Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 329 vom 5. März 1998

Inhalt


MEXIKO

EL SALVADOR

HONDURAS

PANAMA

GUATEMALA

ARGENTINIEN

PERU

LATEINAMERIKA

NICARAGUA

COSTA RICA

PARAGUAY

CIPAE weist darauf hin, daá der Gesetzentwurf zur Wehrpflicht, der

ECUADOR

KOLUMBIEN


MEXIKO

Neue Strategie, alte Probleme – Skepsis angesichts weiterer

Chiapas-Politik der Regierung

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 2. März 1998, Poonal).- Eine neue Strategie für den Konflikt mit der EZLN im Bundesstaat Chiapas hatte die mexikanische Regierung angekündigt und damit Erwartungen aufgebaut. Doch was Innenminister Francisco Labastida von Radio und Fernsehen live übertragen am Wochenende vom Blatt ablas, löste wenig Euphorie aus. Die neue Strategie soll im wesentlichen in der Regierungsinitiative bestehen, einen eigenen Reformentwurf zur Indígenagesetzgebung ins Parlament einzubringen. Die parteienübergreifende Parlamentskommission zu Chiapas, die COCOPA, wird zur Mitarbeit aufgefordert. Damit wird einem von dieser Kommission in der vorausgegangenen Legislaturperiode erarbeiteten und von den Zapatisten akzeptieren Vorschlag endgültig eine Absage erteilt. Die Regierung sieht ihn in mehreren entscheidenden Punkten im Widerspruch zu den mit der EZLN im Februar 1996 geschlossenen Abkommen von San Andrés.

Gleichfalls hat die Regierung deutlich gemacht, eine Einigung mit der EZLN nicht als vorrangig anzusehen. Ein Groáteil der Erklärung ist mit Anschuldigungen und indirekten Drohungen gegen die Zapatisten gefüllt. So heiát es unter anderem, das Land und die Indígenas dürften „Geiseln von niemand“ sein. Es sei nicht zu akzeptieren, daá der Konfklikt in Chiapas „den normalen Gang der Nation erschwert“. Für den Bundesstaat werden verstärkte Sozialprogramme und eine Förderung der Privatinvestition angekündigt.

Was fehlt, sind konkrete Aussagen zur aktuellen Sitution im Konfliktgebiet. Dort sind nach dem Massaker von Acteal, bei dem 45 Indígenas ermordet wurden, die Truppen verstärkt worden. Zum angekündigten harten Vorgehen gegen paramilitärische Gruppen ist es nicht gekommen. Vielmehr erhöhte sich die Kontrolle der zapatistischen Gemeinden. Vor wenigen Tagen sagte Innenminister Labastida, ein Teilrückzug der Soldaten komme nur in Frage, wenn die EZLN sich zu Verhandlungen bereit erkläre.

Die Chancen dafür dürften geringer denn je sein, auch wenn eine Reaktion der Zapatisten auf das jüngste Regierungsdokument noch fehlt. Nach den bisherigen Erfahrungen werden sie der Einschätzung eines Regierungskritikers zustimmen, der von „derselben Ware, anderes verpackt“ sprach. In mehreren Kommuniqués, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden, drückte Zapatistensprecher Subcomandante Marcos sein totales Miátrauen gegenüber Präsident Ernesto Zedillo und seine Minister aus. Er verwies auf die Machtkämpfe innerhalb der Regierungspartei, die eine eindeutige Linie verhinderten. Marcos sieht statt Friedenswillen Bestrebungen, militärisch gegen die EZLN vorzugehen, bzw. einen Vernichtungsschlag gegen die Zapatistenführung zu versuchen.

Die Festnahme und Ausweisung mehrerer Ausländer, die sich zum Teil seit mehreren Jahren in Chiapas aufhielten, nähren solche Vermutungen. Unter dem Vorwurf der Einmischung in die politischen Angelegenheiten des Landes traf die Deportation in den vergangenen Wochen mehrere US-Bürger und zuletzt den französischen Priester Michel Chanteau, der seit 32 Jahren für die Diözese von San Cristóbal im Landkreis Chenalhó arbeitete, wo das Massaker von Acteal stattfand. Begleitet wird dies von einer Kampagne gegen die „manipulierenden Ausländer“ in einem Teil der Medien. Sie beschränkt sich allerdings auf diejenigen, die der Sympathie mit den Zapatisten verdächtigt werden oder sie offen äuáern.

Möglicherweise zielt die Kampagne nicht in erster Linie darauf ab, sich unliebsamer ausländischer Augenzeugen zu entledigen. Sie kann genauso dazu dienen, im eigenen Land vom Fehlen substantieller Vorschläge für das Problem Chiapas abzulenken. Die Abschirmung gegenüber ausländischen Beobachtern ist kaum möglich. So konnte der Besuch einer fast 200köpfigen internationalen Beobachterkommission aus überwiegend europäischen Ländern nicht verhindert werden. Die Kommission schloá gerade einen zweiwöchigen Aufenthalt in Chiapas ab und hat einen ausführlichen Bericht angekündigt.

Noch mehr Paramilitärs

(Amatenango del Valle, 23. Februar 1998, pulsar-Poonal).- Mehrere Indígena-Gemeinden in Chiapas berichten über eine neue paralmilitärische Gruppe mit dem Namen „Los Puñales“ (die Dolchstecher). Sie geben an, Morddrohungen von Mitgliedern dieser Gruppe erhalten zu haben, die stark bewaffnet sind und deren Zahl etwa 30 betragen soll. Ihr Operationsgebiet ist in der Region um die Kleinstadt Comitán. Mehrere Tote in den vergangenen Wochen sollen auf das Konto der „Puñales“ gehen. Bewohner*innen der Zone sprechen auch Camps, in den die Paramilitärs nachts mit Unterstützung von chiapanekischen Polizisten und ehemaligen sowie aktiven Militärs trainieren.

EL SALVADOR

Ex-Guerilleros und Ex-Soldaten marschieren gemeinsam

(San Salvador, Februar 1998, pulsar-Poonal).- Früher schossen sie aufeinander, jetzt tragen sie ihre Forderungen gemeinsam vor. Ehemalige Kämpfer der Nationalen Befreiungsfront Farabundi Martí (FMLN) und Ex-Mitglieder der offiziellen Streitkräfte sowie viele andere Campesinos – insgesamt mehr als 3.000 – zogen durch die Hauptstadt zum Kongreá, um ein weiteres Mal den Erlaá ihrer Agrarschulden zu verlangen. Omar Quintanilla, Vorsitzender der Nationalen Vereinigung der Ex-Kämpfer der FMLN erklärte, sechs Jahre nach der Unterschrift unter das Friedensabkommen seien die Mitglieder seiner Organisation weiterhin an den Rand gedrängt. Wenn die früheren Kämpfer*innen wirklich in die zivile Gesellschaft integriert werden sollten, dann müáten die Autoritäten sie durch die Erlassung der Bankschulden unterstützen. Nach den Friedensvereinbarungen von 1992 müáten sowohl frühere Soldaten wie frühere Guerilleros vom Programm der Landübergabe profitieren und so in das produktive Leben des Landes eingegliedert werden. Doch an Hilfe fehlt es vielfach. Am 30. Oktober stimmte eine Parlamentsmehrheit für eine teilweise Schuldenstreichung im Agrarbereich, doch Präsident Armando Calderón legte sein Veto gegen diese Entscheidung ein. Damit ist die Angelegenheit nach wie vor offen. Die landwirtschaftlichen Kredite, um die es geht, belaufen sich auf schätzungsweise 168 Millionen Dollar.

HONDURAS

Indígenas gegen Militärmanöver

(Tegucigalpa, 24. Februar 1998, pulsar-Poonal).- Der Koordinationsrat der Indígena-Organisationen von Honduras hat 4.000 US-Soldaten zu „nicht erwünschten Personen“ erklärt. Die US- Truppen nehmen an einem Manöver mit den einheimischen Streitkräften teil. In findet in einer Region statt, die mehrheitlich von den Mayas abstammenden Lenca bewohnt wird. Der Koordinationsrat, der mehr als 100.000 Lenca der Provinz Intibuca vertritt, sieht die ausländische Militärpräsenz in einer Pressemitteilung als Beleidigung für sein Gebiet und die nationale Souveränität des mittelamerikanischen Land an. Die Indígenas befürchten auch die Plünderung von kürzlich entdeckten Ruinen aus der präkolumbianischen Zeit und die Zerstörung der Natur. Die bis Juni dieses Jahres andauernden Manöver sind von einem „Sozialprogramm“ begleitet. So ist unter anderem der Bau mehrer Schulen, Kliniken, Brunen und eines 15 Kilometer langen Straáenstücks durch die Soldaten vorgesehen.

PANAMA

Bananenkonzern verklagt Streikende

(Panama-Stadt, 24. Februar 1998, pulsar-Poonal).- Die Chiriquí Land Company (gehört zum Chiquita-Konzern, vgl. auch Reportage „Wen macht die Banane krumm“ in Poonal 325; die Red.) hat gegen den unbegrenzten Streik der Arbeiter*innen auf ihren Bananenplantagen Klage eingereicht. Sie will den Arbeitskampf in der westlichen Provinz Chiriquí an der Grenze zu Costa Rica vom Gericht für illegal erklären lassen. Die Gespräche zwischen beiden Seiten sind nach Aussage eines Vertreters des panamaischen Arbeitsministeriums bis zur Gerichtsentscheidung ausgesetzt. Der Konzern vertritt die Auffassung, es ginge nur um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, nicht um eine Verletzung des Kollektivvertrages. Deswegen sei der Streik nicht gerechtfertigt. Gewerschaftsführer Carlos Acosta dagegen versichert, die Chiriquí Land Company wolle den erst im Dezember 1997 abgeschlossenen Vertrag nicht erfüllen. Hinter der Gewerkschaft steht die groáe Mehrheit der 4.600 auf den Plantagen Beschäftigten.

GUATEMALA

Indígenas kämpfen um ihre Stimmen im Äther

(Guatemala-Stadt, 20. Februar 1998, cerigua-Poonal).- Ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Radiostationen der Indígenas, die dafür kämpfen, mehr in ihren eigenen Sprachen gehört zu werden. In ihrem zweiten Bericht zum Friedensprozeá im Land zitiert die UNO-Mission zur Internationalen sberprüfung der Menschenrechte in Guatemala (MINUGUA) den Superintendanten für Telekommunikation. Er hat demnach zugesagt, die im Friedensabkommen über die Identität und Rechte der Indígena-Völker enthaltene Bestimmung zu den Medien zu erfüllen. Im entsprechenden Passus versichert die Regierung „in den offiziellen Medien Gelegenheiten für die Verbreitung indigener Kulturen zu schaffen und eine vergleichbare Öffnung in den privaten Medien zu fördern“.

Die zahlreichen Gruppen, die sich mit einer Kampagne für Änderungen in der letztes Jahr verabschiedeten Radiogesetzgebung einsetzten, haben die Nachricht mit Vorsicht aufgenommen. Das Gesetz legte die öffentliche Versteigerung der FM-Radiofrequenzen an den Meistbietenden fest. Die Community Radios – die meisten von ihnen in der Hand von Indígenas und in Mayasprachen sendend – zogen dabei bisher wegen fehlender Finanzmittel den Kürzeren. „Wir wollen einen Vertrauensbeweis, daá die Regierung zu Änderungen bereit ist und unsere Vorstellungen berücksichtigt“, so Kampagnensprecherin Violeta Contreras.

Ihre Gruppe versucht zusammen mit der Koordination der Organisationen des Maya-Volkes Guatemalas (COPMAGUA) Druck auf die Regierung auszuüben, das Telekommunikationsgesetz dahingehend zu überprüfen, daá den Indígena-Gemeinden der Zugang zu den Frequenzen garantiert wird. „Wir wollen Reformen, damit die Gemeinden entweder nicht auf den öffentlichen Versteigerungen mitbieten müssen oder aber einen bestimmten Anteil für sie reservierter Frequenzen garantiert bekommen“, sagt Contreras. Mindestens drei Millionen Guatemaltek*innen – ein Drittel der Bevölkerung – sprechen noch aktiv Indígena-Sprachen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung wird den Indígenas zugerechnet. Die Zeit für die Reformen wird knapp: Bisher sind 22 der 33 staatlichen FM- Radiostationen mit ihren Frequenzen verkauft worden.

ARGENTINIEN

Präsident Menem kritisiert spanische Justiz

Von Roberto Roa

(Buenos Aires, 28. Februar 1998, npl).- Es sei ein „richtiger Aufschneider“, eher ein Politclown denn ein Richter. Auáerdem betreibe er eine „juristische Hetzjagd“ gegen die argentinischen Streitkräfte. So kommentierte der argentinische Präsident Carlos Menem am vergangenen Freitag (27.2.) die Arbeit des spanischen Untersuchungsrichters Baltasar Garzón. Seit nunmehr zwei Jahren ermittelt Garzón im Fall der 600 spanischen Staatsbürger, die während der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) spurlos verschwanden.

Am selben Tag sagte Nora Cortinas, eine der Begründerinnen der Menschenrechtsgruppe „Mütter der Plaza de Mayo“, vor der spanischen Justiz aus. Unter anderem soll Cortinas die Namen von 90 argentinischen Offizieren genannt haben, die auf Schweizer Bankkonten von den Opfern der Diktatur geraubtes Vermögen angelegt haben. Die Schweizer Staatsanwaltschaft hatte vergangene Woche auf Nachfrage Garzons bestätigt, daá mehrere argentinische Militärs Konten in der Schweiz unterhalten, auf denen geraubte Gelder vermutet werden.

Mit seinen Äuáerungen stellt sich Präsident Menem unzweideutig hinter seine Militärs, die in den vergangenen Monaten wiederholt mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wurden: Er habe die Auáen- und Verteidigungsminister angewiesen, mit „aller Konsequenz“ den Entscheidungen von Garzón entgegenzutreten. Diese Ankündigung richtet sich insbesondere gegen die internationalen Haftbefehle, die gegen neun ehemals ranghohe Militärs erwirkt wurden, und das Ansinnen der spanischen Justiz, an die 200 argentinische Militärs zur Aussage nach Madrid zu zitieren.

Menem ging so weit, dem spanischen Ermittler vorzuwerfen, die nationale Aussöhnung in Argentinien zu gefährden und mit „ultralinken“ Kreisen gemeinsame Sache zu machen. Beobachter werten Menems heftige Reaktion als Flucht nach vorn, während der Druck auf die Regierung zunimmt, die Zeit des „Schmutzigen Krieges“ juristisch aufzuarbeiten.

Erst Mitte Januar hatte der berüchtigte Fregattenkapitän Alfredo Astiz Aufsehen erregt, als er in einem Interview zugab, er sei zum Foltern und Töten miáliebiger Personen ausgebildet worden. Astiz wurde unehrenhaft aus der Armee entlassen. Die parlamentarische Opposition versuchte daraufhin, die Amnestiegesetze der 80er Jahre, aufgrund derer sämtliche Verfahren gegen Diktaturschergen eingestellt wurden, rückgängig zu machen. Dieses eher symbolische Anliegen – der Präsident hatte bereits sein Veto angekündigt – scheiterte Anfang Februar an den Abgeordneten der regierenden peronistischen Partei Menems.

Auch wenn es angesicht der Rechtslage in Argentinien kaum möglich erscheint, die Verbrechen aus der Zeit der Diktatur juristisch aufzuklären, gerät das Militär zunehmend unter Druck. Einer Umfrage zufolge sprechen sich 78 Prozent der Bevölkerung dafür aus, die Schluátrich-Gesetze zu revidieren. Und die Ermittlungen in Europa könnten auch der Justiz in dem südamerikanischen Land neue Handhabe geben: Sollte sich bestätigen, daá Militärs geraubtes Vermögen auf Schweizer Konten horten, wäre dies ein Eigentumsdelikt, für das die Amnestiegesetze nicht gelten. Der Gouverneur der Provinz Tucumán, Antonio Bussi, ist aufgrund dieser Ermittlungen bereits in arge Bedrängnis geraten. Der ehemalige Militär gab am 19. Februar zu, ein Konto in der Schweiz zu unterhalten, dessen Existenz er bisher verschwiegen habe. Jetzt untersuchen ein Parlamentsausschuá und ein Militärgericht seinen Fall. Die Aussagen von Cortinas könnten eine Vielzahl solcher Ermittlungen nach sich ziehen.

IWF-Auflagen gefärhrden sozialen Frieden im Land – Der Peronismus

am Scheideweg?

Von Victor Sukup

(Buenos Aires, Februar 1998, npl).- Anfang Februar hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Argentinien einen Kredit über 2,8 Milliarden US-Dollar gewährt. Voraussetzung für die Vergabe war die Zusage der Regierung des südamerikanischen Landes, zumindest für 1998 ein Wachstum von über fünf Prozent und eine deutliche Verringerung des Haushaltsdefizits anzustreben.

Keine leichte Aufgabe für ein Land, dessen Wirtschaft zwar vergleichsweise stabil ist, in dem aber angesichts ungewohnt hoher Arbeitslosigkeit und vieler Streiks die Regierung stark unter Druck steht. Im Dezember hatte Präsident Carlos Menem eine erste Konsequenz gezogen: Mit Antonio Gonzales ernannte er einen neuen Arbeitsminister, dem zugetraut wird, mit den traditionell peronistischen Gewerkschaften einen konstruktiven Dialog einzuleiten. Gleichzeitig soll Gonzales die Arbeitslosigkeit mit Hilfe einer weiteren Flexibilisierung der Arbeit bekämpfen, um die international oft gepriesenen Erfolge der Wirtschaft zu festigen.

In den anderthalb Jahren seit dem Abgang des umstrittenen Wirtschaftsministers Domingo Cavallo im Juli 1996 ist dessen ultraliberale Politik konsequent weitergeführt worden. Erst die schwere Wahlniederlage der regierenden Peronisten oder „Menemisten“ im Oktober vergangenen Jahres zeigte, daá neben der wild grassierenden Korruption auch die Wirtschaftspolitik in Miákredit geraten ist. Vor allem die Massenarbeitslosigkeit soll der oppositionellen Parteienallianz den fast zehnprozentigen Vorsprung bei der Parlamentswahl beschert haben.

Fehlende Jobs und zunehmende Armut haben in den letzten Jahren zu einer Welle von Protesten geführt. Mehrere Generalstreiks und unzählige andere Protestaktionen insbesondere im Landesinneren machten deutlich, daá die einst mit Cavallo und Menem verbundenen Hoffnungen verflogen sind.

Wenige politische Bewegungen sind derart widersprüchlich wie der Peronismus, in dem historisch von der radikalen Linken bis zur extremen Rechten so gut wie alles zu finden war. Peron, ursprünglich ein Militär und Mussolini-Bewunderer, kreierte eine durch vertikale Strukturen und populistische Diskurse geprägte Bewegung. Besser als jeder andere umschreibt der Begriff „Pragmatismus“ die Natur des Peronismus, der sich einst anmaá, einen „dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus“ darzustellen, aber niemals ernstlich bereit war, mit den USA oder der Marktwirtschaft zu brechen. Bilanz der insgesamt zwölf Jahre Regierung unter Juan Peron seit 1946: Unbestreitbare soziale Fortschritte – in einer Zeit freilich, als Argentinien noch eines der wohlhabendsten Länder der Welt war -, politischer Autoritarismus und eine erheblich geschwächte Wirtschaft.

Die Folgen der neuen Wirtschaftspolitik sind im Strassenbild deutlich sichtbar. Wie bislang nur in anderen Groástädten des Kontinents füllten sich in Buenos Aires die Gehsteige und die Vorortzüge mit ambulanten Verkäufern. Es gibt mehr Taxis und Kioske als früher: Menschen ohne Arbeit stecken ihre Ersparnisse oder ihre Abfindung in solche Kleinstunternehmen und versuchen so über die Runden zu kommen. Mehr Menschen denn je bitten um Almosen, Kinder öffnen Taxitüren oder waschen unaufgefordert Windschutzscheiben an den Kreuzungen, um mit ein paar Münzen zum elenden Familienbudget beizutragen. Die überaus konservative Kirche hat sich schon des öfteren sehr kritisch über die neue Armut im Lande und die Arbeitslosigkeit geäuáert. Die Zahl der Armen, die zur Caritas-Speisung kommen, hat sich vervielfacht.

Selbstverständlich ist dieses Problem weltweit präsent und an die heutigen Formen der Globalisierung und der technologischen Veränderungen gekoppelt. Darüberhinaus hat die argentinische Wirtschaft jedoch mit hausgemachten Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Lohnniveau in Argentinien ist im regionalen wie internationalen Vergleich hoch. Hinzu kommen happige Produktionskosten: Hohe Zinsen, überhöhte Tarife der privatisierten öffentlichen Dienste wie Telefon, Gas und Strom, Ineffizienz und die alltägliche Korruption in der Verwaltung. Die teils recht effektive Modernisierung hat viele Arbeitskräfte „freigesetzt“, insbesondere durch Massenentlassungen im öffentlichen Dienst. Nur wenige konnten neue Jobs auf einem immer kleineren Arbeitsmarkt finden. Die hohen Kosten und die Parität des einheimischen Peso mit dem US-Dollar, die die Stabilisierung der Wirtschaft ermöglichte, gefährden jetzt das Wachstum. Die sberbewertung der Währung ist eine Art Achillesferse, die nicht zuletzt die internationale Konkurrenzfähigkeit senkt und so den Arbeitsmarkt noch weiter unter Druck setzt.

PERU

Miniröcke bleiben erlaubt

(Lima, Februar 1998, alc/pulsar-Poonal).- Die Mehrheit des peruanischen Parlaments lehnte die Gesetzesinitiative zweier konservativer evangelischer Politiker ab, die den Frauen das Tragen von Miniröcken bei der Arbeit verbieten sollte. Die Parlamentarier Eusebio Vicuña und Alejandro Abanto sahen es als notwendig an, sowohl für die im öffentlichen wie im privaten Sektor Beschäftigten eine Kleiderordnung einzuführen. Was speziell die Miniröcke betrifft, so argumentierten sie, die Frauen würden in ihrer Würde durch lüsterne Blicke, unsittliche Angebote, sexülle Erpressung und unflätige Aktionen beleidigt. Das müsse verhindert werden.

LATEINAMERIKA

Erklärung des Lateinamerikanischen und Karibischen Treffens über

Menschenrechte und Kommunikation

(Quito, Februar 1998, alai/alc-Poonal).- Mit der Vereinbarung, ein ständiges Netzwerk zu schaffen und den permanenten Austausch untereinander zu fördern, ging das Lateinamerikanische und Karibische Treffen über Menschenrechte und Kommunikation in Quito zünde. Es wurde von der Lateinamerikanischen Informationsagentur (ALAI), der Vereinigung für die Menschenrechte (APRODEH) aus Peru und der Ökumenischen Menschenrechtskomission (CEDHU) aus Ecuador organisiert und fand vom 16. bis 18. Februar statt. Zu den diskutierten Themen gehörten Kommunikationsrecht und Demokratisierung der Kommunikation, Kommunikationsstrategien und Zugang und Nutzung der neuen Technologien. Die 28 Menschenrechtsorganisationen und Netzwerke verabschiedeten die folgende gemeinsame Erklärung:

„Die unterzeichnenden Organisationen, mit der Absicht zusammengekommen, gemeinsam die Herausforderungen der Kommunikation anzugehen, einen Konsens zu bestimmen und geeinte Vorschläge zur Stärkung des Rechtes auf Kommunikation als ein fundamentales Menschenrechts zu präsentieren, erklären:

Aktueller Kontext

Im aktuellen regionalen Kontext, in dem die Anwendung des neoliberalen Modells zu einer verstärkten sozio-ökonomischen Polarisierung und massiven Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, zivilen und politischen Rechte sowie der Menschenrechte insgesamt führt, sieht sich die Menschenrechtsbewegung aufgerufen, gemeinsame Antworten in allen Bereichen zu suchen; besonders im Kommunikationsbereich, der in der derzeitigen Epoche einen unumgänglichen Aspekt für die gesellschaftliche Aktion darstellt.

In einem Moment, in dem die Kommunikationsmittel, die Information und das Wissen die Grundlagee der Globalisierungs- und Regionalisierungsentwicklungen bilden.Deshalb äuáern wir uns als Teil der Menschenrechtsbewegung auch über zu dem Ausschluá, den die ungleiche Verteilung und die Konzentration provozieren, indem wir die Demokratisierung dieser Güter fordern und für das Menschenrecht auf Kommunikation eintreten.

Unter diesen Umständen, in diesem Jahr der Feier des 50. Jahrestages der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, besorgt über die Entwicklung der demokratischen und partizipativen Kommunikationsspielräume

ERKLÄREN WIR:

– Das Recht auf Kommunikation ist ein unveräusserliches Menschenrecht.

– Die Demokratisierung der Kommunikation ist eine notwendige Bedingung um die BürgerInnenbeteiligung zu garantieren und die demokratische Berufung der Gesellschaft zu bekräftigen.

– Die Menschenrechtsorganisationen und -Netzwerke sowie die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, müáen Zugang zu den Kommunikationsmedien haben, taugliche und wahrhaftige Information empfangen und unter gleichberechtigten Bedingungen frei ihre Vorschläge und Ideen äuáern können.

– Das BürgerInnenrecht auf Wissen, auf Information und der Zugang zu den neuen Kommunikationstechnologien müssen als universelles Menschenrecht eingesetzt werden.

– Das Recht auf Kommunikation ist verbunden mit der Meinungs- und Ausdrucksfreiheit, fundamentalen Rechten, die in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung niedergelegt sind.

– Die demokratische Kommunikation setzt Pluralismus und Beteiligung voraus, von daher hat die Gesellschaft das Recht, sich über ihre Ausrichtung und sozialen Vorstellungen zu äuáern.

ALS KONSEQUENZ EMPFEHLEN WIR:

– Das Welt(menschenrechts)forum „Wien plus 5“, das vom 22. bis 24. Juni dieses Jahres in Ottawa, Kanada, stattfinden wird, soll die Vorschläge Menschenrechtsbewegungen im allgemeinen systematisieren und konkrete Vorschläge formulieren, um Mechanismen für das Recht auf Kommunikation zu schaffen und dieses in die Generalversammlung der Vereinten Nationen einbringen.

– Das Internationale Forum Kommunikation und BürgerInnenschaft, das vom 9. bis 11. September 1998 in San Salvador, El Salvador abgehalten wird, soll einen besonderen Platz bieten, damit die Menschenrechtsorganisationen Vorschläge bezüglich des Rechtes auf Kommunikation als Menschenrecht entwickeln und den Instanzen der UNO zuleiten können.

– Die Vollversammlung der Vereinten Nationen, die im Rahmen des 50. Jahrestages der Allgemeinen Menschenrechtserklärung in New York, USA, zusammenkommen wird, soll das Recht auf Kommunikation als Menschenrecht verabschieden.

– Die Menschenrechtsbewegung soll von den zuständigen Instanzen als anerkannter Gesprächspartner für die Formulierung von ethischen und politischen Vorschlägen in allen Bereichen angesehen werden, die mit der Entwicklung der Kommunikationssysteme, der Technologien und Regulierungs- sowie Selbstregulierungsinitiativen in Verbindung stehen.

– Die Kommunikationsmedien sollen Raum öffnen oder sichern, um die Menschenrechte sowie die BürgerInneninitiativen sichtbar zu machen und zu fördern; regelmäáig, ständig und wahrheitsgemäá.

– Die UNESCO und andere mit der Kommunikationsförderung verbundene Einrichtungen sollen mit den Organisationen, die für die Menschenrechte kämpfen, den Zugang zu den neuen Kommunikationstechnologien unterstützen und koordinieren. Diese werden als ein Mittel verstanden, damit wir eine Kultur des Friedens und der sozialen Entwicklung, menschlich und nachhaltig, erreichen.

– Die Gesamtheit der Menschenrechtsorganisatione und -Bewegungen sollen vor dem Staat für DAS RECHT AUF KOMMUNIKATION als ein notwendiges Element eintreten, die Lebensfähigkeit der Demokratie und der BürgerInnenbeteiligung zu garantieren.“

NICARAGUA

Daniel Ortega vor seiner schwersten politischen Krise.

Von Roberto Fonseca

(Managua, 5. März 1998, npl).- Mit 51 Jahren hat Daniel Ortega, die wichtigste Figur der Sandinisten in Nicaragua, schon manche politische Krise überstanden. Zwei Wahlniederlagen und die Spaltung seiner Partei Ende 1994 ließen seine Position unangetastet. Jetzt jedoch beenden die Anklagen seiner Stieftochter Zoilamerica Murillo möglicherweise alle weiteren Ambitionen des Sandinistenchefs. Die 30jährige Soziologin hat ihn in einem am Dienstag veröffentlichten Brief des sexuellen Mißbrauchs an ihr beschuldigt, seit sie elf Jahre alt war.

Gegenüber der nicaraguanischen Öffentlichkeit und seinen Anhängern steht nun Ortegas ethisches Verhalten auf dem Prüfstand. Er selbst hat die Vorwürfe in einer ersten Pressekonferenz abgestritten. Seine Frau Rosario Murillo – die Mutter von Zoilamerica – verteidigt ihn.

Der Skandal hat bereits jetzt die Mitglieder der Nationalen Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) in zwei Lager gespalten. Die einen sind entsetzt, die anderen glauben weiterhin an ihn und gehen von einer „persönlichen Intrige“ oder einem „politischen Komplott“ aus. „Ich fühle mich schlimmer als bei der Wahlniederlage von 1990“ kommentierte die langjährige sandinistische Aktivistin Vilma Nunez de Escoria, früher Mitglied der Ethikkommission der Partei.

Dagegen wiederholte Doris Tijerino, sandinistische Komandantin und bis 1996 Parlamentsabgeordnete für die FSLN, die Unterstützung für ihren Freund Daniel Ortega, der von 1984 bis 1990 das Land regierte. „Ich kenne Daniel und werde niemals an seiner persönlichen Integrität zweifeln,“ versicherte sie in einem Radiointerview. „Ich weiß nicht, welche perverse Motivation hinter den Anklagen steckt.“ Tijerino selbst wurde während des Kampfes der Sandinisten gegen Diktator Anastasio Somoza verhaften und von somozistischen Nationalgardisten vergewaltigt.

Daniel Ortega, derzeit Generalsekretär der Sandinisten, ist zweifellos der charismatischte Führer seiner Partei. Als Sohn einer armen Familie in dem Landkreis La Libertad geboren, schloß er sich mit 14 Jahren dem bewaffneten Kampf an. Mehrmals wurde er verhaftet und gefoltert. Seine längste Haftzeit betrug sieben Jahre, bis er durch eine militärische Aktion befreit wurde. Danach kämpfte er in der Guerilla bis zum Sturz Somozas im Juli 1979.

Im Anschluß an die Revolution hatte er die wichtigsten Staatsämter inne, bis er 1990 in den Präsidentschaftswahlen gegen Violeta Barrio de Chamorro unterlag. Trotz der Niederlage und interner Kritik konnte Ortega seine Führungsposition innerhalb des Sandinismus neu festigen und beibehalten. Im Mai 1994 wurde er als Generalsekretär der FSLN wiedergewählt und 1996 erneut von seiner Partei als Präsidentschaftskandidat aufgestellt. „Heute ist Daniel Ortega unser bester politischer Kader“, so Bayardo Arce vom Vorstand der FSLN auch nach den Beschuldigungen der Stieftochter.

Andere sandinistische Persönlichkeiten, wie der Dichter und Kulturminister der 80er Jahre, Ernesto Cardenal, üben scharfe Kritik an Ortegas Führungsstil. „Ortega ist ein stalinistischer Caudillo“ meint Cardenal, der vor Jahren der FSLN den Rücken kehrte. Zwei andere Gruppen – die eine orthodox, die andere dem Unternehmersektor zugerechnet – sind der aktuellen Situation überdrüssig. Sie verlangen jüngere und „heterogenere“ Personen an der Spitze der Sandinisten. „Die seit 20 Jahren amtierende Führung unserer Partei hat eine wichtige Rolle in der Geschichte gespielt; dennoch verlangen diese neuen Zeiten neue Ideen an der Spitze“, heißt es in einer Erklärung einer Gruppe, die sich als „Modernisierungs- und Demokratisierungsblock der FSLN“ vorstellt. Trotz eines geforderten Generationswechsels spricht sich diese Fraktion jedoch für Ortega als „sehr erfahrenem Staatsmann“ aus.

Die Gruppe mit dem Namen „Für ein glaubwürdiges und siegreiches sandinistisches Bündnis“ konstatiert in einem internen Dokument: „Die Meinungsverschiedenheiten und Widersprüche innerhalb der Führung haben zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit geführt. Wir sind eine Partei ohne politische Leitung, ohne Strategie und ohne angemessene Vorschläge für die neuen Bedingungen des Landes.“

Auf dem nächsten Parteitag im Mai werden etwa 700 Mitglieder über den künftigen Kurs und die höchsten Ämter in der Sandinistischen Partei bestimmen. Bisher ist keine Mehrheit gegen Ortega erkennbar gewesen. Die Auswirkungen des Skandals auf die FSLN und auf ihren wichtigsten Repräsentanten sind noch schwer abschätzbar. Luis Roberto Haug von dem Meinungsforschungsinstitut „“CID Latin America“, das seit 1989 in Nicaragua arbeitet, hält eine Solidarisierung mit Ortega und dessen Stärkung für möglich, wenn die öffentliche Meinung von einem Komplott gegen ihn überzeugt ist. Genausowenig will er wachsende Zweifel an seiner Person ausschließen. Umfragen zufolge sank das Ansehen Ortegas von 45 auf 38 Prozent im November 1997 . Den gleichen Wert erreichte der amtierende Präsident Arnoldo Aleman.

Wenig Interesse bei Wahlen an der Atlantikküste

(Managua, 3. März 1998, pulsar-Poonal).- Bei den Provinzwahlen in der nicarguanischen Atlantikküste ging über die Hälfte der Bevölkerung nicht zur Wahl. Möglicherweise liegt die Enthaltung sogar bei mehr als 70 Prozent. Es ging um die Besetzung der Regionalen Autonomen Räte im Norden und im Süden der Provinz. Obwohl endgültige Ergebnisse noch einige Tage auf sich warten lassen werden, zeichnet sich ein Sieg der das ganze Land regierenden Liberalen Partei (PL) von Präsident Arnoldo Alemn ab. Ihr werden im Norden 24 und im Süden 19 von jeweils 45 Mandaten zugesprochen.

Auf dem zweiten Platz liegt die Nationale Sandinistische Befreiungsfront (FSLN). Sie erzielt mit je 13 Abgeordneten allerdings ein für sie relativ enttäuschendes Ergebnis. Es folgen die Indigenistische Multikulturelle Partei und die Küstenallianz.

COSTA RICA

Kirche vor Parteien

(San José, 27. Februar 1998, alc-Poonal).- Nach einer jüngsten Meinungsumfrage ist die katholische Kirche die Institution in Costa Rica, die das meiste Vertrauen erweckt. Sie liegt in der Wertschätzung vor der Presse, anderen Kirchen, der Gerichtsbarkeit, der Regierung, dem Parlament, der Polizei und den Gewerkschaften. Die Befragung fand im Rahmen des UNO- Entwicklungsprogrammes (PNUD) statt, das ein „Projekt über die Demokratische Regierungsfähigkeit in Zentralamerika“ durchführt. Etwas mehr als 83 Prozent der interviewten Personen erklärten, groáes Vertrauen in die katholische Kirche zu haben. An zweiter Stelle folgte die Presse. Gut 25 Prozent drückten „viel“ und über 52 Prozent „einiges“ Vertrauen in sie aus. Dagegen waren Regierung und Parlament bei der Negativbewertung „überhaupt kein Vertrauen“ auf den ersten Plätzen.

Edgar Gutiérrez, Direktor einer vom PNUD und der staatlichen Universität geförderten Entwicklungseinrichtung erklärte das gute Ergebnis der Kirche damit, daá diese als direkt wirkende Macht mit gröáeren Aktionsmöglichkeiten angesehen werde. Miguel Gómez, Statistikprofessor an der Universität, fügte als weiteres Argument hinzu, der überwiegende Teil der Bevölkerung sei katholisch, in Costa Rica sei eine „katholische Kultur“ verwurzelt. Das Miávergnüngen und Miátrauen gegenüber der Politik und dem Wahlsystem kam in der Umfrage deutlich zum Ausdruck. Damit wird ein Phänomen der Präsidentschaftswahlen vom 1. Februar dieses Jahres bestätigt. An diesem Tag erreichte die Wahlenthaltung die für Costa Rica sensationell hohe Zahl von 33 Prozent.

PARAGUAY

Verschlechterte Menschenrechtssituation

(Asunción, 2. März 1998, alc-Poonal).- Das Kirchenkomitee für Notfallhilfe (CIPAE) zog für das zurückliegende Jahr eine bittere Bilanz in den Bereichen Menschenrechte und soziale Rechte. Die Mitglieder drückten ihre Sorge besonders über die Verarmung auf dem Land, die Defizite in Justiz und Haftsystem, sowie den fehlenden Willen, Opfer der Strössner-Diktatur zu entschädigen, aus. Sie erwähnten ebenso die Hindernisse, die der Kriegsdienstverweigerung in den Weg gelegt werden. CIPAE berichtet, die Lebensqualität der Campesinos habe sich spürbar verschlechtert, die Rufe nach besseren Löhnen und einer Verteilung des Groágrundbesitzes seien von der Regierung nicht gehört worden. Eine lang andauernde Produktivitätskrise, fehlende landwirtschaftliche Diversifizierung und Infrastrukturleistungen würden zusammen mit dem Bevölkerungsdruck die Campesinos verarmen lassen und eine ungeordnete Wanderung in die städtischen Zentren provozieren.

Die Justiz, so die Kirchenleute, habe trotz der Anstrengungen vieler Richter*innen unnd aufrichtiger Funktionär*innen Schwäche gezeigt, ihre Unabhängigkeit von der politischen Macht zu verteidgen. Unfähigkeit, Korruption und fehlender Wille würden das ihrige dazu tun. Die Korruption garantiere die Straffreiheit der wirtschaftlich mächtigen Gruppen, während die Besitzlosen kein gerechtes Verfahren erwarten dürften. Als symptomatisch sieht es das Komitee an, daá das Jahr 1997 zünde ging, ohne daá die Parlamentsabgeordneten den „Verteidiger des Volkes“ (Ombudsman) bestimmten. Diese 1992 von der Verfassung geschaffene Figur hat zur Aufgabe, Anklagen über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen, sie zu überprüfen und für Wiedergutmachung zu sorgen. Zudem hätten sich die nachgeordneten Menschenrechte wie das Recht auf eine gesunde Umgebung, auf Bildung und auf Kultur während des vergangenen Jahres verschlechtert.

CIPAE weist darauf hin, daá der Gesetzentwurf zur Wehrpflicht, der

die Verweigerung aus Gewissensgründen vorsieht, noch immer nicht

vom Parlament verabschiedet ist, nachdem die Regierung zweimal ihr

Veto einlegte. Unterdessen bestehe das unter der Diktatur verabschiedete Gesetz genauso fort wie die Praxis der Militärbehörden, Jugendliche – besonders aus dem Landesinneren – zu „rauben“, um genügend Rekruten zusammen zu bekommen. Nichts sei gegen die körperliche Züchtigung in den Kasernen unternommen worden. Die Haftsituation ist nach den Untersuchungen der Komitee- Mitglieder durch eine sberfüllung der Gefängnisse und eine extreme Langsamkeit der Strafprozesse gekennzeichnet. Programme zur Rehabilitierung verhafteter Personen gebe es praktisch nicht.

Das Kirchenkomitee für Notfallhilfe und andere Nicht- Regierungsorganisationen fordern vom Staat eine Untersuchungskommission über Vorfälle unter der Diktatur von General Alfredo Strössner (1954-1989). Diese Kommission müsse einen offiziellen Bericht herausgeben, der eine Liste der Verhafteten und Verschwundenen umfasse. Die Haltung der Regierung zu solchen Vorschlägen zeigt sich an zwei Beispielen. Ein Entschädigungsgesetz für die Opfer der Diktatur, das die Abgeordneten mehrheitlich im Jahr 1996 verabschiedeten, hält sie für verfassungswidrig. Gegen ein weiteres Gesetz, das die moralische und ökonomische Wiedergutmachung für den unter der Diktatur 25 Jahre lang eingekerkerten politischen Häftling Napoleon Ortigoza, legte der Regierungschef sein Veto ein.

ECUADOR

Staat gesteht Verantwortung für Repression ein

(Quito, 3. März 1998, alc-Poonal).- In einem wichtigen Präzedenzfall für den Kampf gegen die Straffreiheit hat die amtierende ecuadoreanische Regierung eingestanden, daá mit der Verhaftung und dem Verschwindenlassen der Brüder Carlos und Pedro Restrepo vor zehn Jahren ein „Staatsverbrechen“ begangen wurde. Eine entsprechende Erklärung gab Generalstaatsanwalt Milton Alava in einer Anhörung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) in Washington ab. Damit ist den Klagen der Familienangehörigen der beiden Brüder gegen den Staat der Weg geebnet. Ihr Vater Pedro Restrepo, der in Washington von Laura Glynn von der Ökumenischen Menschenrechtskommission (CEDHU) begleitet wurde, sieht drei seiner Hauptforderungen noch nicht erfüllt. Er will die völlige Aufklärung des Verbrechens erreichen, die sterblichen sberreste seiner Söhne entgegennehmen, um sie christlich zu begraben und eine Entschädigungszahlung. In diesen Tagen wird es am Sitz der CIDH voraussichtlich zu einer Einigung zwischen Staat und Angehörigen kommen. Möglicherweise kommt der Fall auch noch vor den Interamerikanischen Menschengerichtshof in San José, Costa Rica. Quellen der Ökumenischen Menschenrechtskommission sehen in dem bisher Erreichten einen wichtigen Erfolg, der dazu dienen könne, inhumane Praktiken zu verhindern. Der Staat wisse nun, daá er für Verbrechen verurteilt werden könne, die er innerhalb seiner von höchster Stelle geplanten und ausgeführten Unterdrückungspolitik begangen habe.

KOLUMBIEN

Parlamentswahlen am Sonntag

(Bogotá, 3. März 1998, pulsar-Poonal).- Wenig Enthusiasmus haben die für kommenden Sonntag (8.3.) bevorstehenden Parlamentswahlen hervorgerufen. Die Guerillaorganisationen FARC und ELN haben wie bei den Kommunalwahlen vor wenigen Monaten zum Boykott aufgefordert und als Druckmittel in den vergangenen Wochen mindestens zwölf Bürgermeister*innen entführt, darunter den Priester José Lorenzo Escandón aus der Provinzhauptstadt Neiva. Die Kirche ihrerseits ermunterte die Wähler*innen, den „korrupten Politiker*innen“ eine Absage zu erteilen. Hinter dem fast sicher feststehenden Wahlsieger „Enthaltung“ werden sich die traditionell herrschenden Parteien der Konservativen und der Liberalen das Gros der Stimmen aufteilen.

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