Poonal Nr. 105

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 105 vom 09.08.1993

Inhalt


BRASILIEN

HAITI

GUATEMALA

KOLUMBIEN

KUBA


BRASILIEN

Niederlage von Lula: Linksruck in der brasilianischen PT

– Von Raúl Zibechi

(Montevideo, Juli 1993, mate amargo-POONAL).- Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen sind innerhalb der brasilianischen Gesellschaft zunehmend Tendenzen der Polarisierung festzustellen. Während die Inflationsrate sich auf 30 Prozent monatlich eingependelt hat, erleiden die verschiedenen Anpassungsprogramme, die der neue Wirtschaftsminister Henrique Cardoso ausgearbeitet hat, Schiffbruch. Ausdruck dessen sind auch die Flügelkämpfe innerhalb der ArbeiterInnenpartei (PT), die politische Gruppierung mit den besten Voraussetzungen, die kommenden Wahlen zu gewinnen. Die Abspaltung der Fraktion der „Articulacao“, eine interne Gruppierung, die die Hauptunterstützung von Lula dargestellt hatte, führte zu neuen Standortdiskussionen.

Die soziale Krise

Die brasilianische Gesellschaft ist zweigeteilt. Auf der einen Seite leiden 32 Millionen Brasilianer*innen am Hunger. Nicht weniger als 25 Prozent der Bevölkerung leben in Armut mit wachsenden Anzeichen von Unterernährung und Zwergenwuchs. Die Kindersterblichkeit hat zugenommen, was das Wiederauftauchen von Krankheiten, wie beispielweise die Malaria, begünstigt. Die Situation im Nordosten ist dramatisch. Sechzig Prozent der Bewohner*innen der Stadt Salvador leben in extremer Armut und 54 Prozent der Kinder sind unterernährt. Zwanzig Prozent der Bevölkerung sind von der Zwergwüchsigkeit betroffen. Auf der anderen Seite tritt am anderen Ende der Gesellschaftspyramide die weltweit höchste Reichtumskonzentration auf. In den großen Städten des Landes spielen sich Szenen eines brutalen Gesellschaftskampfes ab.

Die aufeinanderfolgenden Wirtschaftsminister haben sich als unfähig erwiesen, die Inflation aufzuhalten und das Wachsen der Armut einzudämmen. Es wurde bekannt, daß die brasilianischen Unternehmen 1993 erheblich weniger investieren werden und dennoch einen 12 Prozent höheren Umsatz als im Vorjahr erzielen. In Rio de Janeiro wurde ein schwindelerregender Anstieg von Morden an Minderjährigen festgestellt. Der Gouverneur des Bundestaates Rio, Leonel Brizola, teilte mit, daß in nur fünf Monaten 321 Kinder den Todesschwadronen und Polizist*innen sowie sogenannten „Gruppen der Würgeengel“ zum Opfer fielen. „Es ist ein UnternehmerInnen-Pöbel entstanden, der den allerwildesten Kapitalismus betreibt und seine Gebiete von Killern säubern läßt“, erklärte der Gouverneur.

Vor diesem Hintergrund verschlingt die Inflation, die 30 Prozent monatlich übersteigt, die Einkommen der Lohnempfänger*innen. Wirtschaftsminister Fernando Henrique Cardoso scheiterte bei dem Versuch ein Sparprogramm einzuführen, daß auf Kürzungen der öffentlichen Ausgaben in Höhe von 6 Milliarden US-Dollar beruhte. Ziel war eine Verringerung des Haushaltsdefizits und die Inflationsrate zu bremsen. Bislang wurden die Gehälter des öffentlichen Dienstes alle vier Monate an die Inflationsrate angeglichen, aber das Abgeordnetenhaus verabschiedete kürzlich ein Gesetz, daß die Gehälter nun monatlich anpaßt. Eine Reduzierung der Inflation wird mit solchen Maßnahmen nicht erreicht, doch befindet sich die Regierung schon im Wahlkampf, bei dem jede Stimme zählen wird. Sämtliche politischen Gruppierungen haben ihren Blick auf die Wahlen 1994 gerichtet. Andererseits scheint die Bevölkerung jedoch in einer Mischung aus Resignation und Radikalisierung gefangen zu sein.

Der Wahlkampf hat bereits begonnen

Der letzte Parteitag der PT, der am 13. Juni zuende ging, spiegelte deutlich die Tendenzen der wichtigsten politischen Gruppierungen innerhalb der PT wieder, die einen klaren Linksruck gemacht haben. Mit der Abspaltung der „Articulacao“ – die von Anfang an die Basis der Unterstützung von Lula gewesen ist – zeichnet sich der wichtigste Wandel seit der Gründung der PT ab. Die alte PT-Führung erlitt bei der Wahl einer neuen Parteiführung eine Niederlage. Die Mehrheit haben jetzt die „Sozialistische Demokratie“, die mit der 4. Internationalen verbunden ist, und der radikalste Flügel der „Articulacao“, der zusammen mit der linksradikalen Strömung „En lucha“, die absolute Mehrheit erhielt. Es handelt sich dabei um einen bedeutenden Wandel, einen unvorhergesehen Ruck nach links im Vorjahr der Wahlen, der für eine Tendenz zur Radikalisierung steht. Diese Tendenz ist eine genaue Widerspiegelung der Basis der PT, die sich aufgrund der Krise und der wachsenden Armut radikalisiert hat.

Eine derzeit wichtige politische Debatte innerhalb der PT ist die Frage nach möglichen politischen Allianzen. Heftig wird über die Möglichkeit eines Abkommens mit der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB) unter der Führung von Leonel Brizola diskutiert. Die Frage dabei ist ob die PSDB zum Lager der Volksparteien gehören oder nicht, da die Delegierten der PSDB die letzten waren, die sich der Kampagnenbewegung gegen Ex-Präsident Collor de Mello anschlossen. Was den Mitgliedern der PT am meisten mißfällt, ist die Präsenz der PSDB in der gegenwärtigen Regierung von Itamar Franco, in Person von Wirtschaftsminister Cardoso. Cardoso, einst Aktivist der Linken, ist heute Verfechter weiter Teile der neoliberalen Politik. Die neue Zusammensetzung der PT-Führung läßt auf die Durchführung klarer Allianzen schließen, schaltet aber die Möglichkeit globaler Abkommen aus.

Alle Sektoren des Landes gehen davon aus, daß sich die politische und wirtschaftliche Instabilität unter der Regierung von Franco weiter fortsetzen wird. Es sieht nicht danach aus, als ob die wirtschaftliche Situation wesentliche Veränderungen vor den Präsidentschaftswahlen Ende nächsten Jahres erfahren wird. In jedem Fall existiert, ungeachtet der wachsenden Gleichgültigkeit der Bevölkerung – ein gefundendes Fressen für „Fernseh“- Kandidaturen wie die von Collor de Mello – ein bedeutender Anteil Brasilianer*innen, der bereit ist den Linksruck zu unterstützen. Die derzeitig hohe Inflationsrate ruft den Widerstand der verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, insbesondere der Lohnempfänger*innen hervor, die die Verteilung des Reichtums diskutieren.

HAITI

Probleme bei der Umsetzung des Friedensabkommens

(Port-au-Prince, 31. Juli 1993, HIB-POONAL).-Während die haitianische Hauptstadt von einer neuen Repressionswelle heimgesucht wird, wird das Abkommen von Governer's Island, ungeachtet der geäußerten Kritik, Schritt für Schritt umgesetzt. Trotz nächtlicher Schießereien treiben US-Regierungssprecher innerhalb und außerhalb Haitis die Verwaltungsbehörden voran. „Wir drängen respektvoll auf eine schnelle Abwicklung“, heißt es in einem Brief der von Joseph Kennedy und weiteren 38 Kongreßabgeordneten unterzeichnet ist.

Präsident Aristide des Hochverrats bezichtigt

Zusätzlich zu diesem äußeren Druck wurde die verfassungsmäßige Regierung, einschließlich Präsident Jean-Bertrand Aristide, Ziel einer boshaften verbalen Attacke in den Medien. Es wird ihr vorgeworfen, die „Verfassung verletzt zu haben“ und „zu einer militärischen Okkupation aufgefordert zu haben“.

Diese Angriffe sind die Reaktion auf einen Brief von Präsident Aristide vom 28. Juli, in dem er die Vereinten Nationen (UNO) bittet 600 Polizist*innen zu schicken, die auf die neun Provinzen Haitis verteilt werden sollen. Ein anderer Wunsch waren zwei Militärkorps, eins bestehend aus „Ausbildern“ die das Militär „professionalisieren“ und von der Polizei trennen sollen, und ein „Techniker“-Korps für Bau- und andere Vorhaben. Der Brief wurde gemäß Punkt fünf des Abkommens geschrieben. Die Regierung Aristide hat zugegeben zur Unterschrift dieses Punktes gezwungen worden zu sein.

Die den Putschist*innen nahestehenden Lager konnten ihre Befriedigung kaum verbergen, während sie den Präsidenten im Radio und Fernsehen des „Hochverrats“ bezichtigten. Zahlreiche Entscheidungsträger aus diesem Lager baten General Raoul Cedras, der ebenfalls das Abkommen unterzeichnet hat, seine Meinung über diese „Bedrohung“ zu äußern. Der General hat bis dato noch keine Stellungnahme abgegeben.

Gleichzeitg haben zahlreiche demokratische Organisationen, wie die Nationale Volksversammlung (ANP) und die Nationale LandarbeiterInnenbewegung „Tet Kole“, weiterhin ihre absolute Opposition gegenüber dem Abkommen und allen damit verbundenen Implikationen zum Ausdruck gebracht.

Neuer Premierminister ist Verleger und Geschäftsmann

Präsident Aristide bestimmte am 24. Juli den Verleger Robert Malval als neuen Premierminister, der in Übereinstimmung mit Punkt zwei des Abkommens vom Präsidenten bestimmt wird.

Der 53-jährige Malval ist Leiter des Verlagshauses Le Natal und hat Politische Wissenschaften studiert. Seine Ernennung erfolgte im Anschluß an die zweitägige Konferenz der Regierung von Haiti und dem UnternehmerInnenverband in Miami, an der 70 Haitianer*innen, Dutzende von Berater*innen, Geschäftsleute und Angehörige von Institutionen wie USAID und der Weltbank. Ziel dieses Treffens war es festzulegen, welche Rolle das Privatunternehmen in der Planung und Durchführung der Wirtschaftspolitik in Haiti spielen soll.

Parlamentskämpfe

Diese Vorgänge und Treffen wurden im Zusammenhang mit den Punkten zwei und fünf des Abkommens durchgeführt. Punkt eins des Abkommens über die sogenannte „Normalisierung“ des Parlaments, das sich in ein demokratisches und ein die Putschisten unterstützendes Lager gespalten hat, ist bis heute noch nicht ausgeführt worden. Wenn auch die Abgeordnetenkammer „normalisiert“ ist, übernahmen die Putschist*innen bei den Wahlen des neuen Exekutivkomitees doch die Kontrolle über diese Kammer.

Im Senat, in dem die Demokraten die Mehrheit stellen, muß das Exekutivkomitee noch gewählt werden. Als die Senatoren sich endlich auf den 30. Juli als Abstimmungtermin geeinigt hatten, wurde ein altes Senatsmitglied aus den Reihen der Putschisten ohnmächtig und wurde mit „Bluthochdruck“ ins Krankenhaus gebracht. Es wird von vielen Seiten angenommen, daß dieser Schachzug zu einer Verzögerungstaktik gehört, die das Ziel verfolgt, auf diesem Wege die Mehrheit zu erlangen.

US-Flagge verbrannt

Port-au-Prince, 29. juli 1993, HIB-POONAL).- Am 28. Juli demonstrierten zahlreiche Personen in der Nähe der Kathedrale der haitianischen Hauptstadt und skandierten „Aristide – ja! Intervention – nein!“ Viele weitere Personen schlossen sich der Gruppe während dieser Rufe an. Dutzende von Mitgliedern der Volksorganisation „Bel-Air“ nahmen ebenfalls daran teil. Die Demonstration endete mit der Verbrennung der US-Flagge.

Die Demonstrant*innen äußerten, daß sie Präsident Jean-Bertrand Aristide weiterhin unterstützten, sich aber gegen den Vorschlag der UNO, Soldat*innen oder Polizist*innen zu entsenden aussprachen.

GUATEMALA

Gewalt seit Amtsamtritt von Präsident de León angestiegen

(Mexiko-Stadt, 4. August 1993, NG-POONAL).- Die Menschenrechtsverletzungen haben in Guatemala seit dem Amtsantritt von Präsident Ramiro de León Carpio vor zwei Monaten zugenommen, berichtet das Menschenrechtsbüro des Erzbischofs der katholischen Kirche (ODHA). In dem ersten Monat der Präsidentschaft gingen bei der ODHA 51 Anzeigen über Gewalttaten gegen Zivilpersonen ein. Vier weitere Fälle wurden nicht bekannt gemacht, da sich die „Opfer in heiklen Situationen befinden“. Auch die Menschenrechtskommission Guatemalas berichtet über zahlreiche Verletzungen der Menschenrechte; unter anderem sei die Gemeinde Santiago Atitlán im Westen der Provinz Sololá von Militäreinheiten eingekesselt worden. Santiago Atitlán war schon im Dezember 1990 Ziel eines brutalen Angriffs der Streitkräfte: Nach einer Demonstration ermordeten Soldaten 15 Menschen, die Militäreinheiten wurden daraufhin aus dem Dorf abgezogen und die Kaserne geschlossen. Der ehemalige Bürgermeister von Santiago Atitlán, Salvador Ramiréz, hat in den vergangenen Wochen Todesdrohungen erhalten. Ramiréz hatte in der Vergangenheit wiederholt den Abzug der Soldaten aus der Region gefordert. Schwer verletzt wurden bei einem Attentat der Bürgermeister der Gemeinde Concepción, Juracán Soler, und seine Frau. Bewaffnete Männer drangen am 12. Juli in ihr Haus ein und schossen mit Maschinengewehren auf die beiden schutzlosen Menschen.

Die guatemaltekische Menschenrechtskommission weist auch darauf hin, daß die paramilitärische Zivilpatrouillen (PAC), die direkt dem Kommando der Streitkräfte unterstehen, die Bauern und Bäuerinnen in der Gemeinde Joyagaj im Nordwesten der Provinz El Quiché bedrohen und einschüchtern, da sie sich weigern, den Milizen beizutreten. Die Befehlshaber hätten angekündigt, alle Personen zu ermorden, die sich dem Funktionieren der Milizen widersetzten; zudem forderten sie, daß alle Menschenrechtsorganisationen aus der Region „verschwinden sollten“. Der Militärchef Pedro Pablo José erteilte den Befehl, Listen mit der Parteizugehörigkeit der Bauern und Bäuerinnen zu erstellen. Er wies seine Untergebenen an, alle Bauern und Bäuerinnen zu töten, die sich diesem Befehl widersetzten.

Die spanische Regierung hat dem Menschenrechtsbeauftragten 100 000 Dollar für eine Studie gewährt, die Aufklärung über die Rekrutierungsmethoden der Zivilpatrouillen geben soll, die „sich nicht nur mit Waffen ausgerüstet haben, sondern auch mit unbegrenzter Macht“.

Gewalt in ländlichen Gebieten überwiegt

Die Gewalttaten werden überwiegend in ländlichen Gebieten verübt. Die Vermutung liegt nahe, daß die Regierung die Kontrolle über die Militäreinheiten in den Provinzen verloren hat. Dies belegen auch Drohungen von Zivilpatrouillen gegen den Staatschef de León; sie beschuldigen ihn, ein Präsident der Guerilla zu sein, daher werde es „nicht lange bis zu seinem Sturz dauern“. Charakteristisch für die derzeitige Situation ist weiterhin, daß die Verantwortlichen nach wie vor kaum mit einer Bestrafung rechnen müssen. Die neue Regierung zeigt sich bislang ebenso wie ihre Vorgängerinnen unfähig, die Verbrechen aufzuklären und die Täter*innen zu bestrafen.

In den ländlichen Gebieten haben die Streitkräfte die Zwangsrekrutierungen verstärkt. Im Westen des Gebietes Totonicapán begannen 130 Einheiten eine Kampagne, Jugendliche für die Armee zu rekrutieren.

Die demonstrative Aggressivität der Streitkräfte und die zunehmende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung wird von Beobachtern als Kampfansage an den Präsidenten gewertet: de Leóns Wille und Macht, die Straflosigkeit zu beenden, stünden auf dem Prüfstand. Zudem wird die Eskalation der Gewalt als eine Demonstration der Streitkräfte eingeschätzt, daß zwar in der Hauptstadt politische Veränderungen stattfinden, in den ländlichen Gebieten die Macht der Militärs und der Repressionsapparat jedoch unangetastet ist.

Der „gemässigte“ Verteidigungsminister

(Guatemala, 3. August 1993, Cerigua-POONAL).- Er selbst sagt von sich, daß er ein „General für den Frieden und die Demokratie“ sein möchte. Ein Professor der Politischen Wissenschaften der privaten Universität „Francisco Marroquín“ sagt über ihn, er sei ein Militär mit demokratischen Überzeugungen. Als eine „Option für die Demokratisierung der guatemaltekischen Armee“ bezeichnet ihn die US- Presse. General Mario René Enriquez, seit einem Monat guatemaltekischer Verteidigungsminister, wurde über Nacht zum Hoffnungsträger. So neu wie es die guatemaltekische und internationale Presse glauben machen will, ist die neue Militärspitze jedoch nicht. „Sie repräsentieren die Linie der 'Sicherheit und Entwicklung' gegenüber der Linie der Nationalen Sicherheit“, schrieb die mexikanische Tageszeitung „Excelsior“. Die Putschisten von 1982 und die Anhänger der „These der Nationalen Stabilität“ des Verteidigungsministers der christdemokratischen Regierung, General Héctor Gramajo, haben einige Posten an den Schaltstellen der Macht wiedererlangt, stellte die Zeitung „El Día“ fest.

Wer ist General Enríquez? Zum Zeitpunkt des Putsches gegen Romeo Lucas García am 23. März 1982 war Oberstleutnant Enríquez Kommandant des zweiten Bataillons der Kaserne „Mariscal Zavala“ in der Hauptstadt. Im Gegensatz zu Oberstleutnant José García Samayoa, damals Kommandant des ersten Bataillons dieser Kaserne und später Verteidigungsminister unter Jorge Serrano, unterstützte er 1982 den Putsch junger Offiziere gegen Lucas García. Fortan hatte er den Posten eines militärischen Beraters des Diktators Efraín Ríos Montt inne und war in dieser Eigenschaft maßgeblich an der Ausführung des 1982 ausgearbeiteten „Nationalen Plans für Sicherheit und Entwicklung“ beteiligt. Zugrunde liegt diesem Plan die Einsicht einiger guatemaltekischer Militärs, daß die Guerilla langfristig militärisch nicht zu besiegen ist, wenn ihr nicht zugleich mit politischen und sozioökonomischen Aktionen die Basis entzogen wird. Oder mit den Worten von Enríquez auf dem Forum „27 Jahre Kampf für die Freiheit“ 1987: „Die Unterentwicklung in Guatemala ist ein guter Nährboden für die Subversion. Wir müssen uns anstrengen, den Lebensstandard zu erhöhen, damit diese Ideologie keine Chancen hat.“ In den vier Phasen des Plans wurde zuerst die Politik der „verbrannten Erde“ intensiviert und über 400 Dörfer im guatemaltekischen Hochland dem Erdboden gleichgemacht. Dann siedelten die Militärs die verbliebene Bevölkerung in „Modelldörfern“ an und verstärkten die Kontrollmechanismen. 1986 vollzog das Militär schließlich den Übergang zur formalen Demokratie mit einer Zivilregierung.

1987 war Enríquez – wie viele der Militärs, die nach dem Putsch gegen Ríos Montt 1983 als Militärattachés ins Ausland gingen – schon von Gramajo nach Guatemala zurückgeholt worden. Der Verteidigungsminister unter Vinicio Cerezo machte ihn zum Direktor der S-5 des Generalstabs der Armee, der Abteilung für „Zivile Angelegenheiten“. Danach leitete er die Militärakademie der Armee und wurde im September 1990 zum Kommandanten einer der wichtigsten Militärbasen des Landes – Playa Grande in der Provinz Quiché – ernannt. Anschließend leitete er ab Juli 1991 die „Guardia de Honor“ in der Hauptstadt, bis er bei den Umbesetzungen im Dezember 1991 auf den Posten des stellvertretenden Generalstabschefs gelangte.

Die Erklärungen von Enríquez als neuer Verteidigungsminister, die so große Hoffnungen wecken, sind nur der Beweis dafür, daß er seine früheren Positionen weiterhin vertritt. Der Korrespondent des“Excelsior“, Haroldo Shetumul, zu den Zielen der neuen Militärführung: „Elf Jahre später (nach dem Putsch von 1982) versuchen sie ihr Werk zu vollenden: ein politisches Ende des bewaffneten Konfliktes – ohne den Verlust der Hegemonie der Armee.“ Deswegen befürwortete Enríquez wiederholt die Wiederaufnahme der Verhandlungen. „Nicht einmal mit 150.000 Soldaten können die terroristischen Aktionen von 800 Guerilleros aufgehalten werden“, räumte er am 24. Juli ein. Oder anders ausgedrückt; ein Sieg mit rein militärischen Mitteln über die Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas (URNG) ist unmöglich.

Dies heißt aber nicht, daß Enríquez eine Beschneidung der Macht der Streitkräfte akzeptieren würde. Auch in dieser Hinsicht sind seine Äußerungen eindeutig. Beispielsweise lehnt er eine Reduzierung der Armee klar ab, weil seiner Ansicht nach Guatemala im Vergleich zu seinen Nachbarn und unter Berücksichtigung der Größe des Territoriums und der EinwohnerInnenzahl die kleinste Armee habe. „Statt zu verringern, müßten wir die Zahl der Soldaten erhöhen“, meinte er am 24. Juli gegenüber der Tageszeitung „Prensa Libre“. Auch ist die Sicherung der Straffreiheit für uniformierte Mörder unerläßlich, um die Vormachtstellung der Militärs zu erhalten. Deswegen verweigert Enríquez die Bildung einer Untersuchungskommission zu den Menschenrechtsverletzungen der letzten dreißig Jahre. „Das wäre, als ob wir unseren Kopf hinhalten würden, damit sie uns köpfen können“, erklärte er. In bezug auf die paramilitärischen Zivilpatrouillen (PAC) stellte er inzwischen auch klar, daß an ihre Auflösung erst nach einem Ende des bewaffneten Konfliktes gedacht sei.

General Gramajo, der sich im Verlauf der Staatsstreiche gegen die damalige Militärführung gestellt hatte, äußerte sich sehr zufrieden über die neuen Ernennungen. „Die neue Militärspitze versteht die nationale Realität.“ 1990 beschrieb Gramajo seine Konzepte so: „Wir ermöglichen Entwicklung für 70% der Bevölkerung und töten 30%“. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Enríquez Projekte der Armee im Bereich Umweltschutz, Entwicklung und Verteidigung der Menschenrechte ankündigt, ohne daß dies einen Widerspruch zu den Bombardierungen gegen die Widerstandsdörfer, die er als Kommandant von Playa Grande im Zeitraum von September 1990 bis Juni 1991 angeordnet hat, darstellen würde. Oder wenn Oberst Otto Pérez Molina, nun Chef des Sicherheitsstabes des Präsidenten, wegen seiner Rolle bei der Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung gefeiert wird, ohne daß jemand genauer nachforscht, für wieviele Massaker in Nebaj er verantwortlich ist. Dorthin, ins Ixil-Dreieck der Provinz Quiché, wurde Pérez Molina direkt nach dem Putsch 1982 geschickt – in der schlimmsten Zeit der Politik der „verbrannten Erde“.

„El Día“ schrieb nach der Entlassung von General Jorge Perussina und der Ernennung von Enríquez zum Verteidigungsminister, dadurch sei nicht ein „Falke“ durch eine „Taube“ ersetzt worden. Letzendlich stammten beide Generäle aus der gleichen Armee, die mit den Konzepten des Counterinsurgency-Krieges geformt worden sei. „Der Hauptunterschied zwischen den beiden geht wahrscheinlich nicht über die Frage der Methoden hinaus, mit denen der gemeinsame Feind neutralisiert werden soll“, so die Zeitung.

KOLUMBIEN

Korruptionsbekämpfer soll entlassen werden

(Bogotá, August 1993, AC-POONAL).- Die Disziplinarkammer des Obersten Rates der Judikative hat den Präsidenten aufgefordert, den Finanzkontrolleur Jorge García Hurtado wegen „unverantwortlicher und extravaganter Überschreitung seiner Befugnisse“ zu entlassen. Das Urteil des Obersten Rates wirft ein bezeichnendes Licht auf das Netz von Korruption und Kungelei in Kolumbien. Denn dem pflichteifrigen Beamten und obersten Korruptionsbekämpfer Hurtado wird nun von berufener Stelle zum Vorwurf gemacht, daß er seinen Job als Überwacher der Staatsfinanzen ernst genommen hat und hartnäckig Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung öffentlicher Gelder moniert hat.

Hurtado wurde unter anderem die Sperrung von Geldern des ICETEX, eine staatliche Institution zur Förderung der Bildung, übelgenommen. Nach Hurtados Recherchen war die ICETEX ein Selbstbedienungsladen von Kongreßabgeordneten, die den Fonds für finanzielle Zuwendungen an ihre Wähler mißbrauchten.

Das Amt des Finanzüberwachers war durch den Übergangsartikel 34 der neuen Verfassung für drei Jahre geschaffen worden. Der Budgetaufseher hat ausdrücklich die Aufgabe, „den Gebrauch von Mitteln aus öffentlichen Geldern oder ausländischen Zuwendungen für Wahlkampagnen zu verhindern.“

Die Mehrheit der Kommentator*innen sind der Ansicht, daß das Urteil gegen Hurtado einen politischen Hintergrund hat. Ein unbequemer Kontrolleur, der die Korruption und Vetternwirtschaft der Politiker und Staatsbeamten offenlegt, solle seines Postens enthoben werden. Der Zeitpunkt könne auch kaum überraschen, schließlich stehen Wahlen bevor, und viele Kongreßabgeordnete haben die öffentlichen Gelder für Wahlkampagnen und Stimmenkauf fest eingeplant. Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß mit der Suspendierung von Hurtado möglicherweise die bevorstehende Veröffentlichung eines Berichtes über die unsachgemäße Verwendung von öffentlichen Geldern der Stiftung Colfuturo, in die die Gattin des Präsidentin verwickelt ist, verhindert werden solle.

Es ist auch zweifelhaft, ob daß Urteil einer juristischen Prüfung standhält. Etliche Expert*innen bestreiten, daß die Disziplinarkammer des Obersten Rates befugt sei, den Finanzkontrolleur abzusetzen. Die Kompetenzen der Disziplinarkammer beschränkten sich darauf, Jurist*innen und Richter*innen zu überprüfen.

Die Konservative Partei, der Hurtado angehört, stellte sich geschlossen hinter den Finanzwächter. „Wenn der Finanzüberwacher entlassen werden sollte, wird das einen internationalen Skandal geben“, drohte der Politiker Alvaro Gomez Hurtado und forderte den Präsidenten zu einer Stellungnahme auf. Die demokratische Allianz M-19 kritisierte das Urteil ebenfalls und forderte die Amtsenthebung der fünf Richter der Disziplinarkammer. Gustavo Petro, ein Kongreßabgeordneter der M-19, bezeichnete das Urteil als verfassungswidrig und daher ungültig. Unterstützung erfuhr Hurtado auch von zahlreichen Demonstrant*innen, die „Nein zur Absetzung des Finanzüberwachers“ und „Gefängnis für Korrupte“ forderten.

Den Präsidenten bringt der Fall des Finanzüberwachers in jedem Fall in eine heikle Lage. Die Opposition könnte die Entlassung Hurtados als indirektes Eingeständnis für die Verwicklung der Regierung in Korruptionsfälle hinstellen. Andererseits meinen einige Jurist*innen, der Präsident müsse das Urteil der Disziplinarkammer befolgen, da er sonst gegen die Verfassung verstoße.

Militarisierung und soziale Demontage

(Bogotá, 3. August 1993, AC-POONAL).- Die von Präsident Gaviría zu Beginn der neuen Sitzungsperiode des Kongresses eingereichten Gesetzesinitiativen zeigen, daß ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit seine Vision vom „neuen Land“ zu reiner Rhetorik verkommen ist. Die Grundzüge seiner Politik: Militarisierung des Landes und soziale Demontage.

Der Präsident reichte ein Paket von Gesetzentwürfen ein, „die die Armut, die Straflosigkeit und die Gewalt in Kolumbien bekämpfen sollen“. Im Zentrum der Debatten stehen die geplante Privatisierung der Sozialversicherung und die Beendigung des Bürgerkriegs.

Privatisierung der Sozialversicherung

Gravierende Veränderungen soll das System der Pensionskassen erfahren. Sie sollen ganz auf die Eigenbeteiligung der Versicherten umgestellt werden und künftig in direkte Konkurrenz mit der Sozialversicherung (Seguro Social) treten. Zudem soll das Rentenalter heraufgesetzt werden, da die Lebenserwartung der Kolumbianer*innen gestiegen sei und es nach Meinung des Präsidenten unmöglich sei, derart „junge Rentner*innen“ zu versorgen.

Die Gewerkschaften kritisieren, daß der Vorschlag des Präsidenten die Privatisierung der Sozialversicherung bedeute. Die Gesundheitsbetreuung werde eliminiert und die Beiträge auf 25,5 Prozent des Lohnes angehoben, die Renten vermindert.

Nach einer von der Zeitung El Espectador erhobenen Meinungsumfrage ist die Mehrheit gegen die Pläne der Regierung. 56 Prozent sprachen sich gegen eine Privatisierung der Sozialversicherung aus, 36 Prozent stimmten zu. Zustimmung erfährt die Regierung nach Ansicht der Zeitung vor allem aus oberen Gesellschaftsschichten. Und auch in der Bildungspolitik stellt sich eine Mehrheit gegen die Politik des Präsidenten: 75,1 Prozent lehnen die stufenweise Privatisierung des Bildungssystems ab. 89,5 Prozent fordern von der Regierung Unterstützung für die Landwirtschaft und eine Verminderung der Steuern für die Bauern und Bäuerinnen.

Eine Mehrheit der Kolumbianer*innen fordert zudem eine aktivere Politik gegen die Arbeitslosigkeit. 62 Prozent befürworten die Schaffung von öffentlichen Stellen, 93,6 Prozent sind der Meinung, daß die Regierung Anreize zur Schaffung von neuen Unternehmen und Arbeitsplätzen schaffen müsse.

Aus Protest gegen die Pläne der Regierung haben die Einheitsgewerkschaft CUT, die Vereinigung der kolumbianischen Arbeiter*innen CTC und das Nationale Zivilstreikkomitee für den 3. August zu einem nationalen Protesttag aufgerufen, der als „Besetzung Bogotás“ angekündigt wurde.

Nationaler Protesttag

Neben der Sozial- und Wirtschaftspolitik stand die Sicherheitspolitik der Regierung und ihre Strategie zur Beendigung des Bürgerkriegs im Vordergrund. Der Vorschlag der Regierung setzt drei Akzente:

– Stärkung der Justiz, der Armee und der Polizei – Verstärkung der Jugendarbeit als Kriminalitätsvorbeugung – die stärkere Beteiligung der Bevölkerung an derSicherheitspolitik

Die Regierung vertraut ihrem eigenen Vorschlag indes selbst so wenig, daß sie ihn bislang geheim hielt. Weit klarer war dagegen die Analyse, die Verteidigungsminister Rafael Pardo dem Parlament präsentierte. Er favorisierte eindeutig eine militärische Lösung, um die RebellInnenbewegungen zu bekämpfen. Er forderte daher eine Erhöhung des Militärbudgets und der Armeetruppen. Konkret schlug er die Erweiterung der Armee um 9 Bataillone und 5 Anti- Guerillakompanien vor (insgesamt 8.276 Soldaten), was rund 58 Millionen Dollar kosten würde. Weitere 105 Millionen Dollar will der Verteidigungsminister für die Spezialisierung von Einheiten auf die Aufstandsbekämpfung, für den Geheimdienst und für zusätzliche Armee- und Polizeieinheiten ausgeben. In diesem Jahr ist nach Aussagen von Pardo der Militäretat bereits um über 80 Prozent auf über 700 Millionen Dollar angewachsen.

Es steht kaum in Frage, daß das Parlament die Pläne des Verteidigungsministers genehmigen wird – bislang hat es immer gefügig die Erklärung des Ausnahmezustands und die Erhöhung des Militärbudgets bewilligt.

Es ist nur ein Minderheit von Abgeordneten und sozialen Organisationen, die die Politik des „ganzheitlichen Krieges“ der Regierung ablehnt. In einem sogenannten „Arbeitstisch für den Frieden haben sich verschiedene Gruppen, die auch den nationalen Protesttag am 3. August organisierten, zusammengeschlossen. Sie kritisieren die Einschränkung der Meinungsfreiheit, der Autonomie der lokalen Behörden und die Erhöhung der Kriegsausgaben und fordern mehr Geld für Krankenhäuser und Schulen. Der Arbeitstisch hat die Regierung und die Guerillabewegung wiederholt aufgerufen, eine politische Lösung für den bewaffneten Konflikt zu suchen.

KUBA

Rigoberta Menchú: Handelsembargo moralisch nicht haltbar

(Havanna, 2. August 1993, PL-POONAL).- Die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú verurteilte am 2. August die Handelsblockade, die die USA über Kuba verhängt haben, und solidarisierte sich mit den Bemühungen des kubanischen Volkes, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu lösen.

„Die Blockade ist unmoralisch, mißachtet tiefgreifend die Menschenrechte und ist eine Maßnahme, um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von tiefgehenden Problemen abzulenken“, äußerte die Indígena-Führerin in einer Stellungnahme gegenüber Prensa Latina.

Menchú besucht Kuba auf Einladung der Regierung und nahm seit ihrer Ankunft am 30. Juli Kontakte mit Funktionär*innen und führenden Persönlichkeiten des Landes auf. Die 34jährige Quiché- Indianerin sagte, daß sie den Fall Kuba seit 11 Jahren auf internationalen Foren verfolge und immer Manipulation, Ungerechtigkeiten und eine Verzerrungsstrategie gegenüber Kuba bemerkt habe.

„Die Haltung vieler Nationen, und insbesondere derer, die das Gleichgewicht in der Welt aufrecht erhalten sollten, war in bezug auf Kuba immer ungerecht. Es scheint mir, daß eine Politik der ständigen Blockade gegen Kuba vorherrscht und nicht nur in ökonomischer Hinsicht“, äußerte Menchú.

Nachdem sie ein Blumengesteck vor dem Denkmal des kubanischen Nationalhelden José Martí auf dem Platz der Revolution niedergelegt hatte, kritisierte Menchú auch die Regierungen, die sich den antikubanischen Kampagnen in bezug auf die Menschenrechtsfragen angeschlossen haben.

„Guatemala ist eines der Länder, das am meisten unter dem Fall Kubas gelitten hat“, erklärte Menchú, womit sie darauf anspielte, daß Guatemala bei der Analyse der Menschenrechtssituation weltweit auf Platz 12 der Liste der UNO-Menschenrechtskommission, die jährlich in Genf zusammentritt, stand. Guatemala wurde dann von der Liste der Länder mit permanenten und systematischen Menschenrechtsverbrechen gestrichen und durch Kuba ersetzt, um Maßnahmen gegen Kuba einzuleiten. Kuba werde vor Gericht gestellt aufgrund der Kampagnen der USA, die selbst Druck und Wirtschaftserpressungen verüben würden, betonte Menchú.

Diese Entscheidung der Vereinten Nationen ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß es in Guatemala mehr als 100.000 Flüchtlinge vor der Repression und dem Krieg gibt, tausende von Witwen und Waisen, schlimmste Lebensverhältnisse, 1 Million interne Vertriebene, 45.000 „Verschwundene“ und mehr als 100.000 Tote. „Wenn die UNO Sanktionen verhängt, dann sollte sie dies in Guatemala tun. Dort sind Repression und Massaker an der Bevölkerung ein alltäglicher Alptraum sind.“ Das Konzept der Menschenrechte sei viel weiter zu fassen als der Begriff, der bei der Kritik an Kuba verwendet werde, sagte Menchú. Vor allem weil „wir wissen, daß heute über unser Lateinamerika mit viel Schmerz, Leiden und Verachtung des Menschenlebens geredet wird.“ Dazu gehörten neben anderen Problemen vor allem die Millionen von Kindern, die auf der Straße leben.

Menchú wurde am Abend des 2. August der Orden „Ana Betancourt“ vom Staatsrat der Republik verliehen. Zuvor hatte sie das Kinderkrankenhaus „William Soler“ in Guinera in der Provinz Havanna besucht.

KUBA

Freundschaftskarawanen in den USA sammeln für Kuba

(Havanna, 3. August 1993, PL-POONAL).- Die Mitglieder der 2. Freundschaftskarawane USA-Kuba feierten am 3. August das fünfjährige Bestehen der „Friedenshirten“, einer ökumenischen Organisation in Nordamerika, die den Menschen in Kuba humanitäre Hilfe zukommen läßt.

Diese religiöse Gruppe wurde 1988 von dem Schwarzen Lucius Walker gegründet, um die Solidarität zwischen den USA und den Ländern El Salvador und Nicaragua zu bekunden. Die Organisation hat ihre Arbeit auf Kuba ausgeweitet, um Bewußtsein bei den Nordamerikaner*innen dafür zu bilden, daß die seit 34 Jahren verhängte Wirtschaftsblockade über Kuba aufgehoben werden soll.

Im November letzten Jahres startete die erste Karawane in Richtung Kuba. Während der Reise wurden in zahlreichen nordamerikanischen Städten Veranstaltungen organisiert, um über die Realiät auf der Karibikinsel zu informieren und Hilfsmittel zu sammeln. Diese erste Karawane sammelte 12,5 Tonnen Milchpulver, Medizin, Schulartikel, Bibelausgaben, Fahrräder und andere Artikel, die im Dezember in kubanischen Krankenhäusern, Altersheimen und Schulen verteilt wurden.

Die zweite Karwane fuhr am 14. Juli von verschiedenen Städten in den USA und von drei kanadischen Städten aus los, um am 26. Juli in der texanischen Grenzstadt Laredo anzukommen.

Während ihrer Tour durch mehr als 120 Städte dieser beiden Länder, erfuhren die Teilnehmer*innen der Karawane Unterstützung von der nordamerikanischen Bevölkerung, sie wurden aber auch mit der Agression ultrarechter US-Kubaner*innen konfrontiert.

Die zweite Karawane sammelte mehr als 100 Tonnen Medizin, Computer, Nahrungsmittel und Busse. All dies wurde mit der Erlaubnis der US-Behörden aus den USA ausgeführt. Nur für einen Schulomnibus, der einem Altersheim übergeben werden sollte, verweigerten die Behördern zunächst die Ausfuhr, willigten aber schließlich ein, nachdem die 14 Insass*innen des Fahrzeugs, darunter auch Walker, am 29. Juli in den Hungerstreik traten.

20 weitere Mitglieder der Gruppe blieben aus Solidarität vor Ort, um die Streikenden zu unterstützen. Der andere Teil der Gruppe – ungefähr 270 Personen – brachte die Fracht bis zum mexikanischen Hafen Tamapico und verschifften sie auf das Motorboot „Pinar del Río“, das am 8. August in Kuba ankommen soll.

Präsident Fidel Castro, der die Teilnehmer*innen der Karawane am 1. August auf dem internationalen Flughafen José Martí empfing, sagte, daß die Kubaner*innen der Gruppe sehr dankbar sein sollten, und daß diese Aktion eine der besten gegen die Handelsblockade sei.

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