Klimawandel bedroht eine bereits knappe Ressource: das Wasser

von Milagros Salazar

(Lima, 09. September 2010, noticias aliadas).- Die Länder, welche entlang der Anden-Gebirgskette in den tropischen Gebieten der Erde liegen, zeichnen sich durch ihre Höhenlage und verschiedene natürliche Besonderheiten aus, die für Wasserquellen und klimatische Bedingungen verantwortlich sind. Der US-amerikanische Wissenschaftler Leslie Holdridge schuf ein Klassifikationsschema, welches klimatische, atmosphärische sowie hydrische Aspekte einbezieht und die er als Lebenszonen bezeichnete. Demnach beherbergen die Anden Dutzende von Lebenszonen. Wenn diese natürliche Maschinerie beeinflusst wird, verändert sich die ganze Umwelt. Und das Wasser ist dabei der lebensnotwendigste Bestandteil.

Die Andenstaaten leben in einem gebrechlichen Zustand, der sich aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels immer weiter verschlechtert. Das Wasser verteilt sich auf eine ungleiche Art und Weise: Die Bevölkerungsmehrheit lebt in Gegenden, in denen das Wasser knapp ist, während das Wasser dort ist, wo wenige Menschen leben.

Die internationale Hilfsorganisation Oxfam und das nichtstaatliche Institut für Peruanische Studien IEP (Instituto de Estudios Peruanos) haben 2009 die Studie „Das Wasser im Angesicht neuer Herausforderungen“ veröffentlicht. Demnach konzentrieren sich in Peru 70 Prozent der 30 Millionen Einwohner*innen in der wüstenähnlichen Küstenregion, welche aber über kaum 1,8 Prozent des Flusswassers verfügt; damit hat eine peruanische Küstenbewohnerin nur Zugang zu 2.000 m³ Wasser pro Jahr. Im Gegensatz dazu befinden sich in der Amazonasregion 98 Prozent des Wassers und nur ein Viertel der Bevölkerung Perus. In Bolivien ist die Situation noch bedrohlicher, vor allem im Hochland. Dort lebt die Hälfte der zehn Millionen Einwohner*innen, die nur einen jährlichen Zugang zu 500 m³ Wasser haben. Im Vergleich zu diesen beiden Andenstaaten verzeichnet Ecuador die geringste Ungleichheit im Zugang zu den Wasservorkommen; hier kann ein Einwohner über 12.000 m³ Wasser verfügen.

Die Experten sind sich einig: Mit dem Klimawandel verändert sich der Wasserzyklus und damit nimmt seine Verwundbarkeit zu. „Weniger Regen in einigen Zonen, Überschwemmungen in anderen, Rückgang der Gletscher, Veränderungen in der Sickerfähigkeit des Wassers in den Erdboden und andere Merkmale zeigen, dass sich die Prozesse, Geschwindigkeiten und Verteilungen des Wassers in einer veränderten Art und Weise darstellen“, erklärt der peruanische Ingenieur Carlos Alberto Llerena. Er ist Professor der Fakultät für Forstwirtschaft der Staatlichen Universität für Landwirtschaft La Molina in Lima sowie Begründer des Instituts zur Förderung des Wassermanagements.

Auswirkungen und Ungewissheiten

Obwohl es schon immer eine klimatische Unbeständigkeit gegeben hat, ist das Phänomen des Klimawandels etwas Neues. Der Klimawandel beschleunigt die natürlichen Prozesse derart, dass die Menschen sie nicht mehr kontrollieren können, was Unsicherheit auslöst.

„Die Untersuchungen können Tendenzen anzeigen, aber man weiss nicht, wann es starken Regen oder eine Trockenheit geben wird. Die Indikatoren oder die Anzeichen der andinischen Welt funktionieren nicht mehr“, meint Pedro Ferradas, Leiter des Programms Katastrophenschutz der internationalen Organisation für Praktische Lösungen (Soluciones Prácticas-ITDG), welche sich der Verbreitung geeigneter Technologien für Bevölkerungsteile mit geringem Einkommen widmet. Er ist außerdem Koordinator des Globalen Netzes von Einrichtungen der Zivilgesellschaft zur Verringerung von Desastern in Südamerika (Red Global de Organismos de la Sociedad Civil para la Reducción de Desastres en América del Sur).

Das Abschmelzen der Gletscher ist Folge des Temperaturanstiegs durch die globale Klimaerwärmung, welche wiederum vom exzessiven Ausstoß von Treibhausgasen verursacht wird. Das ist eines der besorgniserregendsten Probleme, denn diese Schneemassen sind Wasserspeicher.

Von den Andenstaaten ist Peru am stärksten betroffen, denn das Land beherbergt 71 Prozent der tropischen Gletscher der Anden. Ihm folgen Bolivien mit 22 Prozent, Ecuador mit vier Prozent und Kolumbien mit drei Prozent, so die Studie „Gletscher und Klimawandel“, welche 2007 von der Andinischen Gemeinschaft veröffentlicht wurde.

Die Gletscher sind Teil der alpinen Ökosysteme, die noch andere Wasserquellen umfassen. Sie spielen eine Schlüsselrolle, um die Qualität und Quantität des Wassers für die Gemeinden und Städte zu garantieren. Ihre Bedeutung zeigt sich an den globalen Zahlen: Nur drei Prozent des Wassers, welches in der Welt konsumiert wird, ist Süßwasser, und von dieser geringen Prozentzahl kommen 79 Prozent von Gletschern. 20 Prozent sind unterirdisches Wasser und nur ein Prozent des Wassers kommt von der Erdoberfläche.

Das beunruhigende ist, dass allein Peru in den vergangenen 30 Jahren 30 Prozent der Gletscheroberfläche der Weißen Gebirgkette verloren hat, die im Zentrum des Landes liegt. Diese Menge entspricht der Wasserversorgung der Hauptstadt Lima für zehn Jahre. Obwohl diese Gletscherschmelze auf dem ersten Blick mehr Wasser für die umliegenden Gemeinden zu bedeuten scheint, ist das Schlimmste, dass diese Ressourcen unwiderruflich verloren gehen. Sie werden ausgelöscht, wie es mit dem Gletscher Chacaltaya in Bolivien geschehen ist, der 5.300 m hoch lag und im vergangenen Jahr vollkommen abgeschmolzen ist, sechs Jahre eher als vorgesehen.

In Ecuador haben der Cotopaxi und der Antisana bereits zwischen 30 und 50 Prozent ihrer Eisdecke verloren, wodurch die Wasserreserven für das zentralen Tiefland und die Trinkwasserversorgung der Hauptstadt Quito gefährdet sind. In Kolumbien sind acht der 15 Gletscher in den vergangenen 50 Jahren geschmolzen und bei den noch verbleibenden sieben wurde im vergangenen Jahrzehnt ein Rückgang von ungefähr 20 Metern pro Jahr festgestellt.

„Weiterhin stellen die Gletscher in den Zeiten von Niedrigwasser eine wichtige Wasserquelle für die Flüsse dar, welche die Städte versorgen und die Wasserkraftwerke speisen,“ ergänzt Jorge Recharte, Direktor des andinen Programms des Instituts für Gebirge, welches sich der Erhaltung der Biodiversität in den Gebirgszonen verschrieben hat.

Die Entwicklungen in den Hochlagen haben weitreichende Auswirkungen bis in die bevölkerungsreichen Städte. In Peru gibt es 19 schneebedeckte Gebirgsketten, in denen sich insgesamt 3.044 Gletscher befinden. 1.129 von ihnen speisen die Quellen zum Pazifik und bilden so den Wasservorrat für die Küste. „Der Verfügbarkeit dieses Gletscherwassers für die Quellen wird von der Wassermenge und Länge der Flüsse bedingt. Deshalb ist es wichtig zu erforschen, wie viel jeder Gletscher zu jeder Quelle beiträgt,“ erläutert Llerena. Für Recharte stellen diese Ökosysteme die natürliche Infrastruktur des Wassers dar und besäßen daher einen ungeheuren Wert. Denn dort werde diese Ressource aufbewahrt, reguliert und erhalten.

Die Páramos, riesige Feuchtgebiete auf 3.500 Höhenmetern gelegen, regulieren den Wasserzyklus und sind Teil dieser grünen Infrastruktur der Andenländer. Ihr Fortbestand oder Zerstörung hat Auswirkungen auf die tiefer gelegenen Zonen. Alles ist miteinander verbunden. Einige dieser Páramos sind von Bergbauprojekten bedroht. So zum Beispiel in der Region Piura im nördlichen Peru, wo die Kupfermine Rio Blanco entwickelt wird.

Wasser und Bergbau

Auch der Bergbau in den Wassergebieten, wo sich die Mineralien befinden und die Flüsse entspringen, ist ein Thema, was im Kontext des Klimawandels erörtert werden muss. „Wie kann man die Bedürfnisse des Wassers mit dem Abbau von Mineralien in Einklang bringen? Es wird die Situation entstehen, in der man sich für eine der Ressourcen entscheiden muss, weil es kein Miteinander gibt,“ so Llerena.

Sorge bereitet ihm der breitangelegte und informelle Bergbau, der die Flüsse verschmutzt. Eine andere Ursache für die Schädigungen ist die Verwendung von chemischem Dünger in der Landwirtschaft.

Als Teil der Lösung empfehlen die Experten, hydrologische Studien anzufertigen und in wichtige Institutionen der Gletscherkunde zu investieren. Diese seien, so im Fall von Peru, wo sie dem Landwirtschaftsministerium angehören, häufig mit geringen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet, meint Recharte.

Aber vielleicht sollte das Hauptanliegen die Anpassung an den Wandel sein, bevor der Prozess nicht mehr umkehrbar ist. Ferrades unterstreicht, dass auf diesem Weg auf das Wissen der Gemeinden über die Speicherung von Wasser zurückgegriffen werden sollte, zum Beispiel mittels des Anlegens von künstlichen Lagunen.

Llerena versichert, dass eine globale Veränderung stattfindet, in der das Klima nur ein Element sei. Weiter gäbe es Wandel in der Nutzung des Bodens aufgrund der Abholzung, in der Zusammensetzung der Atmosphäre und im Verlust von biologischer Vielfalt. „Dies sind parallel stattfindende Prozesse, die sich gegenseitig verschärfen“, betont der Wissenschaftler.

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