Nach der Niederlage von Evo Morales

Von José Carlos Díaz Zanelli

(Quito, 29. Februar 2016, servindi).- Bei der am 21. Februar dieses Jahres abgehaltenen Volksbefragung über eine Verfassungsänderung, die eine erneute Kandidatur des bolivianischen Präsidenten Evo Morales möglich und damit den Weg für seine Wiederwahl frei machen sollte, stimmten nach Auszählung der Stimmen 51,3 Prozent gegen und 48,7 Prozent für eine Änderung. Damit hat Morales nach elf Jahren Regierungszeit eine erste herbe Niederlage im Hinblick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen 2019 erlitten. Anscheinend haben in der Mehrzahl Indigene und Arbeiter*innen mit “Nein” gestimmt, die bisher immer die treuesten Anhänger*innen der Regierung waren. Die Regierung und allen voran Evo Morales stehen nach dem Sieg des “Nein” nun vor einer schwierigen Situation.

Zum einen ist der aktuelle Vizepräsident Álvaro García Línera momentan der einzige mögliche Nachfolger für das frei werdende Amt auf Seiten der Regierungspartei MAS. Zum anderen die Regierung Morales’ ist diejenige mit dem höchsten Anteil indigener Repräsentant*innen in ganz Lateinamerika. Diese Situation könnte sich nach der Wahl in vier Jahren wieder ändern.

Während einer Veranstaltung in der bolivianischen Provinz nahe Potosí beklagte sich Evo Morales dahingehend: “Ich kann bis jetzt nicht verstehen, dass einige Indigene, einige Werktätige mit der Rechten, mit Neoliberalen zusammen (sind) und gemeinsam mit “Nein” stimmten. Die indigenen Völker und Werktätigen, wir waren seit jeher Antikolonialisten und Antiimperialisten.”

Ein politisch geteiltes Land

Das Hauptproblem Evo Morales´ während der Wahlkampagne zur Volksbefragung läge bei seiner Partei MAS (Movimiento al Socialismo), so der bolivianische Soziologe und politische Analyst Jorge Komadina. Die MAS habe neben dem bisherigen Regierungsgespann Morales/Linera keine neuen Führungspersonen präsentieren können, was schließlich zu einer Polariserung der Wählerschaft und damit einer Spaltung des gesamten Landes geführt habe, so Komadina.

Álex Contreras, ehemaliger Sprecher und Aktivist der MAS, riet seiner alten Partei, diese politische Niederlage “mit Mut” anzuerkennen.

“Die Gringos kommen zurück”

Ganz anders klang der Regierungssprecher und bolivianische Vizepräsident García Linera. Dieser konstatierte, man habe Morales die politische Unterstützung entzogen und prophezeite: “Die Gringos werden zurückkommen, die Landesverräter und die Mörder, und den Kindern wird man alles wegnehmen und es wird kein Ziel mehr geben.”

García Linera gilt momentan als einziger politischer Nachfolger, der Morales für die MAS beerben könnte. Und das trotz seiner Vorliebe für apokalyptische Metaphorik wie folgender: “Es gibt ein großes Wehklagen, die Sonne wird sich verdunkeln, der Mond sich verstecken und alles wird in großer Traurigkeit enden.”

Zukunft des plurinationalen Projekts ist ungewiss

Auch wenn die Zukunft des politischen Projektes eines plurinationalen Staates ungewiß ist, die politische Szenerie Boliviens bleibt vorerst unverändert. Denn auch wenn Morales aus dem Referendum als Verlierer hervorgegangen ist, haben immerhin 49 Prozent der Bevölkerung zu seinen Gunsten gewählt. Und 51 Prozent der wahlberechtigten Bürger*innen Boliviens stimmten zwar im Referendum mit “Nein”, doch ist neben dem politischen Projekt Evo Morales keine wirkliche Alternative sichtbar, wie der ehemalige Regierungsberater Katu Arkonada zugab.

Für die MAS stellt sich nach der Ablehnung des Referendums durch die Wählerschaft also die Aufgabe, neue politische Persönlichkeiten zu etablieren, um das Projekt des plurinationalen Staates auch nach den Wahlen 2019 fortführen zu können.

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