Namen, die von sich reden machen

von Marina González

(Montevideo, 29. Januar 2014, la diaria).- Die neu gewählte Präsidentin Chiles, Michelle Bachelet, hat die Namen derjenigen Personen bekanntgegeben, die am 11. März 2014 ihre Ministerämter antreten werden. Die erhoffte zahlenmäßige Gleichheit zwischen Männern und Frauen hat sich nicht bestätigt, aber es scheint, als habe die Sozialistin ihr Ziel erreicht, die Ämter mit Personen zu besetzen, die die Umsetzung des Wahlprogramms ermöglichen.

Unter den 23 zukünftigen Minister*innen Chiles befinden sich nur neun Frauen. Aus Sicht der Parteizugehörigkeit handelt es sich um drei Parteilose – der Rest besteht aus Mitgliedern der Koalitionsparteien, die Bachelet an die Regierung brachten: Sechs Angehörige der Partido por la Democracia PPD (Partei für die Demokratie), fünf der Democracia Christiana DC (Christliche Demokratie), fünf der Sozialistischen Partei Partido Socialista (der die neue Präsidenten angehört), zwei Mitglieder der Radikalen Partei Partido Radical, eines der Partei Izquierda Ciudadana (Bürgerliche Linke) und eines der kommunistischen Partei Partido Comunista (PPCh). Letztgenannter kommunistischer Flügel hat in den letzten Jahren durch die Studentenbewegungen und andere organisierte soziale Gruppen an Kraft gewonnen, auf die die Regierung sich nun stützen will. Denn seit den Zeiten des linken Wahlbündnisses Unidad Popular unter der Präsidentschaft von Salvador Allende zwischen 1970 und 1973 hat die kommunistische Partei kein Ministeramt mehr innegehabt.

Mehr als eine kommunistische Ministerin war nicht drin

Die Rückkehr der Kommunist*innen in ein chilenisches Kabinett wurde von den Medien ausdrücklich betont, aber aus anderer Sicht gesehen scheint die Tatsache, dass es sich nur um ein Ministeramt handelt, ziemlich dürftig zu sein. Der uruguayische Politologe Fernando Rosenblatt, der seit mehr als fünf Jahren in Chile wohnt und an der Universität Diego Portales arbeitet, äußerte sich – darauf angesprochen – dahingehend, dass man nicht mehr erwarten konnte. Aus seiner Sicht sei ein Ministeramt für die Kommunistische Partei das ‚Maximale‘, was die Democracia Christiana DC tolerieren konnte. Seiner Meinung nach ist letztgenannte Partei die konservativste des Bündnisses. Wenn sie auch kein Veto mehr einlegen könne, wie in der Vergangenheit, so habe sie doch die ‚Kraft des Ausgleichs‘ in der Koalition. Seit Allende 1973 durch einen Militärputsch gestürzt wurde, zögen die Chilen*innen es vor, eine ‚Polarisierung‘ zu vermeiden, so Rosenblatt.

Die Sozialanthropologin Claudia Pascual von der Universität von Chile wird die nächste Frauenministerin. Sie ist Mitglied der kommunistischen Partei und ihres Zentralkomitees und aktuelle Stadträtin der Kommune Santiago de Chile und wird zukünftig den Nationalen Frauendienst SERNAM (Servicio Nacional de la Mujer) leiten. Die 41jährige Pascual arbeitete im Wahlkampfstab Bachelets an Frauenthemen und ihr Name fiel häufig im Zusammenhang mit der Nennung als kommunistische Ministerin. Ihre Ernennung zeigt auch, wie sich der Wahlkampfstab in dem von Präsidentin Bachelet gewählten Führungsteam widerspiegelt. Dies gilt gleichermaßen für die Ernennung von Álvaro Elizalde als Regierungssprecher (im Rang eines Staatsministers), der dieses Amt auch während des Wahlkampfes von Michelle Bachelet ausübte (siehe http://ladiaria.com.uy/UDh. Pascual ist Feministin und für eine straffreie Abtreibung, auch wenn das Regierungsprogramm nur eine Flexibilisierung des Schwangerschaftsabbruches in bestimmten Fällen vorsieht.

Chancengleichheit – fast

Eine andere Tatsache, die von einigen Medien hervorgehoben wurde, war die, dass es in dem vorgestellten Kabinett Bachelets „mehr Frauen als je zuvor“ gäbe, so die Nachrichtenagentur Efe. Es sei jedoch daran erinnert, dass sich Bachelet, als sie 2006 zum ersten Mal Präsidentin wurde, mit einem Ministerstab bestehend aus zehn Männern und zehn Frauen umgab – Ausdruck der perfekten Chancengleichheit und mit der höchsten Anzahl von Frauen sowohl in relativen als auch in absoluten Zahlen. „Eine zahlenmäßige Gleichheit hätte mir gefallen“, gab die Präsidentin bei der Verkündung der Namen am 24. Januar 2014 zu. Außerdem sind ab dem 11. März 2014 weniger als 40 Prozent der Ministerien in weiblicher Hand. Dazu kommt, dass keine Frau ein Schlüsselressort innehat, außer Ximena Rincon, die als Staatsministerin das Präsidialamt leiten wird. Dieses Amt soll das Bindeglied zwischen Exekutive und Legislative sein und wird eine besondere Bedeutung haben, da Bachelet umfangreiche Reformen versprochen hat. Für die Umsetzung einiger Maßnahmen verfügt sie über eine knappe Mehrheit. Rincón ist Senatorin, wird dieses Amt aber niederlegen und von ihrer Partei ersetzt werden müssen, da es in Chile für diese Fälle kein spezielles Verfahren gibt.

Die Staatsministerin ist außerdem Mitglied des sogenannten politischen Ausschusses, den engsten Kreis der Macht rund um die Präsidentin, gemeinsam mit Rodrigo Peñailillo (Ministerium für Inneres und Kabinettschef), Alberto Arenas (Finanzministerium) und Álvaro Elizalde (Regierungssprecher). Wenn man Bachelet mitzählt, werden unter den fünf Mitgliedern des engsten Regierungsausschusses also zwei Frauen sein.

Nach Meinung von Fernando Rosenblatt ist Chiles wichtigstes Ministerium das Finanzministerium. Umso mehr im Hinblick auf die ehrgeizige Steuerreform, die die kommende Regierung umsetzen will, um die starken Ungleichheiten abzubauen, die auch im Mittelpunkt des Wahlkampfes standen. Alberto Arenas, ein 49jähriger Sozialist, programmatischer Leiter des Bündnisses ‚Nueva Mayoría‘ und Haushaltsdirektor während der ganzen letzten Amtszeit von Michelle Bachelet (2006 – 2010) wird dieses Ministerium übernehmen. Der Wirtschaftsprofessor kümmerte sich bisher während seiner Laufbahn um Themen wie Steuerpolitik, sozialen Schutz, steuerliche Auswirkungen des Rentensystems in Chile und dessen Reform und arbeitete für internationale Organisationen wie das Observatorio Internacional de la Deuda (Internationale Schulden-Beobachtungsstelle), die Interamerikanische Entwicklungsbank IDB und die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik.

Enge Vertraute in den Ministerien

Die Wahl des 40järigen Peñailillo, einem Mitglied der Partido por la Democracia PPD, zum Kabinettschef und Innenminister war eine der umstrittensten Entscheidungen, da er bisher als Politiker wenig in Erscheinung getreten ist. Aber wenn die Chilen*innen ihn auch wenig kennen, so war er doch während Bachelets gesamter letzter Amtsperiode Kabinettschef. Seitdem ist er einer ihrer engsten Mitarbeiter und war Leiter ihrer Wahlkampagne.

Eine weitere verantwortungsvolle Position, die zukünftig eine Frau innehaben wird, ist die der Arbeits- und Sozialministerin. Es handelt sich hierbei um die 40jährige Javiera Blanco. Sie steht der Partei ‚Democracia Christiana‘ nahe und war, gemeinsam mit Elizalde, Wahlkampfsprecherin des Bündnisses ‚Nueva Mayoría‘. Während der ersten Amtszeit Bachelets wurde sie als erste Frau Staatssekretärin der Carabineros, der militarisierten Polizei Chiles.

Weitere Namen

Ein weitere umstrittene Position wird Nicolás Eyzaguirre innehaben, der nicht weniger als der neue Bildungsminister werden wird. Mit diesem Ministerium sind aufgrund der anstehenden Reformen viele Erwartungen verbunden. Der 61jährige Wirtschaftswissenschaftler war während der gesamten letzten Amtszeit Bachelets Finanzminister. Senator Jaime Quintana, Vorsitzender der Partido por la Democracia PPD, der auch Eyzaguirre angehört, sagte, die Tatsache, dass man einen Wirtschaftswissenschaftler an die Spitze des Ministeriums stelle, sei bedingt durch die finanziellen Herausforderungen, die die Reform mit sich bringe. Denn eine der zahlreichen umzusetzenden Änderungen sei die kostenlose Bildung. Die Ernennung Eyzaguirre wird unter anderem in Frage gestellt von Melissa Sepúlveda, der Präsidentin der Vereinigung der Student*innen der Universität von Chile.

Im Gegensatz dazu wurde die Ernennung von Heraldo Muñoz an die Spitze des Außenministeriums ausdrücklich begrüßt. Der 65jährige, Mitglied und Gründer der Partido por la Democracia PPD (einer der Ältesten des Kabinetts), war zwischen 2002 und 2003 Regierungssprecher unter Präsident Ricardo Lagos. Vorher übte er das Amt des Staatssekretärs im Außenministerium aus. Außerdem kann der zukünftige Minister auf eine bedeutende Karriere als Diplomat zurückblicken. Seit 2010 ist er Untergeneralsekretär der Organisation der Vereinten Nationen, Verwaltungsreferendar und in der Regionaldirektion des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik tätig (siehe http://ladiaria.com.uy/UDi. Nach seiner Ernennung sagte Muñoz, dass eine seiner Prioritäten sei, die „Anziehungskraft Chiles wiederzuerlangen, die das Land in Südamerika und in Lateinamerika im allgemeinen haben sollte“. Wie die Zeitung ‚La Diaria‘ während des Wahlkampfes und auch im Anschluss daran erfahren konnte, strebt Bachelet engere Verbindungen mit dem Kontinent an.

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