Neue Zauberformel: Putsch + Wahlen = Demokratie

von Frida Modak

(Quito, 29. November 2009, alai).- Fünf Monate und einen Tag nach dem Putsch in Honduras heißt es, dass eigentlich nichts Nennenswertes passiert sei. Am heutigen Tag finden Präsidentschaftswahlen statt – und daher Schwamm drüber. So jedenfalls stellt sich die Fortsetzung der unter ganz ähnlichen Bedingungen eingeführten Doktrin der nationalen Sicherheit der USA dar, die seit dem Staatstreich in Brasilien von 1965 zu einer Schwemme an Militärdiktaturen in der Region geführt hat.

Im Sinne dieser Doktrin wurde der gewählte Präsident Manuel Zelaya durch die Armee entmachtet und außer Landes gebracht. Ihm wurde das schwere Vergehen vorgeworfen, dem honduranischen Volk einen Grad an Partizipation bei den Angelegenheiten des Landes eingeräumt zu haben, was diesem aus nahe liegenden Gründen nicht zusteht. Die heute durchgeführten Wahlen wurden von Zelaya ausgerufen, was Putschist*innen innerhalb und außerhalb des Landes jedoch nicht daran hindert, weiterhin zu versuchen ihr Vorgehen mit dem Argument zu rechtfertigen, dass der bisher rechtmäßige Präsident durch diese Wahlen seine Amtszeit hätte verlängern wollen.

Der Unterschied zwischen den Ereignissen von 1965 bis zu den frühen 1990er Jahren und heute besteht lediglich darin, dass der Zeitrahmen für die Wahlen kürzer ist. Und die Motivationen für einen Wandel sind offensichtlich: Nach so vielen Jahren des Kampfes gegen Diktaturen haben es die Völker Süd– und Zentralamerikas geschafft, das soziale Gewebe wieder zusammen zu setzen und sich zu organisieren, was auch dazu geführt hat, dass die politischen Parteien, die fast gänzlich verboten waren, zu neuer Präsenz gelangen konnten. Dies führte zu Protestbewegungen, die das Scheitern der Militärregierungen aufzeigten, so dass diese sich gezwungen sahen, demokratische Alternativen auszuhandeln.

Das war nicht einfach, standen doch die USA hinter all dem: hinter den Putschversuchen ebenso wie hinter den Verhandlungen. Die Lücken, die noch in einigen Verfassungen anzutreffen sind, sind ein Produkt dessen, und die Notwendigkeit von Verfassungsreformen besteht in allen Ländern der Region, sie galt und gilt immer noch auch für Honduras. Davon abgesehen hat die politische und soziale Entwicklung von weiterhin alles andere als vorbildlichen lateinamerikanischen Demokratien hin zu progressiven Regierungen, vor allem in Zentral– und Südamerika geführt, zu denen sich Staaten der Karibik hinzugesellt haben. Deren eigenständige Entscheidungen wirken sich auf das aus, was die USA als ihre strategischen Interessen ansehen – und die keine Grenzen kennen.

Der Staatsstreich in Honduras führte zu Reaktionen, wie es sie noch nie zuvor gegeben hatte – und das, obwohl dieses Land bereits mehrmals Zeiten der Diktatur durchlebte. Und das war wohl eine Konsequenz der von der Regierung Zelaya initiierten Öffnung. Die soziale Mobilisierung führte zu bislang unvorstellbaren Szenen: Als die Militärs das Landgut von Zelaya besetzten, weil sie dachten, dieses liege nahe der Grenze und Zelaya könne versuchen, auf diese Weise ins Land zurückzukehren, zwang die Bevölkerung des Dorfes das Militär, sich von den Gütern Zelayas wieder zurückzuziehen. Als die Repression in den ärmeren Vierteln zunahm, gingen die „Maras“, die Banden, zur Verteidigung jener auf die Straße, die sie vorher vielleicht überfallen hatten, und es gab Bezirke, in die sich die Polizei nicht hineinwagte.

„Die Wahlen werden stattfinden“, sagte ein namentlich nicht benannter US–Funktionär. Ja, und zwar deswegen, weil Washington dieser neuen Kraft, die in Honduras entstanden ist, nicht noch mehr Zeit zur Vernetzung geben möchte. Der neue US–Staatssekretär für Lateinamerika, Arturo Valenzuela, sagte bei seiner Antrittsrede vor dem Ständigen Rat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), dass „die Wahlen […] keine Erfindung einer De–facto–Regierung auf der Suche nach einem Ausweg oder um einen Staatstreich wegzuwischen“ seien, und fügte hinzu, es handele sich um eine „mit der Verfassung übereinstimmende Wahl, um das Mandat des Präsidenten und das des Kongresses neu zu wählen“. Dasselbe Mandat, das es am 28. Juni auch gegeben hatte und das nicht respektiert worden war.

Die Vereinigten Staaten werden jede Karte ausspielen, um zu erreichen, dass diese Wahlen anerkannt werden, und werden nur einknicken, wenn sich herausstellen sollte, dass die Stimmenthaltung sehr hoch ist. Eine Möglichkeit, auf die in der honduranischen Presse hingewiesen worden ist. Diese Presse unterstützt – abgesehen von ein oder zwei Ausnahmen – das De–facto–Regime. Ein anderes Motiv ist die Reaktion der internationalen Gemeinschaft die, ähnlich wie die OAS, zu dieser Wahl keine Wahlbeobachter*innen schicken wird, weil die Wahl, wie der spanische Präsident es formulierte „nicht akzeptabel“ ist. Diejenigen, die den Putschist*innen zur Seite stehen werden, sind Repräsentant*innen der neo–frankistischen Volkspartei Partido Popular (der Partei von Aznar), die gemeinsam mit Washington und Panama diese Wahl anerkennen wollen, während Kolumbien und Peru zwar die gleiche Position vertreten, es aber vorziehen, die Entwicklung der Situation abzuwarten, um sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.

Das Weißbuch

Um das komplexe Interessengeflecht zu verstehen, das sich hinter dem erneuten Rückgriff auf einen Putsch als politisches Mittel in der Region verbirgt, muss man die verfügbaren Dokumente über weltweite Strategien und Militärstützpunkte der USA zu Rate ziehen. Auf eines dieser Dokumente hatte der venezolanische Präsident Hugo Chávez in einer seiner Reden hingewiesen und interessanterweise gab es diesbezüglich keine bedeutenden Äußerungen, obwohl er das Dokument als Beweis für US–amerikanische Pläne zur Destabilisierung der Region einstufte. Ein Sprecher des US–Verteidigungsministeriums sagte hierzu, es handele sich um ein wissenschaftliches Papier.

Die argentinische Website ARGENPRESS, eine der prestigeträchtigsten Seiten im Internet, veröffentlichte eine Analyse des Weißbuches von Andrés Sallari, der unterstreicht, dass das Dokument jenseits der Verlautbarungen von Regierungssprecher*innen aus dem Norden „eine Antwort auf die Militärstrategie der USA in der ganzen Welt“ darstelle und Orte bzw. Stützpunkte in drei Stufen unterteile, wobei Stufe eins das am weitesten entwickelte Level darstellt und Stufe 3 das am wenigsten entwickelte. Zur Einführung in die aktuelle Infrastruktur zitiert er aus der Einführung des Dokuments die folgenden Zeilen:

„[…] sowohl auf den Bühnen des Pazifiks als auch auf denen Europas stellt die von uns am Ende des Waffenstillstands geschaffene Infrastruktur auch noch 70 Jahre danach das Rückgrat unserer Infrastruktur zur Mobilisierung dar.“ Diesbezüglich unterstreicht er, wenn man die Bedeutung des Zweiten Weltkrieges bei der Entwicklung des offensiven Systems der Vereinigten Staaten in Betracht zieht, sich der Nutzen herausschäle, den dieses Land daraus zieht, indem es „neue Kriegsschauplätze schafft, bei denen es neue Militärbasen etablieren kann, wenn der spezielle Konflikt eines Tages als beigelegt angesehen werden kann“.

Im Weißbuch sind auch jene Militärstützpunkte zu finden, die am nützlichsten für die Durchsetzung von Zielen in Afrika sind, so etwa die spanischen und englischen Stützpunkte und unter Punkt 11 ist zu lesen: „Wenn wir die Route des großen Kreises ausgehend von der Küste Iraks, Djibutis oder Ghanas anschauen, beginnen wir die Genesis der Strategie von drei strategischen Nachschub–Routen zu erkennen, die zur Betankung von Kampfflugzeugen im Norden, im Zentrum und im Süden gedacht sind“. Das zeige, so Sallari, „wie geschickt es war, Saddam Hussein zu entmachten“, und das passt nahtlos zu den bereits vor zwei Jahren in der britischen Zeitung „Independent“ veröffentlichten Berichten über die Einrichtung von 50 US–amerikanischen Militärbasen im Irak.

Die Militärstützpunkte, die im Weißbuch genannt werden und die Sallari als „militärische Superstrukturen“ bezeichnet, sind:

1. Kommando der Mobilen Luftstreitkräfte (AMC)

2. US–Armee Europa (USAEUR)

3. Transportkommando der Vereinigten Staaten (USTRANSCOM)

4. Oberkommando der US–Streitkräfte für Europa (USEUCOM)

5. Führungskomitee für Verkehrsinfrastruktur in Europa (EERISC)

6. Führungskomitee für Verkehrsinfrastruktur im Pazifik (PEERISC)

7. US–Kommando in Afrika (USAFRICOM)

8. US–Kommando im Pazifik (USPACOM)

9. Luft–Expeditionsgeschwader (EAMS)

10. US–Zentralkommando Zentrum (USCENTCOM)

11. US–Zentralkommando Süd (USSOUTHCOM)

12. US–Luftstreitkräfte in Europa (USAFE)

In diesen übergeordneten „Superstrukturen“ sind auch die alten und neuen Militärstützpunkte der USA in Lateinamerika und der Karibik enthalten, eine davon ist Soto Cano in Honduras, für die neue Missionen vorgesehen sind und derentwegen das Kommunikationsunternehmen Harris–Corporation für eine Summe von 5 Milliarden US–Dollar jährlich engagiert wurde.

– Frida Modak, Journalistin, ehemalige Pressesekretärin des chilenischen Präsidenten Salvador Allende

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