Funes laut Umfragen beliebt – Die Bilanz der ersten 100 Tage Linksregierung ist mager

von Torge Löding

(San José, 10. September 2009, voces nuestras).- In drei Monaten hat sich etwas bewegt: Die Regierung Funes schaffte die Krankenhausgebühr ab, startete ein Programm zur Armutsbekämpfung und führte eine Notrente für Bedürftige ab 55 Jahren in Höhe von 55 US–Dollar ein. Die historisch erste Linksregierung in El Salvador bekommt nach 100 Tagen im Amt deshalb so gute Noten wie keine ihrer konservativen Vorgänger. Laut einer Studie der technischen Universität UTEC (Universidad Tecnológica de El Salvador) äußerten sich 83,8 Prozent der Befragten positiv zu Funes Amtsführung und in einer Erhebung der Zentralamerikanischen Universität El Salvador UCA (Universidad Centroamericana) erhält der Präsident auf einer Skala von eins bis zehn die Durchschnittsnote 7,16. „Das sind assistentialistische Maßnahmen, aber sie lassen das Volk aufatmen. Funes steht auf Seiten der Armen!“, sagte Maria Silvia Guillen, Geschäftsführerin der Menschenrechtsorganisation FESPAD (Fundación de Estudios para la Applicación del Derecho).

Wie die große Mehrheit der Salvadorianer*innen, begrüßt Guillen die Einrichtung des Komitees der sozialen Ökonomie, in dem auch Vertreter*innen der sozialen Bewegungen, neben Unternehmer*innen, die Regierung bei der Umsetzung ihrer Politik beraten sollen. „Noch nie wurde das Volk so sehr in Entscheidungen einbezogen wie heute“, konstatiert sie. Gut schneidet in den Umfragen auch die linke Regierungspartei FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) ab – die Mehrheit der Befragten bezeichnet sich selbst als „links“ und gibt der ultrarechten ARENA–Partei (Alianza Republicana Nacionalista), die zwei Jahrzehnte regierte, den Laufpass.

Die Bilanz der ersten 100 Tage Amtszeit nannte Präsident Mauricio Funes höchstselbst eine Unsitte: „Das ist doch niemals genügend Zeit, um eine Regierung zu katalogisieren, um einen kompletten Regierungsplan in Marsch zu setzen“, sagte er der Zeitung „Contrapunto“.

Drohend hat sich unterdessen der Schatten des Militärputsches im Nachbarland Honduras über das Land gezogen. Am Tag nach Manuel Zelayas gewaltsamer Entführung aus dem Präsidentenpalast drohte der Fraktionsvorsitzende der ARENA–Partei Präsident Mauricio Funes am Telefon: Sollte er sich zu weit vorwagen, drohe ihm das gleiche Schicksal, so die Botschaft. „Wir lassen uns nicht einschüchtern, aber ich unterstütze die besonnene Politik des Präsidenten, der jetzt nicht frontal heikle Themen anpackt“, sagte Maria Silvia Guillen. Dazu gehören die Annäherung an das progressive Staatenbündnis ALBA (Alternativa Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América) und das Amnestiegesetz, welches seit 1993 in El Salvador die Verfolgung der Bürgerkriegsverbrechen und der von Militärs begangenen Massaker verhindert. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Kuba setzte Funes indes um.

„Ich bin enttäuscht. Eine Revolution kann man nicht in 100 Tagen machen, aber Funes ist ein unsichtbarer Präsident“, sagte Hector Vides. Der ehemalige Direktor von El Salvadors alternativem Radionetzwerk ARPAS (Asociacion de radios y programas participativos de el salvador) – das zurückgeht auf Radio Venceremos und die anderen Widerstandssender der FMLN zu Zeiten des Bürgerkrieges – arbeitet heute als Softwarespezialist in Costa Rica. „Während des Wahlkampfes war Funes omnipräsent und meisterte die Neuen Medien. Aber wenn ich heute die Regierungswebsites anklicke, dann sind da immer noch die alten Informationen aus der Zeit vor seiner Amtsübernahme. Funes könnte punkten mit der Einführung von freier Software im öffentlichen Dienst oder mit Initiativen zur Förderung alternativer Medien. Aber er vertut diese Chancen einfach“, so Vides. Enttäuschung macht sich auch unter Umweltschützer*innen breit, weil der Staatschef das umstrittene Staudammprojekt Chaparral nicht stoppe und nicht einmal eine Ausgleichsmaßnahme vorschlage.

Ein drängendes Problem bleibt in El Salvador indes die Bandenkriminalität. Die Mordrate stieg auch im ersten Halbjahr 2009 weiter an. Für Entsetzen sorgte die Ermordung des linken französischen Filmemachers und Fotografen Christian Poveda Anfang September. Poveda berichtete während des Bürgerkrieges als Korrespondent aus El Salvador. Zu Jahresbeginn sorgte sein Dokumentarfilm über Straßenbanden „La Vida Loca“ für Wirbel. Offenbar wurde er von einem Mitglied der Bande die er gefilmt hatte, ermordet.

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