Kolumbianische Wahlen

von Fernando Dorado

(Quito, 28. Februar 2010, alai).- Weniger als 100 Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Kolumbien ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das Referendum zur Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Álvaro Uribe Vélez für unzulässig zu erklären, ein wichtiges Ereignis in der kolumbianischen Politik. Wohl nicht historisch, aber doch wichtig.

Manche Leute kämpften dafür, dass das Referendum vom verfassungsrechtlichen Kontrollorgan nicht zugelassen wird. Sie begründeten dies damit, dass Uribe im Falle eines Referendums alle Mittel habe, die Mehrheit der 7 Millionen Stimmen zu bekommen, die nötig gewesen wären, um sich ein zweites Mal wiederwählen zu lassen (als dritte Amtszeit in Folge).

Soziale Unterstützungsprogramme (für etwa drei Millionen Familien), diejenigen, die auf Gehaltslisten des Staates stehen (über 500.000 Familien), die Bevölkerungsteile, die den Streitkräften verbunden sind (Polizei, Armee, formale und informelle Nachrichtendienste) und die von seiner Politik der Angst leicht beeinflussbaren Sektoren gegenüber der künstlich aufgeblähten „terroristischen Bedrohung“ (Guerillas und der Bolivarianismo des venezolanischen Präsidenten Chávez) – all dies hätte seinen Sieg sehr wahrscheinlich werden lassen.

Aus einer anderen Perspektive könnte man argumentieren, das Verfassungsgericht habe die uribistische Politik vor einer Schlappe an den Wahlurnen bewahrt. Diese Wahl hätte auch eine entscheidende Schlacht werden können: für die Aufgabe, dieses narco-faschistische Projekt zu demontieren, das immer noch unser Land überschattet. Man hätte sagen können, dass das Kontrollvermögen des Präsidenten geschwächt und sein Image durch Korruptionsskandale und seine verfehlte Gesundheitspolitik stark beschädigt war. Es gibt also Argumente dafür.

Das Scheitern des geplanten Referendums zur Wiederwahl zwingt Uribe dazu, eine sichere Strategie zu entwickeln, um die Macht einem Nachfolge-Verbrecher weitergeben zu können. Aus Sicht des Imperiums und des herrschenden oligarchischen Blocks ist das Problem folgendes: Wie kann verhindert werden, dass in Kolumbien die Kräfte an die politische Macht (an die Regierung) gelangen, die den Weg der zweiten Unabhängigkeitsbewegung gehen würden, den die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder eingeschlagen haben. Uribe ist für sie nur ein kleinerer Unfall, die Verteidigung ihrer strategischen Interessen ist das Entscheidende.

Das Wahlpanorama könnte man folgendermaßen zusammenfassen: Der von Uribe vorgesehene Nachfolger ist Juan Manuel Santos (liberaler Uribist und Vorsitzender der Partei „la U“). Germán Vargas Lleras (abtrünniger Liberaler und Kopf der Partei „Cambio Radical“), der am weitesten rechts stehende und neoliberale Kandidat, bewirbt sich um die konsequente Fortsetzung der uribistischen Politik. Noemí Sanín (uribistische Konservative) hat die gleiche Haltung, mit kleinen Anpassungen in der Sozialpolitik. Rafael Pardo (Liberaler) lehnt zwar halbherzig manche Aspekte der autoritären Politik Uribes ab, aber wirtschaftspolitisch agiert er absolut neoliberal. Sergio Fajardo, der ehemalige Bürgermeister von Medellín (parteilos, sammelte Unterschriften, um seine Kandidatur registrieren zu können) profiliert sich, indem er sich programmatisch nicht festlegen will: Sein Satz „weder uribistisch noch anti-uribistisch“ wird ihm wohl nicht mehr nützen. Die „Drillinge“ (Grüne Partei mit drei ehemaligen Bürgermeistern der Hauptstadt Bogotá als Kandidaten: Antanas Mockus, Enrique Peñalosa und „Lucho“ Garzón), beschäftigen sich damit, nebensächliche Aspekte im politischen Handeln zu perfektionieren, inmitten diverser ideologischer Standpunkte, die nur schwer zu vereinen sind. Gustavo Petro (Alternativer Demokratischer Pol) vertritt die demokratische Linke.

Wir haben zuvor geschrieben, dass diese Zersplitterung dem oligarchischen mafia-artigen Establishment und imperialen Interessen nutzt. Es besteht die Gefahr, dass in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen Santos und Noemí Sanín oder Vargas Lleras die ersten beiden Plätze besetzen. So bliebe für diejenigen, die einen Wandel in unserem Land wollen, in der Stichwahl nur die Möglichkeit, einen leeren Wahlzettel abzugeben. Das wäre eine große Schande.

Die Parlamentswahlen und die internen Vorwahlen der Konservativen Partei und der Partei die Grünen/Option Zentrum am 14. März werden so zu wichtigen Referenzpunkten, um Positionierungen zu festigen. Die uribistische Strömung hofft auf die Mehrheit im Parlament. Er verfügt über Mittel des Staates, der Mafia und der Großunternehmer. Die weiteren Parteien, mit Ausnahme der Konservativen, setzen alles ein, ohne Zusammenhang und ohne Strategie.

Die Konservative Partei wird gestärkt aus der Übung hervorgehen. Die internen Vorwahlen nutzen ihr, um ihre Kandidatin, die Noemí sein wird, gut zu positionieren und wichtige Ergebnisse für den Kongress zu erzielen. Für die „Drillinge“ wird es eine Feuerprobe. „Lucho“ wird gewinnen, aber man wird sehen müssen, mit welchem Vorsprung. Es ist ein Abenteuer, das an politischen Selbstmord grenzt, wenn sie ähnlich wenige Stimmen wie der Polo in seiner Vorwahl am 27.09. 2009 bekommen: etwa 450 000 Stimmen. Wenn sie dies nicht schaffen, werden sie Bündnisse mit Fajardo oder mit Petro schließen müssen, und da endet ihr politisches Projekt. Für sie wird es nicht leicht.

Für den Polo haben die Parlamentswahlen eine doppelte Bedeutung. Erstens zu bestätigen, dass der Vorschlag Petros, wenigstens die Zahl der Parlamentarier*innen zu halten, unterstützt wird. Intern ringen im Polo vier Kräfte miteinander: die traditionelle Linke, die von Robledo, Gloria Ramírez, Avellaneda und anderen weniger wichtigen Kandidat*innen vertreten wird; die liberalen Bürokrat*innen – ich nenne sie „Anapo-Samperistas“, die von Iván Moreno, Jaime Dussán und vielen anderen Kandidat*innen vertreten und aus dem „Hause Moreno“ unterstützt werden; die Sozialdemokratie, die ohne ihre Führungsfiguren Lucho und Petro geschwächt ist und von Jorge Guevara, Marcelo Torres, Parmenio Cuéllar und Mauricio Ospina repräsentiert wird; und schließlich die Kräfte der Erneuerung, die von Camilo Romero angeführt werden, einem jungen Kandidaten von „Vamos Independientes“, der in einigen Regionen überraschend aufholt.

Die Brüder Moreno (Samuel Moreno, der amtierende Bürgermeister von Bogotá und sein Bruder Iván) wollen unbedingt die besten Wahlergebnisse im Polo, um sich gegenüber jeder der möglichen gewählten Regierung positionieren zu können. Ihr Ehrgeiz ist die Präsidentschaft ab 2014, und dem versuchen sie auf die einzige Art und Weise nahezukommen, die sie kennen: über politischen Klientelismus. Wenn es ihnen gelingt, sich an die Spitze des Polo zu setzen, werden sie bereit sein, sogar über Ministerien mit der nächsten Regierung zu verhandeln, egal welche das sein wird. Es ist die Hauptaufgabe von denen, die wir im Polo ein Instrument für den Wandel sehen, diese „Strömung“ und politische Praxis zu besiegen.

Diese Gruppe, die den Populismus von Rojas Pinilla (ehemaliger Diktator mit sozialpolitischem Programm) wiederbeleben will, interessiert die Zukunft von Petro überhaupt nicht. Sie wollen ihm schaden, denn er könnte 2014 ihr größtes Hindernis sein. Deshalb muss der Kandidat des Polo wissen, dass sein Hauptpotential direkt aus den breiten populären Sektoren und Mittelklassen kommen muss, die momentan nicht an dem Wahlzirkus beteiligt sind. Seine wichtigsten Instrumente sind die Klarheit seines Projekts und kreative Formen, diese ans Volk zu bringen. Auch er hat es nicht leicht.

Popayán, 28 Februar 2010

(Bei der Wahl am 14. März gewannen die Parteien der Regierungskoalition. Santos ist damit der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat. Der Polo und die Liberalen konnten nicht entscheidend hinzu gewinnen – die Red.).

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