Poonal Nr. 276

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 276 vom 6. Februar 1997

Inhalt


MEXIKO

PUERTO RICO

PERU

KUBA

GUATEMALA

AGAAI-Vorsitzender Pedro Iboy, der Bürgermeister von Solola,

GUATEMALA

KOLUMBIEN

ECUADOR


MEXIKO

Rechtsverletzungen in der Maquilaindustrie

(Mexiko-Stadt, Januar 1997, fempress-Poonal).- Ein Bericht der Organisation Human Rights Watch stellt fest, daß die mexikanische Regierung unter dem Druck multinationaler Unternehmen diskriminierende Praktiken gegenüber den Frauen zuläßt. Das schließt die Verletzung mexikanischer Arbeitsgesetze ein. Schwangerschaftsuntersuchungen, Befragungen über den Gebrauch von Verhütungsmitteln und die sexuellen Gewohnheiten sind routinemässige Vorgehensweisen von Unternehmen aus der Maquilabranche, wenn sie Arbeiterinnen einstellen wollen. Human Rights Watch prüfte dies unter anderem bei den Firmen General Motors, General Electric, Panasonic, Sanyo und AT & T nach. Auf der Grundlage von Gesprächen in 40 Maquilabetrieben in verschiedenen Bundesstaaten an der Grenze zu den USA bemerkt der Bericht der Menschenrechtsorganisation, daß die Mehrheit der Unternehmen über eigenes medizinisches Personal verfügt, daß die Arbeiterinnen untersucht.

Wenn eine Schwangerschaft festgestellt wird, werden jobsuchende Arbeiterinnen nicht beschäftigt. Wenn sie nicht schwanger sind, wird ihnen klar gemacht, daß eine zukünftige Schwangerschaft die Entlassung bedeutet. Obwohl letzteres selten wirklich in die Praxis umgesetzt wird, wird eine Art Erpressung ausgeübt: Diejenigen, die die Drohung mißachten und sich für ein Kind entscheiden, werden zu Überstunden gezwungen. Eine andere Methode ist, ihnen andere Arbeiten mit grösserer körperlicher Anstrengung zuzuweisen. Damit soll die freiwillige Kündigung erreicht werden. Das Unternehmen spart sich so die Entlassungszahlungen. Die Maquilaindustrie in Mexiko erwirtschaftet jährlich Exportgewinne in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Sie beschäftigt mehr als 500.000 Menschen. Doch dies darf kein Grund sein – es gibt keinen einzigen Grund dafür – die Rechte der mexikanischen Arbeiterinnen zu verletzen.

PUERTO RICO

Basketball: Einbruch in die Männerdomäne

Von Norma Valle

(San Juan, Januar 1997, fempress-Poonal).- Durch eine Gerichtsentscheidung ist Alejandra Osorio die erste und bisher einzige Frau, die in der Basketball-Liga Puerto Ricos spielen darf. Es ist ein bittersüßer Triumph, denn die Gegner dieser Entscheidung geben nicht auf. Die Liga und ihr Verband, die Basketballvereinigung Puerto Ricos, haben diesen Sport zum gewinnträchtigsten im Land gemacht. Seit einiger Zeit hat Basketball den Beisbol in der Publikumsgunst abgelöst. Die Hallen sind überfüllt. Gleichzeitig handelt es sich um einer der Männerbastionen. Die Frauen spielen in einer Liga mit geringerer Einstufung und niedrigeren Löhnen, der Liga für Frauenbasketball. Wie die Liga hat auch der ausgeübte Sport Vor- und Nachnamen: Frauen-Basketball. Bei den Männern heißt es dagegen einfach Basketball.

Möglicherweise hat diese Arroganz dazu beigetragen, daß die Richterin Carmen Vélez Borrás der Klage von Osorio stattgab. Der Basketballverein aus Hatillo, in dessen Team ihr Mann einer der Stars ist, hatte die 22jährigen unter Vertrag genommen, nachdem sie an Ausscheidungs- und Auswahlprüfungen mit 30 männlichen Kollegen teilnahm. Sie hat Erfahrung auf nationaler, mittelamerikanischer und lateinamerikanischer Ebene und steht im Ruf einer exelenten Spielerin. Verein und sie selbst sahen im Gegensatz zur puertorikanischen Basketballvereinigung, die Osorio nur in Frauenligen spielen sehen wollte, überhaupt keine Verfassungsbedenken gegen ihren Einsatz in der Männerliga. Der Verband argumentierte in der Gerichtsverhandlung unter anderem damit, die Spielerin und andere Frauen vor Schlägen der Männer in der nicht gerade zimperlichen Sportart schützen zu wollen. Die Richterin verwies darauf, daß übertriebene Aggressivität und Schläge im Basketball als personeliche Fouls bestraft und angerechnet werden.

In ihrem Urteil zitiert Vélez Borrás die Verfassung von Puerto Rico. Im Artikel II verbietet diese die Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Zudem nennt sie die Gesetze 100 (aus dem Jahr 1959) und 69 (aus dem Jahr 1985), die ausdrücklich die Diskriminierung der Frau bei der Arbeit verbieten. Die Richterin bezieht sich ebenso auf die Rechtsprechung Puerto Ricos und die der USA und kommt auf dieser Basis „zu dem zwingenden Schluß, daß die Tatsache, daß der Basketball eine Sportart mit der Möglichkeit der Körperkontakte ist, nicht rechtfertigt, eine Einteilung beizubehalten, die alle Frauen davon ausschließt, mit den Männern Basketball zu spielen. Dieser Ausschluß beruht auf Verallgemeinerungen und Stereotypen, die nicht notwendigerweise den körperlichen Tatsachen eines bestimmten Individuums entspricht.“ Und weiter: „Wir können nicht gleichgültig gegenüber paternalistischen Haltungen bleiben, die unter dem Vorwand, die Frau zu schützen, ihr eine minderwertige und wehrlose Stellung zuweisen, entgegen unserem Verfassungs- und Gesetzeswerk.“ Die Richterin ordnete gegenüber dem Basketballverband an, Osorio die Spielerlaubnis zu geben, was der Verband auch befolgte.

Sofort stuften die Kommentatoren die Richterin als „verirrt“ ein. Sie sagten Unheil voraus – provoziert durch die Frauen die angeblich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern anerkennen. Von uns Frauen haben sich viele über die Entscheidung gefreut. Sie ist gut und mutig. Aber wir fragen uns auch, was langfristig passieren wird. Die sexistische Führung im Basketball verschwindet nicht durch ein Gerichtsurteil. Die Männer könnten in die „Frauenliga“ kommen, aber andererseits in der Praxis die Frauen aus der „puertorikanischen Liga“ bannen. Die Frauen könnten zu den Parias des Sports werden. Oder im Gegenteil – wenn sich die von der Richterin skizzierten Prinzipien durchsetzten, daß die besten, Männer und Frauen, unabhängig von ihrem Geschlecht spielen – könnte der Sport allgemein vielleicht besser werden. Die Entscheidung ist historisch. Ob sie auch in anderen Bundesstaaten oder Ländern Einfluß haben wird? Die Frauen erwarten kurz vor dem 21. Jahrhundert die wirkliche Gleichheit im Sport und nicht nur in Worten.

PERU

„Ich befürchte ein militärisches Ende“ – Interview mit Javier Diez

Canseco

(Lima, 30. Januar 1997, noticias aliadas-Poonal).- Der 48jährige oppositionelle Kongreßabgeordnete Javier Diez Canceco war eine der ersten Geiseln, die vom Kommando der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) in der japanischen Botschaft freigelassen wurden. Seit seiner Freilassung widmet er seine ganze Zeit der Aufgabe, eine friedliche Lösung der Krise zu suchen. Cecilia Remón, Mitherausgeberin von Noticias Aliadas, sprach mit dem Abgeordneten über den Fall und über die möglichen Lösungen.

Wie bewerten Sie die Vorgänge?

Es ist sehr deutlich, daß [Präsident Alberto] Fujimori einen bedeutenden Schlag erhalten hat. Fujimori gründete seine Popularität auf zwei Dinge: auf die Kontrolle der Hyperinflation – aber die Hoffnung auf Modernisierung und auf Entwicklung beginnt sich zu erschöpfen, denn die Leute sind müde, es gibt keine Ergebnisse, es herrscht massive Arbeitslosigkeit – und andererseits auf den harten Schlägen gegen die Aufstandsbewegungen, besonders den Terrorismus des Sendero [Sendero Luminoso; übersetzt: Leuchtender Pfad] und gegen die Führung der MRTA selbst, von der ein großer Teil gefangen genommen wurde und deren Aktionen sich entscheidend verringert hatten. Auf einmal haben die Peruaner*innen entdeckt, daß eine militärische Lösung für das Problem der Gewalt die Probleme nur halb erstickt, aber nicht gelöst hat. Und es hat keine politische Lösung gegeben. Deswegen haben sie nun das Zerbrechliche dieses Befriedungsprozesses entdeckt. Selbst die Kirche hat die Einsicht gehabt, damit zu beginnen, von Frieden und Gerechtigkeit zu sprechen, das Problem des Friedens mit den schwerwiegenden sozialen Problemen im Land zu verbinden.

Wer handhabt die Botschaftskrise innerhalb der Regierung?

Ich zweifle nicht darin, daß es Fujimori selbst und seine militaristische Umgebung sind, die diese Angelegenheit handhaben. Fujimori selbst, zusammen mit seinem Berater Vladimiro Montesinos, dem „Rasputin“ des Regimes, dem wirklichen Chef des nationalen Geheimdienstes. Die MRTA gab Hinweise, daß sie eine Aktion von bedeutender Größe plante. Ich bin sicher, die Leichtfertigkeit des Geheimdienstes und der Polizei ist wesentlich grösser gewesen als es in diesem Moment scheint. Und der politische Preis, den die Regierung dafür zahlen wird, ist sicher eines ihrer ernstesten Probleme. Darin liegt einer der Hauptgründe, daß ich ein militärisches Ende fürchte. Denn wenn es Tote gibt, werden die ewigen Militaristen sagen, daß es keine andere als die militärische Lösung gibt und daß daher die Militarisierung des Landes nicht nur weitergehen, sondern verstärkt werden muß. Das heißt, sie wollen ihre eigene Verantwortungslosigkeit, ihre Untätigkeit mit Blut verdecken.

Wer sonst widersetzt sich noch einer friedlichen, verhandelten Lösung?

Nicht nur die militarischen Gruppen in der Regierung wollen das Abkommen in die Luft sprengen. Auch der blutrünstigste Teil von Sendero Luminoso, der, der von „Feliciano“ angeführt wird. Dieser mordet Zivilist*innen, indem er sie in brutalster Form enthauptet, wie vor einigen Wochen in der Sierra Norte [nördliche Gebirgskette] geschehen oder indem er ihnen den Schädel mit Steinschlägen zerstört. Er macht das nicht wegen eines militärischen, sondern wegen eines politischen Ziels: zu zeigen, daß sie [der Leuchtende Pfad] so völkermörderisch wie immer weitermachen und daß es für sie keinen Dialog gibt.

Was antworten Sie den Gruppen in der Regierung, die eine politische Verhandlungslösung nicht für möglich halten?

Es ist lächerlich zu sagen, eine politische Verhandlungslösung komme nicht infrage, weil die Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru (MRTA) eine sehr kleine Gruppe sei. Erstens ist es absurd zu denken, die MRTA seien alle, die sich innerhalb der Residenz des Botschafters befinden. Die Infrastruktur, die für eine Operation dieser Größe benötigt wird, multipliziert ihre Zahl mit fünf. Zweitens sind die Gelassenheit und die Ausbildung, die diejenigen drinnen im Diplomatensitz aufweisen, kein Laborprodukt, sondern Ergebnis der Erfahrung in einer bewaffneten Front, die sie im Zentralurwald haben. Drittens, wenn jemand so eine Situation der Instabilität wie diese schaffen kann, ist der Versuch angebracht, ihn dazu zu bringen, die Sprache der Gewehre gegen die Sprache der Politik zu tauschen. Viertens sind darüber hinaus, ob die MRTA überlebt oder nicht, die Gewaltbedingungen in Peru wegen der Armut, der Desillusion, der Frustration immer präsent. Wenn wir nicht die treibenden Käfte dieser Gewalt entschärfen und wenn wir nicht einen Mechanismus gegenseitiger Zugeständnisse in einem Land finden, in dem der Unterschied zwischen Reichen und Armen immer größer ist und in dem es keinen Stil der Beratung, des Bilanzziehens, sondern einen Stil des politischen Autoritarismus, des „ich habe die Wahrheit gepachtet und weiß alles“ gibt, werden wir zu überhaupt nichts kommen. Manchmal fühle ich, daß wir uns – obwohl es nicht der exakte Begriff ist – in einem autistischen, geistesabwesenden, in sich selbst verschlossenen Regime ohne Fähigkeit zum Dialog, zur Verhandlung befinden.

Welche Perspektiven sehen Sie?

Auch wenn es sich um eine komplizierte Situation handelt und eine aufmerksame Bewertung nötig ist, glaube ich, daß sich in Peru eine neue, andere Perspektive eröffnen kann. Innerhalb derer Unternehmer, Intellektuelle und politische Kader das Friedensproblem als ein politisches Problem angehen, die nationale Versöhnung als Teil eines ganzheitlichen nationalen Projektes. Ich sehe das, was passiert ist, inmitten des Schrecklichen, was es darstellte und obwohl es eine Aktion ist, die von der Genfer Konvention ausdrücklich verurteilt wird, mit Hoffnung. Auf dem Dialogweg kann Peru eine für alle positive Entwicklung finden. Wenn irgendetwas die Peruaner*innen heute zum Erwachen gebracht hat, dann die plötzliche Entdeckung, daß die militärische Lösung nicht ausreicht, nicht das Politische löst und auch nicht die Kultur der Gewalt und Intoleranz. Diese Entwicklung muß sich noch öffnen. Mehr noch, die Kultur der Toleranz muss mit der Kultur der Gerechtigkeit, der Solidarität verknüpft sein. Mit dem Verständnis dafür, daß die Leute nicht leben dürfen, indem sie auf die Krümel von den Tellern der Reichen warten, um eine Zukunftshoffnung zu haben. Es muß ein Projekt für das Land geben, das ihm eine Zukunft gibt und ihm eine Friedensaussicht garantiert.

PERU

Blick auf die Gefängnisse Von Lucien O. Chauvin

(Lima, 23. Januar 1997, noticias aliadas-Poonal).- Die peruanische Regierung könnte einen Ausweg aus der Geiselkrise finden, wenn sie bereit wäre, ihre Gefängnispolitik zu überprüfen. Je länger die Krise andauert, umso mehr richten sich die Blicke der Welt auf die Haftanstalten Perus. Zu den wichtigsten Forderungen der Rebell*innen der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) gehört die Verbesserung der Haftbedingungen, besonders für die mehr als 400 Gefangenen, die der MRTA angehören. Sie sind in verschiedenen Haftanstalten des Landes untergebracht. Nach der Freilassung von 23 Geiseln am 28. Dezember hängten die Rebell*innen ein Transparent aus einem der Fenster des Diplomatensitzes: „Unsere Gefangenen erhalten nicht dieselbe humanitäre Behandlung“. In einem augenscheinlichen Widerspruch fordern die MRTA-Mitglieder einerseits die Verbesserung der Haftbedingungen für ihre Genoss*innen, andererseits deren Freilassung. Das Haftssystem Perus ist seit Jahren an einem Grenzpunkt angelangt. So wurde das Gefängnis von Lurigancho im Osten Limas im Jahr 1964 gebaut, um 1.500 Sträflinge in zwölf Barracken aufzunehmen. Derzeit gibt es dort über 5.000 Gefangene, von denen 90 Prozent nicht verurteilt sind. „Wenn Du einmal hier bist, kannst Du nichts machen. Die Regierung und die Anwälte vergessen Dich. Du existierst nicht mehr“. Das sagt Jaime Varela, der eine fünfjährige Strafe wegen Betrugs in Lurigancho verbüßt. Die Regierung hat auf die Überfüllung der Haftanstalten mit dem Bau neun neuer Gefängnisse in den vergangenen fünf Jahren reagiert. Außerdem hat sie eine Kommission ernannt, die das gesamte Justizsystem umstrukturieren soll. Laut José Dellepiani, Marinekommandant im Ruhestand, der auf Präsident Fujimoris Geheiss die Reform überwachen soll, existieren derzeit etwa 150.000 nicht abgeschlossene Prozeßverfahren. „Wir sind sehr optimistisch. Wir hoffen, daß alle 1995 angesammelten Verfahren in den kommenden Monaten neu aufgenommen werden“, meint Dellepiani.

Während die Mehrheit der normalen Häftlinge, ob unschuldig oder schuldig, Jahre auf ein Urteil wartet, geschieht das Gegenteil mit denjenigen, die des Terrorismus angeklagt sind. Eine RichterInnengruppe „ohne Gesicht“ (die Angeklagten bekommen die Gesichter der Richter*innen nicht zu sehen; die Red.) ist für diese Fälle verantwortlich. Dieses System war in den harten Anti- Terrorismusgesetzen enthalten, die seit 1992 angewendet werden, nachdem Präsident Alberto Fujimori den Kongreß und das Justizsystem in seinem „autogolpe“ (Eigenputsch) außer Kraft setzte. Mit verdecktem Gesicht und ihren Stimmen verzerrt, erlauben die Richter*innen den verteidigenden Anwält*innen nicht, Beweise vorzulegen. Sowohl die Angeklagten wie ihre gesetzlichen Vertreter*innen dürfen nur sprechen, wenn es den Richter*innen passend erscheint. Jeder Gerichtsprozeß gegen Personen, die des Terrorismus angeklagt sind, dauert vom Tag der Verhaftung an gerechnet, nicht mehr als zwei Monate.

Einheimische und internationale Menschenrechtsgruppen versichern, daß den Angeklagten kein gerechter Prozeß möglich gemacht wird. Sie verweisen auf die etwa 700 Fälle unschuldiger Personen, die von diesen Richter*innen verurteilt wurden, als Hauptargument, dieses Verfahren zu ändern. Obwohl er auf diesen Druck nicht reagierte, ernannte Fujimori (im vergangenen Jahr; die Red.) eine dreiköpfige Kommission, um die Fälle der unschuldig wegen Terrorismus Verurteilten zu untersuchen. In den ersten Monaten ihrer Arbeit erreichte die Kommission den präsidentiellen Gnadenerlaß für ungefähr hundert Personen. Die Mehrheit von ihnen war zu Strafen von 20 Jahren bis lebenslang verurteilt worden. Die Besetzung der Residenz des japanischen Botschafters hat diesen kleinen Spielraum jedoch geschlossen. Eine Freiwillige aus dem Umfeld der katholischen Kirche, die die des Terrorismus angeklagten Häftlinge besucht, erklärt, daß die Geiselkrise der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (M RTA) den Hoffnungen derjenigen ein Ende setzte, die an eine Entlassung glaubten. Die Spannungen unter den Häftlingen hätten sich erhöht. „Wir haben Listen mit Personen, die Weihnachten hätten freikommen sollten. Jetzt werden diese Listen sicher annulliert“, meint die Frau, die anonym bleiben will.

Die Bedingungen für die Gefangenen, die des Terrorismus angeklagt sind, sind sehr hart – sogar für peruanische Verhältnisse. Der Chef der MRTA, Víctor Polay Campos, befindet sich in einer kleinen Zelle in der Marinebasis von Callao im Westen von Lima. Er darf einmal im Monat Besuch von einem/r direkten Familienangehörigen empfangen und hat keinen Zugang zu schriftlichem Material. Seine fensterlose Zelle darf er 30 Minuten am Tag verlassen (vgl. auch Poonal 273; die Red.). Das Hochsicherheitsgefängnis von Yanamayo 3.800 Meter über Meereshöhe in der Hochlandprovinz Puno, die an Bolivien grenzt, ist wegen der dortigen Zustände hart kritisiert worden. Die Häftlinge sind in kleinen Betonzellen ohne Glas in den Fenstern, obwohl die Temperatur in den Nächt auf den Gefrierpunkt absinkt. Weniger als eine Stunde am Tag haben die Häftlinge die Erlaubnis, die Sonne zu sehen.

Monsenor José Dammert Bellido, der ehemalige Vorsitzende der Peruanischen Bischofskonferenz hat die Überprüfung des Haftsystems im Land für unerläßlich erklärt. Francisco Soberón, der Präsident der „Vereinigung für Menschenrechte“ beklagt, daß die eingeschränkte Besuchserlaubnis sowie die Kälte und die schlechte Ernährung – die Gefangenen erhalten eine Tasse Tee und Kekse zum Frühstück – die internationalen Normen verletzen. Die Regierung wendet nur umgerechnet 35 US-Cents pro Tag für die Ernährung eines Häftlings auf. Eine Überprüfung der Haftbedingungen – eine Forderung, für die sich nach den jüngsten Umfragen 76 Prozent der 23 Millionen Peruaner*innen aussprechen – könnte die beste Karte sein, die die Regierung für Verhandlungen mit der MRTA hat und sie könnte zur Freilassung aller Geiseln führen.

Haftbevölkerung

Männer: 20.405 Frauen: 1.805 Insgesamt: 22.210

Laufende Verfahren: 16,703 Quelle: Nationale Gefängnisbehörde

KUBA

Tausende auf internationalem Bildungstreffen

(Havanna, 4. Februar 1997, prensa latina-Poonal).- Unter dem Motto „Für die Einheit der lateinamerikanischen Erzieher*innen“ hat am 4. Februar der größte Bildungskongreß der Welt in fünfter Auflage in Havanna begonnen. Mehr als 5.000 Dozent*innen aller Lehrstufen aus 25 Ländern werden vier Tage lang auf dem Treffen „Pädagogik '97“ über Themen aus ihrem Bereich sprechen. Die Gastgeber*innen werden den Teilnehmer*innen unter anderem etwa hundert verschiedene Bildungseinrichtungen auf Kuba zeigen. Der Kongreß wird alle zwei Jahre von Havanna mit Unterstützung der UNESCO, UNICEF und der Organisation der Iberoamerikanischen Organisationen für die Erziehung durchgeführt.

KUBA

Harte Worte für US-Initiative

(Havanna, 4. Februar 1997, prensa latina-Poonal).-Parlamentspräsident Ricardo Alarcón versicherte im Fernsehen, die Kubaner*innen hätten genug Gewehre, Macheten und Fäuste, um die Durchführung des nordamerikanischen Plans, das Land in die Zeit vor der Revolution zurückzuwerfen, zu verhindern. Er reagierte auf das von Washington verbreitete Dokument, das als Hilfsprojekt für einen demokratischen Übergang auf der Insel ausgegeben wird. Alarcón erklärte, es handele sich nur um die Anwendung des Abschnitts Zwei des auch von der internationalen Gemeinschaft zurückgewiesenen Helms-Burton-Gesetzes. „Wahrscheinlich haben es die Batistas und die Großgrundbesitzer*innen aufgesetzt, die sich dieses Landes wieder bemächtigen wollen. Das Ziel ist interner Aufstand, spalten und verwirren durch die schamloseste Lüge“, unterstrich er.

Der Parlamentspräsident sprach von einem „maquiavellischen Plan“ gegen das ganze Volk Kubas. Er las Teile aus dem Dokument vor, in denen von der Notwendigkeit gesprochen wird, die Gelder für das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystems zu kürzen, die kommunalen Dienste zu privatisieren und die private Erziehung auf Kuba wieder einzuführen. Bezüglich einer Stelle, an der der US- Plan eine mögliche Neuverhandlung über die nordamerikanische Marinebasis Guantanamo im Westen Kubas erwähnt, erklärte Alarcón: „Das einzige, was sie machen müssen, ist, sich dort davonzumachen. Uns interessiert die Base nicht, wir wollen die Bucht von Guantanamo, die von den USA ursurpiert ist.“ Er wies daraufhin, daß in der US-Initiative nur davon gesprochen werde, die kubanische Gesellschaft wehrlos zu machen, die Nation in den Zustand von 1958 zurückzubringen. Von produktiven Investitionen, Entwicklung oder neün Fabriken sei dagegen nicht die Rede.

Dem Helms-Burton-Gesetz zufolge sei während der gesamten Übergangsperiode zur angeblichen Demokratie die Beibehaltung der Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade vorgesehen, fügte Alarcón hinzu. „Clinton sagt, daß Kuba sich so dem Wohlstand der übrigen Hemisphäre anschließen würde und er will verbergen, daß 44 Prozent der Menschen, die in ihr leben, dies unter der Armutsgrenze tun“, so der Parlamentspräsident. Er schloß: „Für ihn (Clinton) ist die Demokratie die Diktatur von Batista und Wohlstand die Arbeitslosigkeit und der Analphabetismus, die wir 1958 hatten. Das Kuba des Großgrundbesitzes, der Folter und des Raubs. Sie wollen diese Dinge erneut hier einrichten und dazu noch den Beifall unseres Volkes.“

GUATEMALA

Sicherheitskräfte oder Quelle der Unsicherheit?

(Guatemala-Stadt, 27. Januar 1997, cerigua-Poonal).- Bei verschiedenen Vorfällen in den vergangenen Tagen waren Mitglieder der Sicherheitskräfte in Autodiebstahl, Entführung und Mord verwickelt. Vor einem Jahr war Oberst Mario López Serrano in den Schlagzeilen, nachdem eine Polizeiuntersuchung in seiner Residenz mehrere gestohlene Autos zum Vorschein brachte. Jetzt ist der Oberst erneut in den Nachrichten, weil er bei einer Polizeikontrolle als Fahrer eines gestohlenen LKW auffiel. Der Fahrgestellrahmen war verändert, das Nummernschild vertauscht und die Zulassungspapiere waren gefälscht. Die Polizisten ließen den Militär jedoch weiterfahren, nachdem er einen Brief vorzeigte, in dem die Beschlagnahme des Fahrzeugs für Armeezwecke behauptet wurde. Armeesprecher Oberst Otto Noack versprach eine Überprüfung des Vorfalls und „administrative Disziplinarmaßnahmen“, falls López für schuldig befunden werde. Die Polizei sagt nun, sie erwarte einen Haftbefehl gegen den Militär

Ebenfalls in den vergangenen Tagen verfingen sich fünf Agenten des Anti-Kidnappingkommandos der Nationalpolizei in ihrer eigenen Falle. Sie sind angeklagt, im Dezember 1996 eine junge Frau entführt zu haben. Der Polizist Saulo de Jesus Santizo Morales und seine vier Untergebenen müssen sich ebenfalls wegen Vergewaltigung und weiterer Straftaten verantworten. Am 24. Januar kündigten die Behörden die Entlassung weiterer 48 Mitglieder der Abteilung für Kriminalforschung (DIC) aufgrund von Korruptionsakten an.

Einen Tag später tauchte die Leiche des zuvor verschwundenen Industriellen Juan Iglesias Rubio in einer Schlucht in Guatemala- Stadt auf. Nach der Tageszeitung „Prensa Libre“ gab der Informant, dessen Tip die Polizei zu der Leiche führte, zudem an, ein Staatsfunktionär habe den Mord geplant. Die Person stehe „einem der mächtigsten Entführungsringe im Land“ vor und habe „Kontakte zum militärischen Geheimdienst und in anderen Regierungskreisen, die ihm helfen, der Justiz zu entkommen“ Im letzten Jahr suspendierten die Behörden 135 Polizisten und neun Militäroffiziere wegen Korruption vom Dienst. Bisher ist niemand von ihnen vor Gericht gestellt worden.

Ökologie-Show stößt auf Widerstand

(Guatemala-Stadt, 29. Januar 1997, cerigua-Poonal).- Eine international tätige Umweltorganisation will das Naturschutzreservat Maya Biosphäre fördern und schützen. Unter anderem sollen eine Reihe von Dokumentarfilmen und ein Fernsehereignis in dem alten Zeremonienzentrum Tikal in der Peten- Provinz dazu beitragen. Mayagruppen im Land sprechen dagegen von einer Beleidigung gegenüber ihrer Kultur durch das Projekt. Es werde dem Naturschutzgebiet mehr Schaden als Nutzen bringen. Die „Regenwaldstiftung“ (The Tropical Forest Foundation) kündigte am 27. Januar ihre Absicht an, den „Ersten Umweltgipfel in Tikal“ am Tag der Erde im April abzuhalten. 600 Gäste soll dann den umgebenden Dschungel als „Reservat für den Planeten Erde“ erklären. Internationale Künstler*innen, darunter Madonna, U2 und Phil Collins sind für eine international zu übertragende Fernsehsendung vorgesehen, während der die Zuschauer*innen per Telefon Spendenerklärungen für einen Biosphäre Stiftungsfonds abgeben können. Dieser soll durch eine ausländische Firma verwaltet werden. Die Stiftung sagt, sie habe die Rückendeckung von 16 guatemaltekischen Umweltorganisationen. Die Organisator*innen versprechen als Teil der Veranstaltung die „Verzückung durch guatemaltekische Folklore und Maya-Kulturerbe“.

Die Indígena-Menschenrechtsgruppe Majawil Qíj bezeichnet das vorgesehene Projekt als ihrer Kultur „völlig fremd“. Die Anträge, die Anlage von Tikal nutzen zu dürften, müssten die Zustimmung repräsentativer Mayagruppen finden. Tikal sei ein geheiligter Ort der Mayas. Die jüngst unterschriebenen Friedensabkommen garantierten den Mayas die Beteiligung bei der Festlegung von (Verhaltens-)Regeln, die für diese Zentren gelten sollen. Die örtlichen Bewohner*innen sind laut der Tageszeitung „El Gráfico“ genauso wenig glücklich mit den Plänen der internationalen Umweltstiftung. Angestellte des nahe gelegenen Flughafens von Flores erklären demnach, daß sie den eingeladenen Künstler*innen nicht erlauben werden, zu landen. Anwohner*innen von Tikal sprachen sich dafür aus, den Transport von Musik- und Bühnenausrüstungen zu verhindern. Zweifel an dem Vorhaben werden durch vergangene Erfahrungen genährt. Ein vor einigen Jahren veranstaltetes Rockkonzert in der Anlage verscheuchte die wild lebenden Tiere. Einer der Tempel wurde beschädigt. Das Institut für Anthropologie und Geschichte (IDAEH)) und die staatliche Nationalkommission für Schutzgebiete haben sich bereits gegen das Ansinnen der Stiftung ausgesprochen.

Indigena-Autoritäten wollen mehr Kontrolle

(Hühütenango, 25. Januar 1997, cerigua-Poonal).- Indígena- Bürgermeister aus einem breiten Parteienspektrum kamen in Huehuetenango zusammen, um über die Folgen der Friedensabkommen für ihre Städte zu diskutieren. Die 38 Bürgermeister und eine gleich große Zahl von Ratsmitgliedern reisten aus dem ganzen Land in die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz an. In Huehuetenango leben in großer Mehrheit Indígenas. Es handelte sich bereits um das vierte nationale Treffen der Vereinigung indigener Bürgermeister und Autoritäten (AGAAI). Themen waren die Steuereinnahmen, die Wirtschaft, die geplanten Änderungen für die Polizeikräfte, die Vorstellungen des Parlaments für dieses Jahr und der Friedensprozeß. Die Teilnehmer*innen konzentrierten sich jedoch am stärksten auf die Versprechungen in den Friedensabkommen hinsichtlich der Stärkung der Lokalregierungen durch die Übertragung von Verwaltungsaufgaben und Entscheidungsbefugnissen, die bisher noch in den Händen der Zentralregierung liegen.

AGAAI-Vorsitzender Pedro Iboy, der Bürgermeister von Solola,

kündigte Reformpläne der Organisation für die Gemeindegesetzgebung

und andere Gesetze an, um diese Entwicklung zu unterstützen. Es

müsse sichergestellt sein, daß die Zukunft der Gemeinden nicht von Institutionen bestimt werden, die ihre Zusammensetzung nicht repräsentieren würden. Viele der teilnehmenden Bürgermeister wurden 1995 als Kandidaten von örtlichen Komités gewählt. Auf höheren Regierungsebenen als den Kommunen dürfen diese Komités keine Kandidat*innen vorschlagen. Unter den Anwesenden waren aber auch Bürgermeister der landesweit drei wichtigsten Parteien: der regierenden Partei des Nationalen Fortschritts (PAN), dem linken Demokratischen Bündnis Neues Guatemala (FDNG) und der rechtsgerichteten Republikanischen Front Guatemalas (FRG). Zu dieser ungewöhnlichen Mischung gesellten sich auf Einladung der Organisator*innen des Treffens noch Kommandant Alberto und der politische Berater Miguel Angel Sandoval von der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG). Sie sprachen über die Bedeutung des Friedensprozesses.

GUATEMALA

Militärrebellion ohne Blutvergiessen zu Ende

(Guatemala-Stadt, 3. Februar 1997, pulsar-Poonal).- Ein Aufstand im Hauptquartier der Ambulanten Militärpolizei (PMA) endete am Wochenende friedlich, weil die rebellierenden Soldaten ihre Waffen übergaben. Zuvor waren sie von den gegenüber der Regierung lealen Truppen unter Druck gesetzt worden. Diese umstellten die Kaserne und überflogen das Gelände in der Hauptstadt mit Kampfflugzeugen. Verteidigungsminister General Julio Balconi erklärte die Truppenbewegungen in der Umgebung des Hauptquartiers der PMA damit, daß deren Mitglieder nicht auf die Strassen gelassen werden sollten, um Unruhe zu sähen. Von den fast 4.000 Militaerpolizisten rebellierten etwa 1.000. Sie hatten sich mehrere Tage lang in der Kaserne verschanzt. Sie begründeten ihre Aktion mit der Aussicht auf Arbeitslosigkeit und verlangten eine Abfindung je nach Länge der Dienstzeit zwischen 6.000 und 8.200 Dollar. Die Friedensabkommen zwischen Guerilla und Regierung sehen die baldige Auflösung der PMA vor.

KOLUMBIEN

Kämpfe breiten sich aus

(Bogota, 4. Februar 1997, pulsar-Poonal).- Die vor wenigen Tagen begonnenen Kämpfe zwischen der kolumbianischen Armee und der Guerilla der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) scheinen an Schärfe zuzunehmen. Regierungsquellen bestätigten zahlreiche Verluste auf beiden Seiten, ohne genauere Angaben zu machen. Die kolumbianische Luftwaffe hat Bombardierungen an Stellen durchgeführt, an denen strategische Positionen der Rebell*innen angenommen werden. Die militärische Konfrontation reicht bis nahe an die Hauptstadt heran. Das Grenzgebiet der Provinzen Meta und Cundinamarca, wo seit Sonntagnacht gekämpft wird, ist nur 50 Kilometer von Bogotá entfernt. Die kolumbianische Presse spricht von blutigen Zusammenstössen. Auf Seite der schätzungsweise 200 Guerilla-Kämpfer*innen soll die Einheit beteiligt sein, die für die Sicherheit von Manuel Marulanda Velez, des obersten Chefs der FARC, verantwortlich ist.

ECUADOR

Regierung sammelt Unterschriften

(Quito, 4. Februar 1997, pulsar-Poonal).- Staatsangestellte verschiedener Regierungsbehörden werden gezwungen, ein Blatt zu unterschreiben, auf dem sie ihre Unterstützung der Regierungsführung von Präsident Abdalá Bucaram versichern. Dieser „Rückhalt“ wurde kurz vor dem geplanten Generalstreik am 5. Februar verlangt. Am Vorabend dieses Ereignisses wurde allgemein davon ausgegangen, daß es sich um einen der schlagkräftigsten Streiks in der jüngeren Geschichte des Landes handeln werde. Die ecuadoreanische Polizei plazierte sich bereits Stunden zuvor an strategischen Punkten und in öffentlichen Gebäuden.

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