LATEINAMERIKA – EU: Offizieller EU-LA-Gipfel und Alternativengipfel zu Ende

(Berlin, 17. Mai 2008, npl).- Wie nicht andres erwartet, ging das 5. Gipfeltreffen der Regierungschef aus Lateinamerika, der Karibik und der EU am Samstag in der peruanischen Hauptstadt Lima ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende. Nicht einmal Venezuelas Präsident Chávez, bekannt für sein oft provokatives Auftreten, tat den gelangweilten 1.500 Journalist*innen vor Ort den Gefallen, für Schlagzeilen zu sorgen. Lediglich das Geplänkel mit Bundeskanzlerin Merkel gab einiges an Gesprächsstoff her. Chávez entschuldigte sich für seine Äußerungen im Vorfeld des Treffens und sorgte für Rätselraten mit einer Bemerkung über eine Einladung nach Deutschland.

Mehr und bessere Stimmung prägte den Alternativgipfel „Enlazando Alternativas – Alternativen Verknüpfen“, der ab dem 13. Mai weit über Tausend Aktivist*innen aus beiden Kontinenten ebenfalls in Lima versammelte. Die Versuche der peruanischen Regierung unter Alan García, das Treffen zu kriminalisieren und totzuschweigen, misslangen. Am Freitagabend versammelten sich Tausende auf dem Platz des 2. Mai, wo in Anwesenheit des bolivianischen Präsidenten die Abschlusserklärung des Gipfels verlesen wurde. Im Zentrum stand die Ablehnung von Agrartreibstoffen, des Versuch von Europa, neue Freihandelsabkommen auf den Weg zu bringen und die Verletzung von Umwelt- und Menschenrechten durch transnationale Konzerne.

Dies war auch Thema eines Tribunals, das während der Alternativveranstaltung tagte (siehe Poonal Nr. 800). Am Freitag erging ein Urteil über die Machenschaften von über 20 europäischen Firmen, die in Lateinamerika und der Karibik den Unmut von Gewerkschaften, Umweltorganisationen und Indígenas auf sich gezogen haben. Für den Sprecher der Veranstalter, Miguel Palicín, war „Enlazando Alternativas“ ein Erfolg: „Wenn Alan García inzwischen fordert, der Präsidentengipfel solle handfeste Ergebnisse aufs Papier bringen, ist dies auch auf den Druck des Sozialgipfels zurückzuführen.“

Insbesondere bezüglich der beiden Hauptthemen des offiziellen Gipfels wollten sich die versammelten Präsident*innen in keiner Hinsicht festlegen. Sowohl in Sachen Armutsbekämpfung wie auch bei Maßnahmen gegen den Klimawandel blieb es bei Zielformulierungen, die durch keine konkreten oder messbaren Maßnahmen in eine politische Praxis übersetzt werden.

Der Themenkomplex bilaterale Assoziierungs- und Freihandelsabkommen sorgte hingegen schon zu Beginn des Treffens für Aufregung. Boliviens Präsident Evo Morales kritisierte auf seiner ersten Pressekonferenz, die Verhandlungsstrategie der EU würde auf eine Spaltung des Andenpaktes CAN (Comunidad Andina) abzielen. „Es geht nicht an, dass (EU-Handelskommissar Peter, d. Red.) Mandelson uns vorschreibt, dass wir entweder die Verhandlungsvorgaben der EU über einen Freihandelsvertrag akzeptieren müssen oder von den Verhandlungen ausgeschlossen werden“, sagte Morales. Zuvor hatten sich Perus Präsident Alan García und sein kolumbianischer Kollege Álvaro Uribe ebenfalls für einen schnelleren Rhythmus der Verhandlungen ausgesprochen.

Bolivien und das vierte Land des Andenpaktes Ecuador – Venezuela ist bereits wegen Unstimmigkeiten über die wirtschaftspolitische Richtung ausgetreten – stehen den Gesprächen, die Privatisierungen öffentlicher Dienste ebenso einschließen wie umfassende Handelserleichterungen, eher ablehnend gegenüber und beharren darauf, dass der Andenpakt nur als ganzes in die Verhandlungen eintreten solle – wenn überhaupt.

Generell entstand der Eindruck, dass beim Gipfeltreffen nicht die bilateralen Beziehungen beider Kontinente im Mittelpunkt standen. Vielmehr waren es die politischen Beziehungen innerhalb Lateinamerikas und das Tauziehen zwischen rechten, linken und Mitte-Links-Regierungen, die die Gespräche wie auch die Berichterstattung in Lateinamerika dominierten. Dabei erregte lediglich der unvermeidliche Konflikt zwischen Chávez und seinem kolumbianischen Kollegen Uribe die Gemüter. Interpol hatte am Tag vor dem Gipfel bekannt gegeben, die Daten auf den Computern von FARC-Kommandant Raúl Reyes, der bei dem kolumbianischen Angriff auf ein FARC-Camp auf ecuadorianischem Territorium am 1. März ums Leben kam (siehe Poona Nr. 795ff), seien nicht manipuliert worden. Interpolt enthielt sich jeder einer inhaltlichen Interpretation der Daten. Kolumbiens Regierung behauptet immer wieder, die Daten bestätigten, dass Venezuela Verbindungen zur Guerillagruppe FARC unterhalte. Andere Stimmen, u.a. auch US-amerikanische Wissenschaftler, die die Computer untersucht haben, fanden keine so eindeutigen Beweise vor. Ähnlich äußerte sich auch der Generalsekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza (siehe Poonal Nr. 800). Chávez bezeichnete das Vorgehen als „Clown-Theater“ und seinen Widerpart unumwunden als „das größte Problem der Region“.

Im Gegensatz zu den Lateinamerikaner*innen, die fast alle mit hochkarätigen Delegationen präsent waren, reisten aus Europa nur gut die Hälfte der 27 Staatschefs nach Peru. Es ist zu spüren, dass die europäischen Regierungen solchen Mammuttreffen fernab der heimischen und der asiatischen Märkte weniger Bedeutung beimessen als die Staatschefs in
Lateinamerika und der Karibik tun.

von Andreas Behn, Lima

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