Poonal Nr. 368

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 368 vom 15. Januar 1999

Inhalt


HONDURAS

GUATEMALA

COSTA RICA

KOLUMBIEN

PERU

BRASILIEN

KUBA


HONDURAS

Bananenarbeiter entlassen

(Tegucigalpa, 6. Januar 1999, pulsar-Poonal).- Fast 10.000 Bananenarbeiter sind seit heute nicht nur ohne Häuser und ohne Essen, sondern auch noch ohne Arbeit. Die nordamerikanischen Bananenunternehmen Chiquita Brands und Castle and Cook haben ihre Exporte wegen der durch Hurrikan Mitch verursachten Schäden bis zum Jahr 2000 eingestellt. Beide Unternehmen sind seit einem Jahrhundert in dem mittelamerikanischen Land präsent und haben hier große Reichtümer erwirtschaftet. Doch bereits kurz nachdem Mitch das Land verwüstet hatte, kündigten sie die nunmehr erfolgte Massenentlassung an. Chiquita besitzt in Honduras etwa 300 Bananenplantagen und hat versprochen, den ehemaligen Beschäftigten eine Entschädigung von 80 US-Dollar monatlich zu zahlen. Die betroffenen Arbeiter zeigten sich gegenüber dieser Ankündigung ausgesprochen skeptisch, da so etwas noch nie geschehen sei.

Mitch: Kirche mißtraut den Behörden – Hilfsgelder verschwunden

(Tegucigalpa, 5. Januar 1999, pulsar-Poonal).- Die internationale Hilfe für Honduras, das am schwersten von Hurrikan Mitch verwüstete Land, kommt bei den Betroffenen nicht an. Dies zumindest ist der Eindruck der katholischen Kirche und anderer mit der Hilfe befaßten Organisationen. Die Katholiken fordern eine internationale Überwachungskommission der Hilfsgelder, um deren spurloses Verschwinden auf Privatkonten zu verhindern. Honduras steht in der Tradition ausgeprägter Korruption. Es wäre kaum jemanden verwunderlich, wenn der Wiederaufbauplan ein solcher bliebe, ohne Ausdruck in konkreter Umsetzung zu finden. „Wir sind alleine und verlassen und haben kein Geld für den Wiederaufbau“, erklärte indessen Präsident Carlos Flores vor honduranischen Medien. Es sei nun Aufgabe der Bürgermeister*innen, sich um die Opfer zu kümmern. Die internationalen Hilfsgelder hat jedoch die Regierung erhalten und sie bisher nicht an die Gemeinden weitergegeben. Die geschätzten Schäden in Honduras belaufen sich auf rund vier Milliarden Dollar.

GUATEMALA

Was heißt Vergebung?

(Santa Cruz del Quiche, 30. Dezember 1998, cerigua-Poonal).- Auf einer Feier zum zweiten Jahrestages des Friedensabkommens zwischen Regierung und Guerilla bat Präsident Alvaro Arzu die mehreren hunderttausend Opfer des 36jährigen internen Krieges um Vergebung. „Der Staat ist verpflichtet, um Vergebung für die von der Bevölkerung erlittene Gewalt zu bitten, die ein Ergebnis von Entscheidungen politischer Autoritäten sowie der Armee und der Sicherheitskräfte darstellt“, erklärte er. Dagegen versuchte Verteidigungsminister Hector Barrios auf derselben Veranstaltung zu rechtfertigen, es habe sich um einen Krieg gehandelt, bei dem die „Parameter der Operationen perfekt bestimmt waren“. Seine Geste war wesentlich schwächer als die des Präsidenten: „Für die Fehler und Exzesse, die vielleicht begangen wurden, werden wir unsere Menschen um Verzeihung fragen“.

Für viele reicht die Bitte um Vergebung alleine aber nicht aus. In einer Stellungnahme der Nationalen Menschenrechtskoalition (CONADEHGUA) heißt es, eine „unabdingbare Bedingung“ für ein Vergeben sei es, „die begangenen Taten einzugestehen, zu garantieren, daß sie nicht wiederholt werden, für verursachte Schäden aufzukommen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen“. Jorge Soto( aka Pablo Monsanto), Generalsekretär der ehemaligen Guerillaorganisation URNG erklärte zum Thema: „Damit die Bedingungen für Vergebung bestehen, muss es Versöhnung anstelle von Polarisierung geben. Die Wahrheit zu kennen, wird der größte Beitrag sein und die Wahrheit wird unsere Menschen frei machen“.

Zumindest ein Teil der Wahrheit wird vom Abschlußbericht der Historischen Aufklärungskommission – im Land als Wahrheitskommission bekannt – erwartet. Er soll Ende Januar veröffentlicht werden. Beobachter*innen glauben, die Rede von Alvaro Arzu sei bereits auf die Ergebnisse des Berichtes über die Menschenrechtsverletzungen von staatlicher Seite zugeschnitten gewesen.

Referendum ausgesetzt

(Guatemala-Stadt, 7. Januar 1999, cerigua-Poonal).- Das guatemaltekische Verfassungsgericht hat eine Volksbefragung über vom Kongress kürzlich verabschiedete Verfassungsreformen vorläufig ausgesetzt. Die Abgeordneten hatten im Oktober vergangenen Jahres den Obersten Wahlrat ihres Landes aufgefordert, die Bevölkerung über die 50 Änderungen in der Verfassung abstimmen zu lassen. Die Richter reagierten mit ihrer Entscheidung auf eine Klage des Zentrums für die Verfassungsverteidigung (CEDECON). Dessen Mitglieder hatten argumentiert, die vom Parlament vorgesehene Verfahrensweise für das Referendum – eine einfache JA-NEIN- Abstimmung über das gesamte Reformpaket – sei verfassungswidrig. Das CEDECON schlägt stattdessen fünf thematisch geordnete Blöcke vor, über die die Guatemaltek*innen jeweils abstimmen sollen.

Laut Mario Guerra Roldan vom Obersten Wahlrat wird das Verfahren geändert werden müssen, wenn die Verfassungsrichter das Referendum endgültig aussetzen. Ein Urteil wird aber nicht vor Mitte März erwartet. Durch diese Verzögerung rückt die Wahrscheinlichkeit näher, daß Befragung und allgemeine Wahlen am selben Tag im kommenden Oktober oder November abgehalten werden. Die Opposition zeigt sich wenig begeistert über den Beschluss des Verfassungsgerichtes und sieht darin auch einen Angriff auf den Friedensprozess, in dessen Rahmen viele der Verfassungsänderungen entstanden. „Die Aktion gegen die Reformen kommt von Gruppen, die den Wechsel fürchten“, meint sogar die staatliche Friedensbeauftragte Raquel Zelaya. Carlos Gonzalez Generalsekretär der Kommunistischen Partei Guatemalas spricht von einem „Rückwärtsschritt im Friedensprozeß“. Die Abgeordnete Nineth Montenegro vom Demokratischen Bündnis Neues Guatemala (FDNG) vermutet dahinter Interessen der konservativen Regierungspartei PAN. Davon müsse man besonders ausgehen, wenn versucht werde, Referendum und allgemeine Wahlen zu verbinden.

URNG ist endgültig politische Partei

(Guatemala-Stadt, Dezember 1998, cerigua-Poonal).- Dem Kampf in den Bergen folgten Mühen auf der bürokratischen Ebene. Knapp zwei Jahre nach dem endgültigen Friedensschluß ist die Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas (URNG) zur offiziell registrierten politischen Partei geworden. Sechßehn Jahre zuvor war sie als Zusammenschluss von vier Guerilla-Organisationen entstanden. URNG-Generalsekretär Jorge Soto bezeichnete die Einschreibung ins Parteienregister einen der wichtigsten Momente in der der Geschichte des Landes. Als Ziele der bisher 4.523 offizielle Mitglieder zählenden Partei erwähnte Soto die Verteidigung der Menschenrechte und der Umwelt, volle Demokratie, Geschlechtergleichheit und die Anerkennung der Rechte und Identität der Maya-, Xinca- und Garifuna-Völker Guatemalas. Die URNG muß nun eine Nationalversammlung abhalten, auf der der Parteivorstand für die kommenden zwei Jahre gewählt wird. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Strategie für die allgemeinen Wahlen im Herbst. Die frühere Guerilla setzt auf eine Konsolidierung der politischen Unterstützung für sie und auf Allianzen mit anderen Parteien. Hier kommen vor allen das Demokratische Bündnis Neues Guatemala (FDNG) und die Partei der Integralen Authentischen Entwicklung (DIA) infrage.

COSTA RICA

Gewalt gegen Frauen steigt drastisch

(San José, Januar 1999, fempress-Poonal).- Zwanzigtausend Frauen sind 1998 in Costa Rica Opfer der Gewalttätigkeit ihrer Ehemänner geworden. In 19 Fällen kam es zu Akten solcher Brutalität, daß die Frauen starben. Die Tendenz ist wenig ermutigend: Zahlen der Frauenstelle belegen eine dramatische Steigerung gegenüber 1997, als im vegleichbaren Zeitraum „nur“ 13.400 derartiger Fälle registriert wurden. Die Anstrengungen zur Verringerung der interfamiliären Gewalt gehen weiter. Am 25. November, dem Internationalen Tag gegen die Gewalt gegen Frauen, vergangenen Jahres kündigte Präsident Miguel Angel Rodríguez die Verdopplung des Etats für Frauenprogramme an. Das heißt 600 Millionen Colones (etwa 250 Millionen US-Dollar). Das Geld ist nicht nur für Programme zur Vermeidung der direkten Gewalt gegen Frauen vorgesehen. Es soll beispielsweise auch für Aktionen verwandt werden, die sich gegen die Mindereinkünfte von Frauen – eine kulturelle Gewaltanwendung – richten. Der Durchschnittslohn in Costa Rica liegt nach Angaben der Frauenministerin Yolanda Ingiana für Frauen um ein Viertel unter dem ihrer männlichen Kollegen.

KOLUMBIEN

Krieg und Frieden – Nach Eröffnung der Friedensgespräche

massakrieren Paramilitärs mehr als 50 Zivilisten

Von Raul Zelik

(Bogota/Berlin, 10. Januar 1999, colombia popular/npl). – Nach der feierlichen Eröffnung der Gespräche zwischen der größten lateinamerikanischen Guerilla-Organisation, FARC, und der kolumbianischen Regierung am vergangenen Donnerstag sind die Kontakte am Wochenende in dem kleinen Dorf La Machaca, zweieinhalb Stunden südlich von San Vicente de Caguán fortgesetzt worden. Nach Angaben von Beobachtern ist nun mit einem monatelangen Tauziehen um die Tagesordnungen der Verhandlungen zu rechnen. Die FARC verlangen von der Regierungsdelegation unter Ex-Außenministerin María Emma Mejía zunächst Maßnahmen gegen den um sich greifenden Paramilitarismus. Die Regierung Pastrana hingegen drängt auf einen baldigen Waffenstillstand, mit dem sie das Vorrücken der FARC bremsen will.

Die kolumbianischen Medien waren sich in den vergangenen Tagen darin einig, daß es sich bei den Gesprächen um ein historisches Ereignis handele. Besorgt hob die Presse allerdings hervor, daß die FARC-Sprecher die Regierung bei der Eröffnungßeremonie erneut scharf kritisierten. So wiesen die Guerilla-Vertreter auf die wiederholten Verletzungen von Abkommen durch die Regierung in den vergangenen 45 Jahren hin. Auch unter Präsident Pastrana sei die Regierung weiterhin dabei, ihren Kriegsapparat zu vergrößern, so FARC-Sprecher Raúl Reyes. Am bedrohlichsten sei die erst vor wenigen Tagen angekündigte Gründung eines neuen Counterguerilla- Bataillons, das direkt von US-Militärs mit befehligt werden soll. Offiziell dient die Sondereinheit zwar der Drogenbekämpfung, aber es ist kein Geheimnis, daß das Operationsgebiet der neuen Truppe wie ein Ring um das FARC-Hauptquartier liegen wird.

Als schweren Rückschlag für die beginnenden Gespräche wertete die Presse außerdem das Fehlen des 69-jährigen FARC-Kommandanten Manuel Marulanda bei der Eröffnungßeremonie in San Vicente. Verschiedene Beobachter interpretierten das Verhalten sogar als gezielte Demütigung des Präsidenten Andrés Pastrana. FARC-Sprecher Raúl Reyes dementierte dies jedoch mit Nachdruck und verwies auf Sicherheitsprobleme am Tag der Eröffnung. So seien bei zwei Personen in unmittelbarer Nähe des Veranstaltungsortes Waffen gefunden wurden. Man habe daher mit einem Anschlag gegen Manuel Marulanda rechnen müssen und dem FARC-Kommandanten geraten, nicht an der Zeremonie teilzunehmen.

Daß die Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigte sich auch an einer erneuten blutigen Offensive der Paramilitärs, die seit vergangenem Donnerstag ihre Aktivitäten im ganzen Land intensiviert haben. Allein in den ersten 48 Stunden nach der Aufnahme der Gespräche in San Vicente ermordeten die Todesschwadrone mehr als 50 Zivilisten (diese Zahl ist inzwischen auf weit über 100 angestiegen; die Red.). Am stärksten betroffen waren die Gemeinden Urabás und die Ortschaft Curumani im Department Cesar – beide in Nordkolumbien – wo jeweils mehr als 10 Personen von Todesschwadronen umgebracht wurden.

Auch die zweite große Guerilla-Organisation ELN, die im Februar unter Beteiligung von Regierung und gesellschaftlichen Organisationen eine landesweite Nationalkonvention über die Lage in Kolumbien abhalten will, wies auf die wachsenden Gefahren für den Gesprächsprozeß hin. In einem über Privatagent Werner Mauss an die Bundesregierung übergebenen Dokument bekundete die ELN, daß Armee und Paramilitärs weiterhin eng zusammenarbeiten und immer brutaler gegen die Zivilbevölkerung vorgehen würden. Nach ihren Angaben seien 1998 mindestens 1700 Personen von Paramilitärs umgebracht worden. Aus Quellen der ELN hieß es außerdem, daß die Regierungen der EU hierzu endlich Stellung beziehen müßten, zumal auch europäische Firmen wie der britische Erdölmulti BP in die Finanzierung der Todesschwadronen verstrickt seien.

Zu skeptischen oder vorsichtigen Einschätzungen bezüglich der Friedensverhandlungen kamen auch diverse Vertreter gesellschaftlicher Organisationen in Kolumbien. So wies der Sprecher der unabhängigen Bauernbewegung Alberto Paredes Cortés darauf hin, daß es nicht nur um ein Schweigen der Waffen gehe, sondern auch um eine Umverteilung der Reichtümer, eine Landreform und Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Der Universitätssoziologe Alfredo Molano, der als einer der wichtigsten Analytiker des Verhandlungsprozesses gilt, nannte als Gefahren für die Gespräche vor allem die anstehende Erhöhung der Militärausgaben, die anhaltende Straflosigkeit bei Menschenrechtsverbrechen und die Forderung des Verteidigungsministers Rodrigo Lloreda eine Kriegsverfassung zu verabschieden, um die juristischen Grundlagen für einen offenen Krieg zu schaffen. Lloreda kündigt am vergangenen Freitag erneut an, daß sich die Streitkräfte auf eine militärische Eskalation vorbereiteten.

Der als Beobachter eingeladene nicaraguanische Ex-Präsident Daniel Ortega zeigte sich hingegen vor allem vom sozialen Programm der kolumbianischen Guerilla überrascht. Die FARC seien so stark, so Ortega, daß sie Forderungen formulieren könnten, die die zentralamerikanischen Guerillas niemals stellen konnten. In Anbetracht dieser Situation sei eine US-Invasion im Land seiner Meinung nach keineswegs ausgeschlossen.

PERU

Opus Dei-Mitglied neuer Erzbischof von Lima

(Lima, 11. Januar 1999, alc-Poonal).- Zum ersten Mal besetzt ein Mitglied des Opus Dei das Amt des Erzbischofs in der peruanischen Hauptstadt Lima, die zugleich die wichtigste Diözese des Landes ist. Juan Luis Cipriani Thorne löst den Kardenal Augusto Vargas Alzamora ab, der dem Jesuitenorden angehört und aus Altersgründen ausscheidet. Cipriani war seit 1995 Erzbischof von Ayacucho, einer in den Zentralanden gelegenen Provinz, die seit 1980 als Hochburg der Guerilla-Organisation Sendero Luminoso gilt. Die Ernennung von Cipriani durch den Papst erfolgte vor wenigen Tagen. Das 1980 abgeschlossene Konkordat zwischen der peruanischen Regierung und dem heiligen Stuhl erlaubt dem Vatikan, ohne Zustimmung der Regierung Bischöfe und Erzbischöfe im Land zu ernennen.

Das die Wahl auf den konservativen Cipriani fiel, dürfte aber ganz im Sinne der autoritären Regierung von Alberto Fujimori sein. Der Präsident hat kein schlechtes Verhältnis zum neuen Erzbischof. Dessen Name wurde über die Landesgrenzen hinaus bekannt, als der Papst ihn mit der Vermittlung im Fall der Besetzung der japanischen Botschaft durch ein Kommando der Guerillagruppe Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru beauftragte. Der Versuch einer friedlichen Lösung scheiterte und Fujimori liess die Botschaft im April 1997 erstürmen. Dabei kamen alle Guerilla-Mitglieder und eine Geisel um. Einige Kritiker*innen des Erzbischofs gingen soweit, ihn zu beschuldigen, für die Regierung in der Geiselaffäre spioniert zu haben.

Zuletzt arbeitete der Erzbischof an einem Rückkehrprojekt für Campesinos mit, die aus der Provinz Ayacucho wegen der Gewalt flüchteten. Die Schukd an der Gewalt leigt nach Ansicht Ciprianis eindeutig einseitig bei der Guerilla. Noch im November 1998 kritisierte er eine Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten, die verschiedene Menschenrechtsverletzungen in Peru untersuchen wollte. „Ich hoffe, die Kommission kommt nicht, um Phantasien vorzulegen, sondern um festzustellen, daß es in Peru wirklich Freiheit und Respekt gibt“, erklärte er. Die regierungskritische Position seines Vorgängers, der wiederholt die offizielle Wirtschafts- und Sozialpolitik und den Autokratismus anklagte, wird der neue Erzbischof wohl kaum weiterverfolgen.

Weiterer Führungskader von Sendero Luminoso festgenommen

(Lima, 5. Januar 1999, pulsar-Poonal).- Mit der Festnahme von Juan Carlos Ríos alias „Camarada Norman“ hat die Antiterroreinheit der peruanischen Polizei einen weiteren Führungskader von Sendero Luminoso gefangen genommen. Nach Angaben der Polizei oblag Ríos die militärische Führung von Sendero Luminoso in Lima und seine Aufgabe war es, Arbeiter und Stadtviertel zu organisieren. Die Festnahme fand am 31. Dezember in einem stark bevölkerten Teil Limas statt, wo Juan Carlos Ríos sein Koordinationßentrum errichtet hatte.

Pressetätigkeit Säulen des Gesetzes im Weg

(Lima, 5. Januar 1999, pulsar-Poonal).- Im Norden Perus haben 19 Journalisten eine Vorladung vor Gericht erhalten. Dem Richter Rodolfo Zela zufolge, besteht ihr Vergehen darin, die Arbeit der Justiz zu behindern. Richter Zela sitzt einem Verfahren gegen den Journalisten Jonhy Pezo Tello vor, der wegen Terrorismus angeklagt ist. Die 19 Kollegen hatten dem Richter einen Brief geschrieben, in dem sie darlegten, warum Tello unschuldig sei. Wegen der anschuldigenden Formulierungen in dem Schreiben verklagte der Richter seine Verfasser. Obwohl bisher alle Beweise für Tello sprechen, befindet er sich immer noch nicht auf freiem Fuß. Nachdem sein Vorgehen gegen die Pressefreiheit nationalen und internationalen Protest hervorgerufen hatte, entschuldigte sich Zela bei den Betroffenen und bot an, den Fall zu den Akten zu legen. Dessenungeachtet erhielten die Journalisten ab dem 16. Dezember Vorladungen zur Polizei. Rein rechtlich kommt der Fall danach zur Staatsanwaltschaft, um schlußendlich wiederum Richter Zela zur Urteilsfindung vorgelegt zu werden.

BRASILIEN

Mit FHC alles zum Schlimmeren

Von Joao Pedro Stedile*

(Rio de Janeiro, 12. Januar 1998, alai-Poonal).- Wir leben im Zeitalter der Kommunikationsmedien und der Mystifizierung. Die Bevölkerung wird tagtäglich mit Regierungspropaganda bombardiert, die ein Trugbild vom Land zeichnet. Wir haben zwei Brasilien: eines der Regierung von Präsident Fernando Henrique Cardoso (FHC), voller Ergebnissen und Fortschritt, globaler Integartion, internationaler Reisen, „Reformen“, sozialer und wirtschaftliche Erfolge. Und ein anderes, das Brasilien der Realität, in dem das Volk lebt.

Wenn wir zurückblicken, was haben uns die ersten vier Jahre (der Cardoso-Regierung) gebracht? Die Regierung führte ein Wirtschaftsmodell ein, das unsere Wirtschaft auf unverantwortliche Weise den Interessen des internationalen Kapitals öffnete. Sie zahlte die höchsten Realzinssätze in der ganzen Welt. Wir schickten so mehr als 150 Milliarden Dollar ins Ausland, dazu kommt die Auslandsverschuldung, die von 120 auf 190 Milliarden Dollar stieg. Die interne öffentliche Schuld übersteigt die 300 Milliarden Dollar. All dies unter den Versprechen eines erneuten Wachstums, der Verteilung des Einkommens und der Mehrbeschäftigung.

Doch was war das konkrete Ergebnis für die Bevölkerung? Nie war die Arbeitslosigkeit so hoch. Die Wirtschaft trat in die Rezession ein. Jetzt wird von einem Wachstum in erst wieder drei Jahren gesprochen. Die Einkommenskonzentration stieg an und wir bleiben das sozial ungleichste und ungerechteste Land auf dem Planeten. Alle wissen, daß die Armut auf dem Land und an den Rändern der Städte zugenommen hat. Trotz der Propaganda über den verstärkten Konsum von Hähnchenfleisch, Joghurt und Zahnersatz. Der Mindestlohn ist mit 130 Dollar nach wie vor einer der niedrigsten auf der Welt.

Die Regierung setzte einen beschämenden Privatisierungsprozess durch, der alle demokratischen Prinzipien verletzte. Es schädigte unsere Souveränität, dem ausländischen Kapital strategische Bereiche der Volkswirtschaft mit der Rechtfertigung zu übergeben, so Mittel für die Schuldenzahlung und die Staatssanierung zu beschaffen. Lug und Trug. Wir verbrachten 50 Jahre damit, das (Minen-)Unternehmen Vale do Rio Doce zu errichten, mit der kollektiven Anstrengung der Gesellschaft. Dann wurde es für 3,5 Milliarden Reales verschenkt. Danach überwiesen wir innerhalb von zwei Monaten, im August und September 1998, 35 Milliarden Reales ins Ausland. Anders gesagt: zehn Unternehmen Vale do Rio Doce. Was hat am Ende die Bevölkerung mit den Privatisierungen gewonnen? In Wirklichkeit sind und waren die Privatisierungen ein legalisierter Sturmangriff eines Teils der Eliten auf das Staatsvermögen, das der Gesellschaft gehörte. Darum wurden Unternehmer, Desperados und Anfängerbankiers schnell zu Millionären.

In der Politik ist die Bilanz von vier Jahren ebenfalls extrem negativ. Fehlende Ethik, die Geschäftemacherei für jede wichtige Abstimmung im Kongress, der Parteitag der PMDB (Partei Bewegung Demokratisches Brasilien), die Manipulationen, um Verfassungsänderung und Wiederwahl um jeden Preis zu garantieren, das alles zeigt die wahrhaftige Berufung der Eliten. Die jüngsten Präsidentschaftswahlen waren zweifellos die anti-demokratischsten, von denen je gehört wurde. Die spitzfindige Veränderung des Wahlgesetzes und die milliardenschweren Beiträge der Unternehmen führten zu den korruptesten Wahlen der Geschichte – ein reiner Stimmenhandel. Der schamlose Gebrauch der Medien im Dienste der Wiederwahl und die Erklärungen des Vorsitzenden des Obersten Wahlgerichtes über die „Notwendigkeit“, daß Cardoso gewinnen müsse, verdeutlichen das Ausmaß an Dreistigkeit vonseiten der Regierenden.

Aber an der Fassade der demokratischen Regierung wurde in den Medien festgehalten. Alle vergaßen schnell wie der Streik der Ölarbeiter im besten Stil der lateinamerikanischen Diktaturen mit Panzern und Bajonetten niedergewalzt wurde. Bis heute hat es keine Amnestie für die Gewerkschaften gegeben, deren Vermögen durch die Grausamkeit der Regierung beschlagnahmt wurde.

Es war unter der Regierung von FHC, unter der traurigerweise die beiden grössten Massaker an Campesinos begangen wurden: Corumbiara und Carajas, beide bisher ungesühnt. In derselben Regierungsperiode gab es 150 ermordete Bauernführer und – führerinnen. Wenige erinnern sich an die Anordnungen der damaligen Justizministerin Iris Resende, damit die Polizei jegliche Mobilisierung unterdrückte, sogar zusammen mit den Milizen der Haziendabesitzer.

Im sozialen Bereich dieselbe Taktik. In der Propaganda gab es Vorrang für Armen. In der Praxis wurden die öffentliche Gelder vor allem für die Zinszahlung, die Rettung der Banken und das Image der Regierung ausgegeben. Die Armen wissen, wie es um das Gesundheitswesen steht. Bildung wird immer mehr zu einem Privileg vereinzelter Personen, die Mittel dafür verschwinden. Im sozialen Bereich haben wir nur eine lügnerische Fassadenregierung.

Die Armen können nichts von einer Regierung erwarten, die ein klares Wirtschaftsprojekt hat, das auf die Unterordnung unter das internationale Kapital ausgerichtet ist, die den Staat und die Gesetze zugunsten einer Minderheit privatisiert, die unterdrückt und die Volks- und Gewerkschaftsorganisationen isoliert. Viel weniger kann die Agrarreform erwartet werden, die ein Synonym für die Demokratisierung des Bodeneigentums und für die Abschaffung des Elends auf dem Land ist. Unter der Regierung Cardoso haben sich Landkonzentration und ländliche Armut erhöht.

Diese Regierung ist keine einzige Verpflichtung gegenüber dem Volk, den Armen eingegangen. Es geht ihr nicht um die Bildung einer unabhöngigen Nation. Dies ist die Hauptherausforderung für die Gesellschaft: sich zu organisieren, um sich vier weiteren Jahren FHC entgegenzustellen und ein neues Wirtschaftsmodell zu entwickeln, das das Einkommen verteilt, die sozialen Ungleichheiten abschafft und die Souveränität wiedererlangt. Nur in diesem neuen Modell wird es auch Spielraum für eine wirkliche Agrarreform geben.

(*Joao Pedro Stedile ist Mitglied der Nationalen Leitung der Landlosenbewegung. Sein Artikel wurde vor der aktuellen Börsenkrise in Brasilien verfasst.)

Minas Gerais ist pleite

(Sao Paulo, 8. Januar 1999, pulsar-Poonal).- Die Entscheidung von Gouverneur Itamar Franco, 90 Tage lang die Schulden des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais nicht an die Zentralregierung zurückzuzahlen, hat auf dem internationalen Finanzparkett zu erheblichen Erschütterungen geführt. Er habe diese schwierige Entscheidung gefällt, weil einfach kein Geld mehr in den Kassen sei, erklärte Franco, vor wenigen Jahren noch Präsident Brasiliens. Der potentiell reichste brasilianische Bundesstaat hat mit 15 Milliarden Dollar Schulden ebensoviele Außenstände angehäuft wie Ecuador. Die Entscheidung des Gouverneurs führte zu einem Kurssturz an den Börsen in Sao Paulo, Rio de Janeiro und war auch in Europa deutlich zu spüren. Die wirtschaftliche Lage Brasiliens, das seit den letzten Monaten des Jahres 1998 von einer wachsenden Kapitalflucht heimgesucht wird, gilt als Indikator für die ökonomische Situation des gesamten Subkontinents. Der Zahlungsstop bringt auch die von Präsident Cardoso gesteckten Ziele hinsichtlich der Auflagen des Internationalen Währungsfonds in Gefahr.

Rettung des Regenwaldes gestrichen

(R¡o de Janeiro, 4. Januar 1999, pulsar-Poonal).- Das von sieben europäischen Ländern unterstützte Pilotprojekt zur Rettung des Amazonas-Regenwaldes ist dem Rotstift der brasilianischen Regierung zum Opfer gefallen. Das auf dem Weltumweltgipfel 1992 unterzeichnete Projekt umfaßt eine Gesamtsumme von 250 Millionen Dollar, von denen Brasilien 10 Prozent übernommen hat. Der wegen der Wirtschaftskrise stark gebeutelte brasilianische Haushalt ist erheblich gekürzt worden, unter anderem fallen die Mittel für den Amazonaswald weg. Damit ist das als Dreh- und Angelpunkt zur Rettung des bedrohten Regenwaldes geltende Projekt nun insgesamt gefährdet. Ohne Brasilien werde das Projekt alle Zuwendungen verlieren, befürchten Umweltaktivist*innen. Das Pilotprojekt dient im Wesentlichen dazu, das Amazonasgebiet in Karten zu erfassen und soll unter anderem 10.355 Hektar Indianerreservate ausweisen. Mit der topographischen Studie sollte der erste Schritt zur Verhinderung weiterer Zerstörung durch Farmer, Holzfäller und Goldsucher gemacht werden. Zudem sollte nachhaltige Entwicklung gefördert, die Entwaldung kontrolliert und die Bildung von Nationalparks und ökologisch geschützten Gebieten mit den 250 Millionen Dollar bezahlt werden. Präsident Cardoso kann wegen der Sparmaßnahmen seine noch im April vergangenen Jahres in New York gemachten Versprechungen nicht mehr einhalten. Am 15. Januar verabschiedet der Senat den Haushalt für das laufende Jahr. Die letzte Hoffnung vieler ist, das dabei doch noch eine Finanzierungsform für das Projekt gefunden wird.

KUBA

Ausland gibt sich die Klinke in die Hand

(Havanna, 12. Januar 1999, pl-Poonal).- Der Besuch des belgischen Aussenministers Erick Derycke markiert die erste Reise eines hochrangigen Politiker dieses Landes auf die Karibikinsel seit dem Sieg der kubanischen Revolution 1959. Belgien gehört zu den 157 Nationen, die auf der letzten UNO-Vollversammlung das US-Embargo gegen Kuba verurteilt haben. Außenminister Derycke und sein kubanisches Gegenüber Roberto Robaina unterschrieben ein Abkommen Über die Zusammenarbeit auf juristischer Ebene. Derycke sagte gegenüber der Presse, die Tatsache, daß Kuba eine solche Vereinbarung unterzeichne, belege, daß die Insel bereit sei für die Beziehungen zum Ausland. Wichtigster Bestandteil der bis zum 14. Januar andauernden Gespräche ist aber wohl die Neuverhandlung der kurzfristigen Schulden Kubas mit Belgien. In diese Verhandlungen sind ebenfalls spanische und italienische Vertreter einbezogen. In wenigen Tagen wird Kolumbiens Präsident Andrés Pastrana in Havanna erwartet, der bereits eine Delegation zur Vorbereitung mehrerer Abkommen vorausschickte. Am 12. Januar ging zudem ein Staatsbesuch des Präsidenten von Surinam auf Kuba zu Ende und der Bildungsminister der Seychellen unterschrieb eine Vereinbarung über die Entsendung kubanischen Lehrpersonals.

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