Geschlechtergleichstellung erst in 80 Jahren?

von Gabriela Ramirez

(Aguascalientes, 15. September 2015, Comunicar Igualdad/SEMlac).- Vom 9.–11. September fand in Aguascalientes, Mexiko, die 16. Internationale Konferenz zu geschlechtsspezifischen Statistiken statt. Dabei haben Vertreter*innen aus Lateinamerika ihr Bündnis für den Fortschritt von Frauen und Mädchen erneuert und sich verpflichtet, statistische Erhebungen zu verbessern, mit deren Hilfe ein Blick in die Zukunft geworfen werden kann. Die Konferenz wurde von der Nationalen Frauenbehörde Inmujeres, von UN Women, der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe), der Nationalen Statistikbehörde Mexikos INEGI (Instituto Nacional de Estadística y Geografía) und der Unterorganisation für Statistik der CEPAL organisiert.

An der Konferenz mit dem Thema “Statistische Herausforderungen bei der Umsetzung der Post-2015-Agenda” nahmen Expertinnen von statistischen Ämtern und Organisationen aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern teil, u.a. aus Kolumbien, Kuba, Chile, Uruguay, Paraguay, Guatemala, Honduras, El Salvador, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, Argentinien, Haiti, Ecuador und Brasilien.

Drei Tage lang tauschten sich Expertinnen und Experten darüber aus, wie die Länder die Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) umsetzen und an die Bedürfnisse, Prioritäten und Möglichkeiten in der Region anpassen können, in welcher Form die Daten zur Verfügung stehen und wie diese aufgeschlüsselt werden sollten. Weitere Themen waren der notwendige Aufbau von Kapazitäten und die Verbesserung von Methoden bei der Erstellung und Nutzung von Informationen; ebenso wie die Entwicklung von geschlechtsspezifischen Indikatoren, die mit Menschenrechten und dem Fortschritt von Mädchen und Frauen in Verbindung stehen.

Entwicklungsziele sollten ehrgeiziger formuliert werden

Die Direktorin des Regionalbüros für Amerika und die Karibik von UN Women, Luiza Carvalho, forderte, die SDGs müssten ehrgeiziger formuliert und das Erreichen der Ziele mittels aussagefähiger Daten überprüft werden. Dabei sollten die Daten nach verschiedenen Merkmalen wie Geschlecht, Ethnie, Alter, Behinderung und sozio-ökonomischen Status aufgeschlüsselt werden. Auf diese Weise sollte die ungleiche Verteilung von Reichtum, Ressourcen und die bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern aufgezeigt und eine Politik angestossen werden, die auf Nachweisen basiere und vermittelbar sei.

Harumi Shibata von der Abteilung Statistik der Vereinten Nationen vertrat auf der Konferenz die Ansicht, die Herausforderung bestehe darin, eine kleine Gruppe von messbaren, vergleichbaren, geeigneten und aussagekräftigen Indikatoren zu bilden; dies sei die einzige Strategie, die Wirklichkeit widerzuspiegeln und um die nachhaltigen Entwicklungsziele auf den Weg zu bringen.

Die Festlegung der SDG-Indikatoren obliegt einer interinstitutionellen Expert*innengruppe, die von der UN-Statistikkommission ins Leben gerufen wurde. 28 Länder sind daran mit ihren nationalen Statistikbehörden beteiligt. Bei dieser Konferenz wurden verschiedene Themen diskutiert, wie: Fortschritte und Herausforderungen bei der Bestimmung der Armut aus einer Genderperspektive; Statistiken über Zeitbudget und unbezahlte Arbeit; Beschäftigungszahlen und soziale Sicherheit; Zugang der Frauen zu finanziellen, produktiven und technischen Ressourcen; Daten zum Gesundheitssektor; nachhaltige Entwicklung aus der Genderperspektive, politische Partizipation von Frauen sowie Gewalt gegen Frauen.

Ohne Fortschritte gibt es auch in 80 Jahre noch keine Gleichgerechtigkeit

Carvalhó betonte, dass die Frauen nicht noch 80 Jahre auf die Gleichstellung warten könnten und dass es notwendig sei, diese Zeit auf 15 Jahre zu verringern. Dabei spielten Statistiken eine bedeutende Rolle, um die Ungleichheiten, die Diskriminierung und die Gewalt zu belegen und um eine geeignete öffentliche Politik zur Erlangung der Geschlechtergleichstellung zu entwickeln. Sie wies darauf hin, dass Lateinamerika eine der innovativsten Regionen sei, die am meisten Fortschritte bei der Erstellung von Gender-Statistiken gemacht habe. Als Beispiel nannte sie die Umfragen zum Zeitmanagement und die verschiedenen Messungen zu Armut und Gewalt.

Bei dieser Konferenz tauschten die Expertinnen Methodologien und Daten-Analysemethoden aus und schlugen für manche Bereiche einen Paradigmenwechsel und einen Wechsel bei der Art der Messungen vor. Dieser Wechsel wurde etwa für den Pflegebereich gefordert. Nancy Folbre, emeritierte Wirtschaftsprofessorin der Universität von Massachusetts forderte, dass bei der Pflege nicht nur die aktive Tätigkeit gemessen werden solle, sondern auch die Verantwortung, da bis jetzt Zeiten, bei denen man aufpasse oder „einfach verfügbar sei“, nicht mit einbezogen werden.

Ein weiteres Thema war, dass der Zugang von Frauen zu Verantwortungsbereichen auf lokaler Ebene aufmerksamer begleitet werden solle. Flavia Tello, spanische Gleichstellungsbeauftragte der Iberoamerikanischen Organisation zur Beratung von Städten und Gemeinden UIM (Unión Iberoamericana de Municipalistas), wies darauf hin, dass die Gemeindearbeit eine Schule für Demokratie sei und die Notwendigkeit bestehe, Hemmnisse zu analysieren, auf die Frauen beim Zugang zu öffentlichen Ämtern auf lokaler Ebene stoßen; dazu gehören die geschlechtsspezifische Aufteilung der Arbeit, Mutterschaft und politische Gewalt. Die Expertinnen stimmten überein, dass es notwendig sei, Parameter zu entwickeln, mit denen man in Zukunft die statistischen Daten zu Wirtschaft, Gesundheit, Bildung und Gewalt in ganz Lateinamerika miteinander vergleichen könne. Eduardo Sojo, Direktor des statistischen Bundesamtes in Mexiko INEGI, betonte die Verpflichtung seiner Behörde, die Kooperation im Bereich von Entwicklung und Analyse der statistischen Daten mit den Ländern dieser Region zu stärken, besonders mit den karibischen Ländern.

Die Konferenz, die auch bei der INEGI stattgefunden hat, findet schon seit 16 Jahren statt und dient auch dem gegenseitigen Zuhören, dem Teilen von Kenntnissen und Fortschritten, dem Erkennen von anstehenden Aufgaben und auch dem Aufdecken von Misserfolgen. Wenn die Frauen mit genauen Zahlen aufgeführt werden, so dient dies der öffentlichen Politik.

Zum Schluss erklärte Marcela Eternod, Generalsekretärin der Nationalen Frauenbehörde, der Fortschritt der Gesellschaft könne nur erreicht werden, wenn man anerkenne, dass Frauen und Männer gleiche Rechte und gleiche Fähigkeiten haben; sie betonte, dass die Definition der Indikatoren der SDGs eine große Chance sei, um die Informationslücken in Lateinamerika und der Karibik schneller zu schließen.

 

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