Lehrplanänderung: Nicht mehr „Diktatur“, sondern „Militärregime“

(Venezuela, 05. Januar 2012, telesur/poonal/the clinic).- Der frisch gekürte Bildungsminister Harald Beyer bestätigte am 4. Januar gegenüber Pressevertreter*innen, dass die Regierung Piñera vor seinem Amtsantritt Lehrplanänderungen für die Schüler*innen der ersten bis sechsten Klassen vorgenommen hat. Demnach werden die Mädchen und Jungen vor allem im Geschichtsunterricht der Grundschulen künftig lernen, dass die Regierungszeit von Augosto Pinochet (1973-1990) in ihrem Land ein „Militärregime“ war, statt einer „Militärdiktatur“.

Beyer erklärte den Journalist*innen, „man verwendet den allgemeineren Terminus, und der lautet Militärregime und nicht Diktatur.“ Bisher sei ausdrücklich von einer Diktatur in der chilenischen Geschichte gesprochen worden, im neuen Lehrplan wird „dieser Ausdruck durch Militärregime ersetzt“, so der Minister.

Versuch des Weichspülens

Auf Nachfrage, ob es einen Grund gegeben habe, das Wort Diktatur zu vermeiden, erklärte Beyer gegenüber Radio Cooperativa: „Ich erkenne an, dass es eine diktatorische Regierung war, damit habe ich kein Problem.“ Der Minister unterstrich, dass die vorgenommene Änderung in einem Prozess zustande gekommen sei „an dem viele Pädagogen teilgenommen haben und bei dem alle Instanzen ordnungsgemäß einbezogen wurden, die bei derartigen Fälle vorgesehen sind“. Die Änderung sei „keine Frage von Anhängern oder Gegnern“, sondern von Begrifflichkeiten die in Lehrplänen üblich sind, in verschiedenen Teilen der Welt“, unterstrich der Minister.

Bisher wurde die Regierung Pinochet als Diktatur und seine Machtergreifung als Putsch bezeichnet. Nach Angaben lokaler Medien hatte Pinochet selbst üblicherweise von einer „Dictablanda“ gesprochen, einer „weichen Diktatur“, und dies damit begründet, dass es in Chile immerhin eine Opposition gebe.

Tausende Tote und Folteropfer

Während der 17 Jahre andauernden Diktatur kamen laut Wahrheitskommission (Kommission Rettig) 2.095 Menschen durch staatliche Sicherheitskräfte ums Leben, 1.102 Personen gelten als gewaltsam Verschwunden. Laut Valech-Kommission hat es in dieser Zeit außerdem 27.255 politische Gefangene gegeben. Andere Berichte sprechen jeweils von weit höheren Zahlen.

Der Bericht der Valech-Komission von 2001 geht davon aus, dass 94 Prozent dieser Häftlinge gefoltert wurden. Die Folterungen begannen am Tag des Putsches und endeten erst zehn Tage vor dem Abgang Pinochets, am 10. März 1990. Hunderttausende Chilen*innen gingen wegen der Pinochet-Diktatur ins Exil.

[Mit Informationen von The Clinic]

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