Indigene Hebammen kämpfen für reproduktive Rechte

von Louisa Reynolds

(Lima, 20. Mai 2010, noticias aliadas).- Indigene Hebammen betreuen schätzungsweise zwei Drittel der Geburten in Guatemala, und ihre Arbeit hat einen beachtlichen Anteil daran, dass die traditionelle Medizin der indigenen Völker mehr und mehr anerkannt wird. Sie haben eine Schlüsselposition im sich landesweit bildenden Koordinationsprozess zwischen traditionellen Gesundheitsnetzwerken und dem offiziellen Betreuungssystem. Gleichwohl fällt es dem westlichen Gesundheitssystem immer noch schwer, sich den althergebrachten und angesehenen Traditionen gegenüber zu öffnen.

Die 45jährige Juana Ajquejay Batz ist Hebamme in der Gemeinde von Patzicía, im Departement von Chimaltenango im zentralen Bergland von Guatemala gelegen, die bereits seit 15 Jahren Frauen dabei unterstützt, Kinder auf die Welt zu bringen. Sie meint, dass das Heim der geeignetste Ort sei, ein neues Familienmitglied zu empfangen, vorausgesetzt es treten dabei keine Komplikationen auf.

„Die Frauen ziehen es vor, in ihren eigenen Häusern zu gebären, denn hier können sie alles Nötige vorbereiten,“ spricht Ajquejay Batz aus Erfahrung. „Hier sind sie in Gesellschaft ihrer Mutter und ihres Ehemannes und haben ihre Kinder in der Nähe, was ihnen größere innere Ruhe bereitet.“

Persönliche Betreuung

Die Betreuung beginnt für Ajquejay Batz mit einer vorgeburtlichen Untersuchung, während der sie sowohl die Position und das Wachstum des Ungeborenen prüft als auch das Heim inspiziert. Sie gibt den zukünftigen Eltern Empfehlungen zu benötigten Räumlichkeiten und Hilfsmitteln für die Geburt. Dabei versucht sie, den Vater in diese Vorbereitungen und die Schwangerschaftskontrolle einzubeziehen und der Mutter Ernährungsratschläge zu geben.

Während der Geburt vermittelt sie der Gebärenden Sicherheit, Vertrauen und Gelassenheit, sie verabreicht ihr heißen Tee aus Kamille, Lavendel und Kümmel, der ihr hilft, sich warm und entspannt zu halten und es ihr erleichtert, mit mehr Kraft zu pressen.

Die Maya-Kultur betrachtet die Geburt als einen „kalten Prozess“ – das Neugeborene verlässt den warmen Körper der Mutter in eine kalte Umgebung. Um diese Kälte auszugleichen, werden ihr heiße Getränke gereicht, welche die werdende Mutter wohl und geborgen fühlen lassen.

Obwohl diese Elemente als bedeutsam für das Wohlsein der Frau während der Geburt eingeschätzt werden, setzen die Gesundheitszentren sie nicht um. Ein anderes Beispiel ist die Plazenta, die eine wichtige Rolle im Glaubenssystem der Maya spielt. Sie wird nach der Geburt verbrannt und muss später an einem geeigneten Ort beerdigt werden, um die Erholung der Mutter und die Gesundheit des Neugeborenen zu gewährleisten. Jedoch werden diese Praktiken vom Regelwerk des staatlichen Gesundheitssystems nicht akzeptiert.

Wenn während der Geburt eine Komplikation auftritt, ist das erste Problem für Ajquejay Batz, die Familien zu überzeugen, ein Gesundheitszentrum aufzusuchen. Wenn sie dieses dann erreichen, verbietet das dortige Personal der Hebamme, bei der Gebärenden zu bleiben.

Zu bekämpfende Widerstände

Für die Nationale Allianz Indigener Frauen für eine reproduktive Gesundheitsvorsorge (Alianza Nacional de Mujeres Indígenas para la Salud Reproductiva) und andere Maya-Organisationen ist der erste bedeutsame Schritt, der von den Gesundheitszentren gegangen werden muss, der Respekt vor dem Recht der Frauen auf eine Geburt in der von ihnen bevorzugten Position. Sie fordern die Gesundheitszentren auf, den Wert der traditionellen Geburtspraktiken der Maya anzuerkennen.

Diese Forderung besagter Organisationen ist die erste Aufgabe, welcher sich die Einheit der Gesundheit Indigener Völker und der Interkulturalität (Unidad de Salud de los Pueblos Indígenas e Interculturalidad) widmet. Diese Einrichtung wurde im November vergangenen Jahres geschaffen mit dem Ziel, die Regeln des staatlichen Gesundheitssystems zu überprüfen, um es Frauen zu ermöglichen, auf die von ihnen gewünschte Art und Weise zu gebären.

Währenddessen hat das Ministerium für Öffentliche Gesundheit und Soziale Fürsorge MSPAS (Ministerio de Salud Pública y Asistencia Social) damit begonnen, die Geburtssäle entsprechend umzurichten und ihr Personal in indigenen medizinischen Praktiken auszubilden.

Verschiedene Organisationen fordern, dass alle guatemaltekischen Frauen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben, die angemessen ausgerüstet sind und die unterschiedlichen Arten zu gebären unterstützen.

Organisationen wie die Nationale Allianz Indigener Frauen für eine reproduktive Gesundheit gestehen dem MSPAS zu, Fortschritte bei der Integration der beiden Gesundheitssysteme gemacht zu haben. Trotzdem wünschen sie für die Zukunft, dass ihre Expertise weitgehendst anerkannt und innerhalb der Geburtseinrichtungen des Landes auf allen Ebenen medizinischer Betreuung angewendet wird.

Die Organisation weist auf die kulturelle Bedeutung ihrer Arbeit hin. Dies erfordere vom Staat, ein System einzuführen, um Berufszugehörige zu registrieren und im Weiteren einen Etat für ihre Bezahlung aufzustellen. Nicht zuletzt sollte ein Erfahrungsaustausch und eine respektvolle Beziehung zwischen Anhängern der westlichen Medizin und jenen indigener Heilbehandlungen gefördert werden. Die Direktorin der Einheit der Gesundheit Indigener Völker und der Interkulturalität, Lourdes Xitumul stellt fest, dass Fortschritte erreicht wurden und dass Erste-Hilfe-Zentren und regionale Krankenhäuser traditionelle indigene Geburtspraktiken anwenden. in den Städten und speziellen Kliniken jedoch können Frauen immer noch nicht zwischen ihrer bevorzugten Art des Gebärens wählen.

In Guatemala sterben prozentual dreimal mehr indigene als nicht-indigene Frauen während ihrer Schwangerschaft oder der Geburt. Nach Aussage des MSPAS liegt die Todesrate für Erstgebärende bei 211 von 100.000 schwangeren Frauen, bei Zweitgebärenden bei 70 von 100.000. Dabei befinden sich die höchsten Sterberaten in den vorwiegend indigenen und ländlichen Gebieten im Norden, Nordwesten und Südwesten des Landes.

Die Müttersterblichkeit kann zwar nicht ganz verhindert werden, jedoch könnten sich die Risiken beträchtlich reduzieren, wenn ein angemessener Zugang zu Geburtshilfe insbesondere in Notfällen gewährleistet wäre. Eine der auftretenden Komplikationen während oder unmittelbar nach der Geburt ist zu hoher Blutverlust. Dieser kann jedoch nicht behandelt werden aufgrund fehlender Notfallzentren, des unzureichend ausgebauten Straßensystems, nicht existierender Blutspendebänke oder der für die Mehrheit der Familien unerschwinglichen Kosten, eine medizinische Versorgung bzw. einen Krankentransport in Anspruch zu nehmen.

Gleichwohl sind es nicht nur ökonomische Hindernisse, die indigene Frauen bewältigen müssen. Eine verbreitete Schwierigkeit für sie, Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen, besteht in der Sprachbarriere. Diese verursacht falsche Informationen, höhere Risiken und respektlose bis erniedrigende Behandlungen in den Zentren.

Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass einer der Hauptfaktoren für das erhöhte Risiko der Müttersterblichkeit indigner Frauen im Fehlen einer qualitativen und kulturell angemessenen Betreuung liegt. Dies hat dazu geführt, dass viele indigene Frauen es ablehnen, während ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt öffentliche Gesundheitseinrichtungen in Anspruch zu nehmen – auch wenn es ihnen das Leben retten könnte.

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