Menschenrechte perdu

von Gerhard Dilger

(Berlin, 19. Mai 2010, taz).- Durch Freihandelsabkommen in aller Welt will die EU-Kommission die Investitions- und Absatzchancen europäischer Konzerne verbessern, ebenso ihren Zugang zu begehrten Rohstoffen. Nationale Gesetze werden dadurch ausgehebelt, Menschenrechte spielen keine Rolle mehr. Davon zeugte erneut der EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid.

Doch dieses Konzept geht nur noch teilweise auf. So wurden die Kleinstaaten Zentralamerikas in letzter Minute in die Knie gezwungen. Dort, wie auch in den rechts regierten Andenländern Peru und Kolumbien gehören die Kleinbauern zu den großen Verlierern der erzwungenen Marktöffnung. Besonders skandalös ist die Unterzeichnung des Abkommens mit Kolumbien, das allerdings noch ratifiziert werden muss. In dem Bürgerkriegsland dürften durch den weiteren Auftrieb für das Agrobusiness, etwa beim Palmölanbau, die gewaltsamen Vertreibungen von Kleinbauern zunehmen. Während die USA ihren Freihandelsvertrag mit Kolumbien wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen eingefroren haben, geben sich EU-Kommission und Bundesregierung ahnungslos.

In den letzten Jahrzehnten galt Europa vielen Lateinamerikaner*innen als zivileres Gegengewicht zu den unverblümt imperial auftretenden USA. Mit der neoliberalen Hegemonie in der EU hat sich diese Illusion zerschlagen. Zugleich sind die Südamerikaner*innen selbstbewusster geworden: Bolivien und Ecuador, wo die sozialen Bewegungen am stärksten sind, haben sich den EU-Avancen verweigert. Und die Mercosurstaaten, allen voran Brasilien, reden mittlerweile auf Augenhöhe mit den europäischen Regierungen. Eine wirkliche Wende müssen aber die fortschrittlichen Kräfte in Europa selbst herbeiführen.

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