Poonal Nr. 121

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 121 vom 29.11.1993

Inhalt


DOMINIKANISCHE REPUBLIK

KUBA

VENEZUELA

CHILE

ECUADOR

GUATEMALA


DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Bildungssystem erholt sich nach Infarkt

– Von Olga Cedeña

(Santo Domingo, November 1993, SEM-POONAL).- Der neunjährige Pedro hält die Hand seiner Mutter fest umklammert. Seit Stunden stehen sie in einer langen Schlange, um Pedro für das Schuljahr 1993/94 einzuschreiben. Die Sonne brennt unerbittlich. „Sie sagten, daß die Kinder Frühstück und Bücher bekommen“, erklärt sie Servicio de Noticias de la Mujer (Nachrichtendienst der Frau, SEM). Endlich sind sie an der Reihe, doch es gibt Probleme. Die Mutter spricht und diskutiert heftig, damit ihr Sohn in die Schule aufgenommen wird – doch ohne Erfolg.

Das letzte Jahr ging der kleine Pedro mit seinen Geschwistern in die Schule des Stadtviertels Capotillo (Elendsviertel im Norden der Stadt). In zwei verwahrlosten alten Holzhäusern waren die Grundschule und die weiterführende Schule einquartiert, in diesem Jahr wurden die beiden Schulen jedoch geschlossen.

„Mit Pedrito ist es hart“, sagt die Mutter. Sie hat schon den Stoff für die Schuluniformen gekauft. Zwei ihrer Kinder wurden auch in die Schule aufgenommen, Pedro indes wurde abgelehnt. „Ich hatte gehofft, sie würden alle unter die Quote fallen“, sagt sie enttäuscht.

Im September begann in den 6.800 Schulen der Dominikanischen Republik das neue Schuljahr. In den achtziger Jahren war das Schulsystem unter dem Druck der wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen und angesichts der Privatisierung der Basisdienstleistungen auf der Karibikinsel nahezu zusammengebrochen. Doch nun will der Staat wieder mehr für die Schulbildung tun. „Wir sind darauf vorbereitet, zwei Millionen Schüler*innen aufzunehmen“, sagt die Erziehungsministerin Jacquelín Malagón in einem Interview mit SEM. Sie könne die genaue Zahl der Schüler*innen, die sich dieses Jahr eingeschrieben haben, noch nicht nennen. „Aber die Schulen sind überfüllt und die Eltern bestehen darauf, daß ihre Kinder aufgenommen werden. Sie haben neues Vertrauen in die öffentliche dominikanischen Schulen gewonnen. Es gibt Eltern, die ihre Kinder von den Privatschulen nehmen und in einer staatlichen Schule anmelden wollen“, sagt die Ministerin.

176 Millionen Dollar für Bildung und Erzeihung

Dieses Jahr hat die dominikanische Regierung 2.200 Millionen Pesos (176 Millionen US-Dollar) für das Bildungssystem ausgegeben. Außerdem hat sie weitere außerplanmäßige Haushaltsmittel für die Änderung der Studienpläne, Schulbücher, die Bezahlung der Schulbuchautor*innen, die Ausweitung des Schulfrühstücks und einen Notfond für kleine Reparaturen in den Schulen bereitgestellt. Das Geld ist allerdings auch dringend notwendig, denn in den vergangenen Jahren wurde der Schuletat rigoros zusammengestrichen. 1980 gab der Staat lediglich 10,4 Millionen US-Dollar für das Bildungssystem aus, 1990 waren es 40 Millionen US-Dollar.

Jahrzehntelang wurde das Schulsystem auf der Dominikanischen Republik vernachlässigt. Der Anteil der Staatsausgaben für Erziehung und Bildung sank Jahr für Jahr. Im internationalen Vergleich sackte die Karibikinsel auf den letzten Platz: Kein Land in Lateinamerika gibt einen so geringen Teil des Staatsbudgets für Schulen und Universitäten aus. 1970 wurden in der Dominikanischen Republik zwischen 15 und 20 Prozent des Haushaltes in das Erziehungs- und Bildungssystem investiert. Ein Jahrzehnt später sank der Anteil auf 10 bis 15 Prozent. 1990 lag der Wert unter 10 Prozent. Während des fortschreitenden Niedergangs der öffentlichen Schulen, vor allem der Grundschulen, sind die privatem Erziehungszentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Diese fordern jedoch hohe Schulgebühren, was die Verarmung großer Bevölkerungsschichten noch beschleunigt hat. Nach offiziellen Angaben gehen 60 Prozent der Kinder in private Vorschulen, 20 Prozent in private Grundschulen und 30 Prozent in private weiterführenden Schulen ab.

Regierungsberater: Es gab einen Infarkt des Erziehungssystems

Julissa de Martínez, eine junge Rechtsanwältin, deren zwei Kinder in eine private Schule der Mittelklasse gehen, klagt über die hohen Gebühren, die Jahr für Jahr angehoben werden. „Dieses Schuljahr ist die monatliche Gebühr für mein dreihjähriges Kind von 600 auf 800 Pesos (von 48 auf 64 US-Dollar) gestiegen. Für die siebenjährige im zweiten Schuljahr von 550 auf 700 Pesos (von 44 auf 56 US-Dollar). Dafür, daß sie nach Hause gebracht werden, bezahle ich 600 Pesos (48 US-Dollar). Das ist insgesamt mehr als der Mindestlohn von zwei Arbeiter*innen.“ Zur Zeit beträgt der Mindestlohn nach offiziellen Angaben 63 US-Dollar im öffentlichen Sektor und 116 US-Dollar im Privatsektor.

„Das Erziehungsministerium kann oder will keine Mechanismen schaffen, die die Gefräßigkeit dieser Privatschulen begrenzt. Darum verarmen wir Berufstätigen jeden Tag mehr. Und niemand wird Vertrauen in die staatlichen Schulen gewinnen, wenn die Regierung weiterhin so unsensibel in Fragen der Bildungs- und Erziehungspolitik ist“, meint Julissa.

Nachdem die Dominikanische LehrerInnenvereinigung (ADP) einen viermonaten Streik durchführte, brach 1991 das ganze dominikanische Schulsystem zusammen. In den Jahren zuvor gab es bereits zahlreiche regionale und nationale Arbeitsniederlegungen. Die Froderungen waren stets dieselben: Lohnerhöhungen für die Lehrer*innen, eine bessere Versorgung mit Lehrmaterialien, angemessene Einrichtungen und einen größeren Etat für die Erziehung. Die Streiks, so versichert der Führer der ADP, Melanio Paredes, führten dazu, daß die ganze dominikanische Gesellschaft den Blick auf die öffentliche Erziehung und die Realität der Lehrer*innen und Schüler*innen richtete. Auch die Medien rückten das Problem erstmals in den Mittelpunkt.

„Aber wir sind noch auf einem sehr niedrigen Niveau, es gibt viele Schulen in beklagenswertem Zustand, besonders im Landesinnern. Ich habe dort Schulen gesehen, in denen für 35 Schüler*innen nur zwei Tische vorhanden waren. Die anderen Schüler*innen mußten sich auf Steine setzen.“ Auch der Costaricaner Lorenzo Guadamuz, Bildungsexperte des UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP) und Berater des Ministeriums für Erziehung, Kunst und Kulte (SEEBAC), malt ein düsteres Bild: „Ich denke, daß es in der Dominikanischen Republik einen Infarkt des Erziehungssystems gab.“

Sieben von zehn Dominikaner*innen leben in Armut

Die Bildungskrise war ein Ergebnis der „enormen Abwanderung der Lehrer*innen. Sie hatten keine Hoffnung und sahen keine Zukunft“. Die Schüler hatten keine Lust, zur Schule zu gehen.“ Was jedoch nicht sonderlich tragisch war, denn „der Unterricht war so schlecht, daß sie meiner Meinung nach auf den Straßen mehr lernten als in der Schule. Vielleicht war es diese Situation, die den Zehnjahresplan für die Erziehung erzeugte. Er hat dem Land, den Lehrer*innen, den Schüler*innen und den Eltern das Vertrauen zurückgegeben, daß es möglich ist, eine öffentliche Schule mit Qualität zu finden“, sagt Guadamuz voller Optimismus.

Der zehnjährige Erziehungsplan ist eine nationale Anstrengung, „denn zum ersten Mal in der Geschichte des Landes sind alle politischen und religiösen Gruppen übereingekommen, einen Erziehungsplan zu schaffen, in dem die Hoffnungen des dominikanischen Volkes für das nächste Jahrhundert liegen“, meint die Erziehungsministerin. Ein dreistufiges Schulsystem soll entstehen mit Vorschulen, Grundschulen und weiterführenden Schulen. Dies erlaube, daß im Jahr 2000 alle Kinder zwischen fünf und 15 Jahren die Schule besuchen könnten. Sowohl der Schulbesuch wie auch die Bücher und das Frühstück sollen umsonst sein.

Paredes, der auch Abgeordneter der sich in der Opposition befindenden Partei der Dominikanischen Befreiung ist, erklärt: „Wenn es keine Nahrungsmittel gibt, sinkt die Anwesenheit der Kinder in der Schule sehr rasch, sie gehen nicht hin. Wenn sieben von zehn Dominikaner*innen in Armut leben, muß man garantieren, daß sie Frühstuck, Mittag- oder Abendessen bekommen. Nur so können wir daran denken, daß die hohen Raten der Schulabgänge, der Abwesenheit und der Klassenwiederholung gesenkt werden. Sonst sind wir Prediger in der Wüste“, so der Führer der ADP.

Nach Daten des Erziehungsministeriums verlassen von den in den öffentlichen Schulen eingeschriebenen Schüler*innen – die mehrheitlich aus Familien mit niedrigen Einkommen kommen – 33 Prozent die Schule im ersten Jahr. Von den verbleibenden 67 Prozent beenden nur 22 Prozent die Schule nach 13 Jahren. Nur 6 Prozent wiederholen keine Klassen. Für die Unterstützung des Zehnjahresplanes erhielt die Dominikanische Republik während eines Treffens mit den reichen Ländern und multilateralen Organisationen in Paris 70 Millionen US-Dollar an Spenden und Kredite über 65 Millionen US-Dollar.

240 Millionen Dollar für Reparaturen an Schulen notwendig

Die wirtschaftlichen Bedürfnisse sind jedoch groß. „Man muß die Schulen dieses Landes praktisch neu errichten“, sagt der UNO- Experte Guadamuz. 20 Jahre lang wurden die Schulen, die Stromanlagen und die sanitären Einrichtungen nicht gewartet. Die Verwahrlosung der Gebäude ist so stark, daß viele Millionen erforderlich sind.“ Guadamuz fügt hinzu, daß jede kleine Reparatur einer Schule mit mehr als 1.000 Schüler*innen schnell eine Million Pesos (80.000 US-Dollar) kosten kann. Andere Funktionäre im Erziehungsminsterium schätzen, daß für die Reparaturen der Schulgebäude 3.000 Millionen Pesos (240 Millionen US-Dollar) nötig sind).

Paredes seinerseits klagt einen besonderen Widersinn der dominikanischen Schulpolitik an: In schwach besiedelten Regionen wurden zuweilen luxuriöse Schulpaläste errichtet. In Gebieten mit großer Bevölkerungsdichte gibt es dagegen oft überhaupt keine öffentliche Schule. „In Capatillo mußten die Schüler*innen aus den Häusern, in denen Grundschule und weiterführende Schule funktionierten, heraus, weil die Eigentümer die Zahlung der Miete forderten.“ Guadamuz bestätigt, daß das Problem darin besteht, daß es Schulen dort gibt, wo sie nicht nötig sind. „Wir haben große Probleme. Es gibt viele unbelegte Schulgebäude, weil sie in Gemeinden liegen, in denen es nicht genügend Kinder gibt. Ich glaube, wir sind nicht gut vorbereitet.“

25 Prozent der Bevölkerung sind Analphabet*innen

In der Dominikanischen Republik liegt nach Daten des SEEBAC der absolute Analphabetismus bei 25 Prozent, der sogenannte funktionale Analphabetismus (weil Lesen und Schreiben nicht geübt wird) bei 50 Prozent. „Wir sagen nicht, daß wir den Analphabetismus auslöschen werden, wir werden ihn reduzieren. Wir sind auf dem Weg. Wenn der Staat und das Erziehungsministerium ihre Verpflichtungen erfüllen, können wir in wenigen Jahren das in den vergangenen Jahren Verlorene wiedergewinnen“, führt Guadamuz mit Optimismus aus. Mit seiner Anwesenheit im Land zeigt er, daß die Erziehung ein Problem aller Lateinamerikaner*innen ist – und auch eine Investition für die Völker.

KUBA

Jahresbilanz: Veränderungen, um die Kontinuität zu sichern

– Von Jose Dos Santos

(Havanna, 25. November 1993, Prensa Latina-POONAL).- Wenn man wichtige historische Ereignisse mit genauen Daten versehen will, könnte das Jahr 1993 für Kuba als Jahr der Veränderung für die Kontinuität bezeichnet werden. Auch wenn man Gefahr läuft, Prämissen und Vorgeschichten auszuschließen, die erklären. Es ist gewiß, daß diese Periode voll mit Höhepunkten und entscheidenden Momenten für die kubanische Gesellschaft war.

Die Vorgeschichte des Jahres 1993 für diese Nation ist mehr als bekannt: Die Verschärfung einer einseitigen Blockade durch die Weltmacht USA; das abrupte Verschwinden ihrer traditionellen Märkte und darum eine größere Empfindlichkeit gegenüber Mängeln und Unzulänglichkeiten der eigenen wirtschaftlichen Struktur und Effektivität.

Als wäre die Lage nicht schon düster genug, suchten Naturkatastrophen wie der „Jahrhundertsturm“ (die Kosten seiner Verwüstungen werden auf 1 Milliarde US-Dollar geschätzt) und Gesundheitsplagen wie der Neuritis-Epedimie, die große Geldsummen verschlungen haben, die Karibikinsel heim. Dazu kommt eine der niedrigsten Zuckerernten der letzten Fünfjahresperioden, der Haupteinnahmequelle des Landes. Man kann verstehen, warum dieses Jahr das schlechteste in der revolutionären kubanischen Wirtschaft war. Dennoch haben die Katastrophen das ursprüngliche Projekt nicht zerstört. Die Mangelerscheinungen – von der ganzen Gesellschaft getragen und nicht von einer Mehrheit der Besitzlosen – schufen Mühsal und soziale Disziplinlosigkeit, aber weder Rebellionen noch Aufstände. Obwohl einige voraussagen, daß 1994 noch nicht der Wendepunkt sein wird, scheint das zu Ende gehende Jahr doch das entscheidende zu sein. Sowohl bei dem, was nicht passierte – die Zerstörung der Revolution – als auch bei dem, was angefangen hat.

„Drei Jahrzehnte illusorischer Gleichmacherei“

Im ökonomischen Bereich ragen in diesem Sinne Maßnahmen hervor, die – ohne auf einen Schlag alle Probleme zu lösen – einen Weg rationaler Suche zeigen, innerhalb einer sozialen Ordnung und Kontrolle den allgemeinen Nutzen zu garantieren, ohne die illusorische Gleichmacherei, die mehr als drei Jahrzehnte der Volksregierung kennzeichnete. Die Entkriminalisierung der Devisenhaltung, die Autorisierung von mehr als 100 Privatberufen und die Schaffung der Basiseinheiten der Kooperativenproduktion (UBPC) sind die ersten Maßnahmen eines Projektes, das Finanz-, Handels- und Wirtschaftssystem der Gesellschaft gesunden zu lassen und produktiver zu machen.

Mit gesetzlichen Grundlagen seit einem Jahrzehnt war 1993 auch der Big Bang für die gemischten Unternehem (halb staatlich, halb privat), für die ausländische Investition und die Entwicklung des internationalen Tourismus. Das erste Ergebnis sind mehr als 400 ausländische Geschäftspartner*innen auf kubanischem Boden. Andererseits sind die Anstrengungen bei Schlüsselindustrien wie der biotechnologischen und pharmazeutischen Industrie, bei der Erforschung und Ausbeutung der Ölvorkommen und der Zuckerproduktion nicht geringer geworden.

Bei denjenigen, die diesen Prozeß leiten – der grundlegend für das Überleben und die Entwicklung ist – gab es Änderungen in den Regierungsinstanzen und -strukturen (die nicht unbedingt abgeschlossen sind). Sie brachten eine neue Generation von Kadern an die Spitze der Schlüsselindustrien wie Landwirtschaft, Zucker und Finanzen.

Der Hauptpunkt im politischen Bereich waren die Wahlen. Sie hatten ihren Höhenpunkt mit der Einführung eines neuen Parlaments, das direkt und geheim gewählt wird. Die Wahlen verzeichneten eine überwältigende Mehrheit bei der Beteiligung und beim Rückhalt für das, was auf dem Spiel stand: Der Wille, die Errungenschaften des Sozialismus auf Kuba zu bewahren. Die Bewegung, die diesen Prozeß in Gang brachte, wird nicht nur von Männer getragen. Obwohl der scharfsinnige Außenminister Ricardo Alarcon die Leitung des Parlaments übernahm und Roberto Robaina (jetziger Aussenminister; die Red.) die diplomatische Aktivität Kubas zu prägen begann. Diese Wahlen präsentierten auch ein Ereignis von einzigartiger Bedeutung, um zu erreichen, daß die Kubanerinnen bewußter an der Gesellschaft teilnehmen. Von der Basis aus, bei der Lösung ihrer eigenen Probleme und der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse und Träume.

Vandalische Akte antisozialer Elemente

Unter den inneren Spannungen sollte der zeitweise Bruch eines fast idyllischen Modells der BürgerInnenruhe erwähnt werden, die in Jahrzehnten der Sicherheit für die Menschen geschaffen wurde. Antisoziale Elemente nutzten im Sommer die Energieknappheit aus, um vereinzelte vandalische Akte zu begehen – außergewöhnlich für diese Gesellschaft. Die Suche nach einem nationalen Konsens erlitt durch einen Hirtenbrief der kubanischen Bischöfe einen Rückschlag. Einen Augenblick lang lebten scheinbar die vergangenen Zeiten der Konfrontation zwischen der katholischen Hierachie und den staatlichen Autoritäten wieder auf. Die Meinungsverschiedenheit ist weder offiziell und öffentlich geschlichtet noch abgeschlossen.

Gegenüber einer Welt, in der Kuba lebt und gedeihen will – dessen Eingliederung rückschrittliche Sektoren verschiedener geographischer Herkunft, aber besonders in Miami und Washington ansässig, ablehnen – erlebte Kuba dieses Jahr eine seiner fruchtbarsten Etappen seit 1989, als das Schicksal vieler seiner früheren Verbündeten besiegelt wurde. Die Geltung Kubas und seine Perspektiven machten nicht nur die Besuche von Führern aus Ländern wie Vietnam und China deutlich und Ereignisse wie die Wiederaufnahme der Beziehungen mit Kolumbien, die Besuche von Fidel Castro in diesem Land und Bolivien und die kürzliche Karibikreise von Robaina.

Es gibt einzigartige internationale Übereinstimmungen, die den Ruf nach Selbstbestimmung und das Recht, den eigenen Weg zu verfolgen, unterstützen. Das nimmt Kuba für sich in Anspruch. So kann die massive Abstimmung in der UNO gegen das sogenannte nordamerikanische Embargo interpretiert werden. Und die Aufnahme dieses Themas im Kontext des III. Iberoamerikanischen Gipfels, der in Brasilien stattfand, sowie der kubanische Anschluß an das karibische Wirtschaftsbündnis Caricom.

Der Streit mit den Vereinigten Staaten seinerseits verlangte aufgrund ambivalenter Situationen eine abgestufte Betrachtungsweise: Während Havanna vorsichtig war, die neue demokratische Regierung in ihren Plänen bezüglich Kuba zu beurteilen, gab es in Washington Stimmen – einige hinter vorgehaltener Hand – die eine veränderte Haltung in der Angelegenheit fordern. In der Praxis haben sie allerdings nichts Bedeutendes erreicht. Es gibt jedoch Schritte auf diesem Weg. Dazu kommt eine ungewöhnliche und jedes Mal stärkere Bewegung an der Basis (in den USA) für die Abschaffung der Blockade. Dies zeigt eine bisher wegen ihrer Herkunft und wachsenden Stärke unbekannte Solidarität.

Die Gewißheit, daß es auch im nächsten Jahr auf der größten der Antilleninseln die Revolution geben wird, speist sich jedoch vor allem aus einer Quelle: Der Überzeugung, dem Willen und der Bereitschaft der Kubaner*innen.

VENEZUELA

Wahlen 1993 – Der politische Rahmen für die nächste Regierung

– Von Julio Fermin Salazar

(Caracas, November 1993, Noticritica-POONAL).- Kürzlich drückte es ein ehemaliger Minister der Regierung von Carlos Andrés Perez und jetziger Funktionär des Internationalen Währungsfonds so aus: „Es ist nicht wichtig, wer gewählt wird, die nächste Regierung muß mit der 1989 begonnenen Wirtschaftspolitik fortfahren …“ Dies bestätigt sich auf die eine oder andere Weise in den Regierungsprogrammen, die von der Mehrheit der Kanditaten mit Wahlchancen aufgestellt sind (einige Ausnahmen sind bei der Kandidatur von Rafael Caldera zu machen). Ohne Zweifel ist jedoch der politische Faktor der Schlüssel für die Kontinuität der sogenannten „wirtschaftlichen Reformen“. Und dieser war der Schwachpunkt, der die venezolanische Demokratie „an den Rand des Abgrunds“ brachte. (Vgl. den Artikel „Präsidentschaftswahlen in Krisenzeiten“ in POONAL Nr. 107)

Die politischen Faktoren

Die turbulente soziale und politische Situation, die Venezuela seit 1989 erlebt hat, wird – auch wenn sie durch den Abgang von Andrés Perez gemildert wurde – weiterbestehen. Nur mit neuen Szenarien, neuen Akteur*innen, neuen Forderungen. Die ersten Aktionen der kommenden Regierung werden entscheidend sein, um die Fähigkeit zum Management der noch nicht beendeten Krise zu beweisen.

1994: Verfassungsgebende Versammlung?

Bei diesem Thema schlagen sowohl konservative wie auch „rebellische“ Meinungen vor, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Dies ist der Fall bei dem sozialchristlichen Kandidaten Osvaldo Alvarez Paz, bei dem unabhängigen J.A. Cove (ehemaliger Häftling wegen des versuchten Staatsstreiches vom 27.11.1992 und bei Gabriel Puerta Aponte (ehemaliger Guerillakommandant in den 70er und 80er Jahren.

In gewisser Weise handelt es sich um eine offene Rechnung des Jahres 1992. Als Ergebnis des Putschversuches vom 4.2.1992 war es eine der institutionellen Reaktionen des Systems, eine Verfassungsreform zu fördern. Die Carta Magna wurde als das zentrale politische Problem des Landes hingestellt. Diese „gefühlvolle“ Aktion der politische Klasse mußte vor der wachsenden Macht der Massenmedien kapitulieren, die die Verfassungsreform durch eine riesige vorhergehende Kampagne für das „Nein“ sterben ließen, bevor sie geboren wurde. Es scheint schwierig zu sein, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen, kurz nach dem der Kongress gewählt sein wird. Es sei denn, sie findet im Stile des „Fujimorazo“ statt.

In diesem Sinne zeigt sich eine neue Verfassung als ein zweischneidiges Schwert: Für einige Wirtschaftssektoren ist sie die Gelegenheit, die Verfassung von ihrem Verstaatlichungscharakter Ballast zu befreien und sie den neuen neoliberalen Zeiten anzupassen, indem verschiedene verankerte soziale Rechte abgeschafft werden. Für einige herausragende Sektoren des politischen Feldes ist es die Gelegenheit, dem Parteiensystem den Gnadenstoß zu versetzen und Spielräume für eine neue politische Führung zu öffnen. Andererseits kann es auch der Moment sein, beim Vorschlag der partizipativen Demokratie voranzukommen. Diese schließt das Wiederwahlverbot, die Präsidentenabberufung, das Volksreferendum, die Position des Premierministers und die gründliche Reform des Justizwesens ein.

Es gibt jedoch zu denken, daß von der Zivilgesellschaft aus keine einzige Bewegung existiert, die für eine Verfassungsversammlung eintritt. Dies läßt vermuten, daß wir vor einer neuen Ausgabe des Paktes der Eliten stehen.

Alte und neue Konflikte Bei allem Schrecken hat die Krise das Verhalten und die Vorschläge der Zivilgesellschaft nicht deutlich werden lassen. In der Tat präsentiert sich diese auf der politischen Bühne wie eine uneinige und versprengte Masse, aber auch diffus und unausgeglichen unter ihren angenommenen Mitgliedern. Einerseits sind die traditionell am stärksten organisierten Bewegungen wie die Gewerkschafts-, Nachbarschafts- und Kooperativenbewegung enorm schwächer geworden. Besonders die erste, die in gewisser Weise zur „Demobilisierung“ der Bevölkerung beigetragen hat.

Andererseits kommen in dem Bereich, der sich heute „organisierte Zivilgesellschaft“ nennt, verschiedene mehr qualitative als quantitative Faktoren zusammen. Sie haben sich entschieden, eine größere Vorreiterrolle in der Politik zu spielen: Nicht- Regierungsorganisationen (NGO's) mit gewissen Verpflichtungen auf der Ebene der Volkssektoren, von Wirtschaftsgruppen unterstützte NGO's und neue Führer*innen der Mittelklassen, die von den „proletarisierenden“ Effekten des Wirtschaftspaketes betroffen sind – einige von ihnen stehen jetzt zur Wahl. In gleicher Weise könnte der StudentInnensektor eingeschlossen werden, der der Hauptfaktor beim Straßenprotest war.

Die Konfliktbereitschaft ist jedoch nicht völlig verschwunden. Es ist so, als ob die Lage im nächsten Jahr geradezu für den Zusammenstoß vorbereitet wäre. Abgesehen von auslaufenden (Tarif-) Verträgen und Lohnforderungen vor allem wegen einer möglichen Änderung im System der Sozialleistungen. Genauso wird der Universitätskonflikt über das Budget weitergehen. Die Mehrheit der (Präsidentschafts-)Kandidaten hat die Umkehrung des bisherigen Systems in Aussicht gestellt, daß der höheren Bildung einen sehr viel größeren Anteil an Ressourcen zugesteht als dem System der Grund- und Mittelbildung. Dies gäbe den Weg für die Privatschulen frei. Zusätzlichen Unmut könnten neue Anpassungs- und Sparmaßnahmen hervorbringen. Dies war bereits bei der teilweisen Anwendung der IVA (Mehrwertsteuer) zu beobachten.

Die letzten Meinungsumfragen für die Dezemberwahlen zeigen eine Tendenz auf, die nicht nur die Wahl eines Präsidenten mit relativer Mehrheit prophezeien läßt. Er wird auch nicht mit einer starken politischen Basis rechnen können, da auf der Kongreßebene der Bruch mit dem Zweiparteiensystem der vergangenen 35 Jahre noch mehr zu spüren sein wird. Die optimistischsten Berechnungen gehen bereits von einem Dreiparteiensystem im nächsten Parlament aus. Dazu wird zum Teil die Tatsache beitragen, daß die Abgeordnetenkammer zu 50 Prozent neu gewählt wird. Die auf der Tagesordnung stehenden Gesetze lassen große Auseinandersetzung im nächsten Parlament erwarten: Haushaltsgesetz; Reform des Wahlgesetzes (das inmitten der Krise bereits dreimal reformiert wurde) und des Gesetzes über die politischen Parteien; die Revision der Wirtschafts- und Sozialgesetze wie beispielsweise das Gesetz zum Konsumentenschutz oder das Arbeitsgesetz und die Gesetze über das System der Sozialleistungen, die Privatisierungsprozesse, die möglichen (aufruhrstiftenden) Benzinpreiserhöhungen, neue Steuern, usw. Das sind einige der ausstehenden Punkte der 1989 begonnenen Wirtschaftsreform – einer Linie, zu der sich bislang keine Alternative abzeichnet. Daneben gibt es die verschiedenen Vorschläge, die Rolle des Staates zu reduzieren, die Dezentralisation zu vertiefen und Kompetenzen an die Bundesländer (Provinzen) und Gemeinden zu übergeben.

Auf der Suche nach einer Nationalen Übereinkunft Das, was als ein Element für eine demokratische Entwicklung gesehen werden könnte – die Pluralität – könnte ein „Boomerang“ werden, falls keine klare Regierungsmehrheit entsteht. Im Fall der christlich-sozialen Option würden dadurch die Bedingungen für die Auflösung des Kongresses und die Einberufung der verfassungsgebenden Versammlung schaffen. Aber dies wird einen neuen Verbündeten nötig machen. Etwa das Militär?

Seit dem Ende des Ölrausches wird von der Notwendigkeit gesprochen, den 1958 mit der Einführung des demokratischen System geschaffenen sozio-institutionellen Pakt zu erneuern. 1983 hieß er Sozialpakt, 1988 Konzertation. Heutzutage spricht man von der Nationalen Übereinkunft, eingebracht von der Übergangsregierung. Aber bis jetzt ist diese Übereinkunft nicht über ein gemeinsames Minimalziel hinausgekommen: Bis zu den Wahlen zu kommen. So scheint es, daß ein solcher Pakt nicht möglich sein wird. Zur Zeit wegen der unauflösbaren Wahlwidersprüche und auf längere Sicht wegen der traditionellen Faktoren: Parteien, Militärs, Unternehmer*innen, Gewerkschaften und Kirche befinden sich in verschiedenen Stadien des Zerfalls oder der Schwäche und können daher nicht „repräsentativ“ für die Gesamtheit der venezolanischen Gesellschaft sein.

Die politischen Parteien müssen sich behaupten

Vorausgesetzt, der neue Präsident muß sich mit einem Drei- Parteien-Parlament auseinandersetzen, lohnt sich die Frage, wer (bei den Wahlen) überleben wird. Für die CONVERGENCIA (die vom ehemaligen Präsidenten Caldera gegründete Abspaltung von der COPEI) hängt das Verbleiben im politischen Geschäft von den mitgenommenen Stimmen bei der Präsidentschaftskandidatur ab. Die Bewegung für den Sozialismus (MAS) spielt ihre letzte Karte mit der noch nicht endgültigen Unterstützung für den ehemaligen Präsidenten Caldera aus. Als Opposition hätte sie vielleicht nicht die notwendige Kraft. Die Demokratische Aktion, die den vierten Platz bei den Meinungsumfragen belegt, darf nicht unterschätzt werden. Sie hat einen hohen Prozentanteil, den sie vor allem von der Opposition aus zu nutzen wissen wird. Es bleiben also die offizielle COPEI und die Causa R als die stärksten Organisationen, die eine bedeutende Rolle als Opposition spielen könnten, falls sie die Wahlen nicht gewinnen.

Die 22 Gouverneur*innen und 282 Bürgermeister*innen sind bereits für sich genommen neue und mächtige Gesprächspartner*innen des Präsidenten und Kandidat*innen für höhere Positionen in ihren jeweiligen Organisationen. Kann man sich – so wie es die Umfragen vorhersagen – eine Regierung mit Rafael Caldera an der Spitze und mit COPEI, der Causa R und der Demokratischen Aktion als Oppositionskräfte vorstellen?

Allgemein ist ein breiteres politisches Spiel mit mehr Akteur*innen vorhersehbar. Die Parteien werden der Herausforderung entgegentreten müssen, die der Abgang der Generation von 1928 von der venezolanischen Politik bedeutet – es sei denn, ihr letzter großer Repräsentant Caldera gewänne die Präsidentschaft.

Die Militärmacht in Venezuela war wie ein schlafender Riese. Die Militärspitze war Hauptnutznießer der Privelegien, die aus dem Ölrausch resultierten. Ab dem Grad eines Obersten war der Aufstieg durch Vermittlung und/oder Parteimitgliedschaft vorgezeichnet. Am Ende der Militärkarriere und im Ruhestand genossen die Militärs weiterhin ihre Macht, in dem sie sich als Unternehmer, Viehzüchter, Plantagenbesitzer oder Spitzenmanager in die zivile Welt eingliederten oder eine Karriere als Politiker anstrebten. Die Korruption der Verwaltung und der Politik ermöglichte ihnen weitere lukrative Geschäfte und stärkte ihren Einfluß. Aber die wirtschaftliche und soziale Krise erreichte auch den Militärsektor.

Die Erklärungen der erfolglosen Putschisten vom 4. Februar und 27. November 1992 sind eine Kombination von Faktoren, bei denen die politisch-administrative Korruption, die wirtschaftliche und soziale Krise des Landes und innerhalb der nationalen Streitkräfte (FAN) beklagt werden. Die unterdrückerische Funktion der Armee (insbesondere seit dem 27. Februar 1989) wird zurückgewiesen und die Verteidigung der nationalen Souveränität verlangt. In großen Zügen ist dies die Argumentation für die Putschversuche.

Politisches Vakuum

Aber es kann ein tiefergehendes Element in der Verlautbarung beobachtet werden: Mehrmals wird das „Vakuum an politischer Macht“ beklagt. Diese gerade vor dem 4. Februar gezeigte Tatsache, als eine Regierung praktisch nicht existierte, scheint noch die unmittelbare Zukunft zu belasten. Die Gerüchte über einen Staatsstreich haben nicht aufgehört und eine neue Äußerung der Militärs ist abhängig von der organischen Fähigkeit der übrigen Gesellschaft.

Vorreiterrolle des Militärs

Gleichzeitig zur Spaltung und zum Bruch, den die Putschversuche zur Folge hatten, ist eine größere Vorreiterrolle des militärischen Sektors in den letzten beiden Jahren zu beobachten. Das trifft vor allem auf den ehemaligen Verteidigungsminister zu, noch deutlicher ist es im Fall des derzeitigen Verteidigungsministers, dessen Agressivität und öffentliche Konfrontation mit der politischen Führung alle vorherigen Erfahrungen übertreffen. Man spricht von einer Vormundschaft, bei der die Militärmacht die zivile Macht entscheidend beeinflußt – ein Mittelweg zwischen dem chilenischen und dem peruanischen Weg.

Obwohl die Führerschaft der Putschisten nachgelassen hat, wird die neue Regierung keine Entschuldigung mehr haben, die Gerichtsverfahren gegen sie aufzuschieben. Sie muß sie auf jeden Fall beschleunigen, um das Schicksal der Gefangenen zu bestimmen. Es sei denn, es wird eine Amnestie für sie verabschiedet. Der militärische Faktor, wird nun ein Faktor erster Ordnung für die neue Regierung sein.

CHILE

Aussöhnung mit den im Ausland lebenden ChilenInnen?

(Santiago de Chile, November 1993, ANCHI-POONAL).- „Unser Programm schließt Punkte ein, die speziell für die chilenische Gemeinde im Ausland bestimmt sind. Sie sind nicht paternalistisch oder demagogisch, sondern für das gemeinsame Chile konzipiert, zu dessen Konkretisierung Sie alle eingeladen sind.“

So Eduardo Frei Ruiz-Tagle, Präsidentschaftskandidat der regierenden Koalition Konzertation für die Demokratie (CPD), in einer an alle im Ausland wohnenden Chilen*innen gerichteten Botschaft. Frei erklärte, daß seine Regierung „für alle Chilen*innen da sein und für Sie und Ihre Kinder sprechen wird“. Er führte aus, daß er den chilenischen Gemeinden in Mexiko, Argentinien, Schweden, Kanada, Australien, Venezuela und Deutschland besondere Aufmerksamkeit schenken wird.

Der Präsidentschaftskandidat erklärte das Interesse, die Verbindungen mit seinen Landsleuten im Ausland aufrechtzuerhalten. Er erkannte „den großen Beitrag“ an, „den sie für die Zukunft des Vaterlandes, das wir alle sind, leisten können“. Nach den jüngsten Umfragen erhält Eduardo Frei fast 54 Prozent der Wählerstimmen – genug, um zum chilenischen Präsidenten proklamiert zu werden. Dieses Amt würde er am 11. März 1994 antreten.

800.000 Chilen*innen leben im Ausland

In der Botschaft an die Chilen*innen außerhalb des Landes – ihre Zahl wird auf fast 800.000 geschätzt – unterstrich der Kandidat und derzeitige Senator seinen Wunsch „eine Verpflichtung mit Ihnen und Ihren Kindern einzugehen. Diese Verpflichtung, Präsident aller Chilen*innen zu sein, bedeutet für mich, Ihr erster Anhänger zu sein als Mitglied unserer Familie, der großen chilenischen Familie.“ Er fügte hinzu: „Wo so viele Mauern gefallen sind, müssen wir fähig sein, die niederzureissen, die wir selber errichtet haben. Dies ist eine moralische Last, der keiner entflieht. In die Zukunft schauend, müssen wir von unserer gemeinsamen Erfahrung lernen – inner- und außerhalb Chiles und die Trennungen der Vergangenheit überwinden.“

Wahlkampf wird viereinhalb Millonen US-Dollar kosten

(Santiago de Chile, November 1993, ANCHI-POONAL).- Nach Informationen der chilenischen Wahlbehörde werden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom 11. Dezember 1993 insgesamt 4,5 Million US-Dollar kosten. Das Geld wird laut der autonomen Behörde unter anderem für den Druck der Wahlzettel, für die Anfertigung der Wahlurnen aus Holz mit einem Deckel aus durchsichtigem Acrylglas, für nicht-abwaschbare Tinte (sie wird auf einen Finger der Wähler aufgetragen, damit diese ihre Stimme nicht ein weiteres Mal abgeben können) und die Bezahlung der Funktionäre und Angestellten bei der Wahl ausgegeben.

Über 8 Millionen Wahlberechtigte haben sich eingeschrieben

Zur Wahl sind 8 Million 85.439 chilenische Bürger*innen aufgerufen, die sich vor dem Monat August in das Wahlregister eingeschrieben haben. Dies verpflichtet sie zur Stimmabgabe, ansonsten erwartet sie eine Strafe von mehr als 100 US-Dollar. Es wird sowohl der Präsident gewählt (der das Land von März 1994 bis März des Jahres 2001 regieren wird), als auch die Gesamtheit der Parlamentsabgeordneten und die Hälfte des Senats.

Aufgrund des in Chile bestehenden Wahlrechtes deutet alles darauf hin, daß die einzigen Gewinner die regierende Konzertation für die Demokratie (CPD) und die rechte Koalition Union für den Fortschritt Chiles (UPCH) sein werden. In der CPD sind unter anderem die Christdemokratische, die Sozialistische und die Radikale Partei sowie die Partei für die Demokratie. Die UPCH vereint die pinochetistische Unabhängige Demokratische Union, die Partei der Nationalen Erneuerung, die Zentrumsunion und andere kleinere Gruppen.

Die Bewegung der Allendistischen Demokratischen Linken (MIDA), die etwa eine Million Stimmen erreichen könnte, wird im Kongreß keine Sitze bekommen. Sie bleibt wegen des nicht-proportionalen Wahlrechtes – vom letzteren würden die Minderheiten profitieren – außen vor. Bei der letzten Wahl gab es eine Enthaltung von 5 Prozent. Dieses Jahr wird jedoch eine Steigerung erwartet, weil es zwischen den Kandidaten der CPD (Eduardo Frei) und der UPCH (Arturo Alessandri) keine großen Unterschiede gibt. Das schafft Apathie und Gleichgültigkeit unter der Bevölkerung. Nach vorläufigen Informationen geben Regierung und Opposition zwischen 30 und 40 Millionen US-Dollar für ihre Kampagnen aus. Die MIDA wird kaum 400.000 US-Dollar überschreiten.

ECUADOR

Frauenfußball auf dem Vormarsch

(Quito, November 1993, fempress-POONAL).- Für die olympischen Spiele in Atlanta 1996 wurde gerade der Frauenfußball als offizielle Sportart aufgenommen. In Ecuador überlegen viele junge und noch unerfahrene Spielerinnen und diejenigen, die die bis vor kurzem ausschließlich von den Männern dominierte Königssportart gefördert haben, wie eine Frauenmannschaft zu den Olympischen Spielen entsendet werden kann.

„Der Frauenfußball in Ecuador ist kein Mythos mehr… Die Kommentare dagegen sind verschwunden. Wenn früher die Machisten ausriefen 'Wie kann eine Frau Fußball spielen?' so versammelt sich heute eine erkleckliche Anzahl von ihnen in den Stadien, wo das Turnier 'Prinzessinen des Fußballs' stattfindet, um zu applaudieren und jeden Spielzug zu loben.“ So kommentierte es vergangene Tage eine wichtige Tageszeitung in Guayquil, die das besagte Turnier fördert. Dieses findet im vierten Jahr statt.

Währendessen endete in Quito gerade die nationale Stadtviertel- Meisterschaft des Frauenfußballs. Es nahmen Frauschaften aus mehreren Provinzen des Landesteil. Eine Hauptstadtzeitung titelte: „Auch die Damen schießen Tore“. In einer Mischung aus überrascht und ungläubig fügte sie hinzu: „Von China bis Ecuador beweisen die Frauen seit kurzem, daß sie Fußball spielen können.“

GUATEMALA

URNG befürwortet Intervention der UNO bei den Friedensgesprächen

(New York, 24. November 1993, cerigua-POONAL).- Die Teilnahme der Vereinten Nationen an einem einleitenden Treffen zwischen der Guerilla und der guatemaltekischen Regierung würde allein dem Ziel dienen, die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen beiden Seiten zu erleichtern, um eine Übereinkunft über die Form des Friedensprozesses zu finden. Dies versicherte heute die Kommandatur der Aufständischen.

Eine Delegation der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) war vom Generalsekretär an den Sitz der Vereinten Nationen in New York eingeladen worden, um ihre Meinung über die Intervention der UNO im Friedensprozeß einzuholen. Die URNG bekräftigte gegenüber der UNO, daß sie bereit ist, an einem vom Generalsekretär einberufenen einleitenden Treffen teilzunehmen. Das Ziel müsse sein, „gemeinsam mit der Regierung Guatemalas den Grundstein für den Fortgang des Verhandlungsprozesses zu legen“. Die Guerilla informierte desweiteren, daß die Teilnahme der UNO objektiv und mit Respekt vor den Meinungen beider Seiten sein werde.

Das vorläufige Treffen müsse eine klar festgelegte Tagesordnung haben und auf die Anwesenheit des Vermittlers Monseñor Rodolfo Quezada Toruño zählen können. Die Führung der Guerilla verlangte von der UNO, daß die Verhandlungen mit Regierung und Armee mit der Ernsthaftigkeit angegangen werden, die sie verdienen und auf einer beidseitigen Übereinkunft beruhen müssen, die das Datum des nächsten Treffens festlegt. Auf diesem müssen die substantiellen und praktischen Themen behandelt werden.

Die Abordnung der Guerilla bestand aus den Mitgliedern der Generalkommandatur Carlos González, Rolando Morán und Gaspar Ilom sowie Luis Bekker und Luz Méndez von der politisch-diplomatischen Kommission der Guerilla. Die URNG sprach mit dem stellvertretenden Generalsekretär für politische Angelegenheiten, Marrack Gouldin; mit dem Leiter der Lateinamerika-Sektion der UNO, Alvaro de Soto und mit Jean Arnault, Vertreter des Generalsekretärs in den Verhandlungen.

Die Guerilla-Delegation informierte, daß sie vor den Gesprächen mit der UNO an der Ökumenischen Konferenz über Guatemala teilnahm. Diese fand in Washington vom 15. – 19. November 1993 statt. Die Delegation traf sich dort mit Diplomat*innen der sogenannten Gruppe der Freunde (Kolumbien, Spanien, USA, Mexiko, Norwegen und Venezuela) und der Gruppe der skandinavischen Länder (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden).

Brücke im Süden des Landes gesprengt

(Guatemala, 22. November 1993, cerigua-POONAL).- In der südlichen Provinz Santa Rosa wurde die Brücke mit dem Namen „Eiskaltes Wasser“ von mutmaßlichen Guerilleros total zerstört. Diese Brücke führt über den gleichnamigen Fluß und liegt 90 Kilometer südlich der Hauptstadt in der Gemeinde Taxisco. Die Zone ist wichtig für den Gütertransport ins Nachbarland El Salvador.

Der Beauftragte der Straßenbehörde, Raúl Cerezo, schätzte die verursachten Schäden an der Betonstruktur auf zwei Millionen Quetzales und versicherte, die Brücke sei unbrauchbar geworden. Militärquellen zufolge brachten Guerilleros aus dieser Region der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) um etwa 3 Uhr morgens eine Sprengladung von 35 Kilo Dynamit an einem der Betonpfeiler an. Auch die Brücken Ayal, El Pajal und Seco II, die alle auf dem Weg an der Pazifikküste liegen, wurden kürzlich von vermeintlichen Guerilleros gesprengt.

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 121 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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