Poonal Nr. 339

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 339 vom 21. Mai 1998

Inhalt


NICARAGUA

LEBENSLAUF DANIEL ORTEGA

NICARAGUA

VENEZUELA

BRASILIEN

HAITI

MEXIKO

ARGENTINIEN

KOLUMBIEN

URUGUAY

USA/KUBA

KUBA

DOMINIKANISCHE REPUBLIK


NICARAGUA

Keiner rührt Daniel Ortega an – Wiederwahl auf Parteikongreß

Von Roberto Fonseca

(Managua, 20. Mai 1998, npl).- An diesem Wochenende hält die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) ihren II. Parteikongreß überhaupt ab. Politische und strukturelle Reformen sollten ursprünglich im Vordergrund stehen, um die wichtigste Oppositionskraft in Nicaragua wieder regierungsfähig zu machen. Wie es aussieht, wird sich der Kongreß aber nun vor allem um den Parteivorsitzenden und Ex-Präsidenten Daniel Ortega drehen. Dessen Stieftochter Zoilamérica Narvaéz Murillo hatte Anfang März in einem Brief öffentlich Anklage erhoben, von ihm als Kind mehrere Jahre lang sexuell mißbraucht worden zu sein. Die Mehrheit der Partei will davon aber wohl nichts wissen.

„Die Basis steht mit einer Stimme hinter Daniel Ortega“, versichert beispielsweise Comandante Tomás Borge, der einzige überlebende Gründer der ehemaligen Guerillabewegung FSLN. „Wenn Daniel zurücktreten wollte, wäre das eine Katastrophe für die Partei.“ Kritiker wie der frühere Kulturminister Ernesto Cardenal, die in dem Revolutionshelden inzwischen eher einen „stalinistischen Caudillo“ sehen, haben sich meist schon länger von der FSLN getrennt. Unter den 600 Delegierten aus dem ganzen Land wird auch bei der vorgesehenen geheimen Wahl mit einer Zustimmung von über 90 Prozent für die Wiederwahl Ortegas zum Vorsitzenden gerechnet. Tomás Borge hat gar „keinen einzigen Parteiaktivisten“ ausgemacht, der damit nicht einverstanden wäre.

Dahinter mag auch die Angst stehen, ohne Ortega an der Spitze könne die FSLN auseinanderfallen. Äußerungen wie „eine Amputation“, oder „ein Selbstmord in diesem Moment“ belegen das. Die Sandinisten verfügen derzeit über keine Führungspersönlichkeit, die für die Mehrheit eine Alternative darstellen würde. Wahrscheinlich wird es niemand wagen, Ortega herauszufordern. In der „Nationalen Leitung“, dem Parteivorstand, verbliebene Ortega-Gegner wie Comandante Víctor Tirado werden voraussichtlich diesmal abgewählt oder stellen sich gar nicht mehr zur Wahl. Tirado hatte im Vorfeld des Kongresses vergeblich versucht, eine starke Opposition innerhalb der Partei zusammenzuschmieden.

Mittelfristig könnte sich das Machtgefüge in der FSLN dennoch ändern. Sieben der 20 Mitglieder der Nationalen Leitung treten nicht mehr an. Eine Frauenquote von 30 Prozent und eine Jugendquote von 10 Prozent in den Entscheidungsgremien der Partei werden zumindest neue Gesichter bringen. Der Unternehmersektor verlangt mehr Gewicht im Parteivorstand. Es ist unwahrscheinlich, daß für die machtorientierte FSLN programmatisch heikle Punkte wie das Bekenntnis zum Sozialismus, die Verteidigung des bewaffneten Weges als eine Methode des Kampfes um die Macht und das „anti-imperialistische Erbe“ des legendären Guerillaführers der 30er Jahre, Augusto Sandino, aus dem Parteiprogramm gestrichen werden. Eine wirkliche Auseinandersetzung um die zukünftige ideologische Ausrichtung ist aber ebensowenig zu erwarten. Sie wird der gewünschten weitgehenden Harmonie auf dem Kongreß zum Opfer fallen.

Damit könnte es nach der großen Parteiversammlung aber schnell wieder vorbei sein. Aus der Umgebung von Ortegas Stieftochter, die ironischerweise im Vorfeld des Kongresses in der FSLN-Reformkommission mitarbeitete, verlautet, daß Zoilamérica Narvaéz bereits ein 40seitiges Dokument für einen Gerichtsprozeß wegen sexuellen Mißbrauchs fertig hat. Ob die Gerichte mit dem Immunität genießenden Parlamentsabgeordneten Daniel Ortega allerdings kritischer umgehen werden als dessen Parteigenossen, steht auf einem anderen Blatt.

LEBENSLAUF DANIEL ORTEGA

Der 1945 geborene Ortega schloß sich nach eigenen Angaben bereits mit 14 Jahren

dem bewaffneten Kampf gegen die Diktatur des Somoza-Familienclans in Nicaragua

an. Mehrfach wurde er verhaftet und gefoltert. Dabei verlor er fast ein Auge. Aus seinem letzten siebenjährigen Gefängnisaufenthalt befreite ihn ein Kommando der FSLN. Innerhalb der Guerillabewegung leitete Ortega bald die Strömung der „Terceristas“, die für einen eigenständigen sozialistischen Weg des Landes eintraten. Nach dem Sturz von Anastasio Somoza im Juli 1979 koordinierte der Comandante Ortega die Junta des Nationalen Wiederaufbaus, die Regierung der ersten fünf Jahre der „sandinistischen Revolution“. Bei den 1984 abgehaltenen allgemeinen Wahlen siegte er als Präsidentschaftskandidat mit großer Mehrheit. Sechs Jahre später allerdings mußte er sein Amt an Violeta Barrios de Chamorro abgeben, die ein unter tatkräftiger Hilfe der USA zusammengezimmertes Oppositionsbündnis anführte. In der eigenen Partei hielt Ortega die Zügel trotz seiner Wahlniederlage dennoch fest in der Hand. Auch die Rechtsabspaltung von seinem ehemaligen Weggefährten Sergio Ramírez im Oktober 1994 überstand er unbeschadet. Auf dem ersten Parteikongreß der FSLN gewann Ortega das Rennen um den Parteivorsitz mit überwältigender Mehrheit gegen den Ex-Guerillero Henry Ruiz. Sein erneuter Anlauf auf das nicaraguanische Präsidentenamt scheiterte Ende 1996, als er dem rechten Kandidaten Arnoldo Alemán im ersten Wahlgang deutlich unterlag.

NICARAGUA

„Es wird keine Veränderungen in der FSLN geben“ – Gespräch mit dem

Schriftsteller und (Ex)Politiker Sergio Ramírez

Von Roberto Fonseca

(Managua, 18. Mai 1998, npl).- Zurück geblieben sind die Reden auf öffentlichen Plätzen und den Parteitagen. Sergio Ramírez Mercado, Nicaraguas sandinistischer Vizepräsident von 1984 bis 1990 widmet sich heute lieber seiner literarischen Laufbahn. Derzeit reist er durch Lateinamerika, um seinen jüngsten Roman „Margarita está linda la mar“ (Margarita das Meer ist schön) vorzustellen. Gerade erst wurde ihm dafür der angesehene Literaturpreis „Alfaguara 1998“ verliehen. Das in mehreren Ländern gleichzeitig erscheinende Werk hat eine „Gesamtauflage von etwa 200.000 Exemplaren“, wie Ramírez stolz bemerkt.

Pech in der Politik, Glück in der Literatur könnte das Motto heißen. Nachdem er den Machtkampf innerhalb der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) klar gegen Ex-Präsident Daniel Ortega verlor und auch mit seiner Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS) bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Ende 1996 ein „Debakel“ erlebte, wie er selbst eingesteht, bot ihm das Schreiben die Möglichkeit zur Distanz.

Heute wirkt Sergio Ramírez nicht mehr so verbissen wie früher bei den Streitgefechten mit Daniel Ortega, die oft mehr Schlammschlachten glichen. An einen völligen Abschied von der Politik denkt er aber nicht. „Ich werde in dem Maß Politiker sein, wie ich meine Meinung äußere. Und ich will mich intensiv über das äußern, was im Land geschieht.“ Nach Ramírez heißt das „aufzuzeigen, was mir nicht korrekt erscheint, meine Bühne als Schriftsteller und als öffentliche Person zu nutzen“.

Auf die Frage nach der Zukunft seines Widersachers Ortega und dessen FSLN reagiert er dennoch relativ zurückhaltend. Von dem Kongreß der Sandinisten am kommenden Wochenende (23./24.5.) erwartet er keine wichtigen Weichenstellungen. „Ich glaube, der Kongreß wird Daniel Ortega an der Spitze bestätigen und keine dramatischen Änderungen im Rest des Vorstandes vornehmen.“ Ohne das Thema direkt anzusprechen, spielt Ramírez auf die jüngsten Vorwürfe gegen Ortega an, dessen Stieftochter ihn in einem Brief des sexuellen Mißbrauchs anklagte. „Sie werden in diesen Momenten nicht das Risiko eingehen, Dinge zu bewegen. Lösen wird sich so allerdings auch nichts.“

Trotz seiner Dissidenz scheint sich der ehemalige Spitzensandinist nicht über den Imageverlust und die schwelende Krise der Partei zu freuen, der er so lange angehörte. „Es ist die Oppositionskraft, die mehr Stimmen als jede andere bekommen hat, aber für mich befindet sie sich in einem Zustand politischer Lähmung.“ Für ihn ist das „sehr besorgniserregend. In einer Demokratie wird ein Gegengewicht gebraucht und diese Rolle erfüllt die FSLN meiner Meinung nach überhaupt nicht.“ Mit der Guerillabewegung, die im Juli 1979 unter dem Jubel der Bevölkerung in Managua einzog und danach bis 1990 regierte, hat die Partei nach Ramírez nichts mehr zu tun. „Als ob ihr Zahn für Zahn gezogen wird.“

Und die Perspektiven der Sandinistischen Erneuerungsbewegung, in der er immer noch die zentrale Figur ist? „Die MRS muß sich neu organisieren, eine gute Führung wählen. Danach kann sie sich für ein Wahlbündnis vorbereiten und eine gute Rolle bei Kommunalwahlen spielen.“ Klingt das nicht nach Resignation? „Ich glaube, die Partei sollte sich nicht alleine auf ein Wahlabenteuer einlassen“, ist die ausweichende Antwort. Ramírez hofft in dem bipolaren Nicaragua immer noch darauf, daß die Bevölkerung „eine dritte siegreiche Kraft“ wünscht.

Kann der Schriftsteller sich nicht doch vorstellen, noch einmal in die Rolle des Politikers aufzugehen? „Wenn die Frage darauf zielt, ob ich erneut Kandidat sein werde, ob ich Posten in einer Partei oder bei landesweiten Wahlen suche, dann ist die Antwort nein. Das ist wohl eine Etappe meines Lebens, die der Vergangenheit angehört.“ Sein Sendungsbewußtsein, daß ihn zeitweise in der Politik begleitete, hat Sergio Ramírez aber nicht verloren. „Ich glaube, ich muß Nicaragua ein literarisches Werk hinterlassen. Dabei fühle ich mich auf der Mitte des Weges.“

VENEZUELA

Ex-Putschist will Präsident Venezuelas werden – Demokraten und Investoren sind

alarmiert

Von Salvador Bracho

(Caracas, 16. Mai 1998, npl).- Für viele Venezolaner ist er der „Rächer der Armen“. Sein Diskurs ist nationalistisch, Neoliberalismus und Globalisierung sind in seinen Augen Schuld an der Misere im Land. Hugo Chávez, ehemals Oberstleutnant der Armee und erfolgloser Putschist, will im Dezember Präsident Venezuelas werden. Jüngsten Umfragen zufolge liegt er als unabhängiger Kandidat in der Wählergunst des südamerikanischen Landes an der Spitze.

Sieben Monate vor der Präsidentschaftswahl wächst die Besorgnis unter den demokratischen Parteien. Der bekannte Historiker Manuel Caballero warnte, ein Wahlsieg des unberechenbaren Putschisten werde Venezuela in einen Bürgerkrieg stürzen. Um die junge Demokratie, die 1958 mit der Flucht des letzten Diktators Marcos Perez Jimenez begann, zu bewahren, sei eine breite Anti-Chávez Allianz von Nöten.

Doch die beiden traditionellen Parteien, die sich in den vergangenen 40 Jahren die Macht teilten, stecken in einer schweren Krise. Weder die regierende sozialdemokratische Acción Democrática (AD) noch die christdemokratische Partei COPEI haben bislang Kandidaten nominiert und sind in Umfragen weit abgeschlagen. Jahrzehntelange Korruption und Vetternwirtschaft hat die politische Klasse diskreditiert und parteilose Anwärter ins Rampenlicht gebracht. Vor allem Irene Saez, ehemalige Miß Universum und konservative Bürgermeisterin des Edelviertels Vhacao in der Hauptstadt Caracas, rechnet sich Chancen aus. Als sie vergangenes Wochenende ihre Kandidatur offiziell anmeldete, hatte sie den Spitzenplatz in dem Meinungsumfragen aber bereits an Hugo Chávez verloren.

Der populistische Ex-Militär rechtfertigte seinen Putschversuch 1992 gegen den sozialdemokratischen Präsidenten Andres Perez mit Korruptionsvorwürfen. Zur Genugtuung von Chávez, der zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, wurde Perez im folgenden Jahr wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder abgesetzt und später unter Hausarrest gestellt. Erst Mitte April dieses Jahren stellte die venezolanische Justiz erneut einen Haftbefehl gegen Altpräsident Perez wegen Korruption aus.

25 Jahre lang diente Hugo Chávez der Armee. Der Sohn einer armen Lehrerfamilien aus dem abgelegenen Flachland Venezuelas wurde mit der Auflage aus der Haft entlassen, dem Militär den Rücken zu kehren. Heute trägt Chávez Anzug und Krawatte und bezeichnet sich als gläubiger Katholik. Politisch ist er nur schwer einzuordnen. Seine Putschkumpane kamen durchweg aus der mittleren Militärhierarchie, konservative Generäle und Unternehmer zählen kaum zu seinen Freunden. Hingegen erfreut sich der Vater von vier Kindern zunehmend in linken Kreisen großer Beliebtheit, die offenbar von seiner populären antikapitalistischen Rhetorik profitieren wollen. Darunter die Kommunistische Partei und eine Abspaltung der Arbeiterbewegung Causa Radical, die zu Beginn dieses Jahrzehnts überraschende Wahlerfolge verzeichnete.

Ausländische Unternehmen drohen bereits, sich im Falle eines Wahlsieges des Ex- Militärs aus Venezuela zurückzuziehen. Auch die USA bezogen Stellung: „Mit seinem Umsturzversuch hat Chávez das Recht verloren, ein Visum zur Einreise in die Vereinigten Staaten zu bekommen,“ erklärte Staatssekretär Jeffrey Davidow am 15. April.

Das Comeback eines Militärs auf die politische Bühne macht auch in anderen Ländern Lateinamerikas Schule. In Paraguay konnte am 10. Mai die Wahl des ehemaligen Putschisten Oviedo zum Staatschef nur durch seine kurzfristige Verurteilung zu einer Haftstrafe verhindert werden. In Bolivien ist im August 1997 der ehemalige Militärdiktator Hugo Banzer zum Präsidenten gewählt worden.

Diktaturen gehören auf dem Kontinent der Vergangenheit an. Doch angesichts zunehmender Verarmung der Bevölkerung und eines Parteienspektrums, das mehr durch Korruption denn mit politischen Initiativen Schlagzeilen macht, erhalten rauhbeinige Militärs mit populistischen Diskursen eine neue Chance.

Chávez und Sáez in Zahlen

(Caracas, 19. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Umfragen aus den vergangenen Tagen geben Chávez mit 31 bzw 33 Prozent der Stimmen einen deutlichen Vorsprung vor Sáez, der 22 bzw. 21 Prozent der WählerInnengunst zugeschrieben werden. Andererseits erreicht Chávez auch die höchsten Werte aller Kandidat*innen bei der Ablehnung, nämlich 26 Prozent.

BRASILIEN

Bestandsaufnahme der Politik, Teil II

Von Paulino Montejo

(Brasilia, Mai 1998, alai-Poonal).- Die Ministerien wurden zwischen den Parteien entsprechend ihrem jeweiligen Durchsetzungsvermögen aufgeteilt. Aufgrund des Drucks der Partei der Liberalen Front (PFL) mußte Cardoso sogar ein neues Ministerium schaffen – das Ministerium für Institutionelle Reformen. Denn die PFL hatte Befürchtungen, der neue Gesundheitsminister José Serra, Senator der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB), könne zu mächtig werden. Das fand jedoch nicht nur die Opposition lächerlich. Widerspruch kam auch aus den Reihen der Regierungspartei und der PFL selbst. Der Vorsitzende der PFL-Fraktion in der Abgeordnetenkammer beispielsweise ging gar so weit, zu erklären: „Dieses Ministerium, das sie für uns geschaffen haben, ist lächerlich. Die Liberale Front sollte nicht annehmen…“. Die Funktionen des neuen Ministeriums sind außerdem völlig unklar. Offiziell soll es unter anderem die Steuer- und Wahlreform voranbringen. Dazu wird es aber höchstwahrscheinlich nicht mehr kommen, da der Kongreß im Wahljahr kaum noch aktiv sein wird.

Ebenfalls dem Prinzip des Tauschhandels folgend hat Cardoso Renan Calheiros, Senator der Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens (PMDB) aus Alagoas, zum Justizminister ernannt. Damit machte er den Weg frei, für „seinen“ Kanditaten für das Gouverneursamt in Alagoas. Calheiros unterstützte früher vehemement Ex-Präsident Collor de Mello unterstützt und war dann unter dessen Regierung Parlamentsvorsitzender. In dieser Funktion hat er auch die härtesten Maßnahmen des sogenannten Collorplans, wie z. B. die völlig willkürliche faktische Konfiszierung der Ersparnisse der Bevölkerung, mitgetragen. Nach all den von Calheiros geleisteten Diensten hatte der anschließende Bruch mit Collor nichts mit Überzeugungen zu tun. Collor hatte bei den Gouverneurswahlen in Calheiros Geburtsstaat einem anderen Kandidaten den Vorzug gegeben. Herausragende Juristen wie Dalmo de Abreu Dallari und Fábio Konder Comaparato und viele Medien mißbilligten die Ernennung von Calheiros zum Justizminister. Es handele sich um einen reinen politischen Deal, der nichts mit dem Staatswohl zu tun habe.

Da bei den Kungeleien um die Posten natürlich nicht alle zufriedengestellt werden konnten, werden sicherlich einige dem Präsidenten das Vertrauen entziehen. Doch bleibt abzuwarten, wie sie sich bei der Kampagne für seine Wiederwahl verhalten. Treffend hat der Journalist Clovis Rossi formuliert: „Die große Mehrheit der Regierungsbasis hat nur ein Motiv für deren Unterstützung: Macht oder die Aussicht auf Macht.“

Tiefschlag für Itamar

Mitte März hatte die PMDB eine außerordentliche Nationalversammlung einberufen, um zu entscheiden, ob sie einen eigenen Kandidaten für die Wahlen im Oktober aufstellt. Ex-Präsident Itamar Franco hatte sich ein paar Tage vor der Versammlung der Partei angeschlossen und wurde von einem der Flügel als Kandidat vorgeschlagen. Er kam aber nicht einmal dazu, seine Rede zu halten, da er von den regierungstreuen Gruppen und deren eigens angeheuerten Unterstützungstrupps regelrecht ausgepfiffen wurde.

Schließlich entschied man, keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten zu stellen. Der regierungstreue Parteisektor zog ab, um gemeinsam mit Cardoso seinen Sieg zu feiern. Itamar war über die Vorfälle entrüstet. Das ganze Szenario sei mit Zustimmung des Regierungschefs vonstatten gegangen. „Cardoso ließ mir zwar mitteilen, daß er mit besagtem Ereignis nichts zu tun gehabt hätte. Aber am nächsten Tag habe ich ihn auf dem Foto mit seinem typischen Lächeln gesehen – umgeben von den Banditen, die mich auf der Versammlung überfallen haben. Es war hart“, erklärte er.

Seither nennt Itamar Cardoso einen Verräter und droht mit der Bildung einer Oppositionsfront gegen dessen erneute Präsidentschaftskandidatur. Als Argumente für die gescheiterte Regierungspolitik führt er unter anderem die fehlenden Insvestitionen im produktiven Sektor, die hohen Steuern, die Arbeitslosigkeit und das Programm zur Privatisierung an.

Die Präsidentschaftskandidaten

Falls der reguläre Parteikongreß der PMDB im Juni entgültig gegen die Kandidatur von Itamar entscheidet, wird sich das Wahlpanorama auf die folgenden Präsidentschaftsanwärter beschränken: Fernando Henrique Cardoso tritt als Kandidat der PSDB und der bereits genannten traditionellen Parteien – einer der Flügel der PMDB eingeschlossen – an. Lula da Silva geht für die linken, von der PT angeführten Parteien ins Rennen. Ciro Gomes kanditiert für die Sozialistische Volkspartei (PPS), die „Dissidenten“ der alten Kommunistischen Partei PCB gegründet haben. Eneas Carneiro hat mit der bisher noch farblosen Partei der Erneuerung der Nationalen Ordnung (PRONA), die von Medizinern und anderen Berufsgruppen gebildet wird, genauso wie Gomez sicherlich nur Außenseiterchancen.

Cardoso war schon vor seiner Präsidentschaft bekannt. Als Soziologe und Universitätsprofessor schrieb er Bücher und verteidigte die Theorie der Dependenz Lateinamerikas vom internationalen Kapitalismus. Nach seinem selbstgewählten Exil in Chile schloß er sich der PMDB an. Wobei er zunächst die Bürgermeisterwahlen von Sao Paulo verlor, dann aber als Senator erfolgreich war. Schließlich gelang es ihm unter der Regierung Itamar für die von ihm mitbegründete PSDB Außen- und Finanzminister zu werden. Nach seiner Wahl zum Präsidenten 1994 distanzierte er sich von seinen eigenen theoretischen Arbeiten. Gestützt auf seine Politik zur Inflationskontrolle und als Verbündeter konservativer Parteien, tritt er heute als aussichtsreicher Kandidat für die Wahlen im Oktober an.

Luis Ignácio „Lula“ da Silva ist Metallarbeiter und Gewerkschaftsführer. Er tritt bereits das dritte Mal bei Präsidentschaftswahlen an. 1989 verlor er im zweiten Wahlgang gegen Fernando Collor de Mello, dessen Regierung allerdings zwei Jahre später unter dem massiven Druck der Bevölkerung zusammenbrach. Man hatte sie insbesondere der Korruption beschuldigt. 1994 scheiterte Lula schon im ersten Wahlgang. Momentan liegt er bei den Umfragen an zweiter Stelle. In einigen Bundesstaaten scheint er sogar zu führen. So unterstützen ihn in Río de Janeiro 55 Prozent der Befragten, gegenüber 45 Prozent für Cardoso.

Lula wurde im Nordosten Brasiliens geboren. Noch als Kind zog er nach Sao Paulo, wo er Straßenverkäufer und dann Metallarbeiter war. Als Führer der Metallergewerkschaft hat er die Streiks in den 70er Jahren angeführt. Während der Militärdiktatur war er Gefangener, 1980 gründete er die Arbeiterpartei (PT), für die er 1986 als Abgeordneter ins Parlament einzog. Im Unterschied zu vorherigen Versuchen gelingt es Lula und seiner Partei bisher, die Verbündeten tatsächlich zu integrieren. Außer der Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB) wird auch die Demokratische Arbeitspartei (PDT) des bekannten Ex-Gouverneurs Leonel Brizola an der Seite Lulas stehen, obwohl sie bei anderen Gelegenheiten einen eigenen Präsidentschaftskandidaten gestellt hat. Einige Widerstände an der Basis der Parteien gilt es jedoch noch zu überwinden.

Der andere Kandidat, Ciro Gomes, hat während seiner Studentenzeit Gruppen der Kommunistischen Partei (PCB) unterstützt. Sein späterer politischer Weg führte ihn über die Demokratische Sozialpartei (PDS) zur PMDB und anschließend zur PSDB. Für letztgenannte war er Bürgermeister in Fortaleza im Bundesstaat Ceará und unter Itamar Finanzminister. Um als Kandidat der PPS anzutreten, löste er sich von der Regierungspartei. Momentan sucht er neue Bündnisse mit dem Ziel, mehr Wahlwerbung in Radio und Fernsehen unterzubringen. In machen der Meinungsumfragen liegt er vor dem Kandidaten der kleinen PRONA.

Nach Ansicht des PT-Vorsitzenden José Dirceu ist es gar nicht so unwahrscheinlich, daß Cardoso die Wahlen verliert, da die Ablehnung seiner Regierung immer größer wird. Die Linke würde sich selbst unterschätzen, meint Dirceu. Sie stelle eine durchaus große Kraft dar und sei stark in den aktuellen und vergangenen Kämpfen verankert. Cardoso könne zwar auf institutionelle Hilfe und eine starke konservative Koalition zählen, aber es werde schwer werden, das Fehlen einer sozialen und Arbeitsplätze schaffenden Politik zu erklären. Ebensowenig ließe sich das weitverbreitete Image einer Regierung der Reichen abstreifen. Spätestens im Oktober wird sich zeigen, ob es sich bei Dirceus Einschätzung um Zweckoptimismus handelt oder die Linke Cardoso tatsächlich Paroli bieten kann.

HAITI

Neue Koalition

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 12. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Etwa 20 kleinere Parteien haben sich zu der Koalition „Haitianische Konferenz der politischen Parteien (CHPP) zusammengeschlossen. Das Spektrum ist äußerst breit und reicht von Mitte-Links bis zur extremen Rechten der Neo-Duvalieristen. Die bekanntesten Parteien sind die MIDH von Marc Bazin, die RNDP (Manigat), die KID (Evans Paul), die neo-duvalieristische URN und die PANPRA (Serge Gilles). Die Koalition fordert Neuwahlen. Evans Paul erklärte, die CHPP sei kein wirklich politisches Bündnis, sondern eine Reaktion auf die herrschende politische Misere. Seit dem Ende der Duvalierdiktatur sind zum ersten Mal Parteien, die aktiv gegen jegliche totalitäre Tendenz gekämpft haben, eine Allianz mit den Neo-Duvalieristen eingegangen. Dies stößt bei vielen Parteimitgliedern auf Kritik. So hat beispielsweise Anthony Barbier, ein führendes Mitglied der PANPRA, bereits seinen Rücktritt erklärt.

Kredite aus Frankreich

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 12. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Der französische Entwicklungsminister Charles Josselin, hat am 5. Mai in Port-au-Prince zwei Kreditabkommen unterzeichnet. Das erste in Höhe von 8 Millionen französischer Francs soll für die Reform der haitianischen Verwaltung verwandt werden. Weitere achtzehn Millionen Francs werden zur Verbesserung des Bildungswesens eingesetzt. Josselin nutzte wie andere ausländische Politiker*innen vor ihm die Gelegenheit, um die Sorge seines Landes angesichts der anhaltenden politischen Krise in Haiti zu bekunden. Er betonte dabei aber, daß es für die haitianische Politik besonders schwer sei, den doppelten Kampf für den Aufbau der Demokratie und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu führen.

IWF freut sich

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 18. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Die Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Port-au-Prince zufrieden abgereist. Die haitianische Regierung habe gute Arbeit bei den öffentlichen Finanzen geleistet, erklärte Delegationsleiter Ali Brahim. Er erwähnte unter anderem die Senkung der Inflation von 17 auf 14 Prozent. Damit sei der einheimische Gourde gegenüber dem Dollar stabilisiert worden. Brahim teilte der Presse mit, daß er andere Finanzgeber ermuntern werde, Haiti in seinen Bemühungen für einen Wirtschaftsaufschwung zu unterstützen.

Als Beispiel für eine positive wirtschaftliche Entwicklung hatte die IWF- Delegation bereits zuvor die Zunahme der Arbeitsplätze in den Maquila-Fabriken von 5.000 Stellen 1995 auf 25.000 in diesem Jahr erwähnt. Die internationale Finanzorganisation qualifizierte die Gesamtentwicklung der haitianischen Wirtschaft als positiv und will 20 Millionen US-Dollar als Budgethilfe fließen lassen. Es heißt jedoch, diese Summe soll „entsprechend den Fortschritten bei den wirtschaftlichen Reformen“ gezahlt werden.

Rodolfo Matarollo, Vize-Vorsitzender der Menschenrechtsmission von UNO und OAS in Haiti, bedauerte auf der Konferenz zum Thema „Anwendung der internationalen Abkommen über Menschenrechte in der haitianischen Justiz“ die Ablehnung von Honduras, den USA und den Bahamas, ehemalige haitianische Militärs auszuweisen. Zwar habe Haiti die internationalen Ausweisungsabkommen nicht unterschrieben. Die genannten Länder hätten aber dennoch die Möglichkeit, auch ohne Abkommen ihren guten Willen zu zeigen und den haitianischen Anträgen Folge zu leisten. Matarollo erinnert ebenfalls daran, daß 80 Prozent der Verhafteten in Haiti immer noch auf ihre Verurteilung warten. Es bescheinigte trotzdem eine deutliche Verbesserung der Menschenrechte seit der Rückkehr der Demokratie im Jahre 1994.

Frauen wehren sich

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 18. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Knapp zwei Dutzend Frauenorganisationen sind in Verhandlungen mit Parlamentsabgeordneten getreten, um die Änderung mehrerer Gesetzestexte zu erreichen, die Frauen diskriminieren. Beispielsweise gelten außereheliche Beziehungen von Frauen dem Gesetz nach als „Verbrechen“. Dagegen ist die Vergewaltigung vom Gesetz nur als „Angriff auf die Würde“ der Frau erfaßt, nicht als ein Verbrechen gegen sie. Die Organisationen fordern auch die Abschaffung des Paragraphen, der den Schwangerschaftsabbruch kriminalisiert. Die Frauen wollen gleichfalls einen klaren Status für die Hausangestellten innerhalb des Arbeitsrechtes. Sie haben sich vorgenommen, einen Entwurf für einen Familienrechtskodex auszuarbeiten und eine Gesetzvorlage für den Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen zu forcieren.

Justitia et Pax nach wie vor unzufrieden mit Regierung

(Port-au-Prince/Wiesbaden, 18. Mai 1998, haiti info-Poonal).- Die katholische Menschenrechtsorganisation Justitia et Pax protestiert gegen den laschen Kurs der haitianischen Regierung, was das Verhalten gegenüber den Mördern des Putschregimes angeht. Obwohl die UNO den haitianischen Menschenrechtsorganisationen recht gegeben und die Verhaftung und Veurteilung der Putschisten gefordert habe, bleibe die Regierung sehr untätig, sagte der Sprecher der Justitia et Pax-Kommission von Gonaives. Nach ihren Informationen behalte das Justizministerium Menschen als Gefängsniswärter im Amt, denen schwere Menschenrechtsverletzungen während des Putsches gegen den damaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide nachgewiesen wurden.

Rodolfo Matarollo, Vize-Vorsitzender der Menschenrechtsmission von UNO und OAS in Haiti, bedauerte auf der Konferenz zum Thema „Anwendung der internationalen Abkommen über Menschenrechte in der haitianischen Justiz“ die Ablehnung von Honduras, den USA und den Bahamas, ehemalige haitianische Militärs auszuweisen. Zwar habe Haiti die internationalen Ausweisungsabkommen nicht unterschrieben. Die genannten Länder hätten aber dennoch die Möglichkeit, auch ohne Abkommen ihren guten Willen zu zeigen und den haitianischen Anträgen Folge zu leisten. Matarollo erinnert ebenfalls daran, daß 80 Prozent der Verhafteten in Haiti immer noch auf ihre Verurteilung warten. Es bescheinigte trotzdem eine deutliche Verbesserung der Menschenrechte seit der Rückkehr der Demokratie im Jahre 1994.

MEXIKO

Umstrittener Gouverneur zurückgetreten

(Mexiko-Stadt, 19. Mai 1998, Poonal).- Der Gouverneur des Bundesstaates Morelos gibt sein Amt vorzeitig auf. Formell bat er das morelensische Parlament um seine „Freistellung“, faktisch handelt es sich um eine lange erwarteten erzwungenen Rücktritt, gegen den sich Jorge Carrillo Olea mit Händen und Füßen wehrte. Obwohl der frühere General einen der kleinsten mexikanischen Bundesstaaten regierte, galt er als einer der mächtigsten Gouverneure im Land. Anschuldigungen, in den Drogenhandel und das Entführungsgeschäft verwickelt zu sein, konnten ihn zu Beginn seiner Amtsperiode vor vier Jahren kalt lassen. Seit gut einem Jahr jedoch begann seine Macht zu bröckeln.

Ein erster Schlag für ihn waren die Parlamentswahlen im Bundesstaat im März 1997. Die wachsende Unsicherheit in Morelos, die zu einem Großteil den staatlichen Sicherheitskräften selbst zugeschrieben wurde, führte zu einer massiven Abwanderung der Wähler*innen in Richtung Opposition. Oleas PRI blieb zwar knapp die stärkste Partei, befand sich im Parlament des Bundesstaates aber auf einmal in einer klaren Minderheit. Dies zwang den Gouverneur zu ersten Kompromissen mit anderen Parteien, deren Existenz er zuvor gerne ignorierte.

Der Anfang vom Ende kam dann vor wenigen Monaten. Ausgerechnet der Chef der Anti-Entführungseinheit der Polizei von Morelos wurde im Nachbarbundesstaat Guerrero dabei erwischt, wie er sich der Leiche einer zuvor entführten und gefolterten Person entledigen wollte. Andere hochrangige Funktionäre der Olea- Administration flogen ebenfalls auf. Die Hinweise, daß die Kriminalität in Morelos tatsächlich unauflösbar mit den staatlichen Behörden verquickt war, häufen sich seitdem. Die wenigsten glaubten den Beteuerungen des Gouverneurs, von alldem nichts gewußt zu haben.

Dennoch hielt sich Carillo Olea verdächtig lange. Unterschriftenaktionen in der Bevölkerung und die Vorbereitung eines Prozesses gegen ihn durch das Parlament des Bundesstaates schienen nichts zu fruchten. Einige Beobachter*innen vermuten, der General im Ruhestand kenne manches Geheimnis, das andere in der Bundespolitik aktive Politiker bloßstellen könne. Doch vor knapp zwei Wochen war es mit jeglicher Rückendeckung aus Mexiko-Stadt vorbei. Ein Anruf des Innenministers Francisco Labastida Ochoa besiegelte die politische Karriere von Olea. Sollte ihm die Beteiligung an Verbrechen in seinem Bundesstaat nachgewiesen werden können, muß er sich noch der strafrechtlichen Verantwortung stellen.

ARGENTINIEN

Zweilichtiger Unternehmer Yabran begeht Selbstmord

Von Victor Sukup

(Buenos Aires, 21. Mai 1998, npl).- Die korrupte politische Klasse in Argentinien gerät in Bedrängnis. Der zwielichtige Unternehmer Alfredo Yabran wurde Anfang Mai beschuldigt, den aufsehenerregenden Mord an dem Pressephotographen José Luis Cabezas angestiftet zu haben. Unmittelbar darauf war er, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden war, verschwunden und wurde dann von der argentinischen Polizei und Interpol gesucht. Fünf Tage später, am 20. Mai, tauchte er auf, in Argentinien aber tot: Offenbar hat er sich selbst eine Kugel in den Mund geschoßen, als er von der Polizei festgenommen werden sollte. Ein Kriminalfall, der seit der Tat vor 16 Monaten die Politik des Landes in Atem hält, die Parlamentswahlen von Ende 1997 beeinflußt hat und 1999 vermutlich die Präsidentenwahl mitentscheiden wird, ist somit in eine neue Phase getreten.

Niemand wunderte sich, als Yabran – der wie Menem syrischer Abstammung war – mit seiner Flucht, wie es scheint, vom Hauptverdächtigen zum sogut wie sicheren Schuldigen geworden war. Ob er wirklich zum Mord angestiftet hat oder dem Opfer nur eine Abreibung geben lassen wollte, die dann im Übereifer der Beauftragten zum Mord wurde, ist nie ganz klar geworden. Der lichtscheue Geschäftemacher hatte jedenfalls einen notorischen Haß auf Photographen, und der unglückliche Cabezas hatte ihn für einen Artikel in der wichtigsten Wochenzeitschrift photographiert. Wegen dieses Mordes sitzen seit Monaten ein Ex-Polizist namens Gustavo Prellezo und eine Reihe von direkten Komplizen in Untersuchungshaft, darunter der ehemalige Chef der umfangreichen Leibgarde Yabrans, und kaum jemand zweifelte, daß der Befehl wohl von oben gekommen sein mußte. Jetzt aber hat die Ex-Frau Prellezos, die ebenfalls wegen vermuteter Komplizenschaft einsitzt, „ausgepackt“: Der Befehl zum Mord kam effektiv, sagte sie aus, von Yabran in Person.

Die Sache wäre nicht so explosiv, hätte dieser nicht engste und sehr lukrative Beziehungen mit der Regierung und dem Präsidenten Menem selbst gehabt, auch wenn sein auf mehrere Hundert Millionen Dollar geschätztes Vermögen schon unter der Diktatur seinen Ausgang genommen hatte. Der Mord ist jedoch in der Provinz Buenos Aires begangen worden, deren Gouverneur Eduardo Duhalde bis dahin der aussichtsreichste Nachfolgekandidat Menems für die Wahlen von Ende 1999 war. Der als direkter Täter geltende Polizist gehörte der Provinzpolizei an, die einen denkbar schlechten Ruf hat. Die Aufklärung ließ aber auf sich warten, und all das hat das Ergebnis der Parlamentswahlen vom letzten Oktober mitentschieden, bei denen die regierenden Peronisten landesweit an die 10 Prozentpunkte verloren und Duhalde damit seine Position als wahrscheinlicher Menem-Erbe. Menem, der entweder einen gefügigeren Nachfolger als Duhalde haben oder – besser – noch einmal, mittels Verfassungsmanipulation, wiedergewählt werden will, hat sich seither mit nicht wenig Erfolg darauf konzentriert, diese Kandidatur parteiintern zu sabotieren.

Die Flucht des Menem-Intimus hat sofort hohe Wellen geschlagen, und sein Tod wird wohl Folgen haben, die bisher kaum absehbar sind. Während Duhalde seine Chancen wieder deutlich wachsen sieht, fürchtete die Regierung, daß ein verhafteter Yabran sehr üble Dinge an die Öffentlichkeit bringen könnte. Daß bei diesem Selbstmord jemand nachgeholfen haben könnte, liegt nahe, denn der Mann war sehr gefährlich für seine Freunde geworden. Zweifel wurden auch daran laut, daß die entstellte Leiche effektiv die von Yabran ist. Schon vor drei Jahren hat der damalige, nahezu allmächtige, Wirtschaftsminister Cavallo Yabran öffentlich beschuldigt, Capo einer in der obersten politischen Macht verschanzten Mafia zu sein, und ein paar Monate später wurde er zum Rücktritt gezwungen.

Während Duhalde eher diskret die neuen Probleme Menems genießt, meint die Opposition nicht zu unrecht, die Regierung hätte einiges über die erwiesenen engsten Beziehungen zu Yabran zu erklären. Menem schimpfte, es sei unfair, die Sache politisch auszunützen. Mensch kann sich jedenfalls auf eine gewaltige Schlammschlacht inner- und außerhalb der Regierungspartei, und vielleicht auf neue Enthüllungen gefaßt machen, die auch die ausländischen Regierungen dazu zwingen könnten, den bisher für seine „mutigen Wirtschaftsreformen“ immer wieder enthusiastisch gelobten Menem etwas kritischer zu beurteilen, wie das zur Zeit unter etwas anderen Umständen der Kollege Suharto in Indonesien erfahren muß. Der Selbstmord Yabrans, auch wenn er sich einwandfrei als solcher bestätigen sollte, kann auf jeden Fall nur ein weiteres unerfreuliches Licht auf den für seine obskure Entourage berühmten Staatschef werfen.

KOLUMBIEN

Mehrere Dutzend Tote und Verschwundene bei paramilitärischer Aktion – Armee und

Todesschwadrone besetzen Armenviertel in Barrancabermeja

(Bogotá, 19. Mai 1998, colombia popular-Poonal).- Bei einer der größten paramilitärischen Aktionen der vergangenen Jahre sind am Samstag (16.5.) in Barrancabermeja mindestens 11 Menschen ermordet und wahrscheinlich über 40 weitere Personen entführt worden. Die Erdölstadt, die als Zentrum der kolumbianischen Gewerkschaftsbewegung gilt, gehört zu den militarisiertesten Städten Kolumbiens und liegt inmitten eines von Paramilitärs kontrollierten Gebiets. Nach Berichten der örtlichen Menschenrechtsorganisationen schirmten Militärpatrouillen die Umgebung der betroffenen Stadtviertel am vergangenen Samstag weiträumig ab, während die Paramilitärs mit ihrer Aktion begannen. Die Menschenrechtsorganisationen CREDHOS und REINICIAR aus Barrancabermeja sowie der kolumbianische JuristInnenverband gaben folgende Darstellung von dem Vorfall ab:

„(…)Etwa 50 schwerbewaffnete Paramilitärs besetzten am 16.Mai von 20 bis 23 Uhr die Viertel El Campestre, 9.April und María Eugenia im Südosten der Stadt. Sie ermordeten einige Bewohner und nahmen andere mit an einen unbekannten Ort. Gleichzeitig errichteten Armee und Polizei von Barrancabermeja von 20 Uhr bis 2 Uhr morgens Straßensperren an den Zugängen zu diesem Bereich der Stadt. Zahlreiche Zeugen berichten, daß Panzerwagen der Armee auf den Straßen unterwegs waren und Einheiten von Armee von Polizei die Verbindungen zwischen den Vierteln Campestre und 9.April kontrollierten. In diesem Bereich befinden sich 3 Militärbasen: Pozo Siete, Matadero de Reses de Ecopetrol und ein Stützpunkt bei dem sich in Bau befindlichen Elektrizitätswerk zwischen den Vierteln Villarelys und 9.April.

Die Paramilitärs trafen um 20.30 im Viertel María Eugenia ein und begannen mit einer Liste Leute aufzurufen, die zu diesem Zeitpunkt an einem Basar teilnahmen. Zwei Personen, die sich weigerten, den Paramilitärs auf die Fahrzeuge zu folgen, wurden sofort ermordet. Einem von ihnen schnitt man mit einer Machete die Kehle durch. Die in diesem Viertel ermordeten Personen sind Luis Jesus Aguello, German León Quintero und José Javier Jaramillo Díaz, 17 Jahre alt. Die Paramilitärs setzten ihre makabren Aktivitäten in den Vierteln 9.April, El Campestre, El Campín und María Eugenia bis 23 Uhr fort und nahmen über 30 Personen mit, die große Mehrheit zwischen 18 und 25 Jahren alt.

Während der Aktion informierten die Paramilitärs die Bevölkerung, daß 'sie jetzt auch in Barrancabermeja seien', 'die Ordnung wieder herstellen' und 'nicht mehr gehen würden'. Zwischen 23 Uhr und 23.30 Uhr drangen die Paramilitärs dann in den Nordosten der Stadt ein. Ein mit 10 bis 12 schwerbewaffneten Zivilpersonen besetzter Jeep parkte direkt gegenüber vom Haus der Präsidentin von CREDHOS, Osiris Bayter Ferias. Während dieser Zeit klingelte mehrmals das Telefon. Als Bayter Ferias abnahm, meldete sich niemand am anderen Ende. Nach etwa 15 Minuten verschwand der Jeep wieder. Wie schon häufig erklärt wurde, sind die Mitglieder von CREDHOS von paramilitärischen Gruppen mit dem Tod bedroht, die Armee hat sie in vielen Fällen schikaniert und die Sicherheitsorganisationen unterstellen ihnen, sie seien 'Kollaborateure der Guerilla'.“

Die Menschenrechtsorganisationen weisen außerdem darauf hin, daß die Behörden nach dem Massaker nicht in Barrancabermeja erschienen seien. Weder die Bundesstaatsanwaltschaft, noch die Provinzstaatsanwaltschaft, die Behörde des Ombudsman (Defensoría del Pueblo) oder kommunale Strafverfolgungsbehörden hätten sich am Ort des Geschehens sehen lassen. Abschließend wird im zitierten Dokument von den Menschenrechtsgruppen eine sofortige Suche nach den verschwundenen Personen gefordert. Außerdem soll nach der „möglichen Verantwortung der in Barrancabermeja stationierten Sicherheitsorgane“ geforscht werden. Die Organisationen treten für einen Plan ein, im Süd- und Nordosten Barrancabermejas wohnenden Personen zu schützen und verlangen „Sicherheitsgarantien für die Bewohner der Ortschaften Yondó, Cantagallo und San Pablo, denen ebenfalls mit großangelegten paramilitärischen Aktionen gedroht wird“.

Heeresgeneral verliert US-Visa wegen Verstrickungen in Morde

(Bogotá, 19. Mai 1998, colombia popular-Poonal).- Wie der hochrangige General Iván Ramírez am vergangenen 15.Mai bestätigte, ist ihm von der US-Regierung die Einreisegenehmigung in die USA entzogen worden. Dem Heeresinspekteur und früheren Kommandanten der XX.Brigade war von der Washington Post Anfang Mai vorgeworfen worden, er sei für die Morde an den Menschenrechtsaktivisten Eduardo Umaña Mendoza und den 1997 erschossenen Mitgliedern der jesuitennahen Einrichtung CINEP veranwortlich. Auch gegen den aktuellen Kommandanten der Spezialeinheit von Caguán, Rafael Hernández López, und den Brigadegeneral Rito Alejo del Río, ehemaliger Militärchef von Urabá, erwäge man solche Maßnahmen, hieß es aus den USA. In den Operationsgebieten dieser Militärs haben sich die paramilitarischen Gruppen in den letzten Jahren immens ausgeweitet.

Trotz dieser spektakulären Entscheidung ist jedoch nicht von einem Zerwürfnis zwischen der Washington und der kolumbianischen Armee auszugehen. Berater von Präsident Clinton sollen – wie die Tageszeitung „El Tiempo“ am 17.Mai zitierte – in einem inoffiziellen Gespräch auf rechtliche Probleme der Militärhilfe hingewiesen haben. Die US-Gesetze verbieten es, militärische Unterstützung an Regierungen zu leisten, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Die inoffiziellen Quellen wiesen auf das große Interesse der USA hin, die Armee im Kampf gegen den Drogenhandel und die Guerilla weiterhin zu unterstützen. In diesem Zusammenhang ist nicht zu vergessen, daß der Chef des Südkommandos der US-Armee, Charles Wilhelm, erst Anfang Mai in den Kriegsgebieten in Südkolumbien unterwegs, um mit kolumbianischen Militärs über eine effizientere Kriegsführung zu diskutieren. In der Region hatte die Armee zuletzt schwere Niederlagen gegen die Guerillabewegung FARC einstecken müssen. Aus dem Pentagon hieß es sogar, die Guerilla könne den Krieg in 5 Jahren gewinnen, wenn die USA nicht direkter als bisher eingreifen würden.

Empörung über Durchsuchung bei Justicia y Paz hält an

(Bogotá, 20. Mai 1998, alc-Poonal).- Der Weltkirchenrat (CMI), die Lutheranische Weltvereinigung (FLM) und die kolumbianische Bischofskonferenz haben gegen die Durchsuchung der Büroräume der ökumenischen Kommission Justicia y Paz durch die Militärs protestiert. Am 13. Mai waren etwa 20 schwerbewaffnete Soldaten, die zu einer Spezialeinheit für die Guerillabekämpfung gehörten, in das Büro der Menschenrechtsorganisation in dem Hauptstadtviertel Teusaquillo eingedrungen. Sie gaben vor, die Staatsanwaltschaft zu unterstützen. Nach Geheimdienstquellen solle von dem Ort aus ein städtisches Unterstützungsnetz für die Guerilla agieren. Deshalb müßten Dokumente und die in den Computern enthaltenen Informationen überprüft werden.

Während der zweistündigen Durchsuchung war nur einem Anwalt das Betreten des Büros erlaubt worden. Die Menschen, die auf der Straße abwarteten, wurden von Militärpersonal gefilmt. Selbst einem Abgesandten des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte wurde der Zutritt im Widerspruch zu internationalen Abkommen verwehrt. In den Büroräumen von Justicia y Paz zwangen die Soldaten die Angestellten auf die Knie, richteten die Gewehre auf sie und beschuldigten sie, Komplizen der Guerilla zu sein. Auch die Angestellten wurden gefilmt.

Die katholischen Bischöfe machen die Staatsanwalt und die Militärkommandanten für dieses Vorgänge verantwortlich. In einer Erklärung weisen sie ebenfalls dem „kolumbianischen Staat, an der Spitze der Präsident der Republik als Oberster Chef der Streitkräfte“ und der Generalstaatsanwaltschaft die Verantwortung für „jeden Unglücksfall“ zu, „der die Ordensleute und Laien, die in der Kommission Justicia y Paz arbeiten, treffen könnte“.

Die Menschenrechtsorganisationen brachten ihre Angst wegen der Terror- und Gewaltwelle zum Ausdruck, die das Land nur wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen am 31. Mai erschüttert. „Wir haben begründete Sorge, daß diese Terrorsituation sich weiter ausbreitet und die Auslöschung von Menschenrechtsverteidigern oder Persönlichkeiten des Landes weitergeht, um die bereits existierende Polarisierung zu vertiefen.“ Als Beispiele führen die Organisationen die jüngsten Morde an dem Anwalt und Menschenrechtsaktivisten Eduardo Umaña Mendoza und dem ehemaligen Verteidigungsminister General Fernando Landazabal an (für den Mord an letzterem wird die Guerilla verantwortlich gemacht).

URUGUAY

Kirchen für Vergangenheitsaufklärung

(Montevideo, 15. Mai 1998, alc-Poonal).- Zehn der wichtigsten uruguayischen Kirchen einschließlich der Erzdiözese der Hauptstadt von Montevideo sowie fünf Menschenrechtsorganisationen haben sich gemeinsam gegen das sogenannte Hinfälligkeitsgesetz ausgesprochen. Damit soll jeder Gerichtsprozeß wegen des Verschwindenlassens und des Todes von Personen unter der Militärdiktatur unzulässig sein. In einer Erklärung über die Nationale Aussöhnung erkennen die Einrichtungen an, daß Gesetz sei „ein Versuch, die Meinungsverschiedenheiten zu beruhigen und eine neue Etappe im nationalen Leben auf den Weg zu bringen“. Es führe dennoch nicht zur notwendigen Aussöhnung. Für die legitimen Sorgen der Familienangehörigen der Opfer gebe es keine befriedigenden Antworten. Die uruguayische Bevölkerung müsse die Wahrheit über die Vorkommnisse erfahren und: „Die Familienangehörigen besitzen das Recht, den Verbleib der Toten und Verschwundenen zu kennen.“

Konservative Parteien mit Gespür für die Zukunft

(Montevideo, 15. Mai 1998, comcosur-Poonal).- Das Linksbündnis Frente Amplio/Encuentro Progresista hält sich bei den Umfragen mit beträchtlichem Vorsprung auf dem ersten Platz. Die Nationalpartei und die Colorado Partei, beide aus dem konservativen Lager und in der Regierung zusammenarbeitend, folgen mit einem Abstand von jeweils etwa zehn Prozent. Auch bei den Einzelpersönlichkeiten stellt die Linke mit Tabaré Vázquez den beliebtesten Politiker. Dennoch muß sich die Regierung um die im kommenden Jahr anstehenden Wahlen noch keine Sorgen machen. Zum einen ist die Zahl der Unentschlossenen Wähler*innen hoch, zum anderen änderten Colorado und Nationalpartei vorausschauend das Wahlrecht, um einen Triumph des Linksbündnisses zu verhindern. Erstmals werden Präsidentenamt und Regierung 1999 nicht durch einfache Stimmenmehrheit im ersten Urnengang vergeben, sondern bei fehlender absoluter Mehrheit entscheidet die Stichwahl. Dort könnte bisher eine konservative Allianz mit dem Sieg rechnen.

USA/KUBA

Kirchenrat gegen Jesse Helms

(Washington, 20. Mai 1998, alc-Poonal).- Der Kirchenrat der USA (CNI) hat seine Opposition gegen die neue Gesetzesinitiative des republikanischen US-Senators Jesse Helms erklärt. Dieser versucht damit, die von Bill Clinton verfügten Erleichterungen für humanitäre Hilfe an Kuba, zu unterlaufen. Der am 12. Mai eingebrachte Entwurf trägt den irreführenden Titel „Gesetz zur Solidarität und Hilfe für Kuba“. Kirchenratsvorsitzende Joan Brown Campbell kommentierte, diese Initiative „scheint nicht von dem wirklichen Wunsch inspiriert, dem kubanischen Volk zu helfen, sondern richtet sich eher darauf, die Regierung Kubas zu schwächen“. Auch Rodney Page, Vertreter des Weltkirchenrat beim CNI, sprach sich gegen die Vorschläge des ultrakonservativen Republikaners aus. Kontrollmaßnahmen über religiöse und gemeinnützige Hilfe wandten sich gegen das historische Modell freiwilliger Unterstützung. Seit 1992 hat der CNI nach eigenen Angaben über den kubanischen Kirchenrat verschiedenste Hilfssendungen im Wert von mehr als sieben Millionen Dollar verteilt. Jesse Helms will durchsetzen, daß nur vom US- Präsidenten ernannte und vom US-Kongreß autorisierte Organisationen die Hilfe für Kuba kanalisieren dürfen.

KUBA

Schweiz sucht neutralen Tabak und Tourismus

(Havanna, 18. März 1998, pl-Poonal).- Ein achtköpfige schweizerische Parlamentarierdelegation unter Führung des Natinalratsvorsitzenden Leuenberger befindet sich zu mehrtägigen Sondierungsgesprächen auf Kuba. Neben dem Interesse für die politischen Einrichtungen der Karibikinsel geht es auch um die Wirtschaft. Leuenberger erklärte, zwar sei Europa für die ökonomischen Beziehungen der Schweiz das Zentrum, doch interessiere sich das Alpenland für kubanischen Tabak und den Tourismus dort. Vor ihrer Abreise nach Kuba sprachen die schweizer Abgeordneten in Genf mit Staatschef Fidel Castro (der sich dort im Rahmen des Treffens der Welthandelsorganisation aufhält) über die Wirtschaftsblockade der USA. Sein Land, so Leuenberger, habe sich immer gegen das Embargo ausgesprochen. „Ich persönlich bin dagegen und habe die Hoffnung, daß es nicht mehr lange andauern wird“, fügte der Nationalratsvorsitzende hinzu.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Erdrutschsieg für die PRD

(Santo Domingo, 18. Mai 1998, pulsar-Poonal).- Vielen sehen in der Abstimmung eine Ehrung für den vergangene Woche verstorbenen Oppositionspolitiker José Francisco Peña Gómez (s. Poonal 338). Bei den Parlaments- und Kommunalwahlen gewann seine sozialdemokratische Partei der Demokratischen Revolution (PRD) noch weitaus höher als erwartet. Im Abgeordnetenhaus wird die PRD zukünftig über etwa 80 der 149 Mandate verfügen, auf jeden Fall klar über die absolute Mehrheit. Bisher war sie zwar die stärkste Fraktion, doch dem Bündnis der regierenden Partei der Dominikanischen Befreiung und ihrem de facto-Koalitionspartner PRSC unterlegen. Im Senat kommt die PRD nun auf 22 bis 25 von insgesamt 30 Sitzen.

Auf kommunaler Ebene eroberte die Partei etwa drei Viertel der 119 Rathäuser. In der Hauptstadt siegte der Merengue-Komponist Johnny Ventura mit über 60 Prozent der Stimmen bei der Wahl für den Bürgermeister. Bis vor einer Woche war er noch als Stellvertreter von Peña Gómez vorgesehen. Selbst in den reichen Nordprovinzen des Landes verzeichnete die PRD sehr gute Wahlergebnisse. Dort wurden bisher traditionell die konservativeren Parteien PLD und RRSC unterstützt. Für letztere, die mit dem autoritären Präsidenten Joaquín Balaguer immer wieder das politische Geschehen in den vergangenen Jahrzehneten bestimmte, ist das Resultat ein Desaster. Sie erlitt einen flächendeckenden Einbruch und sank fast zur Bedeutungslosigkeit hinab.

Dennoch gilt Leonel Fernández von der PLD als der Hauptverlierer. Er hatte die Absicht, sich vom Parlament den Weg für seine Wiederwahl frei machen zu lassen. Dies wird aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse kaum möglich sein. Zudem ist das Ergebnis nicht nur auf die Sympathiewelle für den wegen seiner schwarzen Hautfarbe oft mit rassistischen Argumenten angegriffenen Peña Gómez zurückzuführen. Besonders die neoliberale Wirtschaftspolitik der Regierung stößt in weiten Kreisen der Bevölkerung auf Ablehnung. Zahlreiche Protestaktionen in den vergangenen Monaten legten davon Zeugnis ab.

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 339 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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