Poonal Nr. 184

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 184 vom 14.03.1995

Inhalt


MEXIKO

HONDURAS

HAITI

GUATEMALA

BRASILIEN

CHILE

KOLUMBIEN

VENEZUELA

ARGENTINIEN


MEXIKO

Nach erneutem Kursrutsch des Peso: Regierung stellt neues Notprogramm vor

(Mexiko-Stadt, 10. März 1995, POONAL).- Der mexikanische Finanzminister Guillermo Ortiz hatte nichts Gutes für die nahe Zukunft zu verkünden. Am Donnerstagabend verlas er im Auftrag von Präsident Ernesto Zedillo das seit Tagen erwartete neue Aktionsprogramm, mit dem die Regierung der Wirtschaftskrise Herr werden will. Eine drastische Sparpolitik des Staates mit einer real zehnprozentigen Ausgabenkürzung gegenüber dem Vorjahr und weitere Preiserhöhungen zwischen 20 und 30 Prozent bei staatlich kontrollierten Dienstleistungen bilden das Grundgerüst der Maßnahmen. Die Mehrwertsteuer wird von 10 auf 15 Prozent erhöht. Eine Anhebung der Mindestlöhne um zehn Prozent, die Umstrukturierung kurzfristiger Unternehmer- und Haushaltskredite in langfristige sowie ein Schutzprogramm für die Sparer sollen die Auswirkungen weniger grausam machen. Vielen der Maßnahmen muß der mexikanische Kongreß – Senat und Abgeordnetenhaus – noch zustimmen.

Regierung erwartet für 1995 schrumpfendes Sozialprodukt und 42 Prozent Inflation

Die Regierung erwartet für 1995 eine zweiprozentige Schrumpfung des Bruttosozialproduktes und eine Inflation von 42 Prozent. Noch vor wenigen Wochen war von einem Wirtschaftswachstum und maximal 20 Prozent Inflation die Rede gewesen. Diese Inflationsrate dürfte bereits jetzt erreicht sein. Die von Ortiz prophezeite mittelfristige Wirtschaftserholung mit einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz klingt nach reinem Zweckoptimismus. Im übrigen waren seine Ankündigungen keine so große Überraschung. Präsident Zedillo hatte es dem US-amerikanischen Botschafter James Jones überlassen, bereits am Vortag darüber zu informieren, daß die neuen Wirtschafsmaßnahmen „enorme Opfer“ von der mexikanischen Bevölkerung verlangen werden. Für böse Zungen ein Beweis, wer die Regie im Land übernommen hat.

Wenige Stunden vor der Rede des Finanzministers fiel der mexikanische Peso gegenüber dem Dollar erneut im freien Fall. Bis zu sieben Pesos zahlten Banken und Wechselstuben für einen Dollar, verkauft wurde er für acht Pesos. Noch Anfang November 1994 bewegten sich Dollaran- und -verkauf bei 3,4 Pesos. Damit verlor die mexikanische Währung innerhalb von etwas mehr als vier Monaten über 50 Prozent ihres Wertes. Ein Großteil des ersten Kredits des Internationalen Währungsfonds über sieben Milliarden Dollar ist bereits für Stützungskäufe aufgebraucht worden. Eigentlich sollte dieses Geld helfen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Lage wird zunehmend aussichtsloser.

Der Machtkampf zwischen den Regierungseliten nimmt derweil immer skurrilere Formen an. Raul Salinas, der Bruder des Ex-Präsidenten Carlos Salinas, sitzt jetzt mit einem ordentlichen Haftbefehl im Gefängnis. Eine Reihe Indizien weisen ihn tatsächlich als möglichen Auftraggeber für den Mord am ehemaligen Generalsekretär der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) aus. Andererseits fehlt es bisher an Beweisen, die zweifelsfrei sind. Der noch vor kurzem von der Opposition als aufrechter Mann gefeierte ehemalige Sonderstaatsanwalt und Bruder des Ermordeten, Mario Ruiz Massieu, steht von Tag zu Tag in schlechterem Licht da. Wegen Devisenvergehen in den USA verhaftet, bevor er sich nach Spanien absetzen konnte, werden immer neue Dollarkonten von ihm in den USA entdeckt. Sie belaufen sich auf mindestens sieben Millionen Dollar. Jetzt wird gesagt, er habe Raul Salinas gedeckt und mit dem Drogenhandel zu tun. Das kann stimmen, genausogut aber die Rache seiner Gegner in der PRI sein. Die Grabenkämpfe der Mächtigen sind auf jeden Fall bestens dafür geeignet, die Vertrauenskrise im Land zu vertiefen.

Die Lage in Chiapas spitzt sich zu – Armee dringt immer tiefer in Zapatisten-Gebiet ein

Von den wirtschafts- und innenpolitischen Turbulenzen überschattet, spitzt sich die Lage im Bundesstaat Chiapas derweil zu. Offiziell wird über Verhandlungen mit den Rebellen geredet, doch still und leise rückt die Bundesarmee immer tiefer in das Gebiet der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) vor. Die regierungsnahe staatliche Menschenrechtskommission hat Aufsehen erregt mit Berichten über Menschenrechtsverletzungen der mexikanischen Armee und Folterungen von angeblichen Zapatisten durch die Polizeikräfte. Berichte über einen möglichen Rückzug der Streitkräfte erwiesen sich stets als trügerisch. Daher weiß niemand, inwieweit die Initiative zu einem „Gesetz für den Dialog, die Versöhnung und den würdigen Frieden in Chiapas“ ernsthafte Bedeutung haben kann. Ursprünglich hatte Präsident Zedillo es als Amnestiegesetz geplant, das die EZLN allerdings nicht direkt nannte und auch nicht die Nationale Vermittlungskommission mit dem Bischof Samuel Ruiz García als Vorsitzendem einbeziehen wollte. Der Entwurf hat mittlerweile zahlreiche Änderungen erfahren. Diese Änderungen berücksichtigen teilweise auch die Stellungnahmen und Einwände der Zapatisten gegenüber dem ersten Entwurf. Die letzte Version wurde vom mexikanischen Senat parteiübergreifend verabschiedet, die Diskussion im Parlament steht noch aus. Das Gesetz könnte ein kleiner Anfang für die Entspannung in Chiapas sein. Mexiko lebt zur Zeit vom Prinzip Hoffnung.

HONDURAS

Umweltschützerin erschossen

Von Thelma Mejía

(Tegucigalpa, 1. März 1995, sem-POONAL).- Am 6. Februar ist die honduranische Umweltschützerin Janeth Kawas von zwei Unbekannten erschossen worden. Kawas überprüfte gerade die Büchführung der Umweltstiftung, der sie vorsaß. Die Tat geschah in Telas, einer der bedeutendsten Städte des Landes an der Atlantikküste.

Janeth Kawas war eine der hartnäckigsten Kämpferinnen für die Erhaltung des Naturschutzgebietes von Punta de Sal. Das Reservat ist 800 Quadratkilometer groß und befindet sich nur 10 Kilometer von der Stadt Telas entfernt. Es gibt dort eine Vielfalt von Meerestieren, Landtieren und eine üppige Pfanzenwelt. Viele Arten sind vom Aussterben bedroht. Das Gebiet gehört zu den wenigen unberührten Landstrichen in Honduras. Zwei Tage vor ihrem Tod hatte Janeth Kawas eine Protestdemonstration angeführt, die sich gegen das Staatsvorhaben richtete, einigen Bauern und Landwirtschaftsunternehmen Eigentumstitel für Landstücke in Punta de Sal zu vergeben.

Auf dem Tiefland an der Atlantikküste befinden sich die größten Bananenplantagen Mittelamerikas. Während der Demonstration hatte die Umweltschützerin gesagt, die von der Regierung begünstigten Gruppen seien an dem Land interessiert, um es danach an ausländische Investoren zu verkaufen, die die Zone ausbeuten wollten. Kawas wurde von Mitgliedern des Nationalen Campesino-Verbandes (UNC) und den Unternehmer*innen der Gesellschaft Hondupalma, die Palmenöl produziert, angegriffen. Sowohl die UNC als auch Hondupalma sollten jeweils 15.000 Hektar Land in Punta de Sal erhalten. Dieser Plan wurde nach dem Tod der Umweltführerin widerrufen. Einige Umweltschützer*innen äußerten, daß „Kawas ihr Leben geben musste, damit die Regierungsentscheidung widerrufen wurde“.

Die Campesinos der UNC und die Leute der Hondupalma leugnen jede Beteiligung an dem Mord. Die Polizei schließt sie als Verdächtige jedoch nicht aus, insbesondere angesichts der vorausgegangenen Konfrontation. Der Tod von Kawas ist die erste Beweisprobe für die gerade geschaffene Zivilpolizei von Honduras, die ihre fähigsten Leute für den Fall abstellte. Die Zivilpolizei gehört der Behörde für Verbrechensforschung (DIC) an und ist die erste ihrer Art im Land. Vorher kontrollierte das Militär diesen Polizeibereich (vgl. frühere POONAL-Ausgaben; die Red.). Der Vize-Direktor der DIC gibt zu, daß es bisher nur „vage Spuren“ in dem Mordfall gibt, hofft jedoch, die Mörder bald ausfindig gemacht zu haben. Der Tod der Umweltschützerin „war ein Ereignis, das die Gesellschaft betroffen gemacht hat“.

Anonyme Morddrohungen

Die 49jährige Janeth Kawas war sich des Risikos ihres Einsatzes bewußt und sprach Wochen vor dem Mord gegenüber Familienangehörigen von ihrem möglichen Tod. „Wir wußten, daß meine Schwester anonyme Todesdrohungen erhielt, seit sie sich vor mehr als fünf Jahren in die Umweltbewegung integrierte. Aber sie gab ihnen (den Drohungen) niemals Bedeutung, weil sie eine mutige Frau war. Sie konnten sie nur zum Schweigen bringen, indem sie sie umbrachten“, sagte ihr Bruder. Zum Begräbnis kamen hunderte von Personen, darunter auch Vertreter*innen internationaler Organisationen. Der honduranische Präsident Carlos Roberto Reina bezeichnete die Täter als „gedungene Meuchelmörder“. Er versicherte das Interesse seiner Regierung, den Fall aufzuklären.

Der Tod von Kawas rief große Reaktionen in der Gesellschaft hervor, weil es das erste Vorkommnis dieser Art ist, seit die Umweltbewegung in den vergangenen drei Jahren an Kraft gewann. Der Fachjournalist Elías Romero nennt den Tod der Umweltschützerin „eine Warnung von mächtigen Leuten, die versuchen, ihre Arbeit zum Verstummen zu bringen“. Der Kampf um das Naturreservat Punta de Sal sei der Beginn eines sich ankündigenden Kampfes für den Schutz der Naturresourcen des Landes. Mit 112.000 Quadratkilometern ist Honduras das zweitgrößte Land Mittelamerikas. 25 Prozent seiner Fläche können für Landwirtschaft und Viehzucht genutzt werden. 66 Prozent sind mit Bergen und Wald bedeckt. Der Rest besteht aus Sumpfgebieten und städtischen Zonen. Mindestens sieben Millionen Hektar Boden in Honduras sind von Kiefern und Mahagoni- Bäumen bedeckt. Doch die Abholzung des Waldbestandes beschleunigt sich. Offizielle Stellen gehen davon aus, daß jedes Jahr 20.000 Hektar Wald verloren gehen. Diese Situation ließ die honduranische Umweltbewegung entstehen. Deren Ziel ist es, die Abholzung zu begrenzen und die Flächen, auf denen sich die 700 vom Aussterben bedrohten Tierarten des Landes konzentrieren, zu Naturschutzgebieten erklären zu lassen. Zu den Gebieten, die am meisten vom Kahlschlag betroffen sind, gehört ein mehr als 160 Kilometer langer Küstenstreifen am Golf von Fonseca im Süden des Landes. Dort sind etwa 61.000 Hektar Feuchtgebiete verloren gegangen, weil die Krabbenzüchter*innen, die Salzindustrie und Siedler*innen die Bäume in den Sümpfen fällten.

Unterdessen ist das Grab von Janeth Kawas zu einer kleinen Pilgerstätte geworden. Täglich kommen Kinder, um Blumen niederzulegen. Ältere Leute beweinen dort ihren Tod. Inzwischen wird vorgeschlagen, den 6. Februar, den Todestag von Kawas, zum Nationalen Umwelttag zu erklären. Die Untersuchung des Verbrechens dauert an.

HAITI

Kein Ende der Gewalt

(Port-au-Prince, Februar 1995, hib-POONAL).- Haiti kommt nicht zur Ruhe. Im ganzen Land begehen haitianische Soldaten und FRAPH-Mitglieder Verbrechen. In einigen Fällen sind die von den USA kontrollierten multinationalen Truppen an Erpressungen beteiligt. Oftmals wissen sie auch von Verbrechen, tuen aber nichts dagegen. Die Verantwortlichen werden in der Regel nicht bestraft, die Gerichte nehmen keine Ermittlungen auf. Die Entwaffnung ehemaliger Soldaten und tausender paramilitärischer FRAPH-Mitglieder ist fehlgeschlagen. Sogar die UNO kritisierte in einem Bericht, der am 22. Februar veröffentlicht wurde, die Entwaffnung und Auflösung paramilitärischer Gruppen sei nicht „nachdrücklich genug“ gewesen.

Entwaffnung und Auflösung paramilitärischer Verbände gescheitert

Beispiele für die Schwäche des Rechtsstaates gibt es mehr als genug. Am 18. Februar entkamen bei einer Gefängnisrevolution im Nationalgefängnis mindestens 16 Häftlinge. Mehrere von ihnen waren Mitarbeiter des Putschregimes. Viele der Gefängnisinnsassen waren erst vor einigen Wochen von den USA übergeben worden. Als Folge des Zwischenfalles entließ die Regierung am 20. Februar 112 Häftlinge, „gegen die nichts vorliegt“. Einer der Entlassenen verlor keine Zeit. Am selben Tag versuchte er, das neue Frauenministerium im ehemaligen Armeehauptquartier in Brand zu setzen. Er konnte jedoch von der Polizei verhaftet werden. Frauenministerin Lise Marie Dejean geht von einem politischen Vorsatz aus. Sie ist überzeugt, daß der Mann „nicht auf eigene Faust vorging… Es gibt starke Leute hinter ihm“.

Im Artibonite-Tal beobachtet die katholische Menschenrechtskommission „Justicia y Paz“ mit wachsender Verzweiflung die fehlende Gerechtigkeit. Vor wenigen Tagen forderte sie die „Säuberung der Übergangspolizei“. Die Kommission beschreibt brutale Überfälle auf Busse, bei denen Menschen ermordert werden. Andere Beispiele zeigen die bestehende Macht der alten Kräfte. In dem Ort Ennery fesselten und prügelten mehrere Leute einen Mann. Die Angreifer stehen der ehemaligen Abgeordneten Rita Moncouer nahe. Moncouer hat eine duvalieristische Vergangenheit und unterstützte den Putsch. Nach monatelangen Forderungen durchsuchten kürzlich die multinationalen Truppen ihr Haus und fanden dort Munition. Mocouer protestierte gegen das Vorgehen und die US-Botschaft bot sofort eine öffentliche Entschuldigung an.

Ein anderer Fall: Mitte Februar sah die Übergangspolizei in dem Ort Marchand Dessalines zu, wie ein bekannter Dieb das Haus eines Krankenhausverwalters betrat und dessen Familie bedrohte. Er nannte einen früheren Soldaten als seinen Chef. Als die Einwohner*innen ihn den Übergangskräften übergeben wollten, lehnten diese ab. Der Dieb konnte entfliehen. Eine wütende Menge griff daraufhin zur Selbstjustiz. Sie fing den Mann und brachte ihn um. In St. Marc wurden ein Vater und sein Sohn nach vier Wochen Haft freigelassen. Die Verhaftung durch haitianische Soldaten hatte den Berichten zufolge eine Nonne arrangiert, die sich das Land der beiden aneignen wollte.

Die Haltung der Besatzungstruppen gibt zu denken. In Hinche kamen schwerbewaffnete US- Soldaten in Begleitung von drei Richtern zum Büro der Bewegung Peyizan Papay (MPP). Sie beschuldigten die Bauernorganisation „Gewalt gegen die Amerikaner zu planen“, so die Darstellung der MPP. Demnach sagten die Soldaten, sobald die Verwicklung eines Mitgiedes der Bewegung in Gewaltakte bekannt werde, würde sie „ohne weiteres Nachdenken“ gegen die MPP vorgehen. Über die FRAPH, die Macoutes oder Attaches hätten die Soldaten nach eigenen Angaben nichts Negatives herausgefunden, so die MPP. Das Kommando der US-Spezialkräfte wollte von dem Vorfall nichts wissen. Es versicherte, „mit keiner politischen Gruppe“ etwas zu tun zu haben und zu „versuchen, bei der Demokratisierung zu helfen und ein sicheres und stabiles Klima aufrecht zu erhalten“. Bei einer anderen Gelegenheit verhafteten argentinische Soldaten zwei Journalisten und hielten sie drei Tage lang fest.

Regierung ruft zum Selbstschutz auf

Eine Gruppe früherer „kleiner Soldaten“ klagte die Gewalt und das Scheitern der Entwaffnung an. Die Gruppe wird von der ehemaligen Unteroffizier Edourd Guerrier geleitet. Die Mitglieder desertierten, als der Putsch geschah. Sie berichtete über mehrere Banden, die von Attaches wie „Gwo Fanfan“ angeführt werden, der von der UNO als Haupttäter für den Mord an dem Poltiker und Geschäftsman Antoine Izmery angeklagt wird. Die Gruppe von Guerrier fordert die Absetzung aller höheren Offiziere. Die Ablösung von Verteidigungsminister Rene Prosper durch General Mondesir Beaubrun und weitere Armee-Entlassungen hoher Offiziere waren ein Schritt in die richtige Richtung. Andererseits befanden sich unter den Betroffenen auch Personen wie der Brigade-General Pierre Cherubin, die loyal gegenüber der Regierung waren und von US- Funktionären wiederholt über die Presse angegriffen worden waren. Die Entlassungen könnten auch Teil eines jetzt offenliegenden Konfliktes zwischen der haitianischen und der US-Regierung über bestimmte Aspekte der neuen Polizeikräfte sein. Die Washington Post berichtet über einen jüngst von Jean-Bertrand Aristide gemachten Versuch, zusätzliche Leute für die neue Polizei zu rekrutieren. Anthony Lake, der nationale Sicherheitsbeauftragte der USA, habe dies mit einem Blitzbesuch verhindert. Die Regierung hat inzwischen die Menschen wiederholt aufgefordert, sich selbst zu schützen und eigene Wachkomitees in den Stadtvierteln aufzustellen.

Jura-Student*innen forden Staatsintervention

(Port-au-Prince, 25. Februar 1995, hib-POONAL).- 250 Jura-Student*innen der Rechtsschule von Cap-Haitien verlangen die volle Integration ihrer Institution in die staatliche Universität Haitis. „Der Staat soll seine Verantwortung übernehmen. Die Dozent*innen betrachten die Fakultät als ihr Privateigentum“, so ein Mitglied der studentischen Kommission gegenüber der Presse. Die Rechtsschule ist eine der ältesten Institutionen des höheren Bildungswesens auf Haiti. Verschiedene Dekrete verbinden sie eng mit der staatlichen Universität. Letztere hat ein Überwachungsrecht und überprüft die Diplome. Der genaue Status der Rechtsschule ist jedoch unklar. Als die Fakultät im Oktober 1994 neu eröffnet wurde, wollten die Student*innen das Thema wieder auf den Tisch bringen. Doch der Direktor Dean Charles Manigat verweigerte eine Diskussion. Stattdessen verlangte er als Antwort eine Einschreibgebühr von 1.950 Gourdes. Die Student*innen zahlten nicht und Manigat schloß die Rechtsschule. Die Kommission der Student*innen ging in die Hauptstadt, um dort ihren Fall vorzutragen. Doch das Universitätsrektorat will nicht intervenieren. Obwohl die Verbindungen zur staatlichen Uni offensichtlich sind, meinte der Rektoratsvertreter Professor Michel Hektor, die Rechtsschule sei eine private Institution.

GUATEMALA

Regierung und Guerilla nehmen Verhandlungen wieder auf

(Guatemala-Stadt, 9. März 1995, cerigua-POONAL).- Die Vereinten Nationen haben die guatemaltekische Regierung und die Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas (URNG) dazu aufgerufen, ab Montag, dem 13. März, ihre seit Oktober vergangenen Jahres abgebrochenen Verhandlungen wiederaufzunehmen. Beide Seiten schicken zu diesem Zweck kleine Delegationen nach Mexiko-Stadt. Dort wird noch nicht inhaltlich diskutiert, sondern die weitere Verfahrensweise abgeklärt. Für die Regierungsseite nehmen zwei Generäle an den Gesprächen teil. Das erste Diskussionsthema wird eine Vereinbarung über die guatemaltekische Indígena-Bevölkerung betreffen. Die UNO hat dazu einen Vorschlag vorgelegt. Im Vorfeld wurde bekannt, daß die Regierung auf keinen Fall einen Autonomie-Status für die Indígenas akzeptieren wird, wie dies die Guerilla fordert.

Deutscher soll archäologische Funde geschmuggelt haben

(Guatemala-Stadt, 9. März 1995, cerigua-POONAL).- Die guatemaltekische Finanzpolizei hat in dem Haus des deutschen Staatsbürgers Peter Pleuss 256 archäologische Fundstücke beschlagnahmte. Sie klagt ihn des illegalen Handels an. Pleuss wohnt in der Provinz Sacatepéquez nahe des Ortes Santa Lucía Milpas Altas. Den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge widersetzte sich der Deutsche zuerst einer Hausdurchsuchung. Er versicherte den Behördern, er sei ein Bekannter des Präsidenten Ramiro de León Carpio und ein international bekannter Künstler. Während der Durchsuchung soll ein hoher Funktionär der deutschen Botschaft zum Wohnsitz von Pleuss gekommen sein und die Staatsanwaltschaft gebeten haben, den Medien nichts uber die Herkunft der gefundenen Stücke mitzuteilen. Den Deutschen erwartet vorerst das Gefängnis in der Provinzhauptstadt Antigua Guatemala, wo vorraussichtlich auch ein Prozeß gegen ihn eröffnet wird.

Ehemaliger Vizepräsident aus Exil zurück

(Guatemala-Stadt, 9. März 1995, cerigua-POONAL).- Gustavo Espina, der Ex-Vizepräsident unter Jorge Serrano, stellte sich nach 21 Monaten im selbstgewählten Exil in Costa Rica, den guatemaltekischen Behörden. Diese haben ihn wegen seiner Beteiligung am gescheiterten Autogolpe (Eigenputsch) von Jorge Serrano im Mai 1993 angeklagt. Der 48jährige Espina erklärte bei seiner Ankunft in Guatemala, er wollte den Behörden seine Situation „klarmachen“. Er habe Vertrauen in das Justizwesen. Rechtsexpert*innen gehen davon aus, daß es zu keiner Verurteilung des Rückkehrers kommt. Er kann sich den Bestimmungen einer Verfassungsänderung unterwerfen, die nach dem gescheiterten Putschversuch verabschiedet wurde und einem Amnestiegesetz gleichkommt. Gustavo Espina hatte den Staatsstreich unterstützt und danach versucht, vom guatemaltekischen Parlament selber als Präsident anerkannt zu werden. Nun gab er an, viel von der Demokratie in Costa Rica gelernt zu haben.

BRASILIEN

Kleinbauern verarmen im gemeinsamen Markt MERCOSUL

(Rio de Janeiro, März 1995, ibase-POONAL).- Der gemeinsame südamerikanische Binnenmarkt MERCOSUL vernachlässigt die Interessen der Kleinbäuer*innen und könnte zu einer Beschleunigung der Verarmung der Landbevölkerung führen, meint Jacques Chonchol, ehemaliger chilenischer Landwirtschaftsminister (1970-1973) und Wissenschaftler des Lateinamerikainstituts der Universität Paris. Obwohl die Summe der jährlichen landwirtschaftliche Exporte der lateinamerikanischen Länder seit den 70er Jahren von 7 Milliarden US-Dollar auf inzwischen 30 Milliarden US-Dollar angestiegen ist, erhöhte sich der Anteil der verarmten Menschen auf dem Land von 56 auf 61 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen die ungleiche Einkommensverteilung und erklären die sozialen Spannungen in den ländlichen Regionen.

Chonchol vergleicht diese Entwicklung mit der zwischen 1850 und 1930, als die Grundbesitzstrukturen die Kumulation von Reichtümern in wenigen Händen ermöglicht hatten. Nun schaffe man im MERCOSUL die Grenzen ab, ohne daß damit ein gemeinsames politisches Konzept der landwirtschaftlichen Entwicklung einherginge. So zwinge die Konkurrenzsituation die einzelnen Länder, alle diejenigen Rechte für Landarbeiter abzuschaffen, die es in einem Nachbarland nicht gibt.

Mindestlohn zu niedrig

(Rio de Janeiro, März 1995, ibase-POONAL).- Der von der DIEESE auf Basis des Grundwarenkorbes in Sao Paulo errechnete notwendige Mindestlohn für eine Familie mit zwei Kindern müßte im Januar bei 723,82 Real gelegen haben. Das ist 8,52 mal mehr als der tatsächliche Mindestlohn von 70 Real plus Familienzuschlag von 15 Real. Der brasilianische Präsident Fernando Henrique Cardoso hatte jüngst eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 100 Real abgelehnt.

Multinationale Firmen unter Verdacht des Steuerbetrugs

(Rio de Janeiro, März 1995, ibase-POONAL).- Die brasilianische Zentralbank verdächtigt zahlreiche ausländische Unternehmen, die in Brasilien tätig sind, der Steuerhinterziehung. Aus einem Dokument der Notenbank geht hervor, daß ein beträchtlicher Teil der multinationalen Firmen kaum oder gar keinen Gewinn ins Ausland transferieren. In einem Bericht wurden die Daten von 136 Unternehmen für den Zeitraum von 1989 bis 1993 untersucht. Nicht weniger als 30 Firmen (alle mit mehr als 50 Millionen US-Dollar registierter ausländischer Investitionen im Jahr), gaben an, im gesamten Zeitraum keinen Gewinn erzielt zu haben. Das bedeutet, sie hatten entweder Verluste erlitten oder den Gewinn reinvestiert. Über die Reinvestitionen liegen der Zentralbank keine Informationen vor. Wegen der hohen Abgaben auf die Gewinne (25%) und Rückflüsse ins Ausland (15%) vermutet die Zentralbank Steuerhinterziehung. „Die exzessive Rentabilität im Vergleich mit anderen brasilianischen Unternehmen, die im gleichen Bereich tätig sind, ist ein Ausdruck dieser Unregelmäßigkeiten. „Weiterhin sind die Rückflüsse ausländischen Kapitals in Anbetracht der als „annehmbar“ bezeichneten Rentabilität auf dem brasilianischen Markt nicht kompatibel. Der Nationalkongreß soll aufgrund erarbeiteter Vorschläge nun ein Gestzespacket zur stärkeren Überprüfung multinational agierender Firmen beschließen. Besonders der beliebteste Mechanismus, die Überbewertung ex- oder importierter Waren innerhalb der multinational agierenden Firma, soll damit unterbunden werden.

Brasiliens Arbeiterpartei PT wurde fünfzehn Jahre alt

(Rio de Janeiro, März 1995, ibase-POONAL).- Mit importiertem, süßlichem Rheinhessenwein „Liebfraumilch“ und Käsehäppchen eröffnete die Partido dos Trabalhadores, PT, die offiziellen Feierlichkeiten zu ihrem 15-jährigen Bestehen. Alle waren gekommen: Petisten der ersten Stunde, Miltantes ebenso wie die neugewählten Abgeordneten sowie die PT-Gouverneure aus Brasilia und Espirito Santo. Delegationen aus den anderen lateinamerikanischen Staaten ebenso angereist, den größten Beifall erhielten die Vertreter Kubas. Gegenüber ihrer Anfangszeit gab es äußerlich sichtbare Veränderungen: Anzug und Krawatte dominierten, drei Aktivisten der der Landlosenbewegung, welche sich die Fahne der Bewegung umgehängt hatten, kamen fremdartig vor, die Basis war in der Minderheit.

Nach einem Videofilm über die Entstehung und Entwicklung der PT erheilt der Vorsitzende der Arbeiterpartei, Lula, das Wort. Gut aufgelegt gab er einen Rückblick über die vergangengen 15 Jahre, verwies auf die anwesenden PT-Veteranen und deren Bedeutung und hob die Präferenz der Arbeiterklasse hervor. Die bestehenden Auseinandersetzungen innerhalb der Partei kamen nur kurz zur Sprache, betonte stattdessen, daß es unverzichtbare Gemeinsamkeiten aller Petisten gäbe: „Wir verteidigten und verteidigen die Interessen der Unterdrückten, wir helfen denen, die nichts zu essen haben, wir streiten für medizinische Versorgung, für besseren Lohn, gerechtere Einkommensverteilung, Verteidigung von Minderheiten – ist dies etwas schlechtes? In diesem Sinne sind wir radikal.

Die Arbeiterschaft muß immer Vorrang haben

Im Verlauf seiner Rede warnte er mehrmals davor, die Fehler der anderen Parteien zu wiederholen, betonte, daß es wichtig sei,“am Volk zu bleiben, nicht nur in Wahlzeiten sich bei den Leuten sehen zu lassen.“ An die Mitglieder seiner Partei appellierte er „nie aufzuhören, eine gerechtere, brüderliche und solidarische Gesellschaft zu fordern. Wir sind eine Partei, die aus Leuten mit Überzeugung besteht. Dies heißt nicht, daß wir die alleinige Wahrheit verkörpern. Diesen Anspruch hatten wir nie. Aber unsere Partei darf nie aufhören, die brasilianische Arbeiterschaft als Präferenz zu betrachten. Auch die Solidarität mit den anderen Linksparteien Lateinamerikas darf die PT niemals aufgeben.“ Einen konkreten Schritt unternahm die PT 1990: seit dieser Zeit treffen sich immer wieder die Vertreter der Linken zu einem Meinungsaustausch, zu dem Versuch, die vielfältigen, verschiedenen Sichtweisen einander – wenn möglich- anzugleichen.

Auf die innerhalb der PT stattfindenen Sozialismus-Diskussion geht er an diesem Tag nur kurz ein: „Ich bin kein orthodoxer Sozialist – die PT hat von Anfang an das System der Einheitspartei, das Fehlen gewerkschaftlicher und kultureller Freiheiten abgelehnt.“ In den 15 Jahren seit Bestehen hat sich die PT gewandelt. Die Anziehungskraft der Anfangszeit ist vorbei.

1980 Petista zu sein bedeutete nicht nur gegen das Militärregime einzutreten sondern sich ebenso für einen beschleunigten, radikalen Demokratisierungsprozeß einzusetzen. Im Gegensatz stand damals die eher sozialdemokratisch ausgerichtete PMDB, welche auf einen langsamen Übergang setzte. Ebenfalls attraktiv war die Tatsache, daß mit der PT eine Linkspartei entstand, die sich von Ideen der orthodoxen Linken von Beginn an abgrenzte, eine Neudefinition von Sozialismus erwarten ließ. Eine Linkspartei, die allerdings von Beginn an gerade mit dieser Rolle Schwierigkeiten hatte. Die Anhängerschaft kam aus dem Intellektuellenmilieu, aber auch aus der Arbeiterschaft, die sich für eine neue gewerkschaftliche Organisation engagierte.

Demokratisierungsprozeß der PT förderte die Flügelkämpfe in der Partei

Seit diesen Anfangszeiten hat sich viel verändert. Der Staat selbst hat sich gewandelt. Der Demokratisierungsprozeß schritt voran, bewirkte, daß die PT gezwungen wurde, bei Wahlen sich als Alternative zu präsentieren. So paradox es klingt: die Demokratisierung schuf neue Probleme für die PT. Anfangs sprach sie von ihrem Ziel die verschiedenen sozialen Gruppierungen „setores populares“ zu organisieren. Pädagogische Arbeit, Stadtteilarbeit-, die Entstehung von Stadtteilvereinigungen waren angesagt. Hierzu blieb kaum Zeit: der politische Wandel erforderte auch das Aufstellen von Kandidaten: Präfekten, Gouverneure, Präsidentschaftkandidat waren zu wählen. So kam die PT schneller als sie selbst erwartet hatte in die Rolle, zwei Richtungen gerecht werden zu müssen: einerseits an der Basis mit Randgruppen zu arbeiten, andererseits Intellektuelle, gut geschulte Gewerkschaftsleute, Staatsangestellte für sich zu gewinnen um die Partei im politischen Machtgefüge zu vertreten. Dies führte gerade in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Entfremdung mit der Basis, der eigentlichen Zielgruppe. Die Arbeit in den Stadtteilen wurde zugunsten des Aufbaus eines poitischen Apparats vernachlässigt, das Ergebnis war u.a. die Wahl des reaktionären Präfekten Maluf in Sao Paulo, die Mehrzahl der „Miseraveis“ wählten ihn.

Die PT hat diese Vernachlässigung inzwischen erkannt. Lula, dem bei den augenblicklichlichen Richtungskämpfen eine Vermittlerrolle zukommt, hat auch diese Aufgabe anzugehen: es gilt sowohl den Ursprung wieder zu entdecken, zugleich aber die Anhänger aus der Mittelschicht nicht zu verschrecken und den internen Auseinandersetzungen ein Ende zu bereiten. Lula sieht seine augenblickliche Aufgabe vor allem darin, die verschiedenen Tendenzen innerhalb der PT zu vereinigen, ein zermürbendes Gegeneinander zu verhindern.

PT fünftstärkste Partei im Kongreß

„In ganz Brasilien treffe ich immer wieder auf Leute, die fordern, daß mit den internen Auseinandersetzungen Schluß sein muß. Ich selbst habe keine Geduld mehr an sinnlosen Besprechungen teilzunehmen, ich werde versuchen die anderen companheiros entsprechend zu überzeugen.“ Lula selbst sieht die PT in einer schwierigen Situation. Was fehle sei „das Definieren neuer Utopien“ aber auch das Eingeständnis daß „die Menschen nicht gleich sind“. Ein weiteres Problem sieht er darin, daß die „PT nie Mut hatte einen demokratischen Sozialismus“ zu definieren. Die Verteidigung von Staatsunternehmen sei zu wenig. „Viele der Rechten treten ebenfalls für den Erhalt staatlicher Unternehmen ein“. So ist die aus der Gewerkschaftsarbeit entstandene PT Anfang 1995 in einer schwierigen, aber nicht aussichtslosen Situation. Gegenüber allen anderen Parteien hat sie den Vorteil in dieser kurzen Zeit einen gut organisierten Parteiapparat aufgebaut zu haben, zugleich ist es ihr gelungen, im Parteiensystem fest verankert zu sein (sie ist im Kongreß die 5.stärkste Partei, stellt sowohl Präfekten als auch Gouverneure). Was, und dies scheint die Partei erkannt zu haben, fehlt, ist ein klares politsches Profil, die Erarbeitung realistischer Alternativen und die Wiederaufnahme bzw. die Verstärkung der Basisarbeit.

CHILE

Quecksilber gefährdet Schwangere

(Santiago de Chile, März 1995, fempress-POONAL).- Die Küstenbewohner*innen im Süden Chiles sind stärker als andere Landesbewohner*innen durch Quecksilber gefährdet. Dies entdeckten Wissenschaftler*innen der pharmazeutischen Fakultät der Universität von Concepción. Sie fanden im Haar von schwangeren Frauen in der Region hohe Quecksilberkonzentrationen. Eine Erklärung liegt in der Verseuchung des Wassers in der Region. Jahrelang leiteten zwei Chlorsalze produzierende Unternehmen ihre Abwässer in Flußmündungen, Buchten und in den Bío-Bío Fluß, den breitesten und längsten des Landes. Das Abwasser enthielt Quecksilber, das beim Produktionsprozeß verwendet wurde. In den elf untersuchten Fischerorten der Zone hat die Bevölkerung einen hohen Konsum an Fischen und Meeresfrüchten, die den Giftstoff aufnehmen. Die Menschen sind daher dem Quecksilber und dem besonders gefährlichen Methyl-Quecksilber verstärkt ausgesetzt. Methyl-Quecksilber ist eine organische Verbindung und dringt bis in das menschliche Gehirn ein. Es zerstört die Nervenzellen. Die Wissenschaftler*innen wollen nun untersuchen, ob die erhöhten Quecksilberwerte der Mütter auch bei den Neugeborenen zu finden sind und sich auf deren Gesundheitszustand auswirken.

KOLUMBIEN

Militärdienst für Frauen nur freiwillig

(Bogota, März 1995, fempress-POONAL).- Das kolumbianische Verfassungsgericht erklärte den Militärdienst für Frauen für freiwillig. Er könne nur dann verpflichtend sein, wenn die Umstände des Landes dies erforderten oder die Regierung es bestimme. Zudem könnten Frauen den Militärdienst nur in Bereichen ableisten, die logistische, verwaltungstechnische, soziale, kulturelle und umwelttechnische Aufgaben umfassen. Dazu kommen Aufgaben für die Modernisierung und Verteidigung des Landes. Diese Aufgabenunterscheidung nach Geschlechtern verletzt nach Auffassung des Gerichtes nicht die Gleichberechtigung.

VENEZUELA

Die Krise macht es möglich – Volksmedizin wird neu bewertet

Von Giovanna Merola

(Caracas, März 1995, fempress-POONAL).- Die Volksmedizin, im wesentlichen naturverbunden, wird von Generation zu Generation, von Mund zu Mund übertragen. Sie gewinnt in den Gesellschaften zusehens wieder an Bedeutung. Mehrheitlich liegt sie in den Händen der Frauen. Sie kann Probleme lösen, wo das Geld knapp ist und Krankheiten deswegen von der institutionellen Medizin der Länder nicht behandelt werden. Zu den wichtigsten Aspekten der Volksmedizin gehören die Heilpflanzen. In Venezuela werden sie seit Beginn der schweren Krise mit ihren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Elementen, verstärkt benutzt.

Dies haben auch Behörden auf landesweiter Ebene bemerkt. Darunter befindet sich das Ministerium für Umwelt und Naturressourcen (MARNR). Dieses hat ein Programm entwickelt, das unter anderem die ökologische Produktion und die Vermarktung von Heilpflanzen beinhaltet. Beteiligt sind inzwischen auch die Ministerien für Gesundheit, Landwirtschaft und Bildung. Die Absicht ist, die Menschen in den Gemeinden auszubilden, damit sie den Boden ihrer Grundstücke nutzen und dort kleine Nutzgärten mit Heilpflanzen anlegen. Es ist vor allem an Pflanzen gedacht, die bei gewöhnlichen Krankheiten helfen können. Gleichzeitig sollen Aroma- und Gewürzpflanzen angelegt werden. Über kleine Unternehmen sollen die Produkte vermarktet werden. Ein anderer Aspekt des Programmes ist Wiederverwertung organischer Abfälle durch die Anlegung von Komposthaufen. In sechs Gemeinden läuft bisher ein Pilotprojekt.

ARGENTINIEN

Chancen für Wiederwahl von Präsident Menem stehen gut

(Mexiko-Stadt, 13. März 1995, POONAL).- Der argentinische Präsident Carlos Menem ist davon überzeugt, daß sein Land die derzeitige Wirtschaftskrise besser als Mexiko überstehen wird. Er begründete dies mit einer festen politischen Führung, während es Mexiko an einer „kohärenten“ Politik fehle. Menem zeigte sich auch überzeugt, Ende dieser Woche die Ergebnisse der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über einen neuen Kredit von 2,5 Milliarden Dollar präsentieren zu können.

Trotz der wirtschaftlichen Probleme in den vergangenen Wochen, nähert sich der amtierende Präsident seiner Wiederwahl bei den allgemeinen Wahlen vom 14. Mai. Jüngste Umfragen zeigen ihn mit 40 Prozent der Stimmen weit vor José Bordón, dem Kandidaten der Mitte-Links-Koalition „Bündnis für ein solidarisches Land“ und vor Horacío Massaccesi von der ehemaligen Regierungspartei Radikale Bürgerunion. Mit 45 Prozent der Stimmen wäre Menem bereits im ersten Wahlgang gewählt. Bei 40 Prozent der Stimmen müßte er mindestens zehn Prozent Vorsprung vor dem Zweitplazierten Kandidaten haben, um eine Stichwahl zu verhindern. Sein Wahlkampf basiert auf dem Thema Wirtschaftsstabilität und der Parität (Eins zu Eins) des argentinischen Pesos gegenüber dem Dollar. Eine mögliche Abwertung der einheimischen Währung hat Menem bisher heftig dementiert. Viele Argentinier*innen sind mit dem vor kurzem verkündeten drastischen Anpassungsprogramm der Regierung nicht einverstanden. Doch scheint bei ihnen die Angst vorzuherrschen, ein Regierungswechsel könne wie in der Vergangenheit zu einer Hyperinflation führen. Da die Mehrheit von ihnen verschuldet ist, würde sie dies wegen der Zinserhöhungen härter treffen, als höhere Steuern und weniger staatliche Dienstleistungen.

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 184 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert