Korruptionsskandal um Gammelfleisch

Von Andreas Behn

(Rio de Janeiro, 19. März 2017, taz).- Den Brasilianer*innen, in ihrer großen Mehrheit überzeugte Fleischliebhaber*innen, dreht sich der Magen um. Razzien bei Fleischbetrieben brachten ans Tageslicht, was in Teilen der Branche üblich ist: Bei abgelaufener Haltbarkeit wird das möglicherweise verdorbene Fleisch einfach neu verpackt und verkauft, mit krebserzeugenden Chemikalien werden eklige Gerüche unterdrückt, Wasserspritzen blähen das Gewicht der Steaks auf, Wurstwaren werden mit Pappmaschee gestreckt und manchmal sogar aus Schweineköpfen hergestellt. Damit nichts auffliegt, wird Gammelfleisch mit frischen Produkten vermischt. Auch in Deutschland dürften solch appetitliche Waren im Regal liegen. Brasilien ist weltweit der zweitgrößte Produzent und der größte Exporteur von Fleisch.

Bestochene Inspekteur*innen bringen Fleischbranche in Verruf

Nach fast zweijährigen Ermittlungen flog der jüngste Korruptionsskandal am 17. März auf. Über Tausend Beamt*innen der Bundespolizei durchsuchten Fleischbetriebe in sechs Bundesstaaten im Süden Brasiliens und Büros des Agrarministeriums in der Hauptstadt Brasilia. Insgesamt 36 Verdächtige – Manager*innen von Fleischbetrieben und Beamt*innen von Kontrollinstanzen des zuständigen Ministeriums – wurden festgenommen. Die „Schwaches Fleisch“ getaufte Polizeiaktion (Operação Carne Fraca) präsentierte zahlreiche Telefonmitschnitte, in denen das Panschen mit Gammelfleisch und Deals zur Umgehung von Kontrollen besprochen werden. Die Rede ist von einer kriminellen Vereinigung zahlreicher Agrarinspekteur*innen, die gegen üppiges Bestechungsgeld Kontrollen unterließen und ungenießbare Fleischprodukte durchwinkten.

Regierung redet den Skandal klein

Die Europäischen Union und die USA, zwei der größten Importeure von brasilianischem Fleisch, forderten umgehend Details über den Skandal und die staatlichen Kontrollen der Produzent*innen. Präsident Michel Temer, besorgt um einen der wichtigsten Exportsektoren in Zeiten einer schweren Wirtschaftskrise, beraumte sofort Treffen mit Botschafter*innen mehrerer Staaten und den zuständigen Ministerien an. Unsere „Kontrollzinstanten zählen zu den effizientesten und rigorosesten der Welt“, erklärte das Agrarministerium in einer Pressemitteilung am Samstag Abend. Es handele sich um „punktuelle Vorfälle“, und nur drei der untersuchten Betriebe seien geschlossen worden, versucht die Regierung den Skandal kleinzureden.

Nach Deutschland exportiert das größte Land Lateinamerikas jährlich Fleischwaren im Wert von weit über 100 Millionen Euro. Seit 2016 gelang es den brasilianischen Fleischexporteur*innen endlich, auch die USA als Markt zu erobern. Nicht nur wegen Trump dürfte dies nun vorbei sein. Zu den verdächtigten Betrieben gehören JBS, der weltgrößte Verarbeiter von Rindfleisch, und der Großkonzern BRF Foods.

Regierungspartei PMDB an Bestechung beteiligt

Nach Ansicht der Bundespolizei hat auch die Politik ihre Finger im Spiel. „Die Ermittlungen zeigen eindeutig, dass ein Teil des Bestechungsgeldes an politische Parteien ging“, erklärte Ermittlungsleiter Moscardi Grillo. Identifiziert wurden demnach bisher zwei Parteien der Regierungskoalition, unter ihnen auch die PMDB von Präsident Temer. Sogar der erst im Februar ernannte neue Justizminister Osmar Serraglio (PMDB) soll in seiner Zeit als Bundesabgeordneter eine zwielichtige Rolle gespielt haben. Er soll Betriebskontrollen hinterfragt und sich im Agrarministerium für den mutmaßlichen Chef des Korruptionsschemas eingesetzt haben.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war die Aussage eines Inspektors, der unter Druck gesetzt wurde, als er darauf bestand, Kontrollen nach Vorschrift durchzuführen. Jetzt bangt das Agrarbusiness in Brasilien um sein Ansehen. Neben dem Export von Mineralien ist die Landwirtschaft die profitabelste Branche in Brasilien. Außer dem Fleischexport an über 150 Staaten verschifft das Land auch Unmengen genverändertes Soja als Tierfutter in alle Welt.

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