Poonal Nr. 242-243

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 242/243 vom 29.05.1996

Inhalt


MEXIKO

PARAGUAY

HAITI

KUBA

GUATEMALA

BRASILIEN

EL SAVADOR

DOMINIKANISCHE REPUBLIK


MEXIKO

EZLN fordert neue Basis für Friedensprozeß

(Mexiko-Stadt, 23. Mai 1996, POONAL).- In einem Comunicado des Subcomandante Marcos vom 21. Mai an die COCOPA gehen die Zapatist*innen auf den derzeitigen Stillstand bei den Verhandlungen mit der Regierung ein. Die Botschaft an die Senator*innen und Abgeordneten der COCOPA in Auszügen:

„… Ich möchte ihnen drei Dinge aufzeigen: 1.) Die Herren Javier Elorriaga und Sebastián Entzin, die angeklagt sind, der EZLN anzugehören, sind immer noch in Haft, angeklagt des Terrorismus. Trotz aller herausgebenen Erklärungen ist für mindestens eine der Staatsgewalten der Union (in diesem Fall die Justiz) die EZLN eine terroristische Organisation. 2.) Die Truppenbewegung (der Bundesarmee; die Red.) in den chiapanekischen Regionen Selva, Altos und Norte hat in den vergangenen Tagen sichtbar zugenommen und sich besonders in den letzten 24 Stunden bemerkbar gemacht. Sie können das persönlich überprüfen. 3.) Es gibt keine politischen Bedingungen, damit der Friedensprozeß vorankommt. Die Situation der Unregierbarkeit im Bundesstaat ist deutlich: Die Guardias Blancas (die paramilitärischen Weißen Garden; die Red.) agieren weiterhin absolut straffrei. Ein Beispielfall ist die paramilitärische Gruppe mit dem Namen Los Chinchulines, deren Aktionen den Tod und den Exodus von Indígenafamilien, die Agressionen fürchten, zur Folge hatten.

Darum wiederhole ich Ihnen alles, was in dem Brief vom 18. Mai 1996 ausgesagt ist: Ein neuer juristischer Rahmen, der nicht nur dieses Problem löst, ist unabdingbar. Er muß außerdem endgültig die Hindernisse für den Friedens- und Verhandlungsprozeß aus dem Weg schaffen. Es ist deutlich, daß es keine physischen, politischen und militärischen Bedingungen gibt, die ein persönliches Treffen zwischen der COCOPA und Führungsmitgliedern der EZLN gibt. Wir hoffen, daß Sie weiterhin ihre besten Anstrengungen unternehmen, um dieses Treffen möglich zu machen und den Weg zum Frieden zu ebenen. (…) Das ist alles. Aus den Bergen des mexikanischen Südostens. Aufständischer Subcomandante Marcos.

PARAGUAY

Der vergebliche Traum von der Rente

– von Carolina Ravera

(Asunción, Mai 1996, fempress-POONAL).- 19 Jahre lang ging Justina Solís jedes Monatsende zum Büro des Institutes der Sozialfürsorge (IPS), um ihren Beitrag zu bezahlen. Während dieser gesamten Zeit arbeitete sie als Hausangestellte bei derselben Familie. Ihr Traum war eine Altersrente, „denn auch wenn es nur 10.000 Guaraníes sind, wird es Geld sein, um das ich niemanden bitten muß“, sagte sie. Doch der bescheidene Traum ist aus. Mit 55 Jahren machte sich Solís mit den Formalitäten vertraut, eine halbe Rente zu beantragen. Dabei endeckte sie, daß die Hausangestellten keine Rentenansprüche haben. „Sie sagten mir, wir würden sehr wenig beitragen, aber dies scheint mir sehr ungerecht, denn der Anteil von 9,8 Prozent ist derselbe, den jede andere ArbeiterIn zahlt. Außerdem, welche Schuld haben wir, so wenig zu verdienen?“, fragt Justina Solís.

Das Institut der Sozialfürsorge ist für zwei Bereiche zuständig: Gesundheit und Renten. Der Beruf der Hausangestellten ist nach dem Gesetz 1085 aus dem Jahr 1965 nur im Gesundheitsbereich eingeordnet. Ursprünglich war vorgesehen, den Schutz zu erweitern und die Rente einzubeziehen. Doch 30 Jahre später besteht die gleiche Situation und die Beschwerden der in diesem Sektor beschäftigten Personen sind (auch) von den Gewerkschaftszentralen nicht beachtet worden. Der Anwalt und Arbeitsrechtler Dr. Ramiro Barboza sieht das Hauptproblem in den speziellen Charakteristiken dieser Gruppe. „Es ist eine Aufgabe, die unter wenig stabilen Regelungen und sehr unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt wird. Das ist jedoch keine Entschuldigung für Parlamentarier*innen und Gewerkschafter*innen, nicht auf die Bedürfnisse zu reagieren.“ Barboza glaubt, daß die Anerkennung einer Rente bisher wegen der Kosten vermieden wurde, eine so große Gruppe in das System einzugliedern.

1994 wurde festgelegt, daß der Lohn für die Hausangestellten 40 Prozent des gesetzlichen Mindestlohnes betragen muß. Es bleibt noch viel zu tun. „Außer der verweigerten Rente, bekommen wir nichts für Überstunden und müssen mehr als 12 Stunden täglich arbeiten“, sagt Amalia Romero, die Vorsitzende der Gewerkschaft der Hausangestellten Paraguays (SINTRADOP). Die Gewerkschaft überreichte vor drei Jahren der Abgeordnetenkammer ein Dossier, in dem die Probleme der Hausangestellten dargestellt wurden. Eine Antwort gab es nie, obwohl die SINTRADOP jedes Jahr ihre Anliegen wiederholte. Der Anwalt Ramiro Barboza bemerkt, daß das Arbeitsrecht in dieser Berufssparte von Anfang an hinterherhinkte. Eine Gleichstellung werde nur dann erreicht, wenn das aktuelle Rentensystyem Punkt für Punkt überprüft werde.

Es sind vor allem Frauen, die als Hausangestellten arbeiten und denen die Rechte anderer Arbeiternehmer*innen vorenthalten werden. Die Politiker jeglicher Coleur haben bislang mit Ignoranz auf die Klagen reagiert. Sie sehen die Hausangestellten nicht als eine wichtige Wählerinnengruppe an. Selbst in den Gewerkschaften findet das Thema nur wenig Resonanz. Zweifellos haben die weiblichen Hausangestellten – von welcher Seite man es immer betrachtet – nur eine schwache Stimme, die vom Rest der Gesellschaft geflissentlich überhört wird. Der einzige Ausweg liegt in dem Versuch, durch neue Gesetze die Verpflichtungen und Rechte mit denen der übrigen Beschäftigungen gleichzustellen. Nur so werden die Arbeitsrechte der Hausangestellten weitgehend anerkannt werden und ihnen ein Alter in einer würdigen und gerechten Situatione ermöglichen, nachdem sie ein Leben lang einen Teil ihres Lebens anderen Personen gewidmet haben.

HAITI

Aristide kritisiert Neoliberalismus der Regierung

(Port-au-Prince, Mai 1996, hib-POONAL).- Nachdem er sich monatelang nicht äußerte und das Lavalas-Lager sich anstrengte, die internen Meinungsverschiedenheiten unter Kontrolle zu halten, meldete sich der ehemalige Präsident Jean Bertrand Aristide in einem Interview mit der Haitianischen Presseagentur (AHP) zu Wort. Seine Kommentare zeigten allerdings einmal mehr die Neigung des früheren Staatsoberhauptes, die Mehrdeutigkeit zu kultivieren und die Spekulationen über seine zukünftigen politischen Ambitionen anzuheizen. Aristide begann das Interview mit der Aussage, sich zu bestimmten Themen nicht äußern zu wollen, denn er wolle nicht „spalten, um zu erobern“ und „wenn wir mehr streiten als miteinander sprechen… werden wir verantwortlich für unser eigenes Versagen sein“. Dennoch äußerte er sich überraschend klar zu den Privatisierungsplänen der derzeitigen Regierung, die als „eine an beiden Seiten angezündete Zigarette“ bezeichnete, die „niemals das Schicksal der Bürger*innen in irgendeinem Land verbesserte“ – dies ist umso bemerkenswerter, da Aristide selbst mit der Privatisierung von Staatsbetrieben begonnen hatte. Der Ex- Präsident rief zum Dialog auf, „man dürfe sich in dieser Frage nicht spalten lassen“.

Er antwortete doppeldeutig auf die Vermutungen, zwischen ihm und Gruppen des Lavalas-Lagers gebe es Spannungen. Die Beziehung zum Präsidenten bezeichnete er als „normal“, kritisierte ihn dann aber indirekt, indem er sagte, die Führer eines Landes sollten auf „die Menschen“ hören. „Einheit im Herzen der Bevölkerung ist unabdingbar. Einheit zwischen den Autoritäten und den Menschen ist genauso unabdingbar“, urteilte Aristide. Seine Rückkehr am 15. Oktober 1994 habe den „politischen Staatsstreich“ aufgehoben, aber der „ökonomische Staatsstreich“ müsse noch bekämpft werden. Er konkretisierte zwar nicht, was er unter dem Begriff „ökonomischer Putsch“ verstehe, es kann jedoch nur als harsche Kritik an der neoliberalen Wirtschaftspolitik aufgefaßt werden. Er warnte die Leute, nicht den „Lügen und der systematischen Desinformation“ Glauben zu schenken, durch die die Spaltung gefördert würde. Es müssen zwischen denen unterschieden werden, die „dem Kampf“ treu geblieben seien und denen, die „ihre Seele bereits verkauften, um einen bestimmten Plan oder eine bestimmte Gruppe zu befriedigen, die die Spaltung finanzieren“.

Angesichts der jüngsten Welle der Unsicherheit und der Angriffe auf die neue Polizei, bemerkte Aristide: „Wenn sie lange Zeit die Armee benutzten, um die Leute zu marginalisieren, so denken sie heute, daß es notwendig ist, eine militarisierte Polizei zu haben, um die gleiche Arbeit zu verrichten. Und da sie das noch nicht machen können, bringen sie Polizeibeamte um, damit es eine Distanz zwischen der Polizei und der Bevölkerung gibt.“ Obwohl der Ex- Präsident „sie“ nicht nannte, sind „sie“ – wie Aristide gut weiß – damit beauftragt, die neue Polizei zu rekrutieren, auszubilden und auszurüsten. Genauso bekannt sind die Verantwortlichen für den „wirtschaftlichen Staatsstreich“, zumindest für viele Volksorganisationen: Es sind die US-Banken und die multilateralen Banken mit ihren neoliberalen Anweisungen. Die Kritik von Aristide scheint ein bißchen bizarr, kommt sie doch von jemandem, der verantwortlich dafür war, diese Dinge in Gang zu setzen.

Die Dritte Welt-Agentur IPS berichtet nicht mehr aus der Karibik

(Port-au-Prince, Mai 1996, hib-POONAL).- Die Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS) hat Berichterstatter*innen in mehr als 100 Ländern. Die Themen konzentrieren sich auf die „Dritte Welt“. Die Agentur finanziert sich durch den Verkauf ihrer Nachrichten, Stiftungsgelder und zu einem großen Teil durch Geld von UNO- Einrichtungen. Seit dem 1. Mai hat IPS einen Redakteur weniger. Im vergangenen Jahr stand Daniel Coughlin, der vier Jahre lang Reporter und Redakteur für IPS gewesen war, an der Spitze eines Projektes, mit dem er versuchte, „die IPS-Berichterstattung über die Karibik voll zu entwickeln und Haiti in diese Berichterstattung… und in Amerika als ganzen Kontext einzugliedern“, durch Übersetzung, Berichte und Verbreitung. Das Projekt wurde nie vollständig finanziert, nach Coughlin, „gab es kein wirkliches Interesse von irgendjemand, das Projekt vollständig durchgeführt zu sehen“. Während Journalist*innen und (feste) Redakteur*innen es nach seinen Angaben vorwärts brachten, bestand das Hauptinteresse der IPS- und UNO-Bürokraten darin, „das Geld zu bekommen“. Als dies nicht kam, starb das Interesse ab. Coughlin sah sich jedoch auch politischen Hindernissen gegenüber und entschied sich, nicht länger bei IPS zu bleiben. Die Gründe nennt er in einem Interview mit Haiti Info:

Frage: Was war Ihre Erfahrung auf der Ebene als verantwortlicher Redakteur?

Antwort: Es ist wirklich sehr wichtig, daran zu erinnern, daß es auf Haiti eine militärische Verpflichtung der Vereinten Nationen und der USA gibt. Eine militärische Verpflichtung, die über allem steht und daher haben die Presse und die Information ein militärisches Ziel, eine militärische Absicht. Das bedeutet eine Kontrolle und Verbreitung von Informationen, die zumindest die Ziele der militärischen Mission nicht behindern. Und darum wird man bei der UNO-Mission auf Haiti und bei der US-geführten multinationalen Truppe ein hohe Priorität dafür finden, welche Art Information auf Haiti selbst herausgebracht wird und auch, welche über die internationalen Nachrichtendienste verbreitet wird. IPS wurde in dieser Hinsicht wichtig, weil wir unsere Information im Land verbreiteten. Als wir kritische oder kritisch erscheinende Artikel über die UNO-Militärmission hier oder über die US- Militärmission schrieben, wurden wir einer ganzen Menge Druck ausgesetzt.

Frage: Können Sie ein Beispiel dafür geben?

Antwort: Das bekannteste Beispiel ist das sogenannte „Schliesser- Memo“, die Denkschrift eines US-Militärs vom September 1995. Es behandelte verschiedene Punkte. Unter anderem – und das war das alarmierendste – trat es dafür ein, den 5.000 Mordopfern des Staatsstreiches keine Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, weil dies von der haitianischen Bourgeoisie als Vergeltung aufgefaßt würde. Zweitens wurde die Bedeutung betont, eine Privatisierungsprogramm und ein durchgreifendes strukturelles Anpassungsprogramm auf Haiti durchzusetzen, weil so die haitianische Bourgeoisie einen Gewinn einbehalten könne. Als der Artikel darüber veröffentlicht wurde, gab es einen riesigen Aufschrei. Die UNO war sehr, sehr empört darüber, denn es wurden einige Tatsachen über die UNO-Rolle auf Haiti aufgedeckt, die die Funktionär*innen nicht öffentlich verbreitet haben wollten. So reagierten die UNO-Beamt*innen natürlich sehr heftig auf den Artikel. Sie klagten die Nachrichtenagentur an. Sie klagten den Journalisten an, der den Artikel schrieb, das war ich selber. Sie kritisierten unsere „Absichten“ und äußerten öffentlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung. Sie protestierten, selbstverständlich vertraulich, heftig bei der Agenturspitze und versuchten meiner Ansicht nach meine Entlassung durchzusetzen. Die UNO schloß mich außerdem von ihren Informationen aus. Eine sehr typische Reaktion der Autoritäten. Dies sollte so lange gelten, bis ich in einem öffentlichen Entschuldigungsbrief erklärthätte, nicht beabsichtigt zu haben, „öffentliche Beunruhigung“ über die Rolle der Vereinten Nationen auf Haiti zu verursachen (Coughlin weigerte sich; HIB). Ich schrieb nur über ein Dokument. Es war nicht einmal ein durchgesickertes Dokument, es handelte sich um ein internes UNO-Papier, das ich erhielt und beschrieb. Den Kaiser ohne Kleider zu sehen provozierte offenbar einige Aufregung.

Frage: Was können Sie angesichts dieser Erfahrung über die Pressefreiheit und die Möglichkeiten sagen, einen guten, professionellen Journalismus auszuüben?

Antwort: Ich denke, wir haben ein perfektes Beispiel, Dir als Journalist klar zu machen, daß sie Dir das Leben schwer machen, wenn Du etwas schreibst, was die UNO ungebührlich findet. Und so schreiben eine Menge Journalist*innen nichts Kritisches über die UNO. Immer wieder gab es viele Geschichten über Machtmißbrauch der Vereinten Nationen, politische UNO-Aktivitäten, die hochnotpeinliche Situationen geschaffen hätten. Das wurde einfach nicht berichtet. Wir könnten über die UNO-Soldaten in Gonaives sprechen, die im November 1995 zwei haitianische Demonstranten erschossen. Über diesen Fall wurde vollständig berichtet. Bei anderen, vielleicht ebenso alarmierenden Fällen passiert das nicht. Es ist vorgekommen, daß die Journalist*innen auch nicht berichten wollten, weil sie Angst vor den Reaktionen hatten.

Frage: Was können sie über die Berichterstattung generell sagen?

Antwort: … [was die ausländischen Journalist*innen angeht] gibt es keine eigene Sichtweise. Da wird einfach die offizielle Politik wiedergekäut. Die nicht-haitianischen Journalist*innen weichen selten von der Linie ab, die die US-Botschaft vorgibt.

KUBA

Beziehungen zu Rußland normalisieren sich

(Havanna, 23. Mai 1996, prensa latina-POONAL).- Für das kubanische Außenminsterium ist der jüngste Besuch des russischen Außenministers Evgueni Primakov ein Zeichen, daß sich die Normalisierung der bilateralen Beziehungen nach einer langen und stürmischen Periode konsolidiert. Ein Sprecher hob hervor, daß Primakov eine Botschaft des russischen Präsidenten Boris Jelzin an den kubanischen Regierungschef Fidel Castro überbrachte. Für ebenso wichtig wurde die an Außenminister Roberto Reina ausgesprochene Einladung angesehen, nach Moskau zu reisen. Am Mittwoch (22. Mai) unterschrieben beide Seiten ein Kooperationsabkommen. Die Außenminister wollen sich künftig regelmäßig beraten. Fidel Castro drückte seine Zufriedenheit über die Ausweitung der Beziehungen aus. Er begrüßte ebenfalls den gegenseitigen Wunsch, die wirtschaftlichen Verknüpfungen „logischer Weise auf neuen Grundlagen“ wieder aufzubauen.

GUATEMALA

Krankenhäuser in der Krise

(Guatemala-Stadt, 19. Mai 1996, cerigua-POONAL).- Der Zustand der staatlichen Krankenhäuser befindet sich einmal mehr an einem kritischen Punkt. Gesundheitsminister Marco Tulio Sosa gab bekannt, daß das Roosevelt Hospital, eines der größten in der Hauptstadt, seit 1988 nicht mehr genügend Geld hat, die Ausrüstung zu erneuern oder auf den neuesten Stand zu bringen. Nach Krankenhausdirektor Jorge Villavicencio ist die Einrichtung praktisch ruiniert. Wenn die Schulden von 15 Millionen Quetzales (2,5 Millionen Dollar) nicht bezahlt würden, müsse das Krankenhaus im Juli schließen. Die Versammlung der Arbeiter*innen im öffentlichen Gesundheitswesen (ANTRASPG) klagt die Krankenhäuser unterdessen an, illegal für Gesundheitsdienste zu kassieren. Die geplante Privatisierung werde den Zugang für die Bedürftigsten weiter reduzieren. Die Gewerkschaft forderte das Parlament auf, Gesetze zum Wohle der Mehrheit zu verabschieden und verlangte den Rücktri!tt des Gesundheitsministers.

Umweltprobleme verderben das Geschäft mit den TouristInnen

(Guatemala-Stadt, 19. Mai 1996, cerigua-POONAL).- Einige der bekanntesten TouristInnenziele des Landes sind so verseucht, daß Umweltschützer*innen befürchten, sie könnten bald ganz zerstört sein, wenn die Regierung nicht drastische Maßnahmen unternimmt. Unbehandelte Abwässer aus sechs Gemeinden und von mehreren Chemiefirmen und Pestizidherstellern gelangen täglich in den Amatitlán-See, Provinz Guatemala, sagt die Gruppe „Rettung und Verteidigung des Amatitlán-Sees“. „Wenn nicht sofort etwas getan wird, ist der See in 25 Jahren tot“, so eine Sprecherin der Gruppe. Es gibt eine Spende von einer Million Dollar aus Spanien. Doch das ist nur ein Bruchteil der 500 Millionen, die nach den Angaben der Umweltschützer*innen benötigt werden, um die Verschmutzungsprobleme zu bekämpfen.

Im Atitlán-See in der Provinz Sololá starben hunderte von Fischen, nachdem heftige Regenfälle in der Vorwoche das Wasser mit Düngemitteln verseucht hatten. An der Karibikküste ist der Rio Dulce in Gefahr. Dort bedrohen die zunehmende Zahl von Ferienhäusern und Yachthäfen das Leben im Fluß. Das „Komitee zur Bewahrung und zum Schutz des Rio Dulce“ sieht durch den Abfall von Häusern und Booten einige im Wasser lebende Tier- und Fischarten vom Aussterben bedroht. Zudem sind die einheimischen Bewohner*innen, die sich mit Kanus auf dem Fluß fortbewegen, durch den unverantwortlichen Gebrauch von Schnellbooten gefährdet. Auch der illegale Holzeinschlag ist derzeit ein Pressethema. Es begannen die Untersuchungen über die Rodung von Land, das dem INTA gehört. In diesem Zusammenhang geht es unter anderem um die Erlaubnis durch die Waldkommission, angeblich kranke Bäume zu fällen, die dem Augenschein nach jedoch gesund sind. Vor wenigen Tagen verhaftete die Polizei außerdem in dem Naturschutzgebiet der Maya-Biosphäre in der Provinz Petén 13 Mexikaner. Diese werden mit einem groß angelegten illegalen Holzeinschlag in Verbindung gebracht, die fünf Meilen von der mexikanischen Grenze entfernt entdeckt wurde.

Regierung sucht Geld für den Wiederaufbau des Landes

(Guatemala-Stadt, 17. Mai 1996, cerigua-POONAL).- Nachdem ein weiteres Abkommen mit der Guerilla unter Dach und Fach ist, sucht die Regierung die Finanzierung für die Nachkriegsära. Nur zwei Tage nach dem jüngsten Abkommen vom 6. Mai über sozio-ökonomische Aspekte und die Agrarsituation in Guatemala, kündigte Präsident Alvaro Arz Lobbyarbeit an, um die Vereinbarungen mit der Hilfe von Spendengeldern durchführen zu können. Nach dem stellvertretenden Außenminister Gabriel Aguilera Peralta erhofft sich die Regierung Gelder in Höhe von insgesamt sechs Milliarden Dollar für die erste Phase des Wiederaufbaus und die Entwicklung nach dem endgültigen Ende des bewaffneten internen Konfliktes. Hauptziele der Geldsuche sind Spanien, Schweden, die Schweiz, Norwegen, Frankreich, Japan, Kanada und Taiwan, aber auch die Interamerikanische Entwicklungsbank und die Weltbank. Bisher fließen die Spenden aber nur tröpfchenweise. Am 13. Mai stellte die Bundesrepublik Deutschland 50.000 Dollar für die Infrastruktur in den vom Krieg am meisten geschädigten Zonen zur Verfügung. Norwegen spendete gut 267.000 Dollar für Friedensprojekte, die von der UNO in Guatemala durchgeführt werden.

BRASILIEN

Neo-Indígenistas an der Macht

– von Paulino Montejo

(Quito, 23. Mai 1996, alai-POONAL).- In der zweiten Hälfte der 60er Jahre tauchte eine neue Generation von Sozialwissenschaftler*innen auf. Hauptsächlich Antropolog*innen, wiesen sie den völkermordenden, autoritären und gleichmachenden Charakter des integrierenden Indígenismus (indigenismo integracionista) zurück. Die sich selbst als „kritisch“ bezeichnenden Indigenistas stellten die Beziehung der Indígenavölker mit dem Staat infrage, die durch die sogenannten Institutos Indigenistas der Kirchen, durch die Missionen und durch die Antropologie selbst – entstanden in Übereinstimmung mit den kolonialen Interessen – beeinflußt wurde. Der Integrationismus gründet sich auf dem Konzept einer gradlinigen Entwicklung, die den ethnischen Faktor nur als einen, nicht vollständig wahrgenommenen, „Moment“ der geschichtlichen Entwicklung sieht. Er ordnet das Schicksal der Indígenavölker dem nationalen Projekt der herrschenden und ausbeutenden Klassen unter, das heißt, dem bestehenden Projekt des kapitalistischen Systems. Dennoch scheint er manchmal den Respekt vor den Kulturen, vor der Lebensfähigkeit und Legitimität eines jeden Kultursystems zu verteidigen. In Wirklichkeit hat der Integrationismus jedoch die Angleichung, wenn nicht gar die die reine und vollständige Auslöschung der Indígenavölker als hauptsächliches Ziel.

Gegen all dies wendeten sich die „kritischen Antropolog*innen“. Sie verteidigten den Respekt vor der Identität, der Pluralität oder der sozio-kulterellen Vielfältigkeit, das Recht auf Selbstverwaltung und auf Selbstbestimmung der Indígenavölker. Aber da der Indigenismus den Modernisierungsprozeß des Kapitalismus, die Phasen der sozio-ökonomischen Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft begleitet, dauerte es nicht lange und die von den „kritischen“ Indígenisten gegründete Strömung wurde zu einem Machtinstrument, eine ideologische Stütze im Dienste des Staates und der herrschenden Klassen. So bleibt die Antropologie, von wenigen ehrenhaften Ausnahmen abgesehen, mit ihren „kritischen“ Indigenisten oder Ethnizisten, wie sie auch genannt werden, mit den Indígenakulturen in einer Weise verbunden, die in ihnen ein besonderes Studienobjekt sieht. Sie trägt mehr zur Auslöschung der Indígenavölker als zu ihrer ethnischen und kulturellen Kontinuität bei.

Indem die Antropolog*innen über Informationen verfügen, die sie selten mit den Indios teilen, haben sie in der Tat eine Form von Macht, die sie sehr gut gegen die Indígenavölker benutzen können. So ist der ethnizistische Indigenismus vom Staat und den nationalen Eliten dazu benutzt worden, die Indígenavölker zu kontrollieren, zu manipulieren und zu zerstören. Dabei werden vor allem die Indígenabewegung und unabhängige Indígena-Organisationen angegriffen. Es gibt nicht wenige Fälle, in denen Indígenaführer*innen kooptiert werden, um gegen die Interessen und Hoffnungen ihrer Völker und Gemeinden zu arbeiten. In Brasilien findet im Rahmen der neoliberalen Welle, die die Indígenavölker so gewalttätig betrifft, durch die indigenistische Politik der aktuellen Regierung eine Neuauflage dieses beeinflussenden, betrügerischen und scheinbar solidarischen Indigenismus gegenüber den Indígenavölkern und -Organisationen des Landes statt.

Antropolog*innen, Anwält*innen, usw., die in anderen Zeiten als Verteidiger*innen der Indígenarechte galten, besetzen heute bürokratische Posten im Dienste der Kapitulationspolitik der Regierung. Diese besteht darauf, die Interessen, Hoffnungen und die ursprünglichen und fundamentalen Rechte der Indígenavölker mit Gruppen zu verhandeln, die in der Geschichte der Anerkennung und dem Respekt vor diesen Rechten immer ablehnend gegenüber gestanden haben und sogar öffentlich die Angleichung und Auslöschung der Indígenavölker gefordert haben. Es kann sein, daß die erwähnten Indigenistas sich nicht vollständig mit den Interessen dieser Gruppen identifizieren. Doch sicher ist, daß die Befriedigung ihrer schäbigen individuellen oder Gruppeninteressen einmal mehr die Rechte der Indígenavölker des Landes schwer schädigt. Die Indígenavölker sollten sich nicht täuschen lassen. Sie werden immer Personen auf ihrer Seite haben, die fähig sind, sie im Namen des Geldes, des Ruhms oder der Macht zu verraten. Auch wenn sie manchmal die Rolle ihrer Sprecher*innen, professioneller Vermittler*innen und angeblich heftiger Verteidiger*innen ihrer Rechte spielen. (1) Am 8. Januar 1996 verabschiedeten die Regierung von Fernando Henrique Cardoso unter der Federführung der Minister Nelson Jobim (Justiz) und José Antonio Vieira (Landwirtschaft) das Dekret 1775, das das Vorgehen der Grenzziehung von Indígenaterritorien verändert. Das Dekret ermöglicht Großgrundbesitzer*innen und anderen illegalen Landbesetzer*innen auf diesen Gebieten, gegen die Grenzziehung zu protestieren, indem Fehler angeführt oder Landtitel vorgelegt werden, die in der Verfassung selbst für nichtig erklärt sind. Ebenso wird die Aufhebung bereits festgelegter Grenzen, die noch nicht im Grundregister oder bei der Behörde für das Erbe der Union verzeichnet sind, erlaubt. Das Land der Indígenas, der ursprünglichen Besitzer, soll reduziert oder enteignet werden. In der Frist von 90 Tagen, die das Dekret 1775 für Einsprüche gewährte, hat es mehr als 1.000 solcher Proteste gegeben. Jetzt rennt die Nationale Indiostiftung FUNAI, das indigenistische Institut, hinter Antropolog*innen und Anwält*innen her, die die Grenzziehungen „verteidigen“ könnten.

EL SAVADOR

Alle Parteien einig gegen die Gewalt

(Mexiko-Stadt, 26. Mai 1996, POONAL).- Die sieben wichtigsten Parteien El Salvadors einschließlich der regierenden ARENA und der FMLN haben gemeinsam die Gewaltwelle in den vergangenen Wochen im Land verurteilt. Sie versicherten, in der aktuellen Etappe des friedlichen Übergangs sei der Gebrauch von Gewalt ein „Attentat gegen das Volk“. Die „terroristischen Aktion gefährden den Friedensprozeß, die Konsolidierung der Demokratie und den Rechtsstaat“. Der konkrete Anlaß der Erklärung waren zwei Bombenattentate gegen Eigentum des ehemaligen Präsidenten Alfredo Cristiani von der rechten ARENA-Partei und die Entführung eines katholischen Priesters vor wenigen Tagen.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Allianz gegen den Wahlgewinner Peña Gómez

(Mexiko-Stadt, 25. Mai 1996, POONAL).- In der Dominikanischen Republik scheint eine Allianz der bisher regierenden Sozialreformistischen Christlichen Partei (PRSC) mit der Partei der Dominikanischen Befreiung (PLD) gegen die mögliche Präsidentschaft von José Peña Gómez von der Revolutionären Dominikanischen Partei (PRD) beschlossene Sache. Gómez hatte im ersten Wahlgang für das Präsidentenamt zwar deutlich vor seinen Konkurrenten gelegen, die erforderlichen 50 Prozent für die Direktwahl jedoch um gut vier Prozent verfehlt. Jetzt kündigte sein Gegner in der Stichwahl am 30. Juni, Leonel Fernández von der PLD, ein „patriotisches Bündnis“ mit der PRSC an. Gómez beschuldigte die beiden anderen Parteien, seine Vereidigung als Präsident verhindern zu wollen, selbst wenn er aus der Stichwahl als Sieger hervorgehen sollte. Im dominikanischen Parlament, das nicht neu gewählt wurde, haben PRSC und PLD zusammen eine Mehrheit. Das könnte sie in Versuchung bringen, Peña Gómez am Amtantritt zu hindern. Ebensowenig ist ausgeschlossen, daß Leonel Fernández mit den Stimmen der PRSC-Anhänger*innen Gómez in der Stichwahl noch überholen kann.

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