Poonal Nr. 268

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 268 vom 27.11.1996

Inhalt


NICARAGUA/USA

NICARAGUA

HONDURAS

PANAMA

PARAGUAY

KOLUMBIEN

VENEZUELA

BRASILIEN

CHILE

MEXIKO

GUATEMALA

HAITI


NICARAGUA/USA

Anti-Drogenpolizei in Managua

(Managua, 18. November 1996, pulsar-Poonal).- Die Anti- Drogenpolizei DEA der Vereinigten Staaten wird im kommenden Jahr ein ständiges Büro in Nicaragua eröffnen. Sprecher der US-Regierung sagten, die USA wollten ihre Präsenz angesichts des erhöhten Drogenhandels in dem mittelamerikanischen Land erhöhen. Die oppositionelle Nationale Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) hat sich gegen das US-Büro ausgesprochen. Die ausländische Polizei sei die Maske der Nordamerikaner, um Agenten im Land zu behalten, die Oppositionelle bei der Rechten denunzieren würden. Der Anti- Drogenpolizei der USA fehlt jetzt nur noch in Kuba ein Büro, sonst ist sie in allen Ländern Lateinamerikas vertreten.

NICARAGUA

Frauen haben bei den Wahlen verloren

Kommentar von Cristiana Chamorro

(Managua, 21. November 1996, pulsar-Poonal).- Im Vergleich zur vorherigen Regierungsperiode haben die Frauen bei den Wahlen vom 20. Oktober deutlich an politischen Beteiligungsmöglichkeiten verloren. Allerdings ermöglichte der Wahlprozeß qualitative Fortschritte für eine wichtige Gruppe von Frauen, die repräsentativ für die nicaraguanische Gesellschaft sind. Quantitativ gesehen, werden in der neuen Nationalversammlung statt wie in den vergangenen sechs Jahren 17 nur noch 8 Frauen unter den insgesamt 93 Abgeordneten sitzen. Die Abgeordnetenplätze wurden nicht in Direktwahlen entschieden, sondern über Listen, die die Parteien aufstellten. Die Mehrheit der Frauen schaffte es nicht, partei-intern auf einem der vorderen Listenplätze mit Gewinnchancen nominiert zu werden. Die Wahlergebnisse sind von den Erwartungen der Frauen in der Politik und der Frauenbewegung weit entfernt. Bemerkenswert ist allerdings das parteiübergreifende Bündnis „Frauenkoalition“. In der „Koalition“ sind Abgeordnete verschiedener Parteien vertreten. In weniger als einem Jahr gelang es, Probleme und Forderungen der Frauen stärker ins öffentliche Bewußtsein zu rücken.

Von den 22 KandidatInnengespannen für das Präsidentenamt wurde nur eines von einer Frau angeführt, zwei Kandidatinnen traten für das Vizepräsidentamt. Weniger als die Hälfte der 22 an den Wahlen teilnehmenden Parteien setzten eine Frau auf einen der ersten drei Listenplätze. In den Landkreisen verloren die Frauen noch mehr als im Nationalparlament. 310 Frauen kandidierten für das BürgeremeisterInnenamt, aber nur sechs werden die kommenden fünf Jahre eine Kommune regieren. Bei den Wahlen 1990 erreichten weniger Frauen mehr Erfolge. Von den damals 143 Landkreisen gab es in 14 eine Bürgermeisterin. Diesmal war die Skepsis der Frauen trotz der gegenseitigen Unterstützung in der parteienübergreifenden Koalition groß. Diese präsentierten dem Land ein Minimalprogramm mit einer gemeinsamen Basis und einen ethischen Rahmenvorschlag, den die verschiedenen Kandidat*innen unterschrieben. Bis auf einen: Arnoldo Alemán. Dieser argumentierte, er könne nicht unterschreiben, weil er mit einigen Punkten nicht einverstanden war. Er machte deutlich, er wolle die Frauenproblematik von der Familie aus und nicht von der Frau selbst ausgehend behandeln.

Die faktische Rückkehr zum Zweiparteinsystem ließ die Anstrengungen der Frauenkoalition verpuffen. Sie konnte den politischen Spielraum weder vergrößern noch den Diskurs der Kandidatinnen in den Mittelpunkt der Debatte rücken. Kulturelle Faktoren, politische Traditionen, aber vor allem die Angst, der einen oder der anderen extremen Position zuzustimmen, hielten viele Frauen von einer aktiven Teilnahme ab. Das Meinungsforschungsinstitut CINCO hatte dies schon vor Monaten vorhergesagt. Bei einer Umfrage gaben sieben von zehn Frauen an, an einer Beteiligung in der Politik nicht interessiert zu sein. Trotzdem drückten sie ihren Willen aus, ihre Stimme abzugeben. Das weckte Hoffnungen bei den Kandidatinnen. Die CINCO-Studie ergab nämlich auch, daß sieben von zehn Frauen für Kandidat*innen stimmen würden, die die Frauen unterstützten. Sechs von zehn wollten demnach für bekannte Frauen des nationalen Lebens stimmen, obwohl sie nicht der bevorzugten Partei angehörten. Die Frauen sind stolz, daß einige von ihnen bis an die Spitze des Staates vordrangen: Violeta Chamorro als Präsidentin, Julia Mena als Vizepräsidentin und Rosa Marina Zelaya als Vorsitzende des Obersten Wahlrates. 72 Prozent der Bevölkerung denken, daß Frauen in einem öffentlichen Amt ehrlicher sind und mehr arbeiten. 78 Prozent glauben, daß die Frauen die gleichen Fähigkeiten wie die Männer bei der Ausübung der politischen Macht haben. Dennoch entschieden am 20. Oktober andere Faktoren. Die Stimmen verteilten sich auf den sandinistischen und den anti- sandinistischen Block. Die siegreiche Liberale Allianz stellte die wenigsten Frauen von allen Parteien und Bündnissen auf. Im Parlament wird nur eine einzige Frau für sie sprechen. In den 90 Landkreisen, die die Liberale Allianz gewann, wird es nur vier Bürgermeisterinnen geben. Für die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) werden sieben von 37 Abgeordneten weiblich sein. Das ist eine Folge des Quotensystems für die Parlamentskandidat*innen, das nach harten partei-internen Verhandlungen zustande kam. Für die Kommunalwahlen galt dieses System nicht. In den 46 gewonnenen Rathäusern werden nur zwei sandinistische Bürgermeisterinnen regieren. Mit der zurückgegangenen Zahl an weiblichen Abgeordneten und der Stärkung des Zweiparteien-Systems wird der Spielraum für Verhandlungen zwischen Frauen und Männern geringer werden. Die Frauen müssen diese Realität zukünftig beachten, wenn sie die Möglichkeiten für Gesetzesentwürfe analysieren, die der Verteidigung ihrer Rechte dienen sollen.

„Es gibt keine Frau, die Zugang zur neuen Regierung hat“, meint Azucena Ferrey, die derzeitige Präsidentin der Frauenkommission in der Nationalversammlung und eine der wiedergewählten Abgeordneten. Sie prophezeit, der neue Staatspräsident Arnoldo Alemán werde in der Frauenpolitik eine grundsätzliche Wende einleiten. Die angekündigte Fusion des Fraueninstitutes mit dem Familienministerium hat die Aufmerksamkeit der Frauenkoalition auf sich gezogen. Sie gehen von einer Einschränkung des Einflusses von Frauen in der Regierung aus. „Ohne ein Fraueninstitut wird es schwieriger, Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie die Interessen der Frauen berücksichtigt“, meint Auxiliadora Matus, ehemalige Leiterin des Institutes in der zurückliegenden Regierungsperiode.

HONDURAS

Treibstoff immer teurer

(Tegucigalpa, 19. November 1996, pulsar-Poonal).- Die honduranische Regierung wird den Treibstoffpreis pro Galone (3,8 Liter) umgerechnet um vier Cents anheben. Es handelt sich um die 66. Preiserhöhung seit Präsident Carlos Reina 1994 ins Amt gewählt wurde. Für die Mehrheit der Bevölkerung wird sich die wirtschaftliche Situation damit weiter verschärfen. Auch die Gaspreise werden angehoben. Eine unmittelbare Folge: Die Güter des Grundbedarfs werden ebenfalls teuerer werden.

Neustrukturierung der Streitkräfte

Von Eduardo Tamayo

(Tegucigalpa, 15. November 1996, alai-Poonal).- In den vergangenen Monaten hat es in Honduras meherere Sprengstoffanschläge, außergerichtliche Hinrichtungen, Entführungen und Banküberfälle gegeben. Darin drückt sich eine wachsende Zerrüttung der sozialen und politischen Situation des Landes aus. Menschenrechtsorganisationen vermuten hinter dem Klima der Gewalt und der Instabilität die Interessen der Militärs. Diese wollen demnach die Übergabe der Polizei in zivile Hände zu Anfang des kommenden Jahres verhindern und einen höheren Etat für die Streitkräfte durchsetzen. In diesem Jahr sind gegen Besitztümer von Ramón Custodio, Vorsitzender des Honduranischen Komitees für die Verteidigung der Menschenrechte (CODEH), drei Sprengstoffattentate verübt worden. Außerdem kam eine der Töchter des CODEH-Vorsitzenden um. Für ihren Tod machen die Familienangehörigen die Militärs verantwortlich. Weitere Bomben explodierten in Geschäftszentren, in der Zentralbank, im Parlament und im Sitz der regierenden Liberalen Partei.

Der Armee fehlt die Melkkuh

Mit dem Verschwinden des Ost-West-Konfliktes, dem Friedensprozeß in El Salvador und der Wahlniederlage der Sandinisten 1990 waren die honduranischen Militärs für die Strategie und die Ziele der USA nicht mehr nützlich. In den 80er Jahren spielte Honduras in der Aufstandsbekämpfung, die die USA entworfen hatten, um gegen die sandinistische Revolution und die Nationale Befreiungsfront Farabundi Marti (FMLN) in El Salvador vorzugehen, eine fundamentale Rolle. Die Nordamerikaner hatten Militärbasen wie die von Palmerola, wo sie ihre Soldaten unterbrachten und installierten ihre Flughäfen, Treibstofflager und Radarstationen. Honduras erhielt als Gegenleistung umfangreiche Militär- und Wirtschaftshilfe. Für die Militärs wurde die Situation noch günstiger, als ihre Privilegien durch Sondergesetze geschützt wurden, die ihnen erlaubten, über einen Geheimhaushalt zu verfügen. Der Rechnungshof des Landes durfte diesen Haushalt nicht kontrollieren.

In den 90er Jahren nahm die US-Hilfe jedoch substantiell ab. Die honduranischen Streitkräfte kamen in Bedrängnis. Sie forderten die Regierung von Präsident Reina sogar auf, den USA die Nutzung der Militärbase von Palmerola in Rechnung zu stellen. Sie liegt in der zentralen Provinz Comayagua und befindet sich immer noch in den Händen der Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Die Reaktion des US-Botschafters James Creagan ließ nicht auf sich warten. Er konterte, die nordamerikanischen Truppen müssten sich die militärische Beratung von Honduras bezahlen lassen. Ein hoher honduranischer Militär beklagte sich Mitte Oktober gegenüber einer Presseagentur, die USA hätten die Offiziere im schmutzigen Krieg ausgebildet, um „uns später zu verlassen und sogar zu zerstören, aber wir haben die Lektion gelernt und unsere Beziehung zu diesem Land wird jetzt von größerer Würdebestimmt.“ In den vergangenen Wochen stritten die USA und Honduras heftig über die Bekämpfung des Drogenhandels. Die Regierung von Honduras entschloß sich, ein Anti-Drogenabkommen für die Küstengewässer nicht zu unterschreiben. Sie bezeichnete es als unnötig und die nationale Souveränität verletzend.

Neue Ausrichtung

Es besteht kein Zweifel, daß die honduranischen Streitkräfte ebenso wie die Armeen in den übrigen Ländern Lateinamerikas eine Krise erleben, sie müssen ihre Rolle und ihr Selbstverständnis neu festlegen. „Krise heißt nicht nur Machtverlust, sondern Orientierungslosigkeit“, so steht es in der Nummer 173 der Zeitschrift „Envío“, die von der Zentralamerikanischen Universität (UCA) herausgegeben wird. Die Widersprüche innerhalb der honduranischen Streitkräfte würden nun offen zutage treten. Die mittlere Offiziersschicht hat die von dem oberkommandierenden General Mario Hung Pacheco präsentierte Strömung kritisiert. Sie wirft ihm vor, zu nachgiebig gegenüber den zivilen Institutionen zu sein. Die Unzufriedenheit der Offiziere äußerte sich Ende Juli in einer fehlgeschlagenen Verschwörung. Zwei Oberstleutnants wurden vorläufig verhaftet.

Die Militärs wechseln von den Waffen zu den Geschäften, um zu helfen, die „nationale Wirtschaft“ zu konsolidieren. Die Investitionen der Streitkräfte über ihren Vorsorgefonds erreichen inzwischen etwa 250 Millionen Dollar. Sie sind unter anderem in einer Bank, einer Zementfabrik, einer Versicherung und einem Bestattungsunternehmen angelegt. Innerhalb dieser Umstrukturierung ist (gegen langandauernden Widerstand der Militärs. Vgl. frühere Poonal-Beiträge; die Red.) die Wehrpflicht abgeschafft und durch einen „freiwillig-erzieherisch- demokratischen“ Dienst ersetzt worden. Die Streitkräfte mischen jetzt bei der Bekämpfung der Kriminalität mit. Diese hat in Honduras ungeahnte Ausmaße angenommen. Es sind nicht nur die „Armenbanden“ darin verwickelt, sondern mächtige und gut bewaffnete Gangs, die von Mitgliedern der Mittel- und Oberschicht gegründet sind. Deren verbotene Aktivitäten erstrecken sich auf Bankraub, Autodiebstahl, Drogenhandel und Geldwäscherei. In die Ausbildung der Militärs sind jetzt auch die Menschenrechte aufgenommen worden. Damit soll ein neues Bild geschaffen werden.

Das Gespenst der 80er Jahre

Die Streitkräfte wollen mit diesen Aktionen das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Bevölkerung wiedergewinnen. Gegen dieses Vorhaben sprechen einige Dinge: Erstens wächst der Verdacht, daß mehrere Militärs und Polizisten an den Überfällen, Autodiebstählen und am Waffenverkauf an Gruppen in Nicaragua teilnehmen. Zweitens besteht die Anklage durch den Generalstaatsanwalt und Menschenrechtsorganisationen, Soldaten hätten an der außergerichtlichen Hinrichtung von 86 angeblichen Straftätern teilgenommen. Drittens schließlich gibt es den Druck der Streitkräfte auf den Obersten Gerichtshof. Dabei geht es darum, daß die flüchtigen Militärs, gegen die wegen Menschenrechtsverletzungen ermittelt wird, bei einer Verhaftung in Armeekasernen festgehalten werden und nicht in gewöhnlichen Gefängnissen, wie es die Verfassung vorsieht (den Vermutungen nach halten sich die flüchtigen Soldaten bereits jetzt in Kasernen auf und werden von ihren Vorgesetzten gedeckt; die Red).

In den 80er Jahren erstickten die Streitkräfte im Rahmen des Krieges gegen den „Kommunismus“ jede oppositionelle Regung im Keim. Bei dem schmutzigen Krieg verschwanden nach den Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisationen zwischen 169 und 184 Personen. Gerichtsbehörden und Menschenrechtsgruppen haben in den zwei vergangenen Jahren mehrere geheime Friedhöfe entdeckt. Bisher wurden die Überreste von 16 Personen gefunden, die mutmaßlich von den Militärs in den 80er Jahren zum Verschwinden gebracht wurden. Seit Oktober 1995 haben zwei Richter Haftbefehle gegen Armeemitglieder ausgesprochen. Die Anklage lautet auf Beteiligung bei der illegalen Verhaftung und späteren Ermorderung eines Nicaraguaners und eines honduranischen Campesinos sowie bei der Verhaftung und versuchten Ermordung von sechs Universitätsstudenten im Jahr 1982. Keiner der 13 Angeklagten konnte bisher festgesetzt werden. Einige von ihnen sollen sich in Spanien aufhalten. Die Militärs verteidigen sie. Die Armeemitglieder hätten Befehle von Oben erhalten, um die Nation vor der externen Subversion zu schützen. Die Streitkräfte hätten die Verpflichtung, ihre Mitglieder zu schüzten. Darum haben sie Sondergefängnisse in den Kasernen gebaut. Dort sollen die Soldaten ihre Strafen absitzen, wenn sie sich stellen.

Mehr Geld

Die Militärs fordern, der Verteidigungsetat müsse aufgestockt werden. Anfänglich verlangten sie die Verdoppelung der Gelder für die Armee von 26 auf 52 Millionen Dollar. Sie argumentierten mit dem Bedarf für den freiwilligen Wehrdienst. Erreicht haben sie eine Erhöhung um drei Millionen Dollar. In einem Land, das von einer Einnahmekrise und grosser Armut betroffen ist, ist das eine durchaus hohe Summe. Obwohl die Militärs einen großen Einfluß auf die Regierung von Carlos Reina ausüben, setzte sich dieser in einem Punkt beim neuen Haushalt durch. Der Etat für die Streitkräfte wird dem Parlament in aufgeschlüsselter Form vorgelegt. Auch gegenüber dem Rechnungshof muß Bericht abgelegt werden. Damit endet die Zeit, in der der Armeehaushalt Geheimsache war. Diese Praxis war 1957 eingeführt worden. Mehr als einmal half sie bei Korruption und Bereicherung.

Ärzt*innen nahmen an Folterungen teil

(Tegucigalpa, 18. November 1996, pulsar-Poonal).- Der honduranische Menschenrechtsbeauftragte hat eine Untersuchung gegen Ärzt*innen angekündigt, die an der Entführung und dem Verschwinden von 184 Personen in den 80er Jahren beteiligt gewesen sein sollen. Es gebe gerichtlich verwertbare Hinweise über die Vorkommnisse. Dies werde helfen, die genaue Verantwortung der Ärzt*innen zu bestimmen. Laut einer Reihe von Beschuldigungen soll eine Gruppe von Ärzt*innen das Leben der später „verschwundenen“ gefolterten Personen um einige Stunden verlängert haben, damit die Verhöre weitergehen konnten. In den 80er Jahren gab es in Honduras schwere Menschenrechtsverletzungen. Die Opfer waren Vertreter*innen der politischen Opposition und der sozialen Organisationen. Ein offizieller Bericht weist die Verantwortung den Streitkräften in Komplizenschaft mit Zivilist*innen, argentinischen Beratern und Mitgliedern des US- Geheimdienstes CIA zu.

PANAMA

Ziehen die USA in vier Jahren endgültig ab?

(Panama-Stadt, 18. November 1996, pulsar-Poonal).- Der panamaische Außenminister Ricardo Arias hat eine Verlängerung der US-Militärpräsenz in seinem Land über das Jahr 2000 so gut wie ausgeschlossen. Er gab diese Erklärung ab, nachdem die USA in den Verhandlungen keine Zusagen über eine wirtschaftliche Kompensation an Panama für den Besitz der Militärbasen machten. Arias sagte aber auch, der Vorschlag der Regierung seines Landes über die Gründung eines multinationalen Zentrums zur Drogenbekämpfung sei noch in der Diskussion. Bei diesem Zentrum würde es sich den Vorstellungen der panamaischen Regierung nach um eine der Militärbasen in der Kanalzone handeln. Der Vorschlag richtet sich nicht nur an die USA. Sprecher*innen ziviler Organisationen zeigen sich gegenüber den Äußerungen jedoch skeptisch. Sie kündigten Wachsamkeit gegenüber jeder Änderung dieser Entscheidung oder dem Versuch, mit der panamaischen Integrität und Souveränität zu verhandeln, an.

PARAGUAY

Regierung verliert in der Hauptstadt

(Asunción, 19. November 1996, pulsar-Poonal).- Die Kommunalwahlen in Paraguay endeten für die regierende Colorado Partei mit einer unliebsamen Überraschung. In der Hauptstadt Asunción gewann mit Martin Burt der Kandidat des Oppositionsbündnisses Demokratische Allianz, das aus dem Nationalen Zusammentreffen und der Liberalradikalen Authentischen Partei besteht. Burt bekam knapp 52 Prozent der Stimmen, während die Regierungspartei nur knapp 46 Prozent erreichte. Die übrigen Parteien spielten in Asunción keine Rolle. Die Wahlen liefen friedlich und ohne besondere Vorkommnisse ab. Im Landesinneren siegte die Colorado Partei in der Mehrheit der Kommunen. Dort trat die Opposition getrennt an.

Für die Präsidentschaftswahlen 1998 hat die Demokratische Allianz bereits eine gemeinsame Kandidatur angekündigt. Dies könnte ein Ende der 50jährigen Herrschaft der Colorado Partei bedeuten. Den Kommunalwahlen in der Hauptstadt wird von politischen Beobachter*innen eine Schlüsselrolle für die politische Zukunft des Landes zugewiesen. Für viele hätte ein Sieg der Colorado Partei ein Schritt zurück in Richtung der Strössner-Diktatur bedeutet, da innerhalb der Regierungspartei die Anhänger*innen der Ideologie des ehemaligen Diktators an Macht gewinnen. Die Fraktion des aktuellen Präsidenten Juan Carlos Wasmosy dagegen verliert augenblicklich partei-intern an Einfluß.

KOLUMBIEN

Gefängnisse überfüllt

(Bogotá, 19. November 1996, pulsar-Poonal).- Private Institutionen sind bei einer Zählung der Insassen der kolumbianischen Gefängnisse zu wenig erfreulichen Ergebnissen gekommen. Danach sind im gesamten Land 39.000 Personen inhaftiert, während die Gefängniskapazität für 28.000 Häftlinge ausgelegt ist. In Medellin sitzen laut Zählung sogar dreimal mehr Personen in den Gefängnissen als von den Räumlichkeiten vorgesehen. Dazu wird auf schwere Probleme in der Gefängnisverwaltung hingewiesen. Korruption der Behörde, schlechte Gesundheitsbedingungen und eine noch schlechtere medizinische Betreuung. Die Expert*innen bezeichneten es als „nicht überraschend“, wenn es zu Gefängnisrevolten wie in Venezuela und Brasilien käme.

VENEZUELA

Aktionsplan der Gemeinderadios

(Caracas, 19. November 1996, pulsar-Poonal).- Vertreter*innen von Community Radios und Fernsehanstalten aus elf lateinamerikanischen Ländern unterschrieben in Venezuela einen Aktionsplan, um die Frequenzen in der Region zu demokratisieren. Der Plan, Ergebnis einwöchiger Besprechungen, sieht als grundsätzlichen Weg vor, alle rechtlichen, politischen und institutionellen Kanäle zu nutzen, um im Kommunikationswesen die Demokratie zu garantieren. Die Teilnehmer*innen glauben, daß Community Radio und Fernsehen wegen ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung von denjenigen, die die kommerziellen Sender monopolisieren, als Gefahr angesehen werden. Sie betonten das allgemeine Menschenrecht auf freie Kommunikation, das jedoch von den Regierungen durch Regulierungen beschnitten werde. Ein Gegenmittel soll Druck durch gemeinsame Klagen vor internationalen Rechtsorganen sein. Die Delegiert*innen übergaben entsprechende Erklärungen an die UNESCO, die OAS und das Andenparlament.

BRASILIEN

Cardoso fürchtet um sein Land

(Rio de Janeiro, 19. November 1996, pulsar-Poonal).- Etwa 2.000

Soldaten schützen unterstützt von Helikoptern, Panzern und anderen Militärfahrzeugen eine der Haciendas des brasilianischen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso. Die ungewöhnliche Truppenbewegung geschieht aus Angst vor einer möglichen Landbesetzung durch die Bewegung derer ohne Land (MST). Die Zeitschrift „Veja“ schreibt, daß die Campesinos der MST Druck ausüben wollen, damit drei Haciendas in der Nachbarschaft des Präsidentengrundstücks von Institut für die Agrarreform enteignet werden und das Land besitzlosen Bäuer*innen übergeben wird.

Ex-Präsidenten gegen Privatisierung

(Brasilia, 20. November 1996, pulsar-Poonal).- Die ehemaligen Präsidenten Jose Sarney und Itamar Franco widersetzen sich in jüngsten Erklärungen den Privatisierungsplänen des aktuellen Präsidenten Cardoso. Itamar Franco hat mit einer landesweiten Kampagne für eine Million Unterschriften begonnen. Damit will er Druck ausüben, um die Privatisierung des größten staatlichen Minenunternehmens zu verhindern. Die „Compania Vale do Rio Doce“ ist eine gigantische Gesellschaft, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von sechs Milliarden Dollar hatte. Das Unternehmen verfügt über gewaltige Vorräte von Eisen, Kupfer, Gold und anderer Minerale, die ständig in der Industrie gebraucht werden. Die genauen Motive, warum Cardoso auch die „Compania“ privatisieren will, sind nicht bekannt. „Aber sicher ist, daß ihm dies nicht so leicht fallen wird, wie es schien“, meint Franco. Allgemein wird erwartet, daß die beiden ehemaligen Präsidenten sich in Kürze mit Ignacio Lula da Silva von der Partei der Arbeiter*innen (PT) treffen werden, um ein Bündnis gegen diese Privatisierung zu verabreden.

CHILE

Schere zwischen Armen und Reichen klafft immer weiter auseinander

(Santiago de Chile, 22. November 1996, pulsar-Poonal).- Die Lücke zwischen Reichen und Armen hat sich nach den Daten des Nationalen Statistikinstitutes Chiles vergrößert. Dies sei darauf zurückzuführen, daß die Zahl der Arbeitsplätze seit 1993 nicht in dem Maße gewachsen sei wie erwartet. Das Pro- Kopfeinkommen der zehn reichsten Prozent der Bevölkerung übersteigt 1.600 Dollar im Monat. Bei den zehn ärmsten Prozent erreicht es dagegen monatlich gerade 41 Dollar. Die UNO-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) weist in ihren Statistiken aus, daß in der Region neben Brasilien Chile das Land mit der größten Ungleichheit bei der Verteilung des Reichtums ist.

MEXIKO

Weitere Guerillagruppe?

(Mexiko-Stadt, 21. November 1996, Poonal).- Am 20. November, dem

Feiertag zum Gedenken an den Beginn der mexikanischen Revolution im Jahr 1910, meldete sich eine Gruppe mit dem Namen „Revolutionäre Armee des Volksaufstandes“ (ERIP) mit einem Kommuniqué. In der „Erklärung des Nordens“ genannten Botschaft erklärt die Organisation, „gewaltige Anstrengungen“ unternehmen zu wollen, „um Carlos Salinas de Gortari zu finden, wo immer er sich aufhält, um ihn ins Land zu bringen, damit er sich wegen des Verrats am Vaterland und anderer Verbrechen gegen Einzelpersonen verantworten muß“. Unter anderem werden eine umfassende Agrarreform, die Aussetzung der Bezahlung der Auslandsschulden und der Rückttritt vom Freihandelsvertrag mit den USA und Kanada gefordert. Das Kommuniqué endet mit einem Gruß an die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und die Revolutionäre Volksarmee (EPR) ist mit „Generalkommandantur der ERIP“ unterschrieben (Nachtrag: bis zum 26.11.96 gab es keine weiteren Nachrichten von oder über die Gruppe).

GUATEMALA

Keine Generalamnestie

Guatemala, 22. November 1996, cerigua-Poonal).- Präsident Alvaro Arzú ist gegen eine Generalamnestie als Ergebnis der Verhandlungen zwischen seiner Regierung und der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG). Die rechtliche Regelung für die Wiedereingliederung der Guerilla in das zivile Leben werden als Konsens beider Seiten verabschiedet, versicherte er. Regierung und Guerilla seien bei diesem Thema ausreichend vorangekommen, damit es kein Hindernis für den vereinbarten Zeitplan gebe, der das abschließende Friedensabkommen für den 29. Dezember in Guatemala-Stadt vorsieht. Das Abkommen über die Wiedereingliederung der URNG wird in Mexiko unterschriftsreif vorbereitet und soll innerhalb der ersten zwei Dezemberwochen in einer europäischen Hauptstadt unterzeichnet werden. Arzú kündigte an, die Regierungsposition dazu der Bevölkerung darzulegen. „Dies wird ein grundlegender Schritt für die nationale Versöhnung sein“, sagte er.

HAITI

UNO-Mission bleibt, die Probleme auch

(Port-au-Prince, November 1996, hib-Poonal).- Präsident René Preval hat die UNO aufgefordert, das Mandat der 1.200 Soldaten und 300 Polizisten der Hilfsmission der Vereinten Nationen auf Haiti (MANUH) um acht bis zwölf Monate zu verlängern. Die Regierung begründete dies mit einem Zusammentreffen von Faktoren, die die notwendig machen würden. In der Tat haben Chaos in der öffentlichen Verwaltung, Spannungen zwischen der Bevölkerung und dem Staat sowie die allgemeine Unzufriedenheit nicht abgenommen. Zudem schwankt die einheimische Währung, der Gourde, trotz des erwarteten Geldzuflusses von 131 Millionen Dollar durch den Internationalen Währungsfonds.

Ein Vorfall, der die Wut und die Frustration der Leute gegenüber dem Polizei- und Justizsystem erhellt, ereignete sich am 11. November in Anse-Galets auf der Insel La Gonave. Die Angelegenheit begann harmlos: Das Maultier von Arnold Fils- Aime stieß gegen ein Polizeifahrzeug. Die Polizisten ärgerten sich, bedrohten Fils-Aime und sollen sogar auf ihn geschossen haben. Dieser floh und versteckte sich außerhalb der Stadt. Zwei Tage später spürten ihn die Polizisten von einem Richter begleitet in einem Videokino auf und teilten ihm mit, er sei verhaftet. Da das haitianische Gesetz jedoch Verhaftungen nach Einbruch der Dunkelheit verbietet – es sei denn, jemand wird bei einem Verbrechen überrascht – weigerte sich Fils-Aime. Nach seinen Angaben hielt ihm ein Polizist ein Gewehr an die Schläfe, um ihn zu zwingen. Fils- Aime konnte jedoch fliehen. Der Polizist schoß und verwundete einen Mann, der sich vor dem Kino befand. Ein anderer Polizist draußen schoß diesem Mann zusätzlich zweimal in den Kopf (in mit Fils-Aime verwechselnd?). Der Richter rannte weg.

Die Bevölkerung brannte nach diesem Vorfall das Gerichtsgebäude nieder, zerstörte verschiedene Polizeifahrzeuge, umringte die Polizeikaserne mit sechs Polizisten darin, begann mit Steinen zu werfen und die Kaserne anzuzünden. Die Polizei rief die UNO-Mission zur Hilfe und wurde evakuiert. Die Menschen auf La Gonave waren bereits vorher wütend über die Straffreiheit, in der die Polizei agieren kann. Nach Angaben des Bürgermeisters Simon Lapointe schoß die Polizei im Oktober auf den Hafendirektor und tötete eine Frau. Das Ereignis von La Gonave ist nicht das einzige, bei dem die Bevölkerung sich gegen die Polizei und das ineffektive Rechtssystem auflehnt. In Port-de-Paix griffen die Leute ein Polizeiboot an, in dem Verdächtige in einem Mordfall an Kindern transportiert wurden. Sie töteten einen der Verdächtigen. Das Vertrauen in die Polizei schwindet. So wurden Reynold Georges und der ehemalige General Leopold Clairjeune, beide wegen „Verschwörung gegen die Staatssicherheit“ in Haft, ohne Erklärung freigelassen. Aus dem Gefängnis von Hinche konnten 29 Gefangene entkommen. Auf der anderen Seite bemühen sich die Behörden, die Polizeikräfte zu säubern. Etwa 30 Polizisten wurden entlassen, gegen mehr als 100 weitere wird ermittelt.

Die Regierung ist ebenso mit der zornigen Gewerkschaft der haitianischen Elektrizitätsgewerkschaft beschäftigt. Die Gewerkschafter*innen stellten mehrere Turbinen ab und ließen große Teile von Port-au-Prince mehrere Tage ohne Strom. Der Fall ist kompliziert. Es geht um als korrupt verdächtige Gewerkschaftsmitglieder, Schüsse des Sicherheitspersonals über die Köpfe demonstrierender Arbeiter*innen hinweg, Drohungen, illegale Verhaftungen und Entlassungen. Diese Krise schwelt weiter. Genauso bestehen die Probleme in der öffentlichen Verwaltung fort. In der Telefongesellschaft, im Krankenhaus der Staatsuniversität und in Ministerien gab und gibt es Proteste. Schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen sind die Ursache dafür. Die Regierung ist nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Lösungen für die Forderungen der Menschen zu finden oder ihren Ärger und ihre Frustration zu besänftigen.

Wende im Pharval-Prozeß

(Port-au-Prince, 12. November 1996, hib-Poonal).- Mehrere Eltern der Kinder, die von mit Glykol versetzter Medizin vergiftet wurden (vgl. frühere Poonal-Ausgaben), haben ihre Gerichtsklagen gegen das Unternehmen Pharval zurückgezogen. Pharval hatte die Medizin verkauft. Erst am 29. Oktober war der Prozeß gegen das Unternehmen in den Händen der mächtigen Boulos-Familie eröffnet worden. Die Eltern von etwa 60 Kindern hatten auf Entschädigungszahlungen von insgesamt 141 Millionen Dollar geklagt. Sie präsentierten unter anderem den Bericht einer Gesundheitsorganisation aus dem Jahr 1995, in dem das Produktionsverfahren von Pharval verurteilt wird. Am 5. November kündigten zwei Eltern überraschend an, sie würden nicht länger gegen Pharval klagen, sondern mit dem haitianischen Unternehmen zusammen gegen die europäischen Lieferanten. Diese sollen bereits mit Glykol versetzten Syrup geschickt haben. Seitdem ist der weiters Prozeßverlauf ungewiß.

Die Gründe für die Wende in dem Fall scheinen inzwischen klar zu werden. So soll jede Familie, die sich Pharval anschließt, 125.000 Gourdes (8.300 Dollar) bekommen. Obwohl nur zwei Eltern sich gegenüber der Presse geäußert haben, wird von 30 Familien gesprochen, die bereits ein entsprechendes Abkommen mit dem Unternehmen getroffen haben. Pharval macht zudem mehr, als die überwiegend armen Eltern der vergifteten Kinder zu kaufen. Es gibt jetzt ein Nachrichtenblatt mit dem Namen „Transperence“ heraus, führt zusätzliche Kampagnen durch und hat für die wiederholte Ausstrahlung eines deutschen Berichts über die europäischen Lieferfirmen bezahlt. Außerdem hat es Versuche gegeben, Journalist*innen mit entsprechenden Anreizen zu „überzeugen“, Artikel zu schreiben, mit denen das Image von Pharval aufpoliert wird.

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