Poonal Nr. 297

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 297 vom 10. Juli 1997

Inhalt


MEXIKO

ARGENTINIEN/SCHWEIZ/SPANIEN

ARGENTINIEN

BOLIVIEN

PERU

VENEZUELA

URUGUAY

KUBA

COSTA RICA

GUATEMALA

KOLUMBIEN

NICARAGUA

BOLIVIEN


MEXIKO

Regierungspartei PRI verliert beherrschende Stellung

(Mexiko-Stadt, 9. Juli 1997, Poonal).- In Mexiko hat nach den Wahlen vom vergangenen Sonntag nach Ansicht fast aller Beobachter eine neue politische Zeitrechnung begonnen. Es steht fest, daß die regierende Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) ihre fast 70 Jahre lang alles beherrschende Stellung im Land endgültig verloren hat. Der in seiner Höhe nicht unbedingt erwartete Sieg des linken Oppositionskandidaten Cuauhtémoc Cárdenas von der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) in der Hauptstadt zeichnete sich schon am frühen Sonntagabend ab. Cárdenas erreichte mit fast 48 Prozent der Stimmen mehr Zustimmung als seine Gegenkandidaten Alfredo del Mazo (25 Prozent) und Carlos Castillo Perraza (16 Prozent) zusammen. Er wird ab dem 4. Dezember 1997 der erste von der Bevölkerung direkt gewählte Bürgermeister von Mexiko-Stadt sein. In der Stadtversammlung, die vorher von der PRI dominiert wurde, verfügt die PRD nun über eine absolute Mehrheit.

Die Symbolkraft des Umschwungs in der Hauptstadt ist gross. Für die praktische Politik ist das Ergebnis der landesweiten Wahl für das 500köpfige Bundesparlament entscheidender. Dort verlor die PRI erstmals in ihrer Geschichte die absolute Mehrheit. Noch ist sie die stärkste Partei. Doch nur noch 38 Prozent der Stimmen werden sie zukünftig zwingen, mit der rechten Partei der Nationalen Aktion (PAN) und der Partei der Demokratischen Revolution zu verhandeln. PAN und PRD erzielten mit landesweit 27 bzw. 25,5 Prozent der Stimmen fast gleichstarke Ergebnisse. Bis zuletzt hatten der bis Ende des Jahres 2000 amtierende Präsident Ernesto Zedillo und seine Partei gehofft, die absolute Mehrheit im Parlament halten zu können.

Die veränderte Stimmung im Land zeigte sich auch auf regionaler Ebene bei den gleichzeitig stattfindenen Gouverneurs-, Abgeordneten- und Kommunalwahlen in zehn der 31 Bundesstaaten. Die PRI verlor in Nuevo Leon und Querétaro die Gouverneursposten an die PAN, die sich zudem noch gute Chancen in San Luis Potosí ausrechnet. Im Bundesstaat Campeche könnte die PRI noch von der PRD abgelöst werden, wenn die angekündigten Beweise über Wahlmanipulationen stichhaltig sind. Zahlreiche Landkreise gingen in die Hände der Opposition über. Nach wie vor verfügt die PRI über beträchtliche politische Macht. Ein wirklich radikaler Wandel in der mexikanischen Politik ist weder in der Hauptstadt, einzelnen Bundesstaaten noch für das gesamte Land zu erwarten. Wenn dennoch immer wieder das Wort „historisch“ zur Beurteilung der Wahlen benutzt wird, hat das mehrere Gründe. Mit dem Ausmaß der Verluste für die Regierungspartei haben die wenigsten gerechnet. Die PRI war faktisch seit 1928 eine Staatspartei und das ist jetzt vorbei. Dies schien großen Teilen der Bevölkerung offenbar wichtiger als die ideologischen Differenzen zwischen PAN und PRD. So stimmten viele Wähler nach den bisherigen Informationen in erster Linie gegen eine PRI-Mehrheit und in zweiter Linie für die PAN oder PRD. Damit täuschte sich die PRI in manchem Direktwahlkreis mit ihrem Kalkül, im Streit zwischen PAN und PRD lachende Dritte zu sein.

Die weitere politische Öffnung Mexikos wird nach allgemeiner Einschätzung nur mit Gewalt aufgehalten werden können. Das frühe Eingeständnis der Wahlniederlagen von seiten der PRI und ein Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der Opposition durch Präsident Ernesto Zedillo – auch das „historisch“ – sind Zeichen, daß die PRI auf diesen früher mehrmals begangenen Weg verzichten wird. Die Wahlen liefen weitgehend – nicht durchgängig – sauber ab. Für das Bundesparlament wurden sie erstmals von einer regierungsunabhängigen Wahlbehörde organisiert. Deren Effektivität und Transparenz beeindruckten und ließen weniger Spielraum für Manipulationen, als bei früheren Gelegenheiten. Damit wird damit nachträglich ein noch zweifelhafteres Licht auf zurückliegende Wahlen geworfen, bei denen die Stimmenauszählung der Regierungskontrolle unterlag. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, daß es bei den Wahlen mit regionalem Charakter, wo die Wahlbehörden noch mehrheitlich von den Regierungen des Bundesstaats abhängig sind, die meisten Beschwerden über Wahlmanipulationen gibt. Dort ging die Stimmenauszählung im Gegensatz zur Wahl für das Bundesparlament und für die Regierung der Hauptstadt verdächtig langsam vonstatten; sie wird erst in einigen Tagen abgeschlossen sein.

In mehreren Distrikten des Bundesstaates Chiapas konnten die Wahlen nicht regulär durchgeführt werden. Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) hatte wenige Tage vor dem 6. Juli einen Wahlboykott angekündigt, weil sie die Anliegen der Indígenas von keiner Partei vertreten sah. Außerdem wies sie mit einiger Berechtigung auf irreguläre Bedingungen aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen und massiver Präsenz der Armee in weiten Teilen des Bundesstaates hin. Im Einflussgebiet der EZLN wurden zahlreiche Wahlurnen gar nicht aufgestellt und weitere durch mutmaßliche Zapatisten verbrannt. Möglicherweise wird die Wahl in mehreren chiapanekischen Distrikten auf Antrag der Opposition noch annulliert. Im Bundesstaat Guerrero hielt sich dagegen die Guerilla der Revolutionären Volksarmee (EPR) vollständig aus dem Wahlprocedere heraus.

Überraschend ist die relative Stärke der PRD. Nach dem Scheitern von Cuauhtémoc Cárdenas bei den Präsidentschaftswahlen 1994 und wenig ermutigenden Ergebnissen bei Folgeabstimmungen in verschiedenen Bundesstaaten wurde der Partei noch Mitte 1996 die politische Bedeutungslosigkeit vorhergesagt. Seitdem ging es jedoch ständig aufwärts. Unter dem neuen Parteivorsitzenden Andrés Manuel López Obrador wurden interne Streitereien beigelegt und die Mitglieder konnten die so freigewordenen Kapazitäten für Parteiwerbung nutzen. Dazu kam in den vergangenen Monaten der „Cárdenas-Effekt“. Kein anderer Oppositionspolitiker hat in den zurückliegenden Jahren so konsequent gegen die PRI gestanden und sich ein Image von Aufrichtigkeit bewahrt. Die wahrscheinlich beste Wahlkampagne seines Lebens in der Hauptstadt zeigte landesweit Wirkungen. Eine weitere Überraschung ist das Abschneiden der Grünen Ökologischen Partei (PVEM). Mit fast 8 Prozent in der Hauptstadt kam sie landesweit auf etwa 4 Prozent. Obwohl die Partei nicht von ausgewiesenen Umweltschützer*innen, sondern von einem Unternehmer mit PRI-Vergangenheit geführt wird, hat sie sich in den vergangenen Jahren in Abweichung von anderen kleinen Gruppierungen zu einer wirklichen Oppositionspartei entwickelt. Mit der PRD dürfte es zahlreiche Berührungspunkte geben. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die PRI ihren Einbruch verkraftet oder sich die Auflösungstendenzen in ihrem Innern verstärkt fortsetzen. Aber die politischen Karten sind in Mexiko seit Sonntag auf jeden Fall völlig neu gemischt.

ARGENTINIEN/SCHWEIZ/SPANIEN

Schweiz sperrt Bankkonten von argentinischen Militärs

(Madrid, 8. Juli 1997, pulsar-Poonal).- Die Schweiz hat die Bankkonten von vier argentinischen Militärs blockiert, die in den Zeiten der Militärdiktatur Menschenrechtsverletzungen begingen. Die Maßnahme erfolgte auf Ersuchen des Madrider Richters Baltasar Garzon. In Spanien sind die argentinischen Militärs angeklagt, an der Entführung und dem Verschwindenlassen mehrer spanischer Bürger*innen beteiligt gewesen zu sein. Die Schweizer Behörden sperrten ebenfalls mehrere Sicherheitsfächer. In ihnen könnten Dokumente mit wichtiger und bisher geheimer Information über die Opfer der argentinischen Militärdiktatur liegen. Die argentinische Regierung versucht offenbar, vor der spanischen Justiz in den Besitz der Dokumente zu kommen. Es ist bekannt, daß Ende Juni eine Vertreterin der Menschenrechtsabteilung des argentinischen Innenministeriums in die Schweiz reiste, um Kontakt mit den dortigen Stellen aufzunehmen und mit der in den Sicherheitsfächern enthaltenen Information zurückzukehren.

ARGENTINIEN

Guerillero Gorriarán zu lebenslanger Haft verurteilt

(Buenos Aires, 4. Juli 1997, comcosur/pulsar-Poonal).- Der argentinische Guerillaführer Enrique Gorriarán Merlo ist wegen der Planung und der Beteiligung an dem Angriff auf die Tablada-Kaserne im Jahr 1989 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seine frühere Ehefrau Ana Sívori erhielt eine Haftstrafe von 18 Jahren, weil sie nach Ansicht des Gerichtes Mittäterin war. Der Prozeß, der in Argentinien aufmerksam von breiten Bevölkerungsteilen verfolgt wurde, endete mit einem ausführlichen Plädoyer von Gorriarán. Dieser sieht sich als „Opfer eines geheimen und illegalen Abkommens“, daß Mexikos Präsident mit seinem argentinischen Gegenpart Carlos Menem getroffen habe. Mexiko hatte den argentinischen Guerillero 1995 auf seinem Territorium verhaftet und an Argentinien ausgeliefert. Die rechtliche Grundlage für dieses Vorgehen war sehr umstritten. Gorriarán spricht von einer „Entführung“. Wenn das Urteil nicht widerrufen wird, kann der heute 57jährige frühestens im Alter von 80 Jahren mit einer vorzeitigen Entlassung rechnen.

In seiner Verteidigungsrede legte er eine detaillierte Analyse der Geschichte Argentiniens in den vergangenen Dekaden und die Rolle der Guerilla vor. Nachdem er seinen Guerillakampf in den 70er Jahren als eine der führenden Persönlichkeiten der Revolutionären Armee des Volkes und seine Teilnahme an der nicaraguanischen Revolution rechtfertigte – ein von ihm geführtes Kommando richtete 1980 den ehemaligen Diktator Anastasio Somoza in seinem Exil in Paraguay hin – versicherte Gorriarán, falls er ein völkermörder gewesen wäre, stünde er nicht vor Gericht. Er wies auf die Reihe von Angriffen der verschiedenen Diktaturen auf die argentinische Gesellschaft hin und erklärte den bewaffneten Kampf als eine Antwort auf die Morde, Verfolgungen und das Verschwindenlassen von Personen durch das Regime. Gorriarán solidarisierte sich mit allen Opfern des Staatsterrorismus. Den Angriff auf die Kaserne La Tablada begründete er damit, es habe sich nicht um einen Versuch der Machtübernahme gehandelt. Vielmehr sei es darum gegangen, einen Militärputsch zu vereiteln, mit dem der damalige Präsident Raúl Alfonsin gestürzt werden sollte. Bei der Attacke auf die Kaserne kamen damals 39 Personen um. Drei sind bis heute verschwunden.

Drohungen gegen JournalistInnen

(Buenos Aires, 4. Juli 1997, comcosur-Poonal).- Nach dem brutalen Mord an dem Fotojournalisten José Luis Cabezas haben sich die Attacken gegen verschiedene Journalist*innen und ihre Familienangehörigen erhöht. Allein in den vergangenen Tagen gab es mehrere entsprechende Vorkommnisse. Dem körperlichen Angriff auf die Schwester des Fernsehjournalisten von „Canal 13“, Antonio Fernández Llorente, folgte die Drohung gegen Magdalena Ruiz Guiñazú von Radio Mitre. Ruiz, die mit ihrem Morgenprogramm die Einschaltquoten anführt, fand in ihrer Wohnung eine Kugel vom Kaliber 38 vor. Um sie dort hinterlassen zu können, mußten die Täter die Tür des Gebäudes aufbrechen und den angeblichen Wachposten umgehen, den die Justiz aufgrund vorheriger Drohungen gegen die Journalistin abgestellt hatte. Ein anderer Journalist, José Claudio Escribano, erhielt erst vor kurzem eine Briefbombe, die jedoch entschärft werden konnte. Die JournalistInnenvereinigung verurteilte das Attentat und forderte eine rasche Aufklärung der Anschläge, um die Meinungsfreiheit zu bewahren. „Die Behörden“, so das Gremium, „haben in diesen Fällen kein gutes Beispiel gegeben. Im Gegenteil, die ständigen Feindseligkeiten gegen die unabhängige Presse, die verbalen Angriffe, die die Ausübung der Pressefreiheit mit oppositioneller Aktivität verwechseln wollen, fügen eine weitere Nuance zu diesem allgemeinen Panorama von Angriffen auf die Meinungsfreiheit.“

BOLIVIEN

Che Guevaras Überreste offenbar gefunden

(La Paz, 4. Juli 1997, comcosur-Poonal).- Monatelange Untersuchungen auf dem Militärflughafen von Vallegrande im Südosten Boliviens haben möglicherweise ein 30jähriges Rätselraten beendet. Kubanischer Expert*innen, die zuletzt von argentinischen Kolleg*innen untestützt wurden, fanden in Bolivien ein geheimes Massengrab, in dem sich wahrscheinlich zusammen mit sechs weiteren Guerilleros die Überreste des Comandante Che Guevara befinden. Letzte Sicherheit wird es in einigen Tagen geben. Ein wichtiger Hinweis ist die Rotfärbung eines der Skelette. Nachdem die bolivianischen Militärs den kubanisch-argentinischen Guerillaführer und seine Weggefährten am 8. Oktober 1967 nach der Gefangennahme umgebracht hatten, konservierten sie Guevaras Leiche mit Formol, um sie der internationalen Presse und der Bevölkerung der Umgebung zu zeigen. Die Formolinjektion produziert die rötliche Färbung der Knochen. Außerdem fehlen dem mutmaßlichen Skelett von Che Guevara die Handknochen. Bei den weiteren Skeletten handelt es sich vermutlich um die Überreste der beiden Bolivianer Aniceto Reynaga und Willy Cuba sowie der Guerilleros René Martínez, Alberto Fernández, Simón Antúnez und der Peruaner Chang Navarro. Die Suche nach dem Grab begann vor zwei Jahren mit einer Rekonstruktion der Ereignisse vor 30 Jahren. Danach folgten dei geophysische Untersuchungen, um zu bestimmen, wo das Massengrab sich befinden könnte. Die Überreste der sieben Guerilleros sollen nach der Absicht der bolivianischen Regierung den Familienangehörigen übergeben werden, die über die endgültige Grabstätte entscheiden müssen.

PERU

Fujimori will Presse zähmen

(Lima, 7. Juli 1997, pulsar/comcosur-Poonal).- Der peruanische Geheimdienst soll einen speziellen Plan entworfen haben, mit dem die unabhängige Presse eingeschüchtert werden sollen. Im Rahmen des „Plan Azar“ werden danach gewöhnliche Kriminelle unter Vertrag genommen, um per Los ausgesuchte Journalist*innen zu verprügeln. Zu den jüngsten Opfern gehörte der politische Chronist Luis Angeles Laynes. Er entkam am 1. Juli einem Entführungsversuch, mußte jedoch viele Schläge von seinen drei Angreifern einstecken. Drohungen hat es ebenfalls gegen in Lima akkreditierte Auslandskorrespondent*innen gegeben. Die Regierung macht sie für „das schlechte Bild des Landes im Ausland“ verantwortlich. Inzwischen haben knapp 20 internationale JournalistInnenorganisationen einen gemeinsamen Brief an Präsident Alberto Fujimori verfaßt. Darin drücken sie ihre Besorgnis über das feindselige Klima aus, das in Peru gegenüber Journalist*innen herrscht, die kritisch über die Regierung berichten. Die Verbände erinnern an eine Rede Fujimoris vor der Versammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA), in der einige Journalist*innen der Korruption beschuldigte. Die Beweise für seine Behauptungen ist der peruanische Präsident bisher schuldig geblieben.

VENEZUELA

Journalist William Ojeda wieder auf freiem Fuß

(Caracas, 4. Juli 1997, comcosur-Poonal).- Präsident Rafael Caldera begnadigte den seit Januar inhaftierten jungen Journalisten William Ojeda. Der 26jährige hatte mit seinem kritischen Buch über die venezolanische Justiz „Cuánto vale un juez?“ (Wieviel kostet ein Richter?) für Aufsehen gesorgt. Der Titel wurde mit 20.000 verkauften Exemplaren ein Bestseller im Land. Der Text geht hart mit der Korruption im Justizwesen ins Gericht und beschreibt die Zustände des Gefängnissystems. Von den 25.000 zusammengepferchten Häftlingen in den Gefängnissen warten mehr als 70 Prozent auf ein Urteil. Ojeda selbst kam aufgrund seines Buches in Haft. Im wurde Verleumdung vorgeworfen. Zahlreiche nationale und internationale Organisationen protestierten und setzten sich für seine Freilassung ein.

URUGUAY

Verteidigungsministerium läßt zwei Radios durchsuchen

(Montevideo, 7. Juli 1997, comcosur-Poonal).- Die Community Radios „Sembrando FM“ aus dem Hauptstadtviertel Jardines del Hipódromo und „Emisora de la Villa“ aus dem Viertel El Cerro wurden am Sonntag von der Nationalen Kommunikationsbehörde durchsucht. Diese untersteht im Gegensatz zur Situation in den meisten anderen Ländern dem Verteidigungsministerium. Bei „Sembrando FM“ beschlagnahmten die Fahnder die Sendeantenne. Nach Auskunft von William García, einem der Verantwortlichen des Radios, versuchte die Polizei, die Betreiber einzuschüchtern. „Sembrando FM“ sendet jedoch weiterhin wie seit 1995 jeden Freitag bis Sonntag von 19 bis 24 Uhr. García: „Dank der Hilfe der Nachbarn, die uns sofort halfen, eine neue Antenne zu installieren, konnten wir übertragen.“ Bei „Emisora de la Villa“, die ihre Ausrüstung in einem Kinderspeisesaal des Stadtviertels haben, schauten die Abgesandten des Verteidigungsministeriums einige Stunden später vorbei und durchsuchten die gesamten Einrichtungen. Für den Sender war es der dritte Vorgang dieser Art. Diesmal wurden die Antenne, ein Mikrofon und zwei Aufnahmegeräte mitgenommen. Aber auch „Emisora de la Villa“ sendete ab 21 Uhr Sonntagabend wieder.

Am Montag nahmen die Mitglieder der beiden Community Radios Kontakt zu den Justizbehörden auf und informierten Mitglieder und Menschenrechtskommission des Parlamentes und des Stadtrates der Hauptstadt Montevideo. Die Koordination aller Community Radios kämpft seit zweit Jahren für das Recht auf Kommunikationsfreiheit. Die Regierung hat aber bisher keine Entscheidung getroffen, die eine legale Grundlage für die Radioübertragungen schafft.

Massengräber auf Militärgebiet müssen unentdeckt bleiben

(Montevideo, 4. Juli 1997, comcosur-Poonal).- Ein Berufungsgericht verwarf in letzter Instanz die Möglichkeit, auf richterlichen Beschluß nach geheimen Gräbern auf dem Gelände von Militäreinrichtungen zu suchen. Die Entscheidung wird mit dem Straffreiheitsgesetz begründet, das die Militärs vor der Untersuchung ihrer Verbrechen in der Zeit der Diktatur schützt. Damit läge eine Entscheidung über Nachforschungen erneut in den Händen der Regierung von Präsident Sanguinetti. Es kann als sicher gelten, daß dieser die Angelegenheit erneut „begraben“ will. Menschenrechtsorganisationen sammeln unterdessen Unterschriften für eine Petition an die Regierung.

KUBA

Bessere Zuckerrohrernte erwartet

(Havanna, 7. Juli 1997, prensa latina-Poonal).- Die kubanische Zuckerrohrbranche hofft auf ein Ende der Talfahrt. Nach Jahren sinkender Erträge soll es in diesem Jahr wieder aufwärts gehen. Mit gut 210.000 Hektar wurden in der ersten Jahreshälfte 1997 nach Angaben der Wochenzeitung „Trabajadores“ über 50.000 Hektar mehr bepflanzt als im Vorjahr. Dies, obwohl nicht mehr Arbeiter*innen zur Verfügung standen als 1996 und zahlreiche klimatische Schwierigkeiten auftraten. Die zu erwartenden Verluste wegen schlechten Saatgutes werden auf nur 10 Prozent im Vergleich zu 20 Prozent im Vorjahr geschätzt. Um eine gute Ernte für die Saison 1998/99 zu garantieren, müssen bis Oktober dieses Jahres allerdings noch knapp 150.000 weitere Hektar bepflanzt und Plagen verhindert werden. Für die kürzlich abgeschlossene Zuckerrohrernte in diesem Jahr liegen noch keine offiziellen Daten vor. Es wird jedoch davon ausgegangen, daß sie unter den Vorausschätzungen liegt.

COSTA RICA

Bananenarbeiter*innen dürfen keine Gewerkschaft gründen

Von Gerardo Vargas*

(San José, Juli 1997, Foro Emaús-Poonal).- Am 24. Mai beschlossen 63 Arbeiter*innen auf der Bananenplantage „Finca Proyecto Agroindustrial de Sixaola S.A“ eine neue Gewerkschaft zu gründen. Knapp drei Wochen später, am 11. Juni, erhielten 20 von ihnen Entlassungsschreiben. Kündigungsdatum war der 12. Juni. Trotz ständiger Drohungen und Repressionen durch die Unternehmensführung wurde die Gewerkschaft am 22. Juni von 70 Arbeiter*innen offiziell ins Leben gerufen. Sie wählten einen Vorstand und erfüllten die übrigen gesetzlichen Bedingungen. Das Unternehmen will dies nicht hinnehmen und übt Druck auf die Arbeiter*innen aus. Unter anderem sind einige aus Panama stammende Arbeiter in ihr Land deportiert worden. Viele der Entlassenen müssen ihre Familien ernähren. Wenn sie nicht wieder eingestellt werden, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihre Familien zu verlassen und an einem anderem Ort Arbeit zu suchen. Trotz zahlreicher Klagen, die beim Arbeitsministerium eingereicht wurden, unternehmen die staatlichen Behörden nichts, um die Arbeitsrechte der Betroffenen zu verteidigen und sich für ihre Wiedereinstellung einzusetzen. In Costa Rica ist es eine häufig angewandte Methode, Gewerkschaften zu bekämpfen, indem die Arbeiter*innen, die sich organisieren wollen, entlassen werden. Mit einer Briefaktion an den costaricanischen Präsidenten soll nun versucht werden, den Staat zum Eingreifen zu bewegen.

*Gerardo Vargas ist Geschäftsführer des Foro Emaús

GUATEMALA

Enttäuschung über schleppende Umsetzung des Friedensabkommens

(Guatemala-Stadt, 1. Juli 1997, cerigua-Poonal).- Friedensbilder gibt es in Guatemala im Überfluß. Aber sechs Monate nach dem Ende des Bürgerkrieges meinen Kritiker*innen, die greifbaren Ergebnisse des Friedens seien gering. Am Verhandlungstisch noch Widersacher, teilten sich Ex-Rebell Ricardo Ramirez (Kommandant Rolando Morán) und Präsident Alvaro Arzú Irigoyen die Bühne am 28. Juni in Paris, wo sie gemeinsam den Houphouet-Boigny-Friedenspreis der UNESCO entgegennahmen. „Es ist eine Ehre für uns, diesen Preis zu erhalten. Wir nehmen ihn im Namen der Menschen Guatemalas an“, sagte Arzú. Als Zeichen des guten Willens umarmte sich das Paar. Und am 30. Juni standen die Führer der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) neben ihren früheren Feinden als „Ehrengäste“ und beobachteten die jährliche Militärparade, mit der die Gründung der offiziellen guatemaltekischen Streitkräfte gefeiert wird. „Wir können sehen, daß es Veränderungen in der Armee gegeben hat“, erzählte Ramirez während der Veranstaltung der Tageszeitung „El Periódico“.

Andere sind kritischer. „Nach sechs Monaten sehen die Guatemaltek*innen als einziges Resultat des Friedensabschlusses, daß die URNG sich in eine politische Partei umwandeln kann. Von diesem wichtigen Schritt abgesehen… bleibt alles übrige Hoffnung und Traum „, verzeichnet ein Leitartikel der Zeitung „La Hora“. Einige greifen die Friedensagenda der Regierung an, weil deren neoliberale Programme die Last der Bevölkerung verstärkt hätten. Größere Fragen wie Landkonflikte blieben ungelöst. Wieder andere kritisieren die autoritären Praktiken der Regierung. Die zunehmenden Gewaltverbrechen sind ein weiteres Problem. Menschenrechtsgruppen stellen heraus, daß die Täter der Justiz genauso entkommen wie vor dem Friedensschluß. Während Regierung und URNG-Führung den Tag der Armee feierten, marschierten etwa 300 Guatemaltek*innen in Erinnerung an die mehreren tausend verschwundenen oder von den Militärs hingerichteten Zivilist*innen durch die Hauptstadt. Für sie ist der Tag der Armee der „Tag der Märtyrer“. 19 Jahre zuvor wurde der katholische Priester Hermogenes López niedergeschossen. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. In dem Ort San José Pinula, Provinz Guatemala, wo die Tat geschah, kamen mehr als 5.000 Campesinos aus der Umgebung zusammen.

Internationale Menschrechtsaktivisten angeschossen

(Guatemala-Stadt, 2. Juli 1997, cerigua-Poonal).- Am 25. Juni schossen mehrere Personen aus einem Auto im Zentrum von Guatemala- Stadt auf die beiden US-Bürger Francisco Fabian Flores und Bredy Pierre-Louis. Während Flores unverletzt entkam, ist der Gesundheitszustand des angeschossenen Pierre-Louis immer noch kritisch. Beide arbeiten als freiwillige Helfer mit der Maya- Organisation Tukum Umam zusammen. Menschenrechtsgruppen klagen die Regierung an, Menschenrechtsaktivist*innen nicht ausreichend zu schützen. In den Tagen vor dem Überfall waren die beiden US-Bürger den Informationen nach einmal von der Mobilen Militärpolizei und zweimal von der Nationalpolizei angehalten worden. Sie wurden über ihre Aufenthaltsgründe, die Art ihrer Arbeit und ihre Beziehungen zu Guatemaltek*innen befragt.

Einige Beobachter*innen interpretieren den Vorfall als Angriff auf internationale Gruppen und Organisationen, die den Friedensprozeß in Guatemala unterstützen. Sie ziehen den Vergleich zu dem europäischen Diplomat Pierre Bernardberoy, der ebenfalls im vergangenen Monat angeschossen wurde. Bernardberoy leitete das Friedensprogramm der Europäischen Union für Guatemala.

Maquila-Fabrik dichtgemacht – 850 Arbeiter*innen um Lohn betrogen

(Mixco, 27. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Der Teilfertigungsbetrieb „Bouligny S.A.“ schloß kurzfristig sein Unternehmen in Guatemala und hinterließ 850 Arbeitslose, ohne offene Rechnungen zu begleichen. Eine traurige Episode wiederholte sich: Die Beschäftigten erschienen zur Arbeit, um ihre letzten Schecks zu empfangen – Löhne für mehrere Monate und die gesetzlich festgelegten Abfindungen standen aus, deren Auszahlung der Fabrikbesitzer Alex Johnson aus den USA für diesen Tag versprochen hatte. Doch die Tore waren verschlossen und der Eingang von bewaffnetem Personal versperrt. Johnson verließ das Land offenbar bereits mehrere Tage zuvor. Einige Arbeiter*innen sollen noch die Hälfte der Abfindungen erhalten haben, der Rest ging leer aus. Die wütenden Beschäftigten, in der Mehrzahl Frauen, erzwangen ihren Eintritt in das Fabrikgebäude und nahmen Einrichtungsgegenstände als Kompensation mit. Doch kurz darauf sperrte die Polizei das Gelände ab.

Bouligny ist nicht der einzige Maquila-Betrieb, der auf diese Weise seine Tätigkeit im Land beendete. Seit 16 Monaten warten beispielsweise 350 Arbeiter*innen der US-Firma „Inexport“ auf geschuldete Zahlungen von mehr als 2 Millionen Quetzales (330.000 US-Dollar).

Präsident Arzú entläßt Verteidigungsminister

(Mexiko-Stadt, 5. Juli 1997, Poonal).- Der guatemaltekische Präsident Alvaro Arzú hat die zwei ranghöchsten Generäle der Streitkräfte überraschend ihrer Ämter enthoben. Verteidigungsminister Julio Balconi mußte General Héctor Mario Barrios Zelada Platz machen. Sergio Camargo, bisher Generalstabschef für die Landesverteidigung, wurde durch General Marco Tulio Espinoza ersetzt. In der offiziellen Begründung wird auf die notwendige Modernisierung der Streitkräfte verwiesen. Ein Regierungssprecher hob die Verdienste der ausscheidenden Generäle um die Friedensabkommen hervor. Der neue Verteidigungsminister Barrios Zelada versicherte, die Armee unterstütze die Abkommen und werde die von den Vorgängern begonnene Aufgabe weiter verfolgen. Modernisierung der Streitkräfte bedeute unter anderem, die Truppenstärke zu reduzieren. In der Presse wird spekuliert, Rivalitäten und ideologische Differenzen zwischen Balconi und Camargo könnten den Präsidenten zu seinem Schritt bewegt haben.

Mario Polanco von der Gruppe für gegenseitige Hilfe von Familienangehörigen Verhafteter und Verschwundener (GAM) versicherte, mit der neuen Armeespitze werde die harte Linie innerhalb der Militärs gestärkt. Diese Fraktion habe Druck ausgeübt, weil zu ihrem Mißfallen sowohl Balconi wie auch Camargo den Friedensprozeß unterstützt hätten. Der neue Generalstabschef Marco Tulio Espinoza war zuvor Kommandant der berüchtigten Präsidentengarde. Der neue Verteidigungsminister kommandierte zuvor die größte Kaserne des Landes, die in der Hauptstadt liegt.

KOLUMBIEN

Guerilla lehnt Friedensgespräche mit Präsident Samper ab

(Bogotá, 9. Juli 1997, pulsar-Poonal).- Die Aussichten auf einen Frieden zwischen der Guerilla und der Regierung in Kolumbien sind ferner denn je. Präsident Ernesto Samper, der vor Tagen zu neuen Verhandlungen aufgerufen hat, kann weder die Zustimmung der Aufständischen noch die der eigenen Streitkräfte erwarten. Die Guerilla machte deutlich, daß sie Samper für keinen legitimen Gesprächspartner hält. Verhandlungen kämen erst mit dem kommenden Präsidenten in Frage. Die Armee der Nationalen Befreiung (ELN), neben den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) die zweite große Guerillabewegung im Land, unterstreicht diese Haltung derzeit mit einer breiten Offensive gegen Stellungen der Bundesarmee. Letztere hat ebenfalls wiederholt, sie sähe in Abkommen mit rebellischen Kräften keinen Sinn. Die Hardliner unter den Streitkräften setzen darauf, die Guerrilla militärisch zu vernichten. General Manuel Bonett erklärte, 20.000 Soldaten zusätzlich müßten für die Aufstandsbekämpfung vorbereitet werden. Hoffnungen, nach der Freilassung von 70 Soldaten durch die FARC am 15. Juni könnte ein besseres Klima für Verhandlungen herrschen, haben sich damit ins Gegenteil verkehrt.

NICARAGUA

Anhaltende Proteste

(Managua, 9. Juli 1997, pulsar-Poonal).- Student*innen und Polizisten liefern sich seit inzwischen fast zwei Wochen in den Straßen der nicaraguanischen Hauptstadt Managua Zusammenstöße. Die Proteste gegen die Regierung haben unter den Student*innen bereits 50 Verletzte gefordert. Der Streit geht vor allem um das Geld für die Universitäten. Ein 1990 verabschiedetes Gesetz sieht vor, sechs Prozent des Staatshaushaltes für die Hochschulen auszugeben. Schon in vergangenen Jahren hatte es heftige Diskussionen um die Berechnung dieser 6 Prozent gegeben. Unter der Regierung von Präsident Arnoldo Alemán ist ein weiterer Streitpunkt hinzugekommen. Alemán hat das Geld bisher nicht vollständig dem Nationalen Universitätsrat übergeben, sondern will noch andere Verteilungsmechanismen einführen. Dies wird von vielen so interpretiert, daß die staatlichen Universitäten gegenüber den Privathochschulen benachteiligt werden sollen.

Indígenas für ILO-Konvention 169

(Managua, 8. Juli 1997, alc-Poonal).- Repräsentanten von 600.000 Indígenas der Atlantik- und Pazifikküste forderten in einem Demonstrationszug zum Sitz der Nationalversammlung die Parlamentarier*innen auf, sich für die Ratifizierung und Einhaltung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einzusetzen. Diese ist von der nicaraguanischen Regierung im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern noch nicht unterschrieben worden. Antonio Guzman, Koordinator der Indígena-Bewegung Nicaraguas (MIN), berichtet über ein Treffen von 30 Indígena- Führer*innen in der Hauptstadt, die ihr Vorgehen abgestimmt hätten. Sie erhoffen sich, ihr Land, ihre Kultur und ihr Brauchtum sowie die eigenständigen Regierungsformen mit der Konvention im Rücken besser verteidigen zu können. Die Konvention 169 geht auf diese Themen in mehreren Abschnitten ein. Die Indígenas fordern die nicaraguanische Regierung ebenfalls auf, Programme mit ihnen abzustimmen und die MIN an Bildungsprogrammen, die den Respekt vor den Indígena-Kulturen garantieren, zu beteiligen.

BOLIVIEN

Teure Überraschung

(La Paz, 9. Juli 1997, pulsar-Poonal).- Die scheidende Regierung von Gonzalo Sanchez de Lozada hat dem zukünftigen Kabinett unter Führung von Hugo Banzer bereits einen kleinen Strich durch die Finanzplanung gemacht. Die Einnahmen von 1,6 Milliarden Dollar aus dem Verkauf von Staatsunternehmen sind als Festgeld bei der City Bank Bahamas angelegt worden. Die neue Regierung wird nicht frei darüber verfügen können, sondern nach dem Stand der Dinge nur die Zinszahlungen erhalten. Sie hatte angekündigt, einen Teil der Privatisierungsgewinne für die Rentenfonds der Arbeiter*innen zu verwenden. Banzers Partei, die Demokratisch Nationalistische Aktion (ADN), hat die noch amtierende Regierung vor Gericht angeklagt, weil sie ihrer Ansicht nach mit ihrem Vorgehen Gesetze gebrochen hat. Jetzt muß der Oberste Gerichtshof des Landes eine Entscheidung treffen. Befremden hat ebenfalls ausgelöst, daß die Verzinsung der 1,6 Milliarden Dollar nur 4 Prozent betragen soll.

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