Lesben, Schwule und Transsexuelle klagen fortwährende Diskriminierung an

von Markus Plate, Guatemala-Stadt

(, 10. Oktober 2008, ).- Eines der wenigen Seminare zu Genderthemen auf dem III. Amerikanischen Sozialforum beschäftigte sich mit dem Thema “Sexuelle Vielfalt” und wurde organisiert von Transsexuellen und Schwulen aus Guatemala, El Salvador und Nicaragua.

Die Transsexuelle Johana aus Guatemala wies auf die komplette Diskriminierung von Transexuellen in ganz Lateinamerika hin. Die überwiegende Mehrheit müsse in der Prostitution arbeiten, weil niemand Transsexuelle einstellen würde, weder der Staat noch Unternehmen. Zum Teil bestialische Morde an Transsexuellen seien in Zentralamerika an der Tagesordnung, die Leichen würden verstümmelt oder Compañeros/as würden auf der Straße mit Schüssen getötet. Der Aids-Aktivist César Galindo klagte die fortschreitende Diskriminierung von Schwulen, Transsexuellen und Sexarbeiter*innen in der staatlichen Aids-Prävention an. Während Studien zufolge in Guatemala 18 Prozent der männlichen Homosexuellen und sieben Prozent der Sexarbeiterinnen HIV-positiv sind, gebe der Staat einen Großteil der für Prävention zur Verfügung stehenden Gelder für Kampagnen in der allgemeinen Bevölkerung aus. “Es ist wahr, dass sich Aids feminisiert und dass sich die Epidemie in die allgemeine Bevölkerung ausbreitet, aber nach wie vor sind Schule, Transsexuelle und Sexarbeiter*innen die Hauptopfer von Aids”, erinnerte Galindo.

Schwule und Transsexuelle würden in den staatlichen Gesundheitsämtern nach wie vor diskriminiert oder gar abgewiesen. Sie würden daher oft keinen Aids-Test machen und sich auch nicht behandeln lassen, wenn bei ihnen Aids ausgebrochen sei. Aids sei in Guatemala nach wie vor tabuisiert, weshalb eigentlich niemand wisse, wie hoch die Prävalenz in Guatemala tatsächlich sei. Auch mit internationalen NGOs zog Galindo ins Gericht: Von 16 guatemaltekischen Initiativen, die sich um Aids innerhalb der genannten Risikogruppen kümmerten, bekäme nur ein Bruchteil internationale Unterstützung. Gelder flössen dagegen in Projekte in indigenen Gemeinden und in die Arbeit mit Familien. Hierin fände die Bevorzugung von klassischen Rollen- und Familienmodellen ihren Ausdruck. “Aids tötet uns Schwule in Guatemala nach wie vor und nach wie vor lassen der guatemaltekische Staat, die Kirche und die internationale Gemeinschaft uns sterben”, resümierte der Aktivist.

Ein schwuler Mam-Indígena berichtete von starken Diskriminierungsmechanismen innerhalb der indigenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere durch indigene Führungspersönlichkeiten. Er fände es erschreckend, wie sehr sich kolonial-machistische Verhaltensweisen vor allem bei denen widerspiegelten, die durch den Kolonialismus und unter der guatemaltekischen Militärdiktatur am meisten zu leiden gehabt hätten.

Diskriminierung gebe es auch durch die Polizei: Liebten sich heterosexuelle Pärchen in der Öffentlichkeit, bekämen sie eine Geldstrafe. Lesbische und insbesondere schwule Pärchen würden hingegen verhaftet und auf der Wache verhönt, geschlagen oder gar vergewaltigt. Dabei gebe es in Guatemala kein Gesetz gegen Homosexualität. Die Ursache für die ungeschwächte gesellschaftliche Diskriminierung – auf der Arbeit, im Bildungs- oder Gesundheitssystem oder duch Behörden und das persönliche Umfeld – sehen die Aktivist*innen im machistisch-patrichachalen System, zu dem nicht zuletzt die Kirchen zählten.

Gegen dieses Resümee gab es allerdings auch Widerspruch: Ein Teilnehmer aus dem Saal, Katholik, Universitätsdozent und HIV-Präventionsarbeiter, wehrte sich gegen die pauschale Verurteilung von Christ*innen und allen Staatsbediensteten. Es gebe gerade unterhalb der Führungsebenen in diesen Institutionen viel Engagement für Schwule, Lesben und Transsexuelle. Allerdings kritisierte auch er die offizielle Position der katholischen und vor allem der evangelikalen Kirchen.

Ein schwuler Teilnehmer aus Peru wies unter dem Applaus der Teilnehmer*innen darauf hin, dass die Bewegung keinesfalls so geschlossen sei, wie sie sich auf dem Seminar darstelle. Es gebe klare Rangordnungen: Schwule rangierten vor Lesben, Transsexuelle würden in der Szene fast genauso diskriminiert wie durch die Gesellschaft allgemein. In der schwulen Szene gebe es zudem einen ausgeprägten Rassismus gegenüber Indígenas und dazu eine starke klassistische Komponente, nach der wohlhabende Schwule ärmere diskriminierten und ausbeuteten.

Unter den ansonsten sehr harmonisch bis wiederspruchsfrei ablaufenden Seminaren des Sozialforums machte diese Veranstaltung also eine erfrischende Ausnahme, wurden hier doch auch Diskriminierungsmechanismen innerhalb der Bewegung thematisiert. Als grundsätzlich positiv sahen aber alle Teilnehmer*innen an, dass sich das Sozialforum in verschiedenster Weise dem Thema Machismus angenommen hätte und dass Lesben, Schwule und Transsexuelle einen festen Platz innerhalb der sozialen Bewegung eingenommen hätten.

Links zum Thema: Aids in Lateinamerika (Radiofeature): http://www.npla.de/old/onda/content.php?id=603

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