, werden sie die Konsolidierung irgendeiner demokratischen politischen Organisation nicht zulassen.“

Der ehemalige Abgeordnete Javier Diez Canseco sprach sich in der Tageszeitung „La República“ für die Bildung eines Nationalen Bündnisses für die Demokratie aus, „das eine Regierungsalternative garantiert, die das Land für den demokratischen Übergang fordert“.

Unterdessen kam am 8. August die OEA-Kommission mit Generalsekretär César Gaviria und dem dominikanischen Außenminister Eduardo Latorre in Lima an, um das ständige Büro zu eröffnen, das den Dialog zwischen Regierung und Opposition überwachen soll. Dieser Dialog, der mit dem 21. August begann, wird sich auf die 29 Punkte konzentrieren, die die OEA Ende Juni vorschlug. Zu fünf Themen werden Gruppen gebildet: Unabhängigkeit der Judikative; Balance zwischen Menschenrechten und Sicherheit; Meinungsfreiheit und Kommunikationsmedien; Wahlreform, staatliche Kontrolle und Gleichgewicht der Staatsgewalten. Hinzu kommt der Punkt der Stärkung der Demokratie, was die zivile Überwachung der Geheimdienste einschließt.

Gaviria hat dazu aufgerufen, Vereinbarungen zu treffen und die vorherrschende Polarisierung im Land zu überwinden. Er gestand aber auch ein, dass die Regierung nicht die notwendigen demokratischen Signale ausgesandt habe, was zur Beeinträchtigung ihrer Glaubwürdigkeit beitrug. Die Zeichen stehen schlecht für dieses dritte Mandat von Fujimori. Selbst wenn die OEA Fortschritte sieht, wagen einige die Prognose, Fujimori werde seine fünfjährige Amtszeit nicht bis zum Ende durchhalten. Eine der Teilnehmerinnen des Protestmarsches sagt Fujimoris Präsidentschaft ein baldiges Ende voraus: „Ich gebe ihm keine anderthalb Jahre. Und er wird wissen, dass die Dinge alles andere als gut für ihn in dieser erzwungenen dritten Periode laufen. Seine Verzweiflung, als sie ihm das Präsidentenband am 28. Juli verkehrt herum umlegten, werde ich nie vergessen. Das ist wie ein Vorzeichen, dass sich die Tortilla wenden wird.“

 

 

   

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