Genmücken auf dem Vormarsch

von Andreas Behn

(Berlin, 31. Juli 2014, taz).- Aedes Aegypti ist eine fiese Mücke. Wenn sie einmal eine mit dem Denguefeber infizierte Person gestochen hat, überträgt sie die manchmal tödliche Tropenkrankheit beim nächsten Blutsaugen. Bloß die weiblichen Insekten sind dazu in der Lage, die männlichen dienen eigentlich nur der Fortpflanzung.

Auf diese haben es die Forscher*innen abgesehen und entwickelten eine ebenfalls gemeine Methode, um die Fortpflanzung zu einem kümmerlichen Akt zu machen: Ihnen wird ein Gen eingepflanzt, dass sie zwar nicht steril macht, aber mittels eines artfremden Proteins dazu führt, dass sich die Nachkommen nicht voll entwickeln und bei den ersten Flugversuchen verenden. Obwohl ein weiteres Fremdgen die Gentech-Mücken für Wissenschaftler*innen kenntlich macht, können die Weibchen die echten und falschen Stammbaumhalter nicht unterscheiden. Mangels überlebensfähiger Nachkommen soll so die ganze Population aussterben.

Massenhafte Mückenproduktion

In Brasilien, dem von Dengue am stärksten betroffen Land, nimmt die Ausrottung industrielle Ausmaße an. Das britische Pharmaunternehmen Oxitec hat Ende Juli in Campinas nahe der Millionenstadt São Paulo ein erstes Werk zur Mückenproduktion eingeweiht. Bis zu zwei Millionen Mücken können dort jede Woche hergestellt werden, natürlich nur männliche, die stichligen Weibchen werden aussortiert.

Eine Genehmigung für den kommerziellen Einsatz der Genmücke gibt es noch nicht. Die Gesundheitsbehörde Anvisa prüft den Antrag der Firma, die gemeinsam mit der brasilianischen Moscamed auf ein florierendes Geschäft hofft. Gut eine Million Euro muss eine Stadt mit 50.000 Einwohner*innen im ersten Jahr dafür zahlen, dass die Oxitec-Mücken ihr Werk verrichten. In den Folgejahren sänken die Kosten auf ein Drittel, sagt Oxitec-Sprecher Glenn Slade voraus.

Städte sollen für Mückenvernichtung zahlen

Die Nationale Kommission für Biosicherheit CTNBio hat dem Einsatz der umstrittenen Genmücke bereits Anfang April ihr Plazet gegeben. Die Kommission gilt als industrienah und wird von Lobbyist*innen der Gentech-Unternehmen wie Monsanto und Bayer kontrolliert. Sie ist dafür verantwortlich, dass genetisch verändertes Soja, Mais und andere Nutzpflanzen inzwischen die brasilianische Landwirtschaft dominieren, ähnlich wie in Paraguay und Argentinien, wo sich die Gentech-Konzerne schon früher angesiedelt hatten.

Obwohl Anvisa kritischer ist und bürokratische Verzögerungen möglich sind, dürfte auch diese Behörde bald grünen Licht geben. Das Gesundheitsministerium ist von der Wirksamkeit der Methode überzeugt, seitdem erste Freilandversuche im Jahr 2011 im Bundesstaat Bahia gezeigt haben, dass die Zahl der Dengue-Mücken durch den Gentech-Einsatz um rund 80 Prozent verringert wurde.

Das Tropenfieber ist ein großen Problem in Brasilien: Nach Angaben des Gesundheitsministerium gab es im ersten Halbjahr 2014 rund 660.000 Dengue-Erkrankungen. 249 Menschen überlebten die Virus-Infektion nicht. Weltweit beziffert die WHO die Zahl der jährlichen Ansteckungen auf bis zu 100 Millionen. Dengue führt zu hohem Fieber und starken Kopf- und Gliederschmerzen. Insbesondere bei einer zweiten Ansteckung drohen innere Blutungen, die tödlich verlaufen können.

Warnung vor unbekannten Folgen

Für die Kritiker*innen der Gentechnik ist die Eröffnung der Mückenfabrik, deren Produkt noch nicht einmal genehmigt ist, ein Skandal. Zahlreiche Wissenschaftler*innen warnen bei dem Einsatz der genetisch veränderten Insekten vor unbekannten und unerwünschten Folgen. Die weitere Entwicklung der verkümmerten Nachkommen sei nicht ausreichend untersucht worden. Zudem könne die Genmanipulation andere Pflanzen und Tiere beeinflussen sowie ungehindert auf andere Länder des Kontinents übergreifen.

Gentech-kritische NGOs weisen darauf hin, dass die Ergebnisse der Freilandtests unvollständig und alles andere als hinreichend für eine Genehmigung der Methode sind. Die jüngste Entwicklung scheint ihnen Recht zu geben: In Jacobina, wo eine deutliche Dezimierung der Dengue-Mücken durch die Freilandversuche festgestellt worden war, wurde im Februar der Ausnahmezustand wegen „anormal hohem Aufkommen von Dengue-Fällen“ ausgerufen.

Forscher befürchten, dass unter bestimmten Umständen die Verringerung der Mückenzahl durchaus auch mit einer steigenden Zahl von Übertragungen einher gehen kann. „Ohne ausreichende Beweise für die Wirksamkeit der Gentech-Mücken darf dieses Verfahren auf keinen Fall genehmigt werden,“ erklärte Gabriel Fernandes von der Organisation AS-PTA in Rio de Janeiro.

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