Opposition will das Ergebnis der Kommunalwahlen anfechten

von Torge Löding

(Berlin, 22. November 2008, npl).- n Nicaragua will sich offenbar das Nationalparlament mit dem Ergebnis der Kommunalwahlen vom 9. November beschäftigen. Parlamentspräsident Wilfredo Navarro von der oppositionellen liberalen PLC kündigte in der vergangenen Woche an, einen Antrag auf Ungültigkeit der Kommunalwahlen zu stellen. Der Politiker zeigte sich zuversichtlich, die nötigen 47 Stimmen für die Mehrheit dafür zu bekommen, denn die Frente Sandinista (FSLN) des regierenden Präsidenten Daniel Ortega stellt nur eine Minderheit der Parlamentarier*innen.

Mit Empörung reagierten die Regierungssandinist*innen. Eduard Centeno, Vorsitzender des nicaraguanischen Städtetages und führendes FSLN-Mitglied, sagte, man werde sich den Triumph bei den Kommunalwahlen weder von Straßenprotesten noch illegalen Parlamentsmanövern streitig machen.

Dem nun verkündeten Endergebnis zufolge wird die Hauptstadt Managua künftig von dem dreifachen Boxweltmeister Alexis Argüello regiert. Die Oberste Wahlbehörde des mittelamerikanischen Landes teilte am Donnerstagabend das endgültige Resultat der umstrittenen Kommunalwahlen vom 9. November mit und erklärte den Sandinisten zum neuen Bürgermeister.

Die Kandidaten des Präsidenten Daniel Ortega haben den Angaben der von der Regierung dominierten Wahlbehörde zufolge in 105 von 146 Gemeinden des Landes gesiegt. Die oppositionellen liberalen Parteien PLC und ALN sprechen von Wahlbetrug. Die bislang konkurrierenden Gruppierungen waren als Bündnis angetreten, nach eigenen Rechnungen habe u.a. ihr Kandidat Eduardo Montealegre die Wahl zum Bürgermeister in Managua gewonnen. Sie beklagen angebliche Unregelmäßigkeiten; so seien nach der Abstimmung massiv Wahlzettel auf Müllhalden gefunden wurden. Der Oberste Wahlrat schweigt zu diesen Vorwürfen.

Zudem müssen sich die regierenden Sandinist*innen der Kritik stellen, dass es nicht wie bei früheren Wahlen üblich, zahlreiche unabhängige Beobachter*innen gegeben hat. Lediglich der unbekannte „Rat Lateinamerikanischer Wahlexperten“ (CEELA) war mit 120 Spezialist*innen akkreditiert, bei mehr als 5000 Abstimmungslokalen nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Die Liberalen riefen unterdessen zu Protesten auf, die in Krawallen mit einer Toten und zahlreichen Verletzten mündeten. Eine für vergangenen Sonntag geplante Protestveranstaltung in León konnte aufgrund einer gewalttätigen Gegendemonstration von FSLN-Anhänger*innen nicht durchgeführt werden.

In einer Zerreißprobe befindet sich derzeit die Bewegung der Erneuerungssandinist*innen (MRS), denen wie der Konservativen Partei die Teilnahme an den Kommunalwahlen aufgrund eines angeblichen Formfehlers bei der KandidatInnenaufstellung vom Wahlrat verweigert worden war. Nachdem die Sprecherin des linken „Rettungs“-Flügels („Rescate“), Ex-Comandante Mónica Baltodano, zur ungültigen Stimmabgabe aufgerufen hatte, übte sich der Parteiführer und Vertreter der sozialdemokratischen „Erneuerungs“-Flügels („Renovación“), Edmundo Jarquín, vor der Wahl öffentlich in politischer Umarmung mit den Liberalen Montealegres (PLC) und dem der Korruption überführten Ex-Präsidenten Arnaldo Alemán (ALN). Wobei Daniel Ortega (FSLN) allerdings ohne seinen vor Jahren besiegelten, umstrittenen Pakt mit letzterem bei den vergangenen Wahlen wohl nicht an die Regierung gekommen wäre.

Ein komplexes Szenario, welches die meßbaren Erfolge der Regierung Ortega bei der Armutsbekämpfung durch soziale Hilfsprogramme wie „Null Hunger“ in den Schatten stellt. Die Kommunalwahlen waren im Vorfeld zum „Referendum über Ortega“ hoch stilisiert worden, die erreichte, für solche Wahlen übliche, Beteiligung von 50 Prozent kann wohl weder Gegner*innen noch Unterstützer*innen wirklich überzeugen.

Im Vorfeld der Kommunalwahlen waren verstärkt Nichtregierungsorganisationen ins Visier der Staatsgewalt geraten. Die Büros von feministischen Gruppen und die gegen Korruption agierende Organisation CINCO von Carlos Chamorro (vormals Chefredakteur der FSLN-Parteizeitung) wurden von martialischen Polizeiaufgeboten auf den Kopf gestellt, eine Durchsuchung musste sich auch das lokale Büro der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung gefallen lassen.

Bemerkenswert ist, dass vor allem linke Kritiker der FSLN-Führung unter Druck gesetzt wurden, wie zum Beispiel der Befreiungstheologe und frühere sandinistische Kulturminister Ernesto Cardenal, dem eine Haftstraße wegen „übler Nachrede“ der Regierung gegenüber droht. Die Kapitalismuskritik von Daniel Ortega selbst hat sich unterdessen stark verändert. Kürzlich zitierte ihn der regierungsfreundliche TV-Kanal 4 mit folgender Analyse: „Die weltweite Finanzkrise ist eine Strafe Gottes, der die Börse explodieren lässt. Uns bleibt nur der Glaube an Gott und das Prinzip der Nächstenliebe“, sinnierte der Präsident, der sich früher auf den Marxismus berief.

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