Poonal Nr. 408

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 408 vom 12. November 1999

Inhalt


GUATEMALA

MEXIKO

VENEZUELA

BRASILIEN

LATEINAMERIKA

ARGENTINIEN

URUGUAY

CHILE

NICARAGUA

KOLUMBIEN

PERU

PUERTO RICO

HAITI

KUBA


GUATEMALA

Rechtsradikale FRG gewinnt absolute Mehrheit bei Parlamentswahl

Präsidentschaftskandidat Portillo verfehlt Sieg im ersten Wahlgang

Von Gerardo Herrero

(Mexiko-Stadt, 10. November 1999, npl).- Das bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas wird mit großer Wahrscheinlichkeit künftig von einem ultrarechten Präsidenten regiert. Alfonso Portillo von der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) fehlten am vergangenen Sonntag nur 2,2 Prozent der abgegebenen Stimmen, um bereits direkt ins oberste Amt des Staates gewählt zu werden. Selbst die Unterstützung aller anderen Parteien für den Gegenkandidaten Oscar Berger von der noch regierenden konservativen Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) wird Portillos Triumph in der Stichwahl am 26. Dezember kaum verhindern können.

Berger kam auf gerade 30 Prozent der Stimmen in der ersten Wahl nach dem Ende des 1996 geschlossenen Friedensabkommens, das 36 Jahre internen Krieg in Guatemala beendete. Die Hoffnung des acht Jahre lang als Bürgermeister der Hauptstadt amtierenden Politikers währte nur solange, wie ausschließlich die Resultate aus der Hauptstadt bekannt waren. Dort lagen PAN und FRG gleichauf. Auch dem Land jedoch war der Vorsprung der FRG haushoch. Alvaro Colom vom Mitte-Linksbündnis Bündnis Neue Nation (ANN) konnte als Drittplazierter einen Achtungserfolg verbuchen. Das Resultat von 11,6 Prozent hatten ihm die meisten Beobachter nicht zugetraut. Im ANN ist auch die frühere Guerillabewegung URNG vertreten.

Im Parlament hat die rechtsradikale FRG ihr Ziel bereits erreicht. Mit 64 von von 113 Mandaten verfügt sie über eine sichere absolute Mehrheit. PAN und ANN erreichten 37 beziehungsweise 10 Sitze. Damit hat sich das politische System Guatemalas praktisch auf drei Parteien reduziert. Unter den neuen Abgeordneten der FRG werden sich mehrere Militärs befinden, die sich in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen zu Schulden kommen ließen.

Prominentester Abgeordneter und möglicherweise bald Vorsitzender im guatemaltekischen Parlament ist der ehemalige Diktator und Massenmörder General Efrain Rios Montt. Montt, der als eigentlicher Kopf der FRG gilt, putschte sich Anfang 1982 für eineinhalb Jahre an die Macht. In dieser Zeit machte er sich mit der Politik der verbrannten Erde einen berüchtigten Namen. Im Rahmen der Aufstandsbekämpfung verschwanden innerhalb kurzer Zeit 400 Dörfer vom Erdboden, mehrere zehntausend Menschen, überwiegend Indigenas, wurden ermordet und Hunderttausende flohen aus ihren Heimatgebieten.

Viele Beobachter rätseln, wieso trotz der schmutzigen Vergangenheit vieler FRG-Mitglieder die Menschen massenhaft zu dieser Partei liefen. Ihr Präsidentschaftskandidat erhielt knapp über eine Million Stimmen, Dreihunderttausend mehr als jeder andere der bisher gewählten Präsidenten. Die Wahlbeteiligung war für guatemaltekische Verhältnisse überraschend hoch. Von den viereinhalb Millionen Wahlberechtigten ging über die Hälfte zu den Urnen. Dies legitimiert die FRG und Portillo noch stärker als erwartet.

Die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu äußerte sich noch am Wahlsonntag „sehr besorgt“ über einen möglichen Sieg Portillos. Das könne die fortwährende Straffreiheit für die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges bedeuten. Zwar hat Portillo vor den Wahlen erklärt, die Vereinbarungen des Friedensabkommens von 1996 respektieren zu wollen, doch niemand weiß, ob er sich daran halten wird. Er kann sich darauf berufen, dass bei einer Volksbefragung in der ersten Jahreshälfte eine Mehrheit der Abstimmenden Verfassungsreformen ablehnte, die die Friedensvereinbarungen vorgesehen hatten. Damals lag die Beteiligung allerdings unter 20 Prozent.

Für die Partei des Nationalen Fortschritts und ihren Kandidaten Oscar Berger ist das Ergebnis verheerend. Die PAN war bisher die klar dominierende Partei im Parlament vor der FRG. Der amtierende Präsident Alvaro Arzu hatte noch vor vier Jahren Alfonso Portillo in einer Stichwahl äußerst knapp besiegen können, weil er die Unterstützung aller moderaten politischen Kräfte bekam. Nun kann der wahrscheinlich selbst das nicht mehr helfen. Das Land wird wohl in den Händen eines Mannes sein, der aus dem zugegebenen Mord an zwei Mexikanern vor 17 Jahren – Portillo spricht von Notwehr – im Wahlkampf erfolgreich Kapital schlug: So wie er sich verteidigt habe, sei er bereit, „alle Guatemalteken zu verteidigen“, verkündete Portillo. Die Mehrheit der Guatemalteken hat es offenbar nicht anders gewollt.

Alfonso Portillo: Polit-Chamäleon mit gewalttätiger Vergangenheit

Von Paul Jeffrey

(Guatemala-Stadt, 9. November 1999, na-Poonal).- Der Favorit für die Präsidentenstichwahl in Guatemala heißt Alfonso Portillo. Dass er einst zwei Männer in Mexiko umbrachte, ist für den Kandidaten der rechtsextremen Republikanischen Front Guatemalas (FRG) kein Hindernis. Im Gegenteil: Die Tat könnte sein Profil als neuer starker Mann des Landes schärfen.

Noch heute ist unklar, unter welchen Umständen Alfonso Portillo vor 17 Jahren sich zweier politischer Gegner entledigte. Nach Zeugenaussagen zog er unerwartet ein Pistole und schoß aus nächster Nähe. Der mexikanischen Justiz entzog er sich erfolgreich, so dass die Tat heute als verjährt gilt. Dass er sie begangen hat, gibt Alfonso Portillo unumwunden zu – er habe aus Notwehr geschossen, sagt er.

Portillo kam 1971 zum Jurastudium nach Mexiko, später erhielt er eine Professur an der Universität im mexikanischen Bundesstaat Guerrero. Nur knapp scheiterte sein Versuch, das Amt des Dekans anzutreten. Doch auch politischen Ziele verfolgte er: Portillo arbeitete mit der linken Guerilla URNG (Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas) zusammen.

Erst Ende der achtziger Jahre kehrte Portillo nach Guatemala zurück. Seine politische Anschauung hatte sich inzwischen verändert: Er wurde Mitglied der Christdemokratischen Partei und eroberte bei den Wahlen 1990 einen Sitz im Kongress.

Die nächste Station auf dem Weg zum Präsidentschaftskandidaten war abermals ein Parteiwechsel: Diesmal wechselte der machthunrige Jurist zu der von General Efrain Rios Montt gegründeten, rechtsradikalen FRG. Rios Montt hatte sich 1982 an die Macht putschte und eine Diktatur errichtet, unter der die schwersten Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Montt gilt als entschiedener Gegner des Friedensprozesses, der den 36 Jahre währenden Bürgerkrieges beendete. Die im Umfeld der FRG operierenden ehemaligen „Zivilpatrouillen“ drohten bereits damit, nach dem Sieg Portillos alle Menschenrechtsaktivisten umzubringen.

Über die eigentlichen Ziele von Alfonso Portillo wird spekuliert: „Der populäre Portillo ist ein Vehikel für die FRG, um an die Macht zu kommen“, meint der renommierte Journalist Mathew Creelman. „Andererseits ist die FRG das Vehikel für Portillo, um Präsident zu werden. Sollten die Wahl gewonnen werden, könnten diese beiden Vehikel schnell miteinander kollidieren.“

Sicherheit, Disziplin sowie Kampf gegen Kriminalität und Armut haben sich FRG und Alfonso Portillo auf die Fahnen geschrieben. Ein Bekenntnis zu den Menschenrechten fehlt. So wird insbesondere im Ausland befürchtet, dass ein Präsident namens Portillo den labilen Friedensprozess eher bremsen als befördern wird. Nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Rechtsruck in dem mittelamerikanischen Land auch wieder zu Waffengewalt führen wird.

MEXIKO

Ex-Innenminsiter Labastida wird Präsidentschaftskandidat der PRI

Mann des Systems“ siegt bei umstrittenen Vorwahlen

Von Boris Kanzleiter

(Mexiko-Stadt, 8. November 1999, Poonal).- „Heute ist der Beginn einer Ära von Veränderungen. Heute wird mit der Hilfe von Millionen Mexikanern, die Mexiko wandeln wollen, eine neue Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) geboren“, erklärte Francisco Labastida, der neue Präsidentschaftskandidat der regierenden PRI in der Nacht auf Montag vor jubelnden Anhängern in Mexiko-Stadt. Wenig später wurden die Hochrechnungen offiziell bestätigt. Labastida gewann in 272 von 300 Wahlbezirke. Sein schärfster Widersacher, Roberto Madrazo, konnte nur 21 Bezirke für sich entscheiden. Die Mexikaner hatte zum ersten Mal die Möglichkeit den Kanidaten der PRI in einer Art Volksabstimmung zu wählen, nachdem er zuvor in einer einsamen Entscheidung immer vom amtierenden Präsidenten bestimmt worden war. Mit den Vorwahlen wollte die PRI ihren Willen zur Demokratisierung des Landes demonstrieren.

Mexiko wird seit 70 Jahren von der PRI regiert, die damit weltweit den Rekord hält. Francisco Labastida soll nun dafür sorgen, dass dies nach den am 2. Juli nächsten Jahres stattfindenden Präsidentschaftswahlen für weitere sechs Jahre so bleibt. Bereits in den ersten Erklärungen, die der 57-jährige Ökonom am Wahlabend machte, klang an, wie er diese schwierige Aufgabe meistern will. „Die neue PRI möchte wieder dem Volk dienen“, sagte Labastida in einer Ansprache. „Wir müssen die wichtigsten Feinde Mexikos bekämpfen, die Armut und die Korruption.“ Mit diesem Tonfall knüpft er an seinen Wahlkampf an, in dem er den „brutalen Neoliberalismus“ der letzten Jahre kritisierte, der in Mexiko die Kluft zwischen arm und reich immer weiter auseinanderklaffen läßt. Obwohl Labastida von seinen parteiinternen Konkurrenten und kritischen Kommentatoren stets als „Mann des Systems“ bezeichnet wurde, versucht er mit der Thematisierung der offensichtlichen sozialen Probleme Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen.

Dass Labastida tatsächlich alles andere als ein Dissident der PRI ist, zeigt sein Lebenslauf. Er wurde im nördlichen Bundesstaat Sinaloa geboren, wo er bereits als Jugendlcher seine politische Karriere in der PRI begann, die ihn zunächst bis zum Gouverneursamt seines Heimatstaates führte. Unter Präsident Miguel De la Madrid, der Mexiko von 1982 bis 1988 regierte, und das Land auf den Weg der neoliberalen Modernisierung führte, schaffte er den Sprung auf die nationale politische Bühne. Als Minister für Energie, Minen und die verstaatlichte Industrie war Labastida für den Beginn der Privatisierungspolitik verantwortlich, die bis heute anhält. In den folgenden sechs Jahren unter Präsident Carlos Salinas folgte mit der Übernahme des Botschafterpostens in Portugal ein erster Knick in seiner Karriere. Nach dem Wahlsieg des amtierenden Präsidenten Ernesto Zedillo 1994 stieg er allerdings wieder ins Kabinett auf und wurde zuerst Landwirtschaftsminister und dann Innenminister.

Als Innenminister wird Labastida unter anderem für die Blockade des Friedensprozesses im südlichen Bundesstaat Chiapas verantwortlich gemacht. Dort stehen sich seit sechs Jahren die indianische Guerilla der Zapatistas und die Bundesarmee gegenüber. Alle Versuche den Konflikt auf dem Weg des Dialogs zu lösen, sind bisher gescheitert. In der Öffentlichkeit versucht sich Labastida als treusorgender Familienvater von vier Kindern und vertrauensvoller, volksnaher Politiker ohne persönliche Interessen an Reichtum und Macht zu präsentieren. „Ich bin bekannt dafür, dass ich ein ehrlicher Mensch bin und das sage ich mit großem Stolz“, sagte er kürzlich vor Journalisten.

Genau das wurde allerdings während der Wahlkampagne von seinen parteiinternen Gegenspielern permanent in Frage gestellt. Insbesondere sein stärkster Rivale, der ehemalige Gouverneur von Tabasco, Roberto Madrazo, beschuldigte ihn in einer aggressiven Kampagne, mit den „alten Methoden der PRI“ zu arbeiten, Stimmen zu kaufen und die Wahlen mit Hilfe des Parteiapparates zu manipulieren. Bis zur ersten öffentlichen Stellungnahme Madrazos wurde befürchtet, er könne die Legitimität des gesamten Wahlprozess, an dem alle wahlberechtigten Mexikaner teilnehmen durften, in Frage stellen und somit die Partei spalten. Die erste Reaktion Madrazos war allerdings den Vorsprung Labastidas einzuräumen, was vermuten läßt, dass er nicht auf eine Konfrontation setzt.

Labastida wird sich nun in einem langen Wahlkampf gegen seine Rivalen Vicente Fox von der rechtsgerichteten Partei der Nationalen Aktion (PAN) und den ehemaligen Bürgermeister von Mexiko-Stadt Cuauhtémoc Cárdenas von der linksgerichteten Partei der Demokratischen Revolution (PRD) durchsetzten müssen. Da ein angestrebtes Oppositionsbündnis mittlerweile an unüberbrückbaren Widersprüchen gescheitert ist und die PRI dagegen mit ihrem gewaltigen Parteiapparat, der ungeschminkten Unterstützung durch die Massenmedien, mit fast unerschöpflichen finanziellen Möglichkeiten ausgestattet und darüberhinaus geeint antreten wird, hat Labastida gut Chancen der nächste Präsident Mexikos zu werden. Sein Wahlspruch von der „neuen PRI“ ist damit der beste Gewähr dafür, dass in Mexiko alles so bleibt, wie es ist.

Führer der Schuldnerbewegung „El Barzon“ von Polizisten verletzt

(Guadalajara, 5. November 1999, pulsar-Poonal).- Der mexikanische Oppositionsabgeordnete und Anführer der Schulderbewegung „El Barzon“, Maximiliano Barbosa, ist während eines Protestmarsches schwer verletzt worden. Die Polizei der Stadt Guadalajara schlug so heftig auf Barbosa ein, dass er mehrere Brüche und innere Verletzungen erlitt. Sein Zustand ist nach ärztlichen Angaben jedoch stabil. Ein weiteres Mitglied von El Barzon liegt nach der Polizeiattacke im Koma. „El Barzon“ wollte im Zentrum von Guadalajara, mit über vier Millionen Einwohnern nach Mexiko-Stadt die zweitgrößte Metropole des Landes, gegen die hohen Bankzinsen protestieren, die viele Mitglieder der Organisation in den finanziellen Ruin getrieben haben. Guadalajara ist die Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco der von der konservativen Oppositionspartei PAN regiert wird. Barbosa und die Mehrheit der Barzon-Mitglieder stehen der linksgemäßigten PRD nahe.

VENEZUELA

Verfassungsgebende Versammlung weitet Religionsfreiheit aus

(Caracas, 27. Oktober 1999, alc/sepch-Poonal).- Nach einem Gespräch mit Vertretern evangelischer Kirchen und Organisationen hat die venezolanische Nationalversammlung drei neue Grundsatzartikel verabschiedet, die die Entfaltungsmöglichkeiten der Religionsgemeinschaften in dem südamerikanischen Land erweitern. Die neuen Artikel 60, 61 y 62 der überarbeiteten Verfassung beinhalten folgendes:

Der Staat garantiert die Freiheit von Gottesdienst und Religion. Jede Person hat die Freiheit, privat oder in der Öffentlichkeit seinen Glauben zu bezeugen, soweit dieses Zeugnis nicht mit anderen Gesetzen, den guten Sitten oder der öffentlichen Ordnung in Konflikt steht. Die Unabängigkeit der Glaubensgemeinschaften wird gewährleistet. Eltern können für ihre Kinder Religionsunterricht gemäß eigener Glaubensüberzeugung beanspruchen. Niemand hat das Recht, auf der Grundlage eigener religiöser Vorstellungen und Bestimmungen andere in der Ausübung ihrer Religion zu behindern. (Art. 60)

Die Privatsphäre wird geschützt; die Religionszugehörigkeit ist Privatsache, soweit nicht öffentliche Interessen berührt sind. (Art. 61)

Jeder hat das Recht auf Gewissensfreiheit, soweit deren Ausübung derselben andere Personen nicht schädigt, keine Gesetzesübertretung darstellt und nicht an der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten hindert. (Art. 62)

Venezuela folgt damit einem gegenwärtigen Trend in der Gesetzgebung lateinamerikanischer Staaten, der die traditionelle Sonderstellung der römisch-katholischen Kirchen weiter relativiert. Ein wesentlicher Grund für diese Veränderungen ist die weiter steigende Mitgliederzahl in verschiedensten evangelischen Kirchen in den Ländern des Subkontinentes.

BRASILIEN

„Kulturzertifikat“ für Indigenas

(Brasilia, 4. November 1999, alc-Poonal).- Der Grad der „Kulturisierung“ der brasilianischen Indigenas soll künftig mit einem Zertifikat beurteilt werden. Ein hoher „Kulturgrad“, der mit weitgehender Integration in die brasilianische Gesellschaft gleichgesetzt wird, soll den Indigenas das Recht auf eigene Territorien absprechen. Die Steuerkommission des Kongresses, die aufgrund eines Antrages des Bundesabgeordneten Antonio Feijao gegen die Nationale Indigenabehörde (FUNAI) ermittelt, hat den entsprechenden Vorschlag von Feijao bereits gutgeheißen. Sie soll zuerst auf die Indigenas im Reservat Raposa-Serra do Sol im Bundesstaat Roraima angewant werden, wo es einen Konflikt mit den Behörden über die Grenzziehung gibt.

Der Indigenamissionsrat (CIMI) der katholischen Kirche bezeichnet die Idee des Abgeordneten von der Sozialdemokratischen Partei als „rassistisch und diskriminierend“. Dieser beabsichtige, den überholten Gedanken von der „Eingliederung der Indios“ in die nationale Gemeinschaft neu zu belebten, der in der brasilianischen Verfassung 1988 durch den Respekt gegenüber der ethnischen und kulturellen Vielfalt der Indigenavölker ersetzt wurde. Dahinter steht laut CIMI das Motiv, die als „integriert“ eingestuften Völker vom Recht auf eigene Böden auszuschließen bzw. ihre Territorien zu reduzieren. Wenn auch der Kontakt mit der umgebenden Kultur einige Bräuche der Indigenavölker modifiziert habe, so könne ihnen doch verweigert werden, eine eigene soziale Organisatierung und Gebräuche, Sprache, Weltanschauungen und Traditionen zu haben, die sich von den übrigen Gesellschaftteilnehmern unterschieden, meint der CIMI in einer Stellungnahme.

Die Tuxaua-Indios aus Raposa-Serra do Sol klagen, viele Parlamentarier und besonders die aus dem Bundesstaat Roraima würden aus Eigeninteresse handeln. Viele hätten wirtschaftliche Interessen in den Gebieten der Indigenas. In diesem Sinne hat der Abgeordnete Pedro Wilson von der Arbeiterpartei (PT) das Justizministerium aufgefordert, eine Liste derjenigen Kolleg*innen vorzulegen, die mit Unternehmen verbunden sind, die Boden- und Minenschätze in Indigena-Territorien ausbeuten.

LATEINAMERIKA

Erfolg für Indigenas im Patentstreit

(Madrid, 8. November 1999, pulsar-Poonal).- Indigena- Organisationen aus neun amerikanischen Ländern haben erreicht, dass das Patent- und Handelsbüro der USA die unter dem Namen „Ayahuasca“ bekannte Kletterpflanze aus ihrem Patentregister strich. Mit dieser Entscheidung endete vorläufig ein langer 1986 begonnener Streit, als der US-Bürger Loren Miller die Ayahuasca patentieren ließ. Miller ist Eigentümer der Labors der Internacional Plant Medicine Corporation, mit Sitz in Kalifornien.

Das Patentbüro begründete seinen Beschluss damit, die Pflanze, deren wissenschaftlicher Name Banisteriopsis Caapi ist, bereits vor 1986 in zahlreichen Publikationen erwähnt wurde. Die Koordination der Indigena-Organisationen des Amazonasbeckens, das Amazonasbündnis für die Indigena-Völker und die Anwält*innen des Internationalen Zentrums für Umweltrecht, hatten im März dieses Jahres Klage gegen das Patent eingereicht, nachdem vorherige Proteste erfolglos geblieben waren.

Die Ayahuasca wächst wild in tropischen Gebieten und wird von mehr als 400 Gemeinden in Ecuador, Kolumbien und Brasilien sowohl zu medizinischen wie auch religiösen Zwecken benutzt. Unter anderem wird mit Hilfe der Pflanze das Halluzinationen hervorrufende Getränk „Yage“ hergestellt. In der Quechua-Sprache bedeutet Ayahuasca „Wein der Seelen“ oder „Wein der Toten“.

Antonio Jacanamijoy, Sprecher der Koordination der Indigena- Organisationen, drückt seine Befriedigung über die Entscheidung in den USA aus. „Unsere Schamanen und Alten waren sehr besorgt wegen der Konsequenzen, die das Patent hätte haben können.“ Der Beschluss des Patentbüros der USA ist ein Präzedenzfall. Der Versuch, sich per Patent das Recht über ein Naturgut anzueignen, hat jetzt etwas weniger Erfolgsaussichten.

ARGENTINIEN

Spanische Haftbefehle gegen Diktaturschergen entzweien Argentinien

Auslieferungsgesuch würde neue Regierung vor Zerreißprobe stellen

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, 9. November 1999, npl).- Das „Pinochet-Phänomen“, das seit über einem Jahr alle politischen Debatten in Chile dominiert, hat nun auch das Nachbarland Argentinien erreicht. Die Haftbefehle, die der spanische Richter Baltasar Garzon vergangene Woche gegen fast einhundert argentinische Militärs erließ, überschatten bereits jetzt den Regierungswechsel und haben eine neue Debatte über die Vergangenheit des südamerikanischen Landes heraufbeschwört. Am 10. Dezember wird der frisch gewählte Sozialdemokrat Fernando De la Rua, in dessen Mitte-Links-Allianz viele Menschenrechtler vertreten sind, das Präsidentenamt vom konservativen Carlos Menem übernehmen, der zu Beginn seiner Amtszeit eigenhändig alle verurteilten Militärs amnestierte.

Die internationalen Haftbefehle richten sich gegen 98 hohe Militärs, denen Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter der argentinischen Diktatur (1976-1983) vorgeworfen wird. Unter ihnen befinden sich zwei Ex-Diktatoren, zehn Juntamitglieder, aber auch aktive Politiker wie Domingo Bussi, der bis vor kurzem noch die Provinz Tucuman regierte und jetzt zum Abgeordneten gewählt wurde. Alle Betroffenen können ihr Land nicht mehr verlassen, da Interpol angewiesen ist, sie festzunehmen.

Völlig unklar ist, wie die argentinische Politik auf diese Einmischung einer ausländischen Justiz reagieren wird. Nur zwei Dinge sind sicher: Der scheidende Menem lehnt nach wie vor strikt ab, dass sich die Gerichte mit den Fällen beschäftigt und meint schadenfroh, dass er „diese Arbeit der kommenden Regierung überlassen“ werde. Dies freilich ist unvermeidlich, da das Auslieferungsersuchen von Garzon erst nach dem Amtswechsel in Buenos Aires eingehen wird.

Ebenfalls sicher ist, dass De la Rua den Fall dazu nutzen wird, sich von seinem Vorgänger zu distanzieren: Er wird das Gesuch an die Justiz weiterleiten, um zu zeigen, dass er im Gegensatz zu Menem die Gewaltenteilung respektiert. Ricardo Gil Lavedra, designierter Justizminister, bestätigte diese Haltung der neuen Regierung inzwischen vor der Presse.

Dennoch, sollte sich Garzon gegen die eigene Staatsanwaltschaft durchsetzen, die wie im Fall Pinochet ein Auslieferungsverfahren blockieren will, steht die neue Regierungskoalition vor einer Zerreißprobe. Sieben Abgeordnete des kleineren Partner Frepaso forderten bereits die „Einhaltung der internationalen Verträge und die Festnahme und Auslieferung der Angeklagten“. Ex-Präsident Raul Alfonsin von De la Ruas UCR hingegen bezeichnete das Anliegen Garzons als „absolut unverständlich“. Zudem werde gegen mehrere Beschuldigte bereits in Argentinien wegen Kindesentführung ermittelt.

Und die unmittelbar Betroffenen stehen sich unversöhnlich gegenüber: „Mit den Haftbefehlen werden wir wieder zur Kolonie gemacht,“ polterte der Diktaturscherge Luciano Benjamin Menendez, der zum inoffiziellen Sprecher der 98 Beschuldigten avanciert ist. Alle Argentinier sollten etwas dagegen unternehmen, forderte Menendez. Angehörige der Diktaturopfer kündigten ihrerseits an, den öffentlichen Druck zu erhöhen, um „endlich die Straffreiheit für die Staatsterroristen zu beenden“.

Der neue Präsident am Rio de La Plata befindet sich in der gleichen Zwickmühle wie Präsident Eduardo Frei jenseits der Anden: Eine Mehrheit der Argentinier würde zwar einer juristischen Aufarbeitung der Verbrechen zustimmen, doch nicht auf Betreiben ausländischer Instanzen. Der Ausweg eines Verfahrens im Inland hingegen würde am Druck reaktionärer Kreise und einer korrupten Gerichtsbarkeit scheitern.

URUGUAY

Ex-Guerilleros mit Senatswürden

(Montevideo, 2. November 1999, comcosur-Poonal).- Infolge der guten Wahlresultate, die das Oppositionsbündnis Frente Amplio (FA) am 31. Oktober zur stärksten Kraft im Parlament machten, werden künftig zwei ehemalige Guerilleros im uruguayischen Senat sitzen. Es handelt sich um José „Pepe“ Mujica und Eleuterio „Nato“ Fernández Huidobro, die vor fast 30 Jahren die Stadtguerilla der Nationalen Befreiuungsbewegung (Tupamaros) in dem südamerikanischen Land anführten.

Die Bewegung wurde bereits 1972 militärisch geschlagen. Dies erleichterte ein knappes Jahr später den zivil-militärischen Putsch vom Juni 1973. Die damals inhaftierten Tupamaros – unter ihnen Mujica und Huidobro – wurden als eine Art Geiseln in Militärkasernen verlegt. Dort blieben sie in Isolationshaft und unter schrecklichen Haftbedingungen bis zur Rückkehr zur Demokratie mit zivilen Regierungen im Jahr 1985.

Die Nationale Befreiungsbewegung entschloss sich damals für den legalen politischen Kampf und wurde nach heftigen Diskussionen als Mitglied im Frente Amplio aufgenommen. Innerhalb des Bündnisses eine Minderheit am linken Rand, konnten die Ex-Tupamaros zusammen mit anderen linken Kräften auf einer gemeinsamen Liste ihre politische Präsenz von Wahl zu Wahl steigern. Dieses Mal erreichten sie neben den zwei Senatssitzen noch vier Abgeordnetenmandate.

CHILE

Colonia Dignidad erneut durchsucht

(Santiago, 29. Oktober 1999, comcosur-Poonal).- Die chilenische Polizei hat ein weiteres Mal die berüchtigte von deutschstämmigen Personen bewohnte Siedlung Dignidad durchsucht. Drei Tage lang wurde nach den Spuren unter der Diktatur verschwundener Oppositioneller und dem Verbleib des flüchtigen Paul Schäfer gefahndet, der die Siedlung aufbaute. Der Durchsuchungsbefehl kam von dem Richter Juan Guzmán, der in 50 Fällen von Menschenrechtsverletzungen gegen den früheren Diktator Augusto Pinochet ermittelt. Überlebende haben wiederholt erklärt, dass sie in einem Gebäude auf dem Gelände der Colonia Dignidad festgehalten wurden.

NICARAGUA

Atlantik-Bewohner fordern Legalisierung ihrer Landrechte

(Managua, 5. November 1999, pulsar-Poonal).- Die Autoritäten von 82 Gemeinden an der nördlichen Atlantikküste kamen in die Hauptstadt Managua, um von Präsident Arnoldo Aleman die Legalisierung ihrer historischen Rechte auf „Gemeindeländereien“ einzufordern. Sie wiederholten ihre Entschlossenheit, sich gegen transnationale Holz- und Minenunternehmen auf ihrem Gebiet zu wehren. Dafür bräuchten sie aber den Rückhalt des Gesetzes. Insgesamt geht es um eine Zone von 8.000 Quadratkilometern, die auch das Bioreservat Bosawas umfassen. Die Gemeinden, in denen in großer Mehrzahl Indigenas leben, fordern, dass ihr Land als Indigena-Territorium anerkannt wird. Ihrer Sprecher Marco Martínez beklagt, dass sowohl Nicht-Regierungsorganisationen wie auch die Regierung von dem Reservat sprechen, als ob dort nur Wald existieren würde. „Die Gemeinden wollen als solche anerkannt werden und nicht weil Bosawas zum Schutzgebiet erklärt wird.“

KOLUMBIEN

FARC dementiert Einfluss in Boliven

(Bogota, 8. November 1999, pulsar-Poonal). Die größte kolumbianische Guerilla-Organisation FARC hat kategorisch abgestritten, auf dem Territorium des Nachbarlandes Bolivien präsent zu sein. In der vergangenen Woche hatte der bolivianische Außenminister Walter Guiteras während eines USA-Besuches in Washington versichert, die Guerilla rekrutiere Kämpfer, um sie in Kolombien auszubilden und danach den Aufstand in Bolivien einzuleiten. Die FARC fordern von der Regierung unter Präsident Hugo Banzer Beweise, die seine Behauptungen unterstreichen. Ihre Politik sei es, in keinem lateinamerikanischen Land außerhalb Kolumbiens aktiv zu sein.

Die bolivianische Presse reagierte gegenüber den Äußerungen der eigenen Regierung skeptisch. Schließlich befand sich der Außenminister in den USA, um eine Erhöhung der Mittel für die Drogenbekämpfung zu verhandeln und Washington hat die FARC stets als „Narco-Guerilla“ bezeichnet. Selbst vom eigenen Kollegen bekam Guiteras keine Unterstützung. Verteidigungsminister Jorge Crespo sagte, er könne die Aussagen von Guiteras weder bestätigen noch dementieren. Die Regierungshaltung ist nun, es handele sich um „noch nicht verifizierte Information“.

Gewalttätig wie nie zuvor

(Bogota, 27. Oktober 1999, ac-Poonal).- Nach einem Bericht der Ombudsstelle ist 1999 das bisher blutigste Jahr in Kolumbien. Bis September wurden 289 Massaker registriert. In einem Inserat in der Zeitung El Tiempo veröffentlichte das Verteidigungsministerium seine eigenen Zahlen, wonach die Guerilla für den Tod von 701 Menschen und die paramilitärischen „Selbstverteidigungsgruppen“ für den Tod von 577 Personen verantwortlich seien. Die Zahlen der Ombudsstelle zeichnen ein etwas anderes Bild. Die Einrichtung spricht von 1.357 Ermordeten bei Massakern im Verlauf von 1999. Sie macht die Paramilitärs für 103, die Guerilla für 50, unbekannte Gruppen für 26 und die Armee für 5 Massaker verantwortlich. Durchschnittlich wurde 1999 täglich ein Massaker verübt. Der gewalttätigste Monat war September mit 38 Massakern. Die am meisten betroffenen Provinzen sind: Antioquia (76 Massaker), Nordsantander (28), Valle del Cauca (20), Bolivar (17), Cesar (16) und Cauca (11).

PERU

Indígenas vom Frieden mit Ecuador ausgeschlossen

Von Jorge Garcia

(Lima, Oktober 1999, na-Poonal) Das Ende der über ein halbes Jahrhundert lang anhaltenden Grenzstreitigkeiten zwischen Peru und Ecuador hat die Lage der lokalen indigenen Gemeinschaften nicht verbessert. „Wir haben größere Probleme als zuvor“, sagt Gil Inoach Shawit, Sprecher der Aguaruna und Präsident der Interethnischen Vereinigung für die Entwicklung der Region des peruanischen Regenwalds (AIDESEP).

Etwa 70.000 Aguaruna und Huambisa, die in 180 Gemeinden in der Provinz Condorcanqui in der Amazonasprovinz an der Grenze zu Ecuador leben, waren von den jahrelangen Grenzkonflikten am stärksten betroffen. Ihr Gebiet bot die Szenerie für blutige kriegerische Zusammenstöße, die – wie das letzte Mal 1995 -viele der natürlichen Ressourcen zerstörten, die Flüsse verseuchten und die Ländereien mit Antipersonenminen übersähten.

Diese Schäden haben die schweren wirtschaftlichen Probleme, unter denen die Gemeinden aufgrund einer systematischen Vernachlässigung durch den Staat und dem Fehlen einer Poltik zur Entwicklung der Grenzregion bereits litten, weiter verschärft. Der Konflikt hat sie auch von den Gemeinden der Shuar und Achuar in Ecuador abgeschnitten, mit denen sie die gemeinsame Sprachgruppe des Jíbaro bilden und familiäre Beziehungen unterhalten.

Der Friedensvertrag vom 26. Oktober 1998 hat zwar zu einem freudigen Wiedersehen der indigenen Gemeinschaften beider Länder geführt, „er bedeutet allerdings auch eine neue Bedrohung für die Gemeinden der Aguaruna und Huambisa, ihre Gebiete, sowie ihre natürlichen Ressourcen“, erklärt Inoach Shawit. Er spricht dabei den Binationalen Plan für die Entwicklung der Grenzregion an, den die peruanischen Regierung im Rahmen des Friedensabkommens durchführen möchte.

Dieser Plan sieht die Realisierung von Programmen und Aktivitäten vor, welche die produktive und kommerzielle Infrastruktur der Grenzgebiete verbessern sollen. Dies bedeutet in Condorcanqui den Bau von Landstrassen zwischen Peru und Ecuador sowie von Handels- und Wirtschaftszentren, die Umsetzung von Gesundheits- und Bildungsprogrammen, und außerdem die Suche nach strategischen Gebieten, wo die Privatinitiative aktiv werden kann.

Inoach Shawit zufolge wurden diese Pläne ohne die Mitwirkung der indigenen Bevölkerung ausgearbeitet. Das widerspricht der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das von Perú angenommen und ratifiziert wurde. Die Konvention sieht die Beteiligung der indigenen Bevölkerung bei sie betreffenden vor.

„Die Binationale Plan ist das am schwersten wiegende Beispiel des Ausschlusses, den wir während des gesamten Friedensprozesses erlebt haben“, erklärt Inoach Shawit. Außerdem würden viele der Projekte, die realisiert werden sollen, „die städtischen Zentren bevorzugen – im Gegensatz zur Amazonasregion, wo sie lediglich darauf orientiert sind, eine Infrastruktur zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen aufzubauen, die nur die Interessen der Unternehmen aus diesem Bereich befriedigt.“ Dieses Problem wurde in der ersten öffentlichen Erkärung, welche die Sprecher der indigenen Gemeinschaften der Aguaruna und Huambisa in Peru gemeinsam mit denen der Völker der Shuar und Achuar in Ecuador nach dem Friedensschluss formuliert haben, hervorgehoben.

Von allen Projekten, die den Binationalen Entwicklungsplan bilden, und deren Kosten in Höhe von drei Milliarden US-Dollar von einem Binationalen Fond für den Frieden und die Entwicklung getragen werden sollen, erregt besonders eines die Befürchtungen der Gemeinschaften der Aguarunas und Huambisas. Es handelt sich um den vorgesehenen Bau einer Straße, welche den Norden von Ecuador mit dem Marañón-Fluß in Peru verbinden und mitten durch die traditionellen Siedlungsgebiete der Indigenas führen soll.

Wie Wrays Pérez, Sprecher der Huambisa und ebenfalls Führungsmitglied der AIDESEP, erläutert, bestehen bis jetzt drei von der peruanischen Regierung ausgearbeitete Vorschläge für die Streckenführung dieser Straße. Alle drei führen entlang der Flüsse Santiago und Morona, welche beinahe parallel die gesamte Provinz Condorcanqui durchqueren. Indem die Straße entlang der Flussufer geführt würde, wo normalerweise die indigenen Dorfgemeinschaften siedeln, würde der Bau gegen die seit Jahrzehnten erlangten Landtitel verstoßen und die natürlichen Ressourcen betreffen, mit denen sich die Gemeinden ernähren, erklärt Pérez. Außerdem, sagt er, würde die natürliche Entwicklung der indigenen Völker verhindert und die ungeplante Ansiedlung von Neusiedlern gefährlich beschleunigt werden.

„Wenn die Straße gebaut wird, werden die Neusiedler sich auf beiden Seiten des Wegs niederlassen, immer mehr Regenwald besetzen und so die Indigenas vertreiben“, meint Pérez. „Die Straße auf der rechten Seite des Santiago-Flusses zu bauen, würde die Existenz von mehr als 60 Dörfern der Aguaruna und Huambisa bedrohen, die dort leben und deren Bevölkerung etwa 18.000 Menschen umfasst.“

Aus diesen gründen haben die Föderationen, Organisationen und Räte der Aguaruna und Huambisa den Bau der Straße abgelehnt und statt dessen der peruanischen Regierung ihren Vorschlag eingereicht, der einen Verbindungsweg zum Amazonas über den Flußweg vorsieht. Die Indigenas haben außerdem vorgeschlagen, dass statt des Neubaus eine bereits existierende Straße fertig asphaltiert werden soll. Sie führt ebenfalls zum Marañón-Fluß, durchquert aber nicht die von den Indigenas als lebenswichtig betrachteten Gebiete.

Dieser Vorschlag wird aber von der Regierung abgelehnt. Der Generaldirektor für Schutzgebiete, Luis Alfaro, hat bekräftigt, dass die Straße auf jeden Fall gebaut werde. „Mit dieser Antwort haben sie uns praktisch gesagt, dass wir machen können, was wir wollen“, betont Shapiom Noningo Sesen. „Die Straße wird innerhalb von fünf Jahren gebaut werden, während dieser Zeit werden wir ständig darauf hinweisen, welche Gefahr sie für uns darstellt.“ Und er fügt hinzu: „Außerdem sind wir nicht allein, jetzt können wir mit der Unterstützung unserer Brüder auf der anderen Seite der Grenze rechnen.“

PUERTO RICO

Kampagne in den USA gegen die nordamerikanische Marine

(San Juan, 7. November 1999, pulsar-Poonal).- Die Proteste gegen die Präsenz der US-Marine vor und auf der puertoricanischen Insel Vieques sollen jetzt auf die USA ausgeweitet werden. Die Organisatoren der Kampange wollen über die Medien die öffentliche Meinung beeinflussen. Ein erster Schritt wird der Auftritt in einem Programm der Fernsehkette CNBC am 17. November sein. Über 400 puertorivanische BürgerInneninitiatven haben sich inzwischen zusammengeschlossen, um den Abzug der US-Marine zu erreichen. Sie entsandten Delegierte nach Vieques, wo sich der Verantwortliche der CNBC-Fernsehsendung ein Bild über die Realität vor Ort machte.

Initiativensprecher Manuel Mirabal verspricht sich viel von dem Fernsehprogramm. Es werde sehr helfen, Information über die Situation der Bewohner von Viques zu verbreiten. Verschiedenste Aktionen in den USA würden folgen. In den vergangenen Wochen ließ die US-Regierung durchblicken, dass die Manöver der US-Marine und die Probe-Bombardierungen mit scharfer Munition über Vieques für weitere fünf Jahre fortgeführt werden. In Puerto Rico ist die Mehrheit der Bevölkerung dagegen. Sogar Gouverneur Pedro Rosello, der für einen vollständigen Beitritt Puerto Ricos zu den USA ist, spricht sich für den Abzug der Marine aus.

HAITI

Langer Streik in öffentlichen Schulen

(Port-au-Prince, 5. Oktober 1999, pulsar-Poonal).- Seit dem 4. Oktober streiken die haitianischen Lehrer*innen, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Die beiden wichtigsten Gewerkschaften entschieden, weiterhin für höhere Löhne sowie für bessere Arbeitsbedingungen für Lehrkörper und Schüler*innen einzutreten. Unterdessen werden immer mehr Stimmen laut, die zu einer Verhandlungslösung aufrufen. Bildungsminister Paul Antoine Bien-Aime lehnt es jedoch ab, sich mit den Streikenden an einen Tisch zu setzen. Er besteht zudem darauf, dass die Regierung nicht die Mittel habe, die Forderungen zu befriedigen.

Statt zu verhandeln, entließ der Minister mehrere Lehrer*innen darunter die Spitzenfunktionär*innen der Gewerkschaften. Das hat zur Radikalisierung der Bewegung geführt. Bei Straßenprotesten wurden auch die privaten Schulen aufgefordert, sich mit den öffentlichen Schulen zu solidarisieren und ihre Tore zu schließen. In Haiti ist der Staat für nur 20 Prozent der Schulen verantwortlich. Sie werden fast ausschließlich vom armen Teil der Schulkinder besucht.

KUBA

Zerstrittenheit vor dem iberoamerikanischen Gipfel in Havanna

(Havanna, 8. November 1999, pulsar-Poonal).- Noch vor dem iberoamerikanischen Präsidentengipfel am 15. und 16. November wirft das Treffen seine Schatten voraus. So wurde im Vorfeld ein Entwurf für die Schlusserklärung bekannt, in dem das US-Embargo gegen Kuba verurteilt wird. Die teilnehmenden Nationen sollen sich im wesentlichen bereits auf das 12-Punkte-Dokument geeinigt haben, obwohl Änderungen durch die Außenminister*innen nicht ausgeschlossen werden.

So gut wie sicher erscheint, dass mit Argentinien, Chile, Costa Rica, El Salvador und Nicaragua fünf Länder nicht zum Gipfel kommen werden. Bei den zwei zuerst erwähnten Nationen geschieht dies aus Protest gegen Spanien, weil es die Prozesse gegen den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet bzw. die argentinischen Schergen der Militärdiktatur erlaubt. Die drei mittelamerikanischen Länder wollen mit ihrer Ausenz die Ablehnung der kubanischen Regierungspolitik zum Ausdruck bringen und die Position der USA unterstützen. Sowohl die nicaraguanische wie die salvadorianische Rechtsregierung vertreten eine extrem anti- kubanische Haltung.

Im Angesicht des Dritten Jahrtausends (Zweiter Teil)

Von Juan Antonio Blanco Gil

(Havanna, November 1999, alai-Poonal).- Wenn es einmal richtig war, dass die Freiheit zuerst auf die soziale Gerechtigkeit warten musste, kann heute die zweite nicht erhalten werden, ohne die erste zu erweitern. Es existiert mehr als eine Möglichkeit in das neue Jahrtausend einzutreten und sich in die Globalisierung der cybernetischen Zivilisation einzufügen. Es existiert mehr als eine Möglichkeit der Zukunft für die Welt und für Kuba.

In der Innovationsfähigkeit eines Systems – wie sie der Kapitalismus über zwei Jahrhunderte lang demonstronstriert hat – liegt meiner Einschätzung nach der Schlüssel, um eine effiziente Strategie auszuarbeiten, wie die Nation bei ihrer Einordnung in den neuen zivilisatorischen Prozess überleben kann. Wenn die institutionelle Architektur des Staatssozialismus zwar einmal ein nützliches Instrument für das revolutionäre Projekt war, könnte sie heute zu seinem tödlichen Feind werden durch die Art und Weise, wie sie die dogmatische und theokratische Ausübung des Marxismus ermöglicht.

Die einzige Weise, heute revolutionär zu sein – wenn wir darunter die Loyalität zu den ursprünglichen Idealen des revolutionären Projektes und zu seiner aktuellen institutionellen Landschaft verstehen – ist, meiner Sichtweise zufolge, reformistisch zu sein. Aus der Machtposition heraus revolutionär zu sein bedeutet heute, die integrierte Reform der Gesellschaft und die weitestgehende Sozialisierung dieser Macht (der wirtschaftlichen und politischen) zugunsten der Bürger und ihrer Institutionen zu befördern. Nicht jeder Reformismus oder jede Transition sind rechts, wie einige annehmen, genauso wie nicht jeder Konservatismus rechts sein muss, wie andere vermuten.

Die Phantasie zu befreien, um die bewußte Innovation möglich zu machen und eine negative Entwicklung und Auflösung des aktuellen Systems zu verhindern, wird nicht möglich sein, wenn die Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung nicht immer als das am schützenswerteste Attribut der Gesellschaft anerkannt wird. Ihr unbeschränkter Respekt muss alle einschließen – ohne Ausnahme -, die in einem bestimmten Moment nicht mit den vorherrschenden Ideen übereinstimmen. Der Häretiker – trotz seiner jahrtausende alten Bestimmung, verfolgt zu werden -, war oft derjenige, der sich in Gefahr begibt, weil er neue und vielversprechendere Wege der menschlichen Entwicklung sucht. Die Geschichte kann nicht über sie hinweg gehen und keine Gesellschaft – sei es die US-amerikanische mit dem MacCartismus oder die sowjetische mit ihren Gulags – kann sie unterdrücken, ohne einen hohen Preis zu zahlen. Nicht nur einen sozialen und politischen, sondern auch einen wirtschaftlichen Preis.

Die Politik, die den Dogmatismus und die Starrheit förderte, hat aufgehört, ein Hindernis zu sein, das an internationale Allianzen gebunden war. Diese wurden geschlossen, um in der früheren geopolitischen Realität vor dem Fall der Berliner Mauer zu überleben, und sie wurden zu einem unnötigen Hemmnis für die Interessen der Nation. Jetzt führen sie dazu, das Land der Möglichkeiten zu berauben, von den Talenten zu profitieren, die seine Bevölkerung genau aufgrund der Ausweitung des universalen Rechts auf eine kostenlose Bildung, das durch den revolutionären Prozess von 1959 durchgesetzt wurde, entwickeln konnte. Ohne die geistige Blockade des Dogmatismus endgültig zu überwinden, wird es nicht möglich sein, auf eine angemessene und ausreichende Art die strukturelle Krise der Ökonomie zu überwinden.

Die Tendenz, sich bei der Analyse lediglich auf die wirtschaftlichen Makroindikatoren zu konzentrieren, um daraus Schlussfolgerungen für die Regierbarkeit irgendeines Landes abzuleiten, folgt einer gefährlichen Vereinfachung. Kuba war 1959 trotz der tiefen sozialen Widersprüche nicht einmal annäherungsweise das rückständigste Land in Lateinamerika. Und dennoch war es hier, wo die erste Revolution mit sozialistischer Orientierung in der westlichen Hemisphäre ausbrach. Warum?

Kuba war ein wirtschaftlich weiter zurückgebliebenes Land mit einem niedrigerem Konsumniveau als die meisten Staaten des Ostblockes. Aber es war im Ostblock, wo der Staatssozialismus zusammenbrach, während Kuba den Kurs hielt und sich nur neunzig Meilen vor der Küste der einzig übriggebliebenen Supermacht, der USA, aufrecht halten konnte. Warum?

Über diese Fragen kann man nicht hinweg gehen, wenn man eine Analyse der aktuellen Entwicklungen und ihre möglichen Resultate anstellt. Wir sollten darin übereinstimmen, dass im Fall von Kuba in seiner jüngeren Vergangenheit die außerökonomischen Faktoren eine wichtige Rolle gespielt haben. Daher lohnt es sich, sie näher zu betrachten. Es könnte das Paradox entstehen, dass während die Ökonomie unter einer tiefen Krise leidet, die politischen und kulturellen Bereiche in der Lage sein könnten, das System zu reproduieren oder es sogar zu stärken. Wenn es ihm gelingt, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es legitim ist und die Anstrengung lohnt oder dass ihm gegenüber alle Alternativen schlechter sind und es deshalb keine gibt.

Aber auch die andere Seite der Medaille zu betrachten lohnt sich: Die Ökonomie könnte sich verbessern und sogar durchaus achtbar laufen, aber dennoch einer tiefen sozialen und politischen Krise gegenüberstehen, die das gesamte System zusammenbrechen läßt. Der Unterschied, ob sich das eine oder das andere Szenarium entwickelt, liegt nicht in der Ökonomie begründet, sondern in der menschlichen Subjektivität und diese ist – aufgrund ihrer Natur – wandelbar.

Wer den Grad der Regierbarkeit in einem Land abwägen möchte, sollte zusammen mit den markoökonomischen Indikatoren – die sich überall auf der Welt selten in direkten Verbesserungen für die Bürger niederschlagen – andere Indikatoren wie den psycho-sozialen Zustand der Gesellschaft betrachten und sich Fragen stellen wie diese: „Wie bewertet der normale Bürger in Kuba seinen Alltag?“ „Geht er davon aus, dass seine Situation gerecht und notwendigerweise so ist?“ „Glaubt er, dass es andere Möglichkeiten gibt, die bestehende Situation zu bemessen?“ „Sieht er in den Autoritäten die Lösung seiner Probleme oder sind sie ein Problem für die Lösung?“ „Sieht der Bürger im Staat einen Ausgangspunkt für seine Projekte des persönlichen Glücks oder sieht er in ihm ein Einrichtung ohne Zweck, aber mit der ausreichenden Kraft, seine eigenen Lösungen zu behindern, wenn er beginnt sie sich vorzustellen?“

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 408 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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