Jorge Amado zum 100. Geburtstag

von Clara Lucchetti Bingemer

(Fortaleza, 17. August 2012, adital).- Sein mosambikanischer Schriftsteller-Kollege, der große Mia Couto, sagt über ihn vollkommen zutreffend: „Jorge Amado schrieb keine Bücher, er schrieb ein Land.“ Und Jorge sagte über sich selbst und sein literarisches Werk: „Ich mache mir keinerlei IIlusion über die Bedeutung meines Werkes. Aber wenn es in ihm irgendeine Tugend gibt, dann die Treue zum brasilianischen Volk.“

 

Mikrokosmos Bahia

Den 100. Geburtstag von Jorge Amado (geboren am 10. August 1912 im Bundesstaat Bahia, gestorben am 6. August 2001) zu feiern, heißt daher, Liebe zu Brasilien zu bezeugen. Der Schriftsteller lässt seine Feder tief eintauchen in die Wurzeln seines Landes, seines Volkes, seiner Menschen. Dadurch wurde Jorge Amado größer im Herzen der Brasilianer*innen. Seine literarischen Figuren verkörpern wahrhaftig und tiefgehend die vielgestaltige Identität der mestizischen Bevölkerung dieses Beinahe-Kontinents.

Auf einer Kakao-Fazenda nahe der Stadt Ilhéus geboren, ist Jorge Amado Bahianer von Geburt, im Herzen und in seiner Identität. Und mehr: Er liebt seine Heimat zutiefst, hier spielen stets die Geschichten seiner Bücher. Die Welt Amados ist bahianisch – weniger im geographischen Sinn als in einem anthropologischen und kulturellen. Amado setzt die würdige und idealistische Armut in Szene. Die Leser*innen können Bahia quasi atmen, wenn der Autor die unterschiedlichsten Charaktere beschreibt.

Engagierter Kommunist

Jorge Amado studierte Rechtswissenschaft in Rio de Janeiro. Er schloss sich der Kommunistischen Partei PCB ( Partido Comunista Brasileiro) an, sein politisches Engagement ist vielen seiner Werke anzumerken. Trotz des unbestrittenen literarischen Wertes neigt Amados Universum in der ersten Schaffensphase, die bis 1958 reicht, etwas zu einer manichäischen Sicht der Welt: diese wird in gut und böse aufgeteilt, wobei die Reichen die Bösen sind und die Armen die Guten. Zugleich verfügt der Autor über eine ausgesprochen starke Vorstellungskraft, die er in Bilder umzusetzen weiß. Dies sollte auch für sein späteres Werk kennzeichnend bleiben.

1945 wurde Jorge Amado für den PCB als Abgeordneter gewählt. Auch seinem Engagement ist das Gesetz über die religiöse Freiheit in Brasilien zu verdanken. In Bahia hatte er selbst das Leiden jener miterlebt, die Kulten nachgingen, die aus Afrika stammten. Dies festigte seinen Entschluss, für die religiöse Freiheit zu kämpfen. Als Kommunist musste Amado mehrfach ins Exil gehen – nach Argentinien, nach Uruguay, er lebte aber auch in Paris und in Prag.

Mit „Gabriela“ zu Weltruhm

Den Zeitpunkt seiner Reifung als Schriftsteller können wir wohl mit dem Jahr 1958 datieren, in dem Jorge Amados bekanntestes Werk „Gabriela, cravo e canela” („Gabriela wie Zimt und Nelken“) erschien (unter anderem 1983 mit Marcello Mastroianni verfilmt).

Gabriela, die hinreißende Mulattin, erobert das Herz des syrisch-stämmigen Nacib. Amados Werk macht einen qualitativen Sprung. Es geht um Leiden und Kampf des einfachen brasilianischen Volkes, aber auch um seine Freude und Kreativität.

Würdigung des afrikanischen Erbes

In Amados Büchern begegnen uns ganz unterschiedliche Elemente, wie die Kakao-Fazenda, Höfe, auf denen dem Candomblé-Kult nachgegangen wird, die freie Mischung religiöser Glaubensüberzeugungen, die Armut auf den Straßen von Salvador, der verhüllte Rassismus der brasilianischen Gesellschaft. Dabei hebt Amado das afrikanische Erbe und das Prinzip der Durchmischung als positive Werte Brasiliens hervor. Er zeichnet in seinem Werk eine extrem positive Identität seines Volkes.

Amados Helden und Heldinnen sind keine disziplinierten Militärs oder aufgeputzte Adlige. Es sind Männer und Frauen von der Straße, eher unwahrscheinliche Protagonist*innen eines Landes, das er liebte, und an das er fest glaubte, voll Optimismus und Hoffnung. Vor den Augen der Leser*innen Jorge Amados tanzen da auf den Seiten der Schwarze, die Prostituierte, der Putzmann, die Straßenjungen und die unterschiedlichsten Frauen.

Verführung zum Lesen

In einem Land, in dem immer noch wenig gelesen wird, und das paradoxerweise über keine große Lese-Tradition verfügt, obwohl es große Schriftsteller*innen hervorgebracht hat, schrieb Amado in der Umgangssprache, volkstümlich. Sein literarisches Universum, voller Leben und bunt, bevölkert auch noch nach Jahrzehnten Herz, Geist und Vorstellungskraft der Leser*innen – nicht nur in Brasilien, sondern in den verschiedensten anderen Ländern.

Daher rufen wir ihm an seinem 100. Geburtstag zu: Sei gegrüßt, Jorge! Bleib auch weiterhin unsere Botschafter für die Welt da draußen und wecke in den vom Fortschritt Enterbten immer stärker die Lust aufs Lesen.

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