Poonal Nr. 185

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 185 vom 21.03.1995

Inhalt


MEXIKO

LATEINAMERIKA

ECUADOR

KUBA

URUGUAY

CHILE

HAITI

GUATEMALA

GUATEMALA/MEXIKO


MEXIKO

Kleiner Rückzug des Militärs

(Mexiko-Stadt, 16. März 1995, POONAL).- Um „ein Klima der Entspannung zu schaffen, das den Dialog und die Verhandlung fördert“, ordnete Präsident Ernesto Zedillo die Aufhebung der Militärsperren und den „freien Verkehr“ in der chiapanekischen Konfliktzone an. Zudem befahl er der mexikanischen Bundesarmee, sich aus den Dörfern selbst zurückzuziehen. Die Stellungen außerhalb der Landgemeinden und Orte sollen jedoch bestehen bleiben. Als weiteren Schritt wies der Präsident die Bundesstaatsanwaltschaft ausdrücklich an, „die Verfahren, Haftbefehle und begonnenen Untersuchungen“ gegen die Zapatistenführung einzustellen. Im Rahmen des Gesetzes für den Dialog, die Versöhnung und den würdigen Frieden in Chiapas entstand am 14. März außerdem die Kommission zur Befriedung.

Regierung dementiert Gerüchte Marcos sei ums Leben gekommen

Einen Tag nach dem Präsidentenbeschluß blieben die Militärsperren in mindestens zwei Gemeinden noch bestehen. Der kleine Militärrückzug ist auch noch weit von den Forderungen der Zapatisten entfernt, die ein Zurückweichen der Bundesarmee auf die Positionen vor dem 9. Februar fordern. An diesem Tag begann die Invasion der Bundestruppen ins zuvor seit dem 1. Januar 1994 ausschliesslich von der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) kontrollierte Gebiet. Eine Reaktion der Guerilla auf die jüngsten Entscheidungen des Präsidenten war bis zum 16. März noch nicht bekannt. Dagegen dementierten Regierungsquellen Gerüchte, der Rebellenführer Subcomandante Marcos sei bei einem Gefecht ums Leben gekommen.

Auch mehr als einen Monat nach dem Einmarsch der Bundesarmee ist ein genaues Bild der Situation in den Altos de Chiapas und im Lacandon-Urwald unmöglich. Es scheint jedoch mehr militärische Zusammenstösse im Inneren des Zapatistengebietes gegeben zu haben, als offiziell bekannt ist. Zu diesen Konfrontationen kommen zunehmend Spannungen zwischen der überwiegend mit den Zapatisten sympathisierenden Bevölkerung, die seit dem 1. Januar 1994 im Konfliktgebiet blieb und den Kriegsflüchtlingen, deren Gesamtzahl bei einer vollständigen Rückkehr 20.000 erreichen könnte. Auch zwischen den Flüchtlingen selbst entstehen Konflikte. Die Spannungen können sich noch verschärfen, da die Rückkehrer*innen teilweise Land und Häuser derjenigen besetzen, die mit den Zapatisten in die Berge flohen. Von Entspannung kann in Chiapas noch keine Rede sein.

LATEINAMERIKA

Krieg zwischen Nachbarn: eine alte Geschichte

– Von Eduardo Galeano

(Februar 1995, alai-POONAL).- Ecuador und Peru kämpfen mit Gewehren um einen Grenzstreifen, der allem Anschein nach reich an Gold und Uranium ist. Dieser Krieg bekräftigt eine lange lateinamerikanische Tradition – typisch für eine Weltregion, in der die Trennung ihrer Einzelteile, die gegenseitige Rachsucht und die wechselseitige Auslöschung vorherrschen. Es ist 60 Jahre her, daß sich die beiden ärmsten Länder Südamerikas, Bolivien und Paraguay, gegenseitig ausbluteten. Sie stritten sich um das Öl, das den Gerüchten nach unter der Wüste des Chaco liegen sollte. Die barfuß laufenden Soldaten marschierten zur Schlachtbank und haßten sich im Namen zweier Unternehmen, der Standard Oil und der Shell. Es waren diese beiden Konzerne, die an dem Flecken auf der Landkarte interessiert waren. Als die Kanonen nach drei Jahren schwiegen, waren 90.000 Paraguayer und Bolivianer an Kugeln oder am Durst gestorben in diesem grauen Ödland, das niemand liebte. Absolut trockener Boden, wo weder die Vögel sangen noch die Menschen Spuren hinterliessen.

Es ist kürzer her, da verloren weitere zwei arme Völker 4.000 ihrer Söhne in einem Krieg, der „Fußballkrieg“ genannt wurde, denn der Funke entzündete sich in den Stadien. El Salvador und Honduras, zwei mittelamerikanische Länder mit denselben Wurzeln und demselben Unglück konnten sich in diesen tragischen Tagen im Jahr 1969 darin bestätigen, daß der jeweils andere der Feind war und die Schuld für die eigenen Probleme hatte. Die Militärdiktatoren beider Länder, ausgebildet in der „Escuela de las Americas“ (US-Militärakademie) in Panama erklärten sich den Krieg und schütteten Öl ins Feuer, aber kein einziger General riskierte seine Haut. Viele Jahre lang diente der gegenseitige Haß letzten Endes dazu, das beste Alibi für die Macht zu sein: Die Honduraner*innen hatten keine Arbeit? Weil die Salvadoreaner*innen sie ihnen wegnahmen. Die Salvadoreaner*innen hatten Hunger? Weil die Honduraner*innen sie schlecht behandelten.

Schon unter den Inkas lagen Ecuador und Peru im Zwist

Die ganze Geschichte Amerikas wäre nicht erklärbar, wenn nicht als ein immer entscheidender Faktor die Spaltung der Besiegten in Betracht gezogen wird. Die Eroberung Amerikas wäre beispielsweise ein nicht auflösbares Rätsel, wenn da nicht die schrecklichen inneren Widersprüche der Indígena-Imperien Mexikos und Perus gewesen wären. Die spanischen Heeren hätten diese weitreichenden Imperien nicht einmal aus der Ferne sehen können, wenn sie nicht die Hilfe der mit ihnen verbündeten Indios gehabt hätten, die die Feinde von Moctezuma und Atahualpa waren. Die Zahlen sind beweiskräftig. Die Kräfte, die zwei der weltweit mächtigsten Armeen dieser Zeit besiegten, waren lächerlich gering: Hernán Cortés landete mit 100 Seeleuten, 508 Soldaten und 16 Pferden in Veracruz. Francisco Pizarro marschierte in Cajamarca mit 180 Soldaten und 37 Pferden ein.

Pizarro fand die Inka-Krone durch den Kampf zwischen den zwei großen Zentren Cuzco und Quito, zerbrochen vor. In geografischen Begriffen ausgedrückt waren die Zentren das heutige Peru und Ecuador. Als Pizarro den Inka Atahualpa verriet und ihn enthauptete, wurde der Tod des Sohnes des Sonnengottes in Quito beweint. Cuzco jedoch feierte die Niederträchtigkeit mit Jubel und betrank sich. Atahualpa, Sohn einer Mutter aus Quito, hatte seinen Bruder Huáscar töten lassen, der von Cuzco aus den Herrscherthron forderte, als die Spanier an der Küste landeten. „Sie werden ihn schon so töten, wie er mich tötet“, soll Huáscar als letzte Worte gesagt haben. Nach der Opferung Atahualpas, begleiteten andere seiner Brüder aus Cuzco, die Quito gegenüber feindlich gesinnt waren, Pizarro bei der Eroberung. Pizarro krönte den Prinzen Marco Capac, der einen Blechtthron bestieg, bis er es überdrüssig war, ein kleiner König, ein Vasallenkönig eines anderen Königs zu sein. Nach ihm kam Prinz Paullo an die Reihe.

Gewinner des Salpeterkriegs war ein Engländer

Drei Jahrhunderte später waren die Indios aus Peru das Kanonenfutter im Pazifikkrieg, der das peruanische Heer mit den Invasionstruppen aus Chile konfrontierte. In diesem Krieg verlor Peru seine Salpeterminen und die Guano-Inseln. Bolivien blieb ohne Zugang zum Meer. „Unsere Rechte entstehen aus dem Sieg“ erklärte 1884 die chilenische Regierung. Doch während der chilenische General Patricio Lynch den Triumph feierte, forderte der englische Unternehmer John Thomas North seinen Tribut: es war North, der die Kriegsbeute erhielt, die in weiten Landstücken bestand, die reich an Naturdünger waren. Dieser war damals für die europäische Landwirtschaft unentbehrlich. Wie es immer in diesen Kriegen zwischen lateinamerikanischen Nachbarn geschieht, so starben auch im Pazifikkrieg weder die Generäle, noch die Präsidenten, noch die Unternehmer, die den Schrecken finanzierten.

Dagegen wurden viele peruanische Indios gezwungen, ihr Leben für das Vaterland zu geben, das sie verachtete. Und in der Stunde der Niederlage wies der Schriftsteller Ricardo Palma die Schuld „dieser verächtlichen und verkommenen Rasse“ zu. Die Offiziere, die die Indios zur Schlachtbank schickten, flohen und riefen „es lebe das Vaterland!“. In der damaligen Zeit benutzte die florierende peruanische Wirtschaft auch Arbeitskräfte aus Afrika und Asien. Schwarze und Chinesen waren Sklavenarbeiter beim Eisenbahnbau und auf den Exportplantagen. Als die Stadt Lima fiel, kam es zum Chaos. Im Tal von Canete rebellierten die Schwarzen. Aber ihre Wut richtete sich nicht gegen die flüchtigen weißen Herren. Die Schwarzen rächten ihre jahrhundertelange Erniedrigung, indem sie die Chinesen, Sklaven wie sie, mit Schlägen, Stöcken und Macheten töteten.

Gaucho Martín Fierro: Die Brüder müssen einig sein, um nicht von Außenstehenden zerissen zu werden

Es handelt sich um eine chronische Krankheit. Wir Lateinamerikaner*innen haben die schlechte Gewohnheit, mit Waffen zu schiessen, die ein verbogenes Rohr haben und das Ziel nicht treffen. Unsere Länder sind Kinder einer imperialen Weltordnung und in Grenzen eingeschlossen, die von fremden Händen gezeichnet wurden. Unsere Regierungen sprechen viel von Integration und beziehen sich stark auf Bolívar. Aber sie widmen ihre besten Energien der Beschäftigung, den Nachbarn zu haßen und das zu verachten, was sie nicht kennen. Bei diesem Panorama ist es überhaupt nicht verwunderlich, daß wir nicht auf den weisen Rat des Gaucho Martín Fierro hören, der uns seit dem vergangenen Jahrhundert warnt, daß die Brüder einig sein müssen, daß dies an erster Stelle steht. Denn solange sie sich streiten, werden sie von den Aussenstehenden zerrissen.

ECUADOR

Gleiche Arbeit, unterschiedliche Bezahlung

(Quito, März 1995, fempress-POONAL).- Die Lohnunterschiede bei Männern und Frauen sind in Ecuador nach wie vor groß. Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (FIDA) der UNO stellt fest, daß Frauen im Agrarsektor nur drei Viertel des männlichen Lohnes erhalten. In den sogenannten modernen Wirtschaftssektoren ist das Lohngefälle nicht so groß, aber dennoch vorhanden. Dort verdienen die Männer nach Angaben des Lateinamerikanischen Institutes für Sozialwissenschaften (ILDIS) 15 Prozent mehr. Im informellen Sektor erhöht sich der Einnahmeunterschied auf 43 Prozent. 1981 unterschrieb die ecuadoreanische Regierung die Konvention zur Abschaffung aller Diskrimierungsformen gegen die Frau. Die Zahlen lassen am Regierungswillen zweifeln, die Konvention zu beachten.

KUBA

Neue Beziehungen zu Frankreich

(Havanna, 14. März 1995, prensa latina-POONAL).- Der Besuch Fidel Castros in Frankreich ist ein weiteres Zeichen für ein neues Klimas zwischen beiden Ländern. Die kulturellen Beziehungen waren immer schon relativ stark, doch jetzt bahnt sich eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit an. Französische Unternehmer*innen sahen sich in den vergangenen Monaten bereits auf der Insel nach Investitionsmöglichkeiten um. Vor kurzem reisten zwei Delegationen mit Jean Pierre Desgeorges vom französischen Unternehmerrat und Modezar Pierre Cardin an der Spitze nach Kuba. Dabei wurden 10 gemeinsame Unternehmen (Joint Ventures) direkt vereinbart und weitere gemeinsame Vorhaben ins Auge gefaßt.

Frankreich ist derzeit zusammen mit China der viertgrößte Handelspartner Kubas. Es exportiert hauptsächlich Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände und importiert Meeresfrüchte, Tabak und Kaffee. 1994 überstieg der Handel beider Länder miteinander das Volumen von 116 Dollar. Dies bedeutete eine Steigerung um 30 Prozent. Neue Abkommen wurde in den Bereichen Atomkraft, Zucker-, Zement-, Chemieindustrie, dem Tourismus und der Wasserversorgung geschlossen. Außerdem gewährt Frankreich Kuba für dieses Jahr einen 140 Millionen Dollarkredit. Die französische Wirtschaft läßt sich durch die US-Politik gegenüber Kuba nicht beeindrucken. Jean- Pierre Desgeorges nannte den Druck sogar „lächerlich“ zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Länder Geschäft mit der Insel machen wollten. Der Vertreter des Unternehmerrates will auch eine wirtschaftliche Erholung im Land festgestellt haben.

URUGUAY

Streit um die Reform der Sozialversicherung

(Montevideo, 10. März 1995, COMCOSUR-POONAL).- Nachdem die neue Regierung Sanguinetti in Koalition mit der Partido Nacional die Regierungsgeschäfte aufgenommen hat, ist das vorangigste Thema zur Zeit die Reform der Sozialversicherung. In Uruguay liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 75 Jahren und der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung ist sehr hoch. Heutzutage kommt auf einen Erwerbstätigen ein Rentner. Diese Tatsache führt zusammen mit anderen Faktoren zu einer absolut kritischen Situation in der staatlichen Sozialversicherung. Alle Parteien sind sich auch einig, daß hier eine Reform stattfinden muß, wenn es jedoch darum geht, in welche Richtung diese gehen soll, gehen die Meinungen weit auseinander. Die Neoliberalen schieben den Kosten für die Sozialversicherung die Hauptschuld an der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Uruguay zu. Mit der ideologischen Unterstützung großer Organisationen, wie z.B. des IWF und dem chilenischen Modell vor Augen stellen sie dieses Thema als Herzstück jeder wirtschaftlichen Neuorganisierung dar. Die Vertreter der Neoliberalen sind der Meinung, daß der Staat von den Kosten der Sozialversicherung befreit werden muß, damit das Land konkurrenzfähig werden kann und eine Modernisierung der Wirtschaft möglich wird. Der Weg dorthin führt ihrer Meinung nach notwendigerweise über die Privatisierung der Sozialversicherung. Auch die Linke bestreitet nicht die Notwendigkeit einer Reform, der Staat soll jedoch dabei nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden und der Generationenvertrag sowie die solidarische Basis erhalten bleiben. Die Linken räumen ebenfalls die Notwendigkeit ein, den hohen Grad der Steuerhinterziehung zu kontrollieren und die Unterschiedlichkeit der Rentenleistungen zu diskutieren. Es werden Renten in Höhe von bis zu 5000 US-Dollar pro Person ausgezahlt, die insgesamt 100 Millionen US-Dollar des Sozialversicherungstopfs für sich beanspruchen. Wichtiger Stützpfeiler einer Reform wäre für die Linke die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Rekrutierung neuer Beitragszahler, die das Sistem unterstützen. Diese unterschiedlichen Positionen werden in einigen Wochen aufeinanderprallen, wenn die Regierung ihr Reformpaket im Parlament vorstellt. Es sieht eine Anhebung des Rentenalters (auf 60 Jahre), eine Erhöhung der arbeitspflichtigen Jahre (auf 30 Jahre) und insgesamt eine niedrigere Rente vor (von jetzt 60% des Lohns auf 53%). Des weiteren ist eine teilweise Privatisierung und die Einrichtung von privaten Sparkonten vorgesehen. Die Frente Amplio/Encuentro Progresista sowie die Vertreter der Rentnerorganisationen lehnen den Vorschlag ab. Letztere haben sich zu einer der bestorganisierten sozialen Organisationen entwickelt, die beträchtlichen Druck ausüben können. Die Debatte über die unterschiedlichen Positionen steht erst am Anfang und wird in den kommenden Tagen sicher einge Stürme auslösen.

Polizeieinsatz vor Gericht

(Montevideo, 10. März 1995, COMCOSUR-POONAL).- In einigen Wochen kommt die Untersuchung über die Vorfälle anläßlich der Ausweisung der drei Basken vor Gericht. Der massive Polizeieinsatz hatte damals mit einem Toten und zahlreichen Schwerverletzten geendet. Die Vorgänge vor dem Hospital Filtro hatten zu gerichtlichen Ermittlungen gegen mehrere Polizeibeamte geführt, was unter Umständen damit enden kann, daß auch höhere Chargen zur Verantwortung gezogen werden. Wahrscheinlich wird auch der Abgeordnete Jose Mujica, Mitglied der MLN-Tupamaros und 1994 Direktor von Radio Panamericana vorgeladen werden. Radio Panamericana war aufgrund der Berichterstaatung während der Vorgänge geschlossen worden. Mujica hat sich bereit erklärt auszusagen, obwohl ihn sein Status als Parlamentarier von der Pflicht entbindet. Er hat bereits angekündigt, eine großangelegte Debatte über die Vorfälle innerhalb der politischen Strukturen führen zu wollen.

CHILE

Frauenproteste stoppten Sterilisationsprogramm

Von Loreto Bravo Fernandez

(Santiago de Chile, März 1995, fempress-POONAL).- Das chilenische Gesundheitsministerium stoppte ein Forschungsprogramm zur Sterilisation mit dem Mittel Quinacrina. Dabei handelte es sich um ein privates Projekt, das von dem „Center for Research on Population and Security“ aus den USA finanziert wurde und in vom Ministerium abhängigen Gesundheitsdiensten in zwei Regionen des Landes zur Anwendung kam. Proteste auf einer Versammlung zur Frauengesundheit in der chilenischen Hauptstadt und anschließende Diskussionen in der Presse hatten Erfolg.

Medikament gegen Malaria und Parasiten wird zur Sterilisation eingesetzt

Quinacrina ist eine chemische Substanz, die die Medizin bis vor wenigen Jahren bei der Behandlung von Malaria und einigen Parasitenarten benutzte. Als Kapsel in den Uterus eingeführt, hat Quinacrina nach einiger Zeit die Sterilisierung zur Folge. Die Proteste entstanden vor allem, weil das Forschungsvorhaben bei den Fachleuten in der Fortpflanzungsmedizin und bei den Organisationen, die zum Thema der Reproduktionsrechte arbeiten, kaum bekannt war, obwohl sie Kontakt mit den Verantwortlichen dieser Politik hatten. Dieses Vorgehen ist von der Weltgesundheitorganisation (WHO) bisher nicht akzeptiert. Außerdem ist noch nicht bewiesen, daß Quinacrina keinen Krebs verursacht. Die Protestierenden führen zudem an, einige Frauen hätten stark unter Nebenwirkungen gelitten. Ein weiteres Detail: Das Institut für die Öffentliche Gesundheit (IPS), zuständig für die Regelung des Medikamentengebrauches im Land, weist darauf hin, daß die Substanz „nicht im autorisierten Medikamentenregister Chiles enthalten ist, das vom IPS geführt wird. Darum sind bis jetzt Ausgabe und/oder Verkauf verboten“.

Wie herauskam, wird die Forschung mit Quinacrina seit 1976 von Jaime Zipper, einem unter chilenischen Wissenschaftler*innen angesehenen Arzt, betrieben. Doch in einem Land wie Chile, mit offenen Ungleichheiten beim Zugang zur Bildung und zum Gesundheitswesen, haben viele Frauen weder die Information noch die Mittel, um die Art Behandlung auszuwählen, die sie brauchen und für notwendig halten. Für hunderttausende Frauen besteht nur die Möglichkeit den – bewiesenermaßen unzulänglichen – Gesundheitsdienst in Anspruch zu nehmen. Es kann daher nicht verwundern, daß Experimente wie das mit der Substanz Quinacrina – seit mehr als 18 Jahren im öffentlichen Gesundheitsdienst durchgeführt – die chilenischen Frauen beunruhigt.

HAITI

Aristide bleibt bei seinem Kurs

(Port-au-Prince, 10. März 1995, hib-POONAL).- Jüngste Erklärungen von Jean-Bertrand Aristide und seiner Regierung weisen darauf hin, daß der von den USA und den multilateralen Institutionen vorgezeichnete Weg beibehalten wird – ein radikales neoliberales Wirtschaftsmodell und repräsentative, die Demokratie strapazierende Wahlen. Sechs Monate nach der Invasion setzen die USA nun ihre Wirtschafts- und Wahlmaschinerie in Gang.

Dies geschieht unter wachsendem Protest an der Politik von Aristide. Dieser wird sicher merken, wie sein Einfluß und seine Popularität in der Bevölkerung sinkt. So ist die Aufforderung an die Menschen von ihm und seiner Sprecherin Yvon Neptune zu verstehen, zu demonstrieren. Das geschieht zum ersten Mal seit der Rückkehr des Präsidenten und kann den ausländischen Entscheidungsträgern nicht gefallen. Doch die Mobilisierung von Aristide will nicht die eigene Politik kritisieren, sie soll ihre Durchsetzung und Anwendung beschleunigen.

Am Internationalen Frauentag ermutigte der Präsident die Frauen, ihren Forderungen Gehör zu schaffen. Doch seine Botschaft schien auch eine Warnung an die zu enthalten, die seine Annäherung an den Neoliberalismus kritisieren. Aristide riet den Frauen, nicht auf die „Demagogen“ zu hören, „die versuchen, Euch einzuschläfern“. Er versicherte, seine Politik mit „Versöhnung, Dialog“ werde die Bedürfnisse der Menschen befriedigen.

Präsidentieller Besuch gilt als grünes Licht für Investitionen

Am 7. März dankte Aristide dem stellvertretenden US-Außenminister überschwenglich dafür, eine 40köpfige Delegation von Geschäftsleuten nach Haiti gebracht zu haben. Im Gegenzug pries Talbott den Präsidenten „die Vorteile anzunehmen, die mit der freien Marktwirtschaft kommen“. Am nächsten Tag waren Talbott und Premierminister Smarck Michel Gastgeber einer Feier, bei der haitianische und nordamerikanische Geschäftsleute Verträge unterzeichneten und weitere Vereinbarungen zustande kamen. Eine davon ruft US-Delegationen dazu auf, Haitis Energie-, Telekommunikations- und Hafeninfrastruktur zu „untersuchen, um US- Firmen auf die entstehenden Handels- und Investitionsgelegenheiten in diesem Bereich hinzuweisen, die ein Ergebnis von Haitis Expansions- und Modernisierungsanstrengungen sind, die den Vorläufer der angekündigten Privatisierung des Sektors darstellen“. Der präsidentielle Besuch war das grüne Licht der US- Regierung für die US-Investoren. Die Regierung glaubt jetzt, angemessene Garantien von Aristide zu haben und legt den Grundstein für die weitere Beherrschung der haitianischen Wirtschaft durch die USA.

Politische Morde

(Port-au-Prince, 9. März 1995, hib-POONAL).- Die politischen Verbrechen in Haiti hören nicht auf. Am 1. März schossen Unbekannte auf Faudner Simon, seit 1989 ein Mitglied der Mouvman Peyizan Papay (MPP). Er starb später im Krankenhaus. Simon hatte eine US-Delegation vom Flughafen abgeholt. Kurz nachdem die Delegation seinen Wagen verlassen hatte, schossen die Täter auf ihn. Da sie ihn weder ausraubten noch das Auto stahlen, deutet alles auf ein politisches Motiv hin. Am 3. März wurde der ehemalige Parlamentsabgeordnete Eric Lamothe erschossen. Lamothe, ein Mitglied der Nationalen Front für den Wechsel und die Demokratie (FNCD), wollte bei den kommenden Wahlen für den Senat kandidieren.

Beide Fälle machen nur einen kleinen Teil der Kriminalität im ganzen Land aus. Raub und Mord sind weit verbreitet. Die Regierung und sogar die Besatzungstruppen haben die Stadtviertelbewohner*innen ermutigte, eigene Wachkomitees aufzustellen. Die Regierung stellte Suchbefehle gegen mehr als zwei Dutzend frühere Armeeoffiziere, rechte Politiker und Duvalieristen aus, weil sie sich „gegen die innere Sicherheit des Staates verschwören“.

Kunststudent*innen protestieren

(Port-au-Prince, 8. März 1995, hib-POONAL).- Mehrere hundert Student*innen von der Nationalen Kunstschule demonstrierten gegen den neuen Kulturminister Jean-Claude Bajeaux und verlangten die Wiedereröffnung ihrer Fakultät. Sie wurde im vergangenen Herbst geschlossen, als den Student*innen den Rücktritt der Direktorin Marie Lucie Chancy forderten. Sie verlangten eine Demokratisierung mit mehr Beteiligung bei der Gestaltung des Lehrplanes und der Auswahl der Dozent*innen. Zwar reichte Chancy im Januar schließlich ihren Rücktritt ein, doch die Kunstschule blieb geschlossen. Die Proteste gingen weiter, da der Minister nicht auf die Forderungen der Student*innen eingehen wollte.

Als die Student*innen in das Gebäude des Ministeriums eindrangen und die Büroräume von Bajeaux besetzten, stimmte dieser einem Treffen zu, sagte den Termin dann jedoch in letzter Minute wieder ab. Einen Tag später begannen anscheinend wirkliche Gespräche, doch wurden Ergebnisse bisher nicht bekannt. Die Krise an der Kunstschule ist einer der Brennpunkte um den Kampf für eine autonome Universität Haitis, wie es die Verfassung von 1987 festlegt.

Gewerkschaften organisieren sich gegen Privatisierungen

(Port-au-Prince, März 1995, hib-POONAL).- Sechs Gewerkschaften in staatseigenen Unternehmen unterschrieben Anfang März eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Regierung aufforderten, „den Privatisierungsprozeß staatlicher Industrien zu stoppen“. Die Gewerkschafter*innen wollen eine „öffentliche Debatte, damit die Leute die Konsequenzen kennenlernen können“. Zwischen 50 und 100 von ihnen diskutierten zwei Tage lang die möglichen Folgen der Privatisierungen, die die Regierung und die Internationale Finanzgesellschaft der Weltbank planen. Sie beklagen vor allem die fehlende Transparenz. „Die Regierung hat weder einen Terminplan aufgestellt noch die Modalitäten ihres Liquidationsprogrammes für das nationale Vermögen veröffentlicht“, schreiben die Gewerkschaften in einer Pressemitteilung.

GUATEMALA

Die UNO in Guatemala

(Mexiko-Stadt, 15. März 1995, cerigua-POONAL).- Die Einsetzung der UNO-Mission zur Internationalen Überprüfung der Menschenrechte in Guatemala (MINUGUA) im Rahmen des globalen Menschenrechtsabkommens weckte Erwartungen, die Grundrechte im Land könnten beachtet werden. Die Arbeit der Mission konnte die freie Ausübung der fundamentalen Verfassungsrechte fördern oder aber ein Beweis dafür sein, daß die Straflosigkeit in Guatemala nach wie vor unverletzbar ist. Am 13. März schickte Missionschef Leonardo Franco einen detaillierten Bericht über die MINUGUA-Arbeit an Butros Butros Ghali, den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Darin wird die Straflosigkeit als „das ernsteste Hindernis für die Gültigkeit der Menschenrechte“ hervorgehoben. Die Institution spricht davon, daß bei den ihr gegenüber angeklagten Fällen „Beweise für die Teilnahme von Staatsagenten oder Personen unter deren Kontrolle vorliegen“.

Diese Ausführungen sind in Guatemala nicht neu, aber dennoch wichtig. Die Sicherheitskräfte haben die Arbeit der MINUGUA immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Es gab ständige Feindseligkeiten. Am Anfang, als noch der Glauben herrschte, allein die Präsenz der UNO-Institution könne die Menschenrechtsverletzungen verringern, geschah genau das Gegenteil. Die aussergerichtlichen Hinrichtungen erhöhten sich und die Straflosigkeit kam noch stärker zum Ausdruck. Missionschef Franco hat das in seinem Bericht an Ghali festgehalten.

Die UNO-Mission hat im ganzen Land 13 Büros eröffnet. Dies war ein wichtiger Schritt, doch die durch das Abkommen zwischen Regierung und Guerilla festgelegte Aufgabenbeschreibung führte in eine Sackgasse. Der Spielraum der MINUGUA wurde darauf reduziert, das Menschenrechtsbüro, die Staatsanwaltschaft und den Obersten Gerichtshof zu beraten. Das mindert die Effizienz ihrer Verteilung über das Land und macht die Überprüfungsfunktion zunichte. In drei Monaten hat die Mission 288 Anklagen zugelassen, die als „schwere Verletzungen“ der Menschenrechte eingestuft wurden. Doch es gibt für die MINUGUA keine Möglichkeit, diese dramatischen Vorgänge zu verhindern. Sie kann einzig und allein Untersuchungsvorgänge einleiten und feststellen, ob die staatlichen Institutionen ihren Aufgaben in jedem registrierten Fall nachkommen. Dabei haben die Mitarbeiter*innen dem Druck der Regierung offensichtlich nachgegeben, denn sie verkündeten öffentlich, daß die Mission die Funktionen der staatlichen Institutionen nicht ersetzen würden. Die wichtigsten Menschenrechtsorganisationen des Landes erinnerten die MINUGUA daran, daß es ihre Aufgabe sei, „Anklagen über mögliche (Menschenrechts-)Verletzungen zu empfangen, einzustufen und sie weiterzuverfolgen“.

Die von den Medien täglich registrierten Morde stiegen von vier auf sieben, nachdem die UNO-Mission ins Land kam. Die Regierung fordert die internationale Überprüfung heraus. Es kann sich aber auch um das Ergebnis des Schweigens durch die Mission handeln. Die Straflosigkeit richtet sich ein wie in ihren besten Tagen. Trotz aller Einschüchterungen: die Sprecher*innen der MINUGUA versuchen mit zuviel Diplomatie zu versichern, daß ihre Arbeit ohne Schwierigkeiten möglich ist. In El Salvador wurden die Funktionär*innen der UNO, die die Menschenrechte überprüfen sollten, von der Armee mit Ausdrücken wie „Personal der Vereinten Ferien“ diskreditiert. In Guatemala kann die Regierung öffentlich versichern, daß das MINUGUA-Personal viele Bequemlichkeiten fordert.

Jennifer Harbury wieder im Hungerstreik

(Guatemala, 14. März 1995, cerigua-POONAL).- Die US-Botschaft in Guatemala unterstützt offiziell die Forderungen von Jennifer Harbury, die sich seit einigen Tagen im Hungerstreik vor dem Weissen Haus in Washington befindet. Die US-Bürgerin fordert das Auftauchen ihres Ehemannes, des guatemaltekischen Guerilleros Efraín Bámaca, der sich in den Händen der Streitkräfte des mittelamerikanischen Landes befinden soll. Harbury verlangt von den USA, stärkeren Druck auf Guatemala auszuüben. John Rooney, Presse-Verantwortlicher der US-Botschaft, informierte über „Arbeitssitzungen“ auf hohem Niveau mit Vertretern der guatemaltekischen Regierung über den Fall. Ziel sei es, den Untersuchungsstand über den Verbleib Bámacas kennenzulernen.

Das US-Außenministerium ließ eine Woche zuvor verlauten, „Hinweise zu haben“, daß Kommandant Bámaca im März 1992 lebend von der guatemaltekischen Armee gefangengenommen wurde und nach Verhaftung und Verhör starb. Harbury hat mit verschiedenen Aktionen immer wieder die Wahrheit verlangt. In ihrem Hungerstreik wird sie von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen unterstützt. Die guatemaltekische Armee wies alle Anschuldigungen gegen sie zurück.

Mahnmal für Massakeropfer

(Guatemala, 13. März 1994, cerigua-POONAL).- In dem Landkreis Rabinal in der Provinz Bajja Verapaz wurde vor etwa 500 Personen ein großes „Monument für die Wahrheit“ enthüllt. Das Mahnmal enthält die Namen von 107 Kindern und 70 Frauen, die am 13. März 1982 von Soldaten und Mitgliedern der paramilitärischen Zivilpatrouillen (PAC) niedergemetzelt wurden. Damals regierte Diktator Rios Montt, der heute Präsident des guatemaltekischen Kongresses ist. Die Angehörigen der Opfer erinnerten sich in einer Messe an das Massaker.

Das Verbrechen von Rabinal war Teil einer ganzen Serie von Massakern, die 1982 in der Region verübt wurden. So wurden am 13. Februar 1982 mehr als 70 Campesinos umgebracht. Drei Monate später verschwanden 14 Frauen und starben 82 weitere Personen im Landkreis Rabinal durch die Hände des Militärs und am 13. September kam es noch einmal zu einem Gemetzel an 35 Kindern und 57 Männern. Auch ihrer wurde bei der Mahnmal-Einweihung gedacht. Die Familienangehörigen forderten die Gerichtsbarkeit auf, die Verantwortlichen zu bestrafen. Sie verlangten ebenso die Auflösung der Zivilpatrouillen, die in den Gemeinden in Baja Verapaz nach wie vor bestehen.

Anschlag gegen Studenten

(Guatemala, 14. März 1995, cerigua-POONAL).- Der Vorsitzende der Vereinigung der Universitätsstudent*innen (ÄU), Manolo Vela, gab ein Attentat auf zwei Mitglieder der Organisation bekannt. Die beiden Studenten, deren Namen er aus Sicherheitsgründen nicht nannte, befanden sich auf dem Nachhauseweg, als unbekannte Männer aus einem fahrenden Auto heraus auf sie schossen. Die Studenten, die auch als ÄU-Vertreter in der Versammlung der Zivilen Gesellschaftssektoren (ASC) arbeiten, wurden jedoch nicht verletzt. Die StudentInnenorganisation meldete das Attentat der UNO-Mission zur Internationalen Überprüfung der Menschenrechte in Guatemala (MINUGUA).

GUATEMALA/MEXIKO

Kleine Delegation nimmt Verhandlungen wieder auf

(Mexiko-Stadt, 13. März 1995, cerigua-POONAL).- Seit dem 13. März versuchen kleine Gesandschaften der guatemaltekischen Regierung und der Guerilla in Mexiko-Stadt die seit Herbst 1994 abgebrochenen Verhandlungen zum Thema „Identität und Rechte der Indígena-Völker“ zum Abschluß zu bringen. Laut Luis Beker, Mitglied der diplomatischen Kommission der Guerilla, sollen die Delegationen beider Konfliktparteien dann vollständig zusammenkommen, wenn die Basis für eine Vereinbarung gelegt ist.

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