Gewalt auf San Salvadors Straßen beherrscht letzte Tage der Wahlkampagne

von Torge Löding, San José

(San José, 11. März 2009, voces nuestras).- Am Sonntag wählt El Salvador einen neuen Präsidenten. Die Wahlschlacht, die dann zu Ende geht, ist wohl die blutigste seit dem Ende des Bürgerkriegs 1992. Linke Kandidat*innen und deren Familienangehörige wurden von Todesschwadronen ermordet und die letzte Woche der Wahlkampagne endete mit Szenen einer Menschenjagd auf Unterstützer der Linkspartei Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMNL) im Zentrum der Hauptstadt San Salvador.

Die ultrarechte ARENA-Partei, die seit Kriegsende ununterbrochen regiert, versucht die drohende Wahlniederlage mit einer Angstkampagne zu verhindern. Viele Salvadoraner*innen fürchten zudem Wahlbetrug. Ob sich die Rechte aber auch an diesem Sonntag durchsetzen kann, ist sehr fraglich. Zu groß ist der Umfragenvorsprung des FMLN-Kandidaten Mauricio Funes, dem laut einer aktuellen Umfrage der Universität UCA fast 57 Prozent der Befragten ihre Stimme geben wollen. Der ehemalige Journalist Funes ist ein Vertreter des gemäßigten, sozialdemokratischen Flügels der Ex-Guerilla FMLN und setzte in seinem Wahlkampf auf sozialen Ausgleich und Privatisierungsstopp. Im sehr moderaten Wahlprogramm verspricht er öffentliche Investitionen in Bildung und Gesundheit sowie eine Linderung der Armut. Denn entgegen den offiziellen Zahlen, die von Wirtschaftswachstum und Armutsreduzierung sprechen, ist die soziale Schere in El Salvador in den beiden Jahrzehnten des Neoliberalismus so weit aufgegangen wie nie zuvor.

Trotz der Begrenztheit des FMLN-Programms elektrisiert die Vorstellung, dass es in Salvador erstmals einen linken Präsidenten geben könnte, zahllose Linke und Aktivist*innen der sozialen Bewegungen in Zentralamerika. Denn die ARENA-Partei und deren Strippenzieher in den Unternehmeretagen gelten als der stärkste ultrarechte Block der Region, der überall im rechten Lager Zentralamerikas großen Einfluss hat. „Es ist wie David gegen Goliath. Aber wir glauben, dass Wandel möglich ist. Dieses Mal werden wir gewinnen!“, sagte ein Radioreporter des alternativen Radionetzwerkes ARPAS; dieses wird mit seinen Korrespondent*innen am Sonntag überall im Land vertreten sein, um im Falle von Unregelmäßigkeiten oder Wahlbetrug die Öffentlichkeit darauf hinweisen zu können.

ARENA-Präsidentschaftskandidat ist der ehemalige Innenminister Rodrigo Ávila, dem Kontakte zu den Todesschwadronen nachgesagt werden. In einem Interview brüstete er sich damit, bereits Menschen erschossen zu haben und von Kindesbeinen an ein Waffennarr zu sein. Seinen Rivalen Funes bezeichnet er als Kommunisten, dessen Wahlsieg El Salvador in die Isolation führen und zur Ausweisung der salvadoranischen Arbeitsmigrant*innen aus den USA führen werde, deren monatliche Geldüberweisungen knapp ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes El Salvadors ausmachen. In seinem Programm steht er für Kontinuität und eine Politik der harten Hand. Laut UCA-Umfrage kann er mit 32,4 Prozent der Stimmen rechnen.

Vom Rückzug der Präsidentschaftskandidaten aller anderen größeren Parteien des Landes scheint unterdessen nicht nur der ARENA-Kandidat zu profitieren. Der Ex-Kandidat der konservativen Partei der nationalen Versöhnung (PCN), Tomás Chévez, widersetzte sich der eigenen Parteiführung, als er in der vergangenen Woche zur Wahl von Mauricio Funes aufrief. Auch einige Bürgermeister der Christdemokraten (PDC) widersetzten sich ihrem Vorstand und erklärten ihre Unterstützung für den moderaten Linken, genau wie eine Minderheitsfraktion der rechts-sozialdemokratischen demokratisch-revolutionären Front (FDR).

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